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WEG: Sondernutzungsrecht an Dachterrasse

AG Dortmund, Az.: 513 C 40/15, Urteil vom 15.09.2016

Es wird festgestellt, dass dem jeweiligen Eigentümer der Wohneinheit Nr. 3 des Aufteilungsplanes innerhalb der WEG O. 4, 44287 Dortmund, das alleinige Nutzungsrecht an der Terrasse im rückwärtigen Bereich des Hauses zusteht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 3.600 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt gegenüber dem Beklagten die Feststellung, dass dem jeweiligen Eigentümer seiner Wohneinheit ein alleiniges Nutzungsrecht an einer Terrasse, die sich an seine Wohnung anschließt, zusteht.

Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Märker Höhe 4 in Dortmund. Der Kläger ist Wohnungseigentümer der Wohneinheit Nr. …. Der Beklagte ist gemeinsam mit seinem Bruder zu hälftigen Miteigentumsanteilen Eigentümer der Wohneinheit Nr. …. An die Wohneinheit Nr. … schließt sich eine umfriedete Fläche an, die auf einem Teil des zur Wohneinheit Nr. .. gehörenden Bauteils liegt. Die Fläche ist mit einer Brüstung umfriedet und mit Platten belegt. Sie kann alleine über die Wohneinheit Nr. …, nämlich über zwei Fenstertüren erreicht werden.

In der Teilungserklärung vom 16. Februar 1988 wurde hinsichtlich einzelner Gartenbereiche bestimmten Wohnungseigentumseinheiten das Sondernutzungsrecht zugeordnet. Weiterhin bestimmte die Teilungserklärung, dass zum Sondereigentum der einzelnen Wohneinheiten auch die daran angrenzenden Balkone und Loggien gehören. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Teilungserklärung nimmt das Gericht Bezug auf Bl. 7-27 der Gerichtsakte.

Der Kläger beabsichtigte, die Wohneinheiten Nr. … zu veräußern. Gegenüber dem beauftragten Makler erklärte der Beklagte, dass er auch gegenüber zukünftigen Erwerbern ein Sondernutzungsrecht an der Terrasse nicht akzeptieren werde.

WEG: Sondernutzungsrecht an Dachterrasse
Foto: stasia04/Bigstock

Der Kläger behauptet, dass nach dem Willen des damals teilenden Eigentümers auch an der Terrasse/Dachfläche ein Sondernutzungsrecht bestehen sollte. Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Sondernutzungsrecht an der Terrassenfläche zustehe.

Der Kläger beantragt, festzustellen, dass dem jeweiligen Eigentümer der Wohneinheit Nr. … des Aufteilungsplanes innerhalb der WEG……………., das alleinige Nutzungsrecht an der Terrasse im rückwärtigen Bereich des Hauses zusteht.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, dass der damals teilende Eigentümer bewusst kein Sondernutzungsrecht für die Terrasse eingetragen habe, da er früher selbst die unterhalb der Terrasse liegende Wohneinheit Nr. 7 genutzt habe und es habe verhindern wollen, dass Bewohner der Wohneinheit Nr. 3 in den zur Wohneinheit Nr. 7 gehörenden Garten einsehen können. Weiterhin ist der Beklagte der Ansicht, dass das Amtsgericht Dortmund sachlich unzuständig sei, für eine Klage gegen den Beklagten kein Feststellungsinteresse bestehe, da der Verband als Ausübender gemeinschaftsbezogener Rechte und Pflichten verklagt werden müsste und kein Sondernutzungsrecht bestehe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht ergänzend Bezug auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Amtsgericht ist zunächst sachlich zuständig. Diese ergibt sich aus § 43 Nr. 1 WEG i.V.m. § 23 Nr. 2 c) GVG. Vorliegend handelt es sich um einen Binnenrechtsstreitigkeit nach § 43 Nr. 1 WEG. Dabei handelt es sich um Streitigkeiten über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander. Hier streiten die Parteien als Wohnungseigentümer über die sich aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten, da sie um das Bestehen eines alleinigen Nutzungsrechtes bzw. Sondernutzungsrechtes an der Dachterrasse streiten (Reichel-Scherer in: Herberger/Martinek/Rüssmann u.a., juris-PK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 43 Rn. 26; Suilmann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 4. Aufl. 2015, § 43 Rn. 15; Klein in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 12. Aufl. 2013, § 43 Rn. 34 jeweils mit weiteren Nachweisen). Dem steht auch nicht entgegen, dass im Laufe des Rechtsstreits der Kläger die Rechtsansicht geäußert hat, Sondereigentümer der Dachterrassenfläche zu sein. Zwar sind sachenrechtliche Streitigkeiten der Wohnungseigentümer, die den Ersten Abschnitt des Teil I (§§ 1-9) des WEG betreffen, keine unter § 43 Nr. 1 WEG fallenden Binnenrechtsstreitigkeiten, sondern eine den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen unterfallende allgemeine Zivilstreitigkeit (Niedenführ a.a.O. § 43 Rn. 56), doch handelt es sich vorliegend nicht um eine solche Streitigkeit über die Zuweisung einer bestimmten Fläche zum Sonder- oder Gemeinschaftseigentum. Denn aus dem Klageantrag des Klägers ergibt sich eindeutig, dass dieser nicht die eigentumsrechtliche Einordnung der Dachterrassenfläche begehrt, sondern alleine eine Entscheidung darüber, ob ihm ein alleiniges Nutzungsrecht daran zusteht. Insoweit ist die Frage, ob es sich bei der Dachterrassenfläche um Sondereigentum handelt, lediglich eine Vorfrage, die es – wie die Begründetheitsprüfung noch zeigen wird – zu beantworten gilt, um die Frage des Nutzungsrechtes abschließend zu beantworten. Wenn jedoch die eigentumsrechtliche Einordnung eine Vorfrage darstellt, schließt dies die Einordnung des Rechtsstreits unter § 43 Nr. 1 WEG nicht aus (Niedenführ a.a.O., § 43 Rn. 56).

Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Klage ausschließlich gegen den Beklagten und nicht entgegen den Verband gerichtet hat. Zwar ist im vorliegenden Fall § 10 Abs. 6 S. 3 WEG, wonach die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer und die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer ausübt bzw. wahrnimmt, einschlägig, doch stellt § 10 Abs. 6 S. 3 WEG einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft dar. Die Rechtsinhaberschaft selbst liegt weiterhin bei dem einzelnen Eigentümer, so dass, solange nicht auch der Verband verklagt wird, eine Klage auch gegen einen einzelnen Eigentümer gerichtet werden kann. In der von dem Beklagten zitierten Gerichtsentscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Urteil vom 10. Juni 2009, NZM 2009, 789) wurde von Seiten des Gerichts ein Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage gegen den einzelnen Eigentümer deswegen verneint, da die Klage auch gegen den Verband gerichtet worden ist. In diesem Fall verdrängt die Klage gegen den Verband das Feststellungsinteresse gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern. Der Fall hier liegt jedoch anders, da der Verband nicht verklagt wird.

Vorliegend sind auch nicht die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 WEG beizuladen gewesen. Danach sind die übrigen Wohnungseigentümer beizuladen, wenn sich die Klage eines Wohnungseigentümers nur gegen einen oder einzelne Wohnungseigentümer richtet und der Kläger in dem Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 1 oder Nr. 3 WEG einen ihm allein zustehenden Anspruch geltend macht. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, da der Kläger in diesem Rechtsstreit keinen Anspruch geltend macht. Nach § 194 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch ein Recht, von jemand anderem ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Dies bedeutet, dass ein Anspruch nur dann geltend gemacht wird, wenn auch ein Tun oder Unterlassen verlangt wird. Dieses Ziel verfolgt der Kläger jedoch gerade nicht. Vielmehr verlangt er kein Handeln oder Unterlassen, sondern lediglich die Feststellung, dass ihm ein bestimmtes Recht zusteht.

Für den Kläger besteht auch ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO. Dieses ergibt sich daraus, dass der Beklagte in der Vergangenheit dem Kläger ein alleiniges Nutzungsrecht an der Dachterrassenfläche streitig gemacht hat. Das Interesse des Klägers ergibt sich daher daraus, Rechtsklarheit hinsichtlich des Nutzungsrechtes an der Dachterrassenfläche zu schaffen.

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht ein alleiniges Nutzungsrecht bzw. Sondernutzungsrecht an der streitgegenständlichen Dachterrassenfläche zu.

Ein Sondernutzungsrecht, was die einem oder einigen Wohnungseigentümern eingeräumte Befugnis, einen Teil des Gemeinschaftseigentums allein nutzen zu dürfen und die übrigen Wohnungseigentümer von der Nutzung ausschließen zu können, bezeichnet (Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Aufl. 2015, Rn. 29), kann auf verschiedene Weisen begründet werden. Neben der ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung eines Sondernutzungsrechtes (vgl. Kümmel a.a.O., § 13 Rn. 35,36), kann sich ein Sondernutzungsrecht auch aus den baulichen Gegebenheiten heraus ergeben, wobei die dogmatische Begründung streitig ist. Vorliegend ergibt sich ein Sondernutzungsrecht aus den baulichen Gegebenheiten.

Bei der Dachterrassenfläche handelt es sich zunächst auch um Gemeinschaftseigentum, an dem ein Sondernutzungsrecht begründet sein kann. Diese Fläche ist in der Teilungserklärung nicht dem Sondereigentum eines Wohnungseigentümers zugewiesen worden. Sofern der Kläger darauf abstellt, dass sich aus § 3 Z. 1 Buchst. k der Teilungserklärung vom 16. Februar 1988 die Zuweisung der Fläche zum Sondereigentum des Wohnungseigentümers der Wohneinheit Nr. 3 ergebe, kann dieser Rechtsansicht nicht gefolgt werden. Denn diese Regelung bestimmt, dass zum Sondereigentum auch der Raum gehört, der bei Balkonen und Loggien durch die Balkon-/Loggienumfassung gebildet wird. Unter diese Regelung kann jedoch die hier streitige Dachterrassenfläche nicht subsumiert werden. Denn bei dieser Fläche handelt es sich weder um einen Balkon noch um eine Loggia. Ein Balkon zeichnet sich dadurch aus, dass er eine aus dem Baukörper herausragende Fläche darstellt. Daran mangelt es vorliegend, da unterhalb der Fläche sich die Wohneinheit Nr. 7 befindet, sodass die Fläche nach unten hin nicht aus dem Baukörper herausragt. Ebenfalls kann diese Fläche nicht als Loggia gesehen werden, da prägendes Merkmal der Loggia darin besteht, dass sie innerhalb der Kubatur des Gebäudes liegt. Eine Loggia ist also von allen Seiten von Gebäudeteilen umgeben. Der hier streitigen Fläche fehlt es jedoch an einem über ihr liegenden Gebäudeteil.

An der gemeinschaftlichen Dachterrassenfläche besteht auch ein Sondernutzungsrecht aufgrund der baulichen Gegebenheiten. Denn ein Recht zur alleinigen Nutzung kann sich aus der Örtlichkeit ergeben. Dies gilt insbesondere, wenn das Gemeinschaftseigentum so gelegen ist, dass der Zugang nur über das Sondereigentum möglich wäre, dem Sondereigentümer bei der nach § 14 Nr. 1 gebotenen Interessenabwägung aber nicht zugemutet werden kann, den Zugang anderen Wohnungseigentümern zu gewähren (Suilmann in: Bärmann, WEG, 13. Aufl. 2015, § 13 Rn. 110). Dabei kann nach Ansicht des Gerichts letztendlich die dogmatische Herleitung dahingestellt bleiben, ob man die Möglichkeit eines „faktischen Sondernutzungsrechtes“ bejaht (vgl. etwa Suilmann a.a.O., § 13 Rn. 110) oder man annimmt, dass sich ein alleiniges Nutzungsrecht aus der Natur der Sache ergibt (Kümmel a.a.O., § 13 Rn. 36; BayObLG, Beschluss vom 17. September 2003, Kennzeichen: 2Z BR 179/03). Jedenfalls sind die Voraussetzungen eines Sondernutzungsrechtes bzw. alleinigen Nutzungsrechtes aufgrund der baulichen Gegebenheiten vorliegend zu bejahen.

Wie oben dargelegt, handelt es sich bei der Dachterrassenfläche um eine Fläche des gemeinschaftlichen Eigentums. Diese Fläche weist die bauliche Besonderheit auf, dass sie nur über das Sondereigentum des Klägers erreicht werden kann. Der Zutritt kann nur über zwei Fenstertüren der Wohneinheit Nr. 3 erreicht werden.

Dem Kläger ist es auch nicht zuzumuten, anderen Wohnungseigentümern den permanenten Zugang zu der Dachterrassenfläche zu gewähren. Denn dies würde für den Kläger bedeuten, er müsste Personen durch seine Wohnung hindurchgehen lassen, wenn diese es wünschen. In Anbetracht der Bedeutung, die dem Schutz der Wohnung durch unsere Rechtsordnung beigemessen wird, ist die Unzumutbarkeit für den Kläger offenkundig.

Das Sondernutzungsrecht bzw. das Recht zur alleinigen Nutzung steht dem Kläger als jetzigem Eigentümer und im Falle der Veräußerung auch dem jeweiligen Eigentümer zu. Denn bei dem Sondernutzungsrecht handelt es sich um ein dingliches Sondernutzungsrecht, welches dem jeweiligen Inhaber einer bestimmten Wohnungseigentumseinheit zuzuweisen ist. Denn das Sondernutzungsrecht ergibt sich nicht aus einer Vereinbarung zwischen einzelnen Wohnungseigentümern sondern aus den baulichen Gegebenheiten, die unabhängig davon, wer Eigentümer der Wohnungseinheit ist, bestehen. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass die Klage nur gegen einen Wohnungseigentümer gerichtet worden ist. Dies ist jedoch eine Frage der Rechtskraftwirkung und nicht der Frage über Inhalt und Reichweite des Sondernutzungsrechts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

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