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WEG – Schwimmbadschließung nur per Vereinbarung

AG Wiesbaden – Az.: 92 C 2254/19 – Urteil vom 23.10.2020

An Stelle der Wohnungseigentümer beschließt das Gericht, dass ein Fachingenieurbüro, welches durch Beschlussfassung der Eigentümerversammlung noch zu bestimmen ist, mit den Leistungsphasen 1-3 der HOAI (Grundlagenermittlung bis Planungskonzeption mit Kosteneinschätzung) durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt wird für die Ermittlung sämtlicher Maßnahmen, die zur Wiederinbetriebnahme des Schwimmbades im Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage notwendig sind. Die Finanzierung der Kosten des Ingenieurbüros ist ebenfalls durch Beschluss der Eigentümerversammlung festzulegen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

WEG - Schwimmbadschließung nur per Vereinbarung
(Symbolfoto: Bohbeh/Shutterstock.com)

Die Kläger und die Beklagten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Kläger sind Eigentümer eines 34,44/1.000tel Miteigentumsanteils verbunden mit der Wohnung Nr. 4. Die Kläger haben zwischenzeitlich eine Stiftung gegründet, in deren Vermögen auch die Eigentumswohnung übergehen soll. Eine Übertragung des Eigentums auf die Stiftung ist jedoch noch nicht erfolgt. Die Beigeladene ist die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Zu der Wohnungseigentumsanlage gehört ein Schwimmbad. Dieses ist seit dem Jahre 2012 stillgelegt. In den Jahren 2013 bis 2016 war die Sanierung des Schwimmbades mehrfach Gegenstand von Wohnungseigentümerversammlungen. Einzelne Arbeiten wurden auch durchgeführt, so sind die Arbeiten „Rohbau“ des Schwimmbades abgeschlossen. Im Jahre 2017 stand das Schwimmbad nicht auf der Tagesordnung der Eigentümerversammlung und im Jahre 2018 wurde ein Beschluss über den Ausbau des Schwimmbades auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. In der Eigentümerversammlung am 28.05.2019 stand die Schwimmbadproblematik unter TOP 8 wieder auf der Tagesordnung. Der Antrag, die Verwaltung zu beauftragen ein Fachingenieurbüro mit den Leistungsphasen 1 – 3 (Grundlagenermittlung und Planungskonzeption) zu beauftragen wurde mehrheitlich abgelehnt. Wegen des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf das Versammlungsprotokoll (Blatt 51 ff. der Akte) Bezug genommen.

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger den Negativbeschluss angefochten, verbunden mit einem Beschlussersetzungsantrag, der in mehreren Stufen geltend gemacht wird. Die Kläger behaupten, eine vollständige Sanierung des Schwimmbads sei für 200.000,00 Euro möglich, sie sind der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Schwimmbades besitzen. Sie sind daher der Auffassung, die Ablehnung ihres Antrags wiederspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Kläger beantragen,

I. Der Negativbeschluss der Eigentümerversammlung vom 28.5.2019 zu TOP 8 mit folgendem Wortlaut wird für ungültig erklärt.

II. Die Verwaltung wird ermächtigt und beauftragt, ein Fachingenieurbüro mit den Leistungsphasen 1-3 (Grundlagenermittlung bis Planungskonzeption) zu beauftragen. Die Kosten des Ingenieurbüros für die genannten Leistungsphasen liegen bei ca. Euro 25.000,00. Die Vergabe des Auftrags an ein Fachingenieurbüro erfolgte in Absprache mit dem Beirat. Die Finanzierung erfolgt über eine Sonderumlage, die mit Anforderung durch den Verwalter zur Zahlung fällig ist. Der Finanzierungsbeitrag jedes Sondereigentümers richtet sich nach den Miteigentumsanteilen. Die Sonderumlagen werden eingezogen, sofern eine Einzugsermächtigung vorliegt.

III. Stufenklage:

1.Stufe:

Es ist beschlossen, dass ein Fachingenieurbüro, welches durch Beschlussfassung der Eigentümerversammlung noch zu bestimmen ist, mit den Leistungsphasen 1-3 der HOAI (Grundlagenermittlung bis Planungskonzeption mit Kosteneinschätzung) durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt wird für die Ermittlung sämtlicher Maßnahmen, die zur Wiederinbetriebnahme des Schwimmbades im Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage notwendig sind.

Die Finanzierung der Kosten des Ingenieurbüros sind ebenfalls durch Beschluss der Eigentümerversammlung festzulegen.

ggf. 2.Stufe:

Es ist beschlossen, dass das Fachingenieurbüro gem. Ziff. 1 mit der Planung und Ausschreibung aller Maßnahme zur Wiederinbetriebnahme des Schwimmbades im Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage einschließlich der notwendigen Angebotseinholung von Angeboten von Fachfirmen zur Ausführung aller notwendigen Arbeiten zur Wiederinbetriebnahme des Schwimmbades im Gemeinschaftseigentum der Wohnanlage beauftragt ist.

Über die Finanzierung der Kosten für das Ingenieurbüro für diese Arbeiten entscheidet die Eigentümerversammlung durch Mehrheitsbeschluss.

ggf. weitere 3.Stufe:

Es ist beschlossen, dass die Arbeiten zur Wiederherstellung des Schwimmbades im Gemeinschaftseigentum entsprechend den Ausschreibungsergebnissen durch das Fachingenieurbüro nach billigem gerichtlichen Ermessen gem. § 21 Abs. 8 WEG vergeben werden, wobei das Gericht auch nach billigem Ermessen gem. § 21 Abs. 8 WEG die Finanzierung der Arbeiten durch Beschlussersetzung anordnet.

Hilfsweise wird jede andere Festlegung von Maßnahmen durch das Gericht zur Wiederinbetriebnahme des Schwimmbades gem. § 21 Abs. 8 WEG beantragt.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten stellen nicht in Abrede, dass das Schwimmbad saniert werden muss. Sie sind jedoch der Auffassung, aufgrund der Vielzahl von erforderlichen Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Anwesen sei eine Schwimmbadsanierung in der momentanen Situation nicht durchführbar, da es andere, dringendere Maßnahmen zu erledigen gebe und die Schwimmbadsanierung Kosten von 700.000,00 Euro verursachen werde. Daher habe man die Schwimmbadsanierung zu Recht zurückgestellt. Im Übrigen rügen sie die Aktivlegitimation.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwalterin wurde beigeladen (§ 48 Abs. 1 S. 2 WEG). Die Kläger haben der Beigeladenen den Streit verkündet. Die Beigeladene ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Gründe

Die Klage ist nur teilweise zulässig.

Das Amtsgericht Wiesbaden ist gemäß § 43 Nr. 4 WEG ausschließlich zuständig.

Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).

Soweit die Kläger als Beschlussersetzungsklage verschiedene Planungsstufen im Wege der Stufenklage geltend machen, ist die Klage hinsichtlich der weiteren Stufen unzulässig.

Hinsichtlich der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums steht den Wohnungseigentümern das alleinige Selbstorganisationsrecht zu (s. Hügel/Elzer „WEG“ 2. Aufl. München 2018 § 21 Rdnr. 46 m.w.Nachw.). Daher muss ein Wohnungseigentümer, der eine bestimmte Maßnahme begehrt, grundsätzlich zunächst versuchen, in der Eigentümerversammlung einen entsprechenden Beschluss zu erreichen (s. Hügel/Elzer a.a.O. vor § 43 ff Rdnr. 6 f). Würde nun das Gericht – wie von den Klägern beantragt – im Wege der Stufenklage entscheiden, so würde eine umfangreiche Sanierungsmaßnahme abgeschlossen ohne die Wohnungseigentümer noch ein einziges Mal mit der Materie zu befassen. Dies wäre ein gravierender Eingriff in das Selbstorganisationsrecht der Wohnungseigentümer. Die erforderliche Vorbefassung der Wohnungseigentümer liegt somit nur hinsichtlich der ersten Stufe vor, da dieser Antrag Gegenstand der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung war.

Somit ist die Klage nur hinsichtlich der Anfechtung des Negativbeschlusses und der ersten Stufe der Beschlussersetzungsklage zulässig.

Die Klage ist – soweit sie zulässig ist – teilweise begründet.

Der Beschlussersetzungsantrag ist ein seiner ersten Stufe begründet, die Anfechtung des Negativbeschlusses ist dagegen unbegründet.

Die Kläger sind für das vorliegende Verfahren aktivlegitimiert.

Zwar haben die Kläger unstreitig zwischenzeitlich eine Stiftung gegründet, die streitgegenständliche Wohnung wurde jedoch (noch) nicht Teil des Stiftungsvermögens. Das Stiftungsvermögen geht nicht automatisch auf die Stiftung über. Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit erwirbt die Stiftung lediglich einen Anspruch gegen den Stifter auf Übertragung des zugesicherten Vermögens. Der Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände erfordert entsprechende Übertragungsakte (s. Palandt „BGB“ 77. Aufl. München 2018 § 82 Rdnr. 1); im Falle einer Eigentumswohnung also Einigung und Eintragung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB). Die Eintragung im Grundbuch ist noch nicht erfolgt. Die Kläger sind als Eigentümer der Wohnung eingetragen.

Die Kläger besitzen gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern einen Anspruch auf Sanierung des Schwimmbads (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG).

Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt (§ 13 Abs. 2 WEG). Die Wohnungseigentümer können zwar den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums durch Beschluss (§ 15 Abs. 2 WEG) reglementieren, indem sie den Mitgebrauch konkretisieren, erweitern oder (teilweise) einschränken, die Wohnungseigentümer können jedoch nicht beschließen, gemeinschaftliches Eigentum gar nicht mehr zu gebrauchen; eine solcher totaler Gebrauchsentzug – und sei er auch nur faktisch durch Nicht-Reparatur – kann nur vereinbart, aber nicht beschlossen werden (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 15 Rdnr. 6 m.w.Nachw.).

Somit muss das Schwimmbad saniert werden auch wenn die Sanierung – wie von den Beklagten behauptet – Kosten von 700.000,00 Euro verursachen würde.

Wann eine solche Sanierung durchgeführt wird, steht im Ermessen der Wohnungseigentümer. Daher ist es – worauf die Beklagten zu Recht hinweisen – nicht zu beanstanden, wenn Wohnungseigentümer eine solche Sanierungsmaßnahme im Hinblick auf andere, dringendere Maßnahmen zurückstellen. Die Beklagten verkennen jedoch, dass mit dem vorliegenden Antrag gar nicht die Durchführung der Sanierung, sondern zunächst lediglich eine Kostenermittlung durch einen Fachmann begehrt wird. Eine solche Kostenermittlung können die Wohnungseigentümer nicht verweigern. Gerade wenn verschiedene Sanierungsmaßnahmen anstehen und die Wohnungseigentümer gezwungen sind, zu priorisieren, ist es für die Wohnungseigentümer wichtig zu wissen, welche Kosten durch eine Sanierungsmaßnahme auf sie zukommen. Nur wenn sie diese Kosten kennen, können sie ermessenfehlerfrei entscheiden, in welcher Reihenfolge mehrere anstehende Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen.

Dennoch hat die Anfechtung des Negativbeschlusses keinen Erfolg.

In der Eigentümerversammlung stand zur Abstimmung, dass „die Vergabe des Auftrags an ein Fachingenieurbüro in Absprache mit dem Beirat erfolgen solle“. Da somit kein konkretes Ingenieurbüro benannt war, ist war dieser Beschlussantrag so zu verstehen, dass die Vergabe des Auftrags an den Verwalter und den Beirat delegiert werden sollte. Dies wäre nicht zulässig. Die Entscheidung über das „ob“ und das „wie“ von Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung obliegt allein den Wohnungseigentümern (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Auf den Verwalter oder den Verwaltungsbeirat kann diese Entscheidungskompetenz grundsätzlich nur durch Vereinbarung übertragen werden (s. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten „WEG“ 11. Aufl. Bonn 2015 § 21 Rdnr. 69).

Dabei ist es unbeachtlich, ob die Kläger oder der Verwalter den Beschlussantrag in der Eigentümerversammlung formuliert hatte, entscheidend ist, dass der zur Abstimmung gestellte Antrag – aus den dargelegten Gründen – nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, so dass die Wohnungseigentümer diesen konkreten Beschlussantrag in der Eigentümerversammlung zu Recht abgelehnt haben.

Somit ist die Anfechtung des Negativbeschlusses unbegründet, der Beschlussersetzungsantrag in seiner ersten Stufe dagegen begründet.

Da die Beklagten nur geringfügig unterliegen, waren die gesamten Kosten des Rechtsstreits den Klägern aufzuerlegen (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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