Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Wenn die alte Garage zu klein wird: Streit in der Eigentümergemeinschaft
- Der Auslöser: Eine marode Garage und der Wunsch nach Veränderung
- Die Eigentümerversammlung fasst einen umstrittenen Beschluss
- Warum eine Miteigentümerin vor Gericht zog: Die Argumente der Klägerin
- Die Verteidigung der Eigentümergemeinschaft: Alles im rechtlichen Rahmen
- Die Entscheidung des Gerichts: Der Beschluss ist gültig
- Die richterliche Begründung: Schritt für Schritt erklärt
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Genehmigungen brauche ich für bauliche Veränderungen an meiner Wohnungseigentumsanlage?
- Unter welchen Umständen kann ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu einer Baumaßnahme angefochten werden?
- Darf ein Sondernutzungsrecht durch einen Mehrheitsbeschluss erweitert oder neu geschaffen werden?
- Was gilt als „grundlegende Umgestaltung“ der Wohnanlage?
- Wann liegt eine „unbillige Benachteiligung“ eines Miteigentümers durch eine Baumaßnahme vor?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 980b C 37/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: AG Hamburg-St. Georg
- Datum: 23.05.2025
- Aktenzeichen: 980b C 37/24 WEG
- Verfahrensart: Beschlussanfechtungsklage
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht (WEG)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Miteigentümerin, die den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft angefochten hat.
- Beklagte: Die Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Beschluss angefochten wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Miteigentümer erhielt die Genehmigung und die Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft, eine marode Einzelgarage auf dem Gemeinschaftsgrundstück abzureißen und durch einen größeren Neubau zu ersetzen. Eine andere Miteigentümerin focht diesen Beschluss an.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Beschluss zum Abriss und Neubau der Garage gültig ist. Streitpunkte waren, ob die Maßnahme eine Grundlegende Umgestaltung darstellt oder einzelne Eigentümer unbillig benachteiligt sowie ob der Beschluss ausreichend bestimmt war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage der Miteigentümerin wurde abgewiesen. Der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde somit für gültig erklärt.
- Begründung: Das Gericht begründete die Abweisung der Klage damit, dass der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Die Einwände der Klägerin bezüglich einer angeblichen grundlegenden Umgestaltung, unbilligen Benachteiligung oder Unbestimmtheit des Beschlusses wurden als unbegründet zurückgewiesen.
- Folgen: Die Klageabweisung bedeutet, dass der von der Wohnungseigentümergemeinschaft gefasste Beschluss zum Abriss und Neubau der Garage weiterhin gültig ist. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Fall vor Gericht
Wenn die alte Garage zu klein wird: Streit in der Eigentümergemeinschaft
Wer eine ältere Immobilie besitzt, kennt das Problem vielleicht: Die Garage, die vor Jahrzehnten gebaut wurde, ist für heutige Autos oft viel zu eng. Das Ein- und Aussteigen wird zur Zirkusnummer. Was aber, wenn diese Garage Teil einer Wohnanlage mit mehreren Eigentümern ist? Darf ein einzelner Eigentümer seine zu klein gewordene Garage auf dem gemeinschaftlichen Grundstück einfach abreißen und größer neu bauen? Und was können die Nachbarn tun, wenn sie damit nicht einverstanden sind? Genau mit diesen Fragen musste sich das Amtsgericht Hamburg-St. Georg in einem Urteil befassen.
Der Auslöser: Eine marode Garage und der Wunsch nach Veränderung

In einer Hamburger Wohnungseigentümergemeinschaft – das ist der Zusammenschluss aller Eigentümer eines Gebäudes – gab es eine Einzelgarage, die einem Miteigentümer, Herrn H., zur alleinigen Nutzung zugewiesen war. Dieses Recht, einen bestimmten Teil des gemeinschaftlichen Eigentums exklusiv zu nutzen, nennt man Sondernutzungsrecht. Es ist vergleichbar mit dem Recht, einen bestimmten Gartenanteil in einem Mehrfamilienhaus allein zu bepflanzen, obwohl der Garten eigentlich allen gehört.
Diese Garage war jedoch in einem schlechten Zustand. Seit ihrem Bau im Jahr 1972 war der Boden abgesackt, was bei starkem Regen zu erheblichen Wasseransammlungen führte. Die Wände waren beschädigt und die Garage insgesamt, wie es im Juristendeutsch heißt, „abgängig“ – also baufällig. Ein erster Versuch, die Garage auf Kosten der gesamten Gemeinschaft abreißen zu lassen, scheiterte, da die Eigentümer mehrheitlich dagegen stimmten.
Daraufhin schmiedete der Miteigentümer H. einen neuen Plan: Er wollte die alte Garage auf eigene Kosten abreißen und durch eine neue, größere ersetzen. Die alte Garage bot mit einer Innenbreite von 2,56 Metern kaum Platz, um bei einem normal großen Auto die Türen zu öffnen. Der geplante Neubau sollte deutlich geräumiger sein. Dafür holte er sich sogar eine Baugenehmigung vom zuständigen Bezirksamt.
Die Eigentümerversammlung fasst einen umstrittenen Beschluss
Wie kommt es nun zu einer Entscheidung in einer solchen Gemeinschaft? Die Eigentümer treffen sich regelmäßig zu Versammlungen und fassen dort Beschlüsse, also formale, mehrheitliche Entscheidungen über die Verwaltung und Nutzung ihres gemeinsamen Eigentums. Auf einer solchen Versammlung im September 2024 stand der Antrag von Herrn H. zur Abstimmung.
Der Antrag war detailliert: Herr H. sollte die Erlaubnis bekommen, die Garage auf seine Kosten abzureißen und durch eine neue, größere Garage (3,50 m x 7,00 m) zu ersetzen. In den Unterlagen, die allen Eigentümern vorab zur Verfügung gestellt wurden, waren die Baugenehmigung, Bauzeichnungen und sogar ein Angebot einer Baufirma enthalten. Der Antrag enthielt auch die Zusage, dass Herr H. als Bauherr – also als die Person, die rechtlich und finanziell für das Bauvorhaben verantwortlich ist – auftreten und alle Kosten und Risiken, inklusive eventueller Schäden während des Baus, übernehmen würde.
Die Mehrheit der anwesenden Eigentümer stimmte für diesen Antrag. Doch eine Miteigentümerin war damit ganz und gar nicht einverstanden und zog vor Gericht, um den Beschluss für ungültig erklären zu lassen.
Warum eine Miteigentümerin vor Gericht zog: Die Argumente der Klägerin
Was genau störte die Klägerin an dem Vorhaben? Sie brachte mehrere Argumente vor, die das Gericht prüfen musste.
Diebstahl von Gemeinschaftseigentum?
Ihr Hauptargument war, dass die neue, größere Garage mehr Platz auf dem Gemeinschaftseigentum – also der Fläche, die allen Eigentümern gemeinsam gehört – einnehmen würde als die alte. Dadurch würde den anderen Eigentümern Fläche entzogen und dem Miteigentümer H. quasi ein zusätzliches Sondernutzungsrecht per Mehrheitsbeschluss zugeschanzt. Sie war der Meinung, eine solche Veränderung sei so gravierend, dass alle Eigentümer zustimmen müssten und eine einfache Mehrheit nicht ausreicht.
Eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage?
Zudem befürchtete die Klägerin, die deutlich größere Garage würde das Erscheinungsbild der gesamten Wohnanlage nachhaltig verändern und den schmalen Weg zum hinteren Teil des Grundstücks blockieren. Im Gesetz gibt es dafür den Begriff der grundlegenden Umgestaltung. Man kann sich das so vorstellen: Ein neuer Anstrich für die Fassade ist eine normale Instandhaltung. Ein zusätzliches Stockwerk auf das Haus zu setzen, wäre hingegen eine grundlegende Umgestaltung, die den Charakter der Anlage komplett verändert. Genau das sah die Klägerin hier gegeben.
Ist der Beschluss überhaupt klar genug?
Ein weiterer Kritikpunkt war die angebliche Unbestimmtheit des Beschlusses. Die Klägerin argumentierte, es sei nicht klar genug formuliert, wo genau die Garage stehen, wie sie aussehen und wer am Ende für eventuelle Baumängel geradestehen solle. Ein Beschluss muss aber so klar sein, dass jeder Eigentümer genau weiß, worüber abgestimmt wird und welche Konsequenzen die Entscheidung hat. Ist er zu vage, kann er für ungültig erklärt werden.
Die Verteidigung der Eigentümergemeinschaft: Alles im rechtlichen Rahmen
Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft sah die Sache naturgemäß anders. Sie argumentierte, dass das Wohnungseigentumsgesetz den Eigentümern ausdrücklich die Beschlusskompetenz gibt, also die Befugnis, über sogenannte bauliche Veränderungen mit Mehrheit zu entscheiden.
Die Gemeinschaft betonte, dass der Beschluss keineswegs unbestimmt sei. Alle wichtigen Informationen seien in den Unterlagen enthalten gewesen, die jeder einsehen konnte. Die Eigentümer hätten also genau gewusst, worüber sie abstimmen. Die Vergrößerung der Garage sei zudem nur geringfügig und der Zugang zum hinteren Grundstücksteil bleibe erhalten, auch wenn der Weg etwas schmaler werde.
Die Entscheidung des Gerichts: Der Beschluss ist gültig
Nach Prüfung aller Argumente kam das Gericht zu einem klaren Ergebnis: Die Klage wurde abgewiesen. Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft bleibt wirksam. Die Klägerin muss die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Aber wie kam das Gericht zu dieser Entscheidung?
Die richterliche Begründung: Schritt für Schritt erklärt
Das Gericht zerlegte die Argumente der Klägerin Punkt für Punkt und erklärte, warum sie nicht überzeugten.
Der richtige Prüfmaßstab ist entscheidend
Zunächst stellte das Gericht eine wichtige juristische Weiche: Wenn eine Eigentümergemeinschaft einer baulichen Veränderung mehrheitlich zustimmt, prüft ein Gericht bei einer Anfechtungsklage nicht, ob der bauwillige Eigentümer einen Anspruch auf diese Veränderung hatte. Die einzige Frage ist: Verstößt die getroffene Entscheidung gegen zwingende Regeln? Konkret bedeutet das: Führt die Baumaßnahme zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage oder wird ein einzelner Eigentümer dadurch unbillig benachteiligt – also in unfairer Weise schlechtergestellt als die anderen?
Man kann das mit einer Familie vergleichen: Wenn die Eltern einem Kind erlauben, sein Zimmer neu zu streichen, kann ein anderes Kind nicht klagen, das erste hätte „kein Recht“ auf eine neue Wandfarbe gehabt. Das zweite Kind könnte nur dann erfolgreich protestieren, wenn die Entscheidung es selbst unfair benachteiligt, zum Beispiel, weil der Farbgeruch wochenlang in sein eigenes Zimmer zieht.
Mehr Fläche bedeutet nicht automatisch Unrecht
Das Argument, durch die größere Garage werde unzulässig ein neues Sondernutzungsrecht geschaffen, wies das Gericht zurück. Es erklärte, dass die Erlaubnis, auf einer Gemeinschaftsfläche etwas zu bauen, logischerweise auch das Recht beinhaltet, diese Fläche anschließend exklusiv zu nutzen. Laut neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dafür keine separate, einstimmige Vereinbarung mehr nötig. Die Mehrheitsentscheidung zur Gestattung des Baus reicht aus.
Keine grundlegende Umgestaltung in Sicht
Auch eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage konnte das Gericht nicht erkennen. Nur weil eine einzelne Garage etwas größer wird, ändert das nicht den gesamten Charakter der Immobilie. Das Gericht machte deutlich, dass die Klägerin hierfür keine stichhaltigen Beweise geliefert hatte. Ein bloßes Gefühl, dass es „anders“ aussieht, reicht nicht aus.
Wo bleibt die Unbillige Benachteiligung?
Der wohl wichtigste Punkt war die Frage der unbilligen Benachteiligung. Das Gericht erklärte diesen Begriff sehr genau: Ein Nachteil allein genügt nicht. Eine Benachteiligung ist erst dann „unbillig“, wenn sie einen Eigentümer in besonderem Maße trifft und ihm ein „Sonderopfer“ abverlangt, das die anderen nicht erbringen müssen.
Im vorliegenden Fall wird die gemeinschaftliche Grundstücksfläche durch die größere Garage zwar kleiner, aber dieser Nachteil trifft alle Eigentümer gleichermaßen. Niemand verliert mehr als der andere. Daher sah das Gericht keine unfaire Ungleichbehandlung der Klägerin. Ob der Weg zum hinteren Gartenteil nun schmaler wird, ist eine Folge, die von der Mehrheit in Kauf genommen werden darf, solange sie nicht die Grenze zur unfairen Benachteiligung eines Einzelnen überschreitet.
Der Beschluss war ausreichend bestimmt
Zuletzt widersprach das Gericht auch dem Vorwurf, der Beschluss sei zu unbestimmt. Zwar sei die Formulierung vielleicht nicht perfekt gewesen, aber im Zusammenspiel mit den ausgelegten Unterlagen – insbesondere der Baugenehmigung und den Bauplänen – war für jeden Eigentümer klar ersichtlich, was beschlossen werden sollte: Standort, Aussehen, Größe, die Kostenübernahme und die Rolle des Herrn H. als Bauherr waren ausreichend definiert.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Eigentümergemeinschaften mit einfacher Mehrheit bauliche Veränderungen an Garagen beschließen können, auch wenn dadurch einzelne Eigentümer mehr Gemeinschaftsfläche nutzen dürfen. Entscheidend ist, dass kein Eigentümer unfair benachteiligt wird – ein kleinerer Garten oder schmalerer Weg für alle ist dabei noch kein Problem. Die Gerichte greifen nur ein, wenn eine Baumaßnahme den Charakter der ganzen Wohnanlage grundlegend verändert oder einzelne Personen besonders stark belastet, während andere verschont bleiben. Für Eigentümergemeinschaften bedeutet das mehr Handlungsspielraum bei notwendigen Modernisierungen, für unzufriedene Miteigentümer wird es schwerer, solche Beschlüsse zu stoppen.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Genehmigungen brauche ich für bauliche Veränderungen an meiner Wohnungseigentumsanlage?
Wenn Sie als Wohnungseigentümer bauliche Veränderungen an Ihrer Wohnung oder am gesamten Gebäude planen, sind verschiedene Zustimmungen und Genehmigungen notwendig. Entscheidend ist dabei, ob Ihr Vorhaben das Sondereigentum oder das Gemeinschaftseigentum betrifft und ob zudem öffentlich-rechtliche Vorgaben einzuhalten sind.
Unterscheidung: Sondereigentum und Gemeinschaftseigentum
Zunächst ist es wichtig, die betroffenen Bereiche zu identifizieren.
- Sondereigentum umfasst Ihre eigene Wohnung und alle darin befindlichen, nicht tragenden Wände, Böden, Decken und Installationen, die ausschließlich Ihrer Wohnung dienen und verändert werden können, ohne das Gemeinschaftseigentum oder die Rechte anderer Eigentümer zu beeinträchtigen. Hierzu gehören beispielsweise das Streichen von Wänden oder der Austausch einer Küche. Solche Veränderungen erfordern in der Regel keine Zustimmung der Eigentümergemeinschaft.
- Gemeinschaftseigentum sind alle Teile des Gebäudes und des Grundstücks, die der gemeinsamen Nutzung dienen oder für den Bestand des Gebäudes erforderlich sind. Dazu zählen tragende Wände, Dach, Fassade, Fenster, Balkone, Türen, Treppenhäuser, Heizungsanlagen oder der Garten. Jede Veränderung an diesen Bereichen betrifft die gesamte Gemeinschaft.
Bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum
Bei allen Veränderungen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, ist in der Regel ein Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft notwendig. Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) im Jahr 2020 ist das Verfahren hierfür deutlich vereinfacht worden:
- Grundsatz: Einfacher Mehrheitsbeschluss. Für die meisten baulichen Veränderungen am Gemeinschaftseigentum ist heute ein einfacher Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer ausreichend. Das bedeutet, dass mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen notwendig sind. Dies gilt für Vorhaben, die über die reine Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehen und das Gemeinschaftseigentum auf Dauer umgestalten, wie zum Beispiel der Anbau von Balkonen, die Installation neuer Aufzüge oder die Umgestaltung von Gemeinschaftsflächen.
- Besondere Fälle: Privilegierte bauliche Veränderungen. Für bestimmte Arten von Veränderungen, die das Gesetz als besonders förderungswürdig ansieht, wie die Installation von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, Maßnahmen zur Barrierefreiheit, zum Einbruchsschutz oder zum Anschluss an Telekommunikationsnetze (zum Beispiel Glasfaser), haben einzelne Eigentümer sogar einen Anspruch auf Gestattung durch die Gemeinschaft. Auch hier reicht ein einfacher Mehrheitsbeschluss zur Genehmigung aus. Wenn derjenige, der die Maßnahme verlangt, die Kosten selbst trägt, muss die Gemeinschaft der Maßnahme in der Regel zustimmen, solange sie den anderen Eigentümern nicht unzumutbar ist.
- Wichtiger Hinweis zur Kostenverteilung: Der Beschluss über die Durchführung einer baulichen Veränderung ist getrennt von der Entscheidung über die Kostenverteilung zu sehen. Grundsätzlich tragen alle Eigentümer die Kosten einer beschlossenen baulichen Veränderung nach ihren Miteigentumsanteilen, es sei denn, die Gemeinschaft hat hierzu einen abweichenden Beschluss gefasst oder die Maßnahme dient ausschließlich oder überwiegend nur einzelnen Eigentümern. Bei den privilegierten Maßnahmen trägt der verlangende Eigentümer die Kosten in der Regel selbst, es sei denn, die Gemeinschaft beschließt eine andere Kostenverteilung.
Öffentliche Baugenehmigungen
Unabhängig von der Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft benötigen Sie für bestimmte bauliche Veränderungen auch öffentliche Baugenehmigungen. Dies ist Sache des Bauamts oder der zuständigen Baubehörde Ihrer Kommune. Solche Genehmigungen sind erforderlich, wenn die geplante Veränderung in die Bausubstanz eingreift, die Statik betrifft, das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich verändert oder beispielsweise den Brandschutz betrifft. Beispiele hierfür sind:
- Anbau eines Balkons
- Errichtung eines Wintergartens
- Veränderungen an Fenstern oder Türen, die die Fassade betreffen
- Jede Erweiterung der Wohnfläche
Es ist also essenziell, nicht nur die internen Regeln der Eigentümergemeinschaft zu beachten, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften zu prüfen. Selbst wenn die Gemeinschaft zustimmt, kann ein Vorhaben ohne die notwendige behördliche Genehmigung nicht umgesetzt werden.
Unter welchen Umständen kann ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu einer Baumaßnahme angefochten werden?
Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft sind grundsätzlich für alle Eigentümer verbindlich. Das bedeutet, dass eine einmal getroffene Entscheidung – selbst wenn Sie nicht dafür gestimmt haben – zunächst Gültigkeit besitzt. Allerdings gibt es Situationen, in denen ein solcher Beschluss, insbesondere zu Baumaßnahmen, gerichtlich angefochten werden kann. Dies ermöglicht es, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung überprüfen zu lassen.
Wann ein Beschluss angefochten werden kann
Ein Beschluss ist anfechtbar, wenn er gegen rechtliche Vorgaben verstößt. Man unterscheidet hierbei hauptsächlich zwischen Fehlern, die den Ablauf der Beschlussfassung betreffen (formelle Fehler), und solchen, die den Inhalt des Beschlusses betreffen (materielle Fehler).
- Formelle Fehler: Diese betreffen die Art und Weise, wie der Beschluss zustande gekommen ist. Stellen Sie sich vor, die Spielregeln einer Abstimmung wurden nicht eingehalten. Typische formelle Fehler sind:
- Mängel bei der Einladung zur Versammlung: Zum Beispiel, wenn die Einladungsfrist nicht eingehalten wurde oder der Punkt der Baumaßnahme nicht klar in der Einladung stand, sodass Sie sich nicht vorbereiten konnten.
- Fehler bei der Abstimmung: Wenn die korrekte Stimmenmehrheit nicht erreicht wurde oder Personen mitgestimmt haben, die dazu nicht berechtigt waren.
- Mängel im Versammlungsprotokoll: Wenn wichtige Details des Beschlusses oder des Abstimmungsergebnisses falsch oder unvollständig festgehalten wurden.
- Nichteinhaltung der Beschlussfähigkeit: Bestimmte Beschlüsse erfordern, dass eine Mindestanzahl von Eigentümern anwesend ist, was nicht gegeben war.
- Inhaltliche Fehler (Materielle Fehler): Diese beziehen sich auf den Inhalt der Baumaßnahme selbst und darauf, ob der Beschluss den rechtlichen Anforderungen entspricht. Hier wird geprüft, ob die Mehrheit ihr Entscheidungsrecht korrekt ausgeübt hat. Für Sie ist dies oft der relevantere Punkt.
- Verstoß gegen Gesetze oder die Teilungserklärung: Ein Beschluss ist nichtig oder anfechtbar, wenn er gegen zwingende Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), andere Gesetze oder die in Ihrer Gemeinschaftsordnung festgelegten Regeln verstößt. Wenn beispielsweise eine Baumaßnahme ohne die erforderliche qualifizierte Mehrheit beschlossen wurde, obwohl diese laut Gesetz oder Teilungserklärung notwendig gewesen wäre.
- Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung: Dies ist ein sehr wichtiger Punkt. Es bedeutet, dass der Beschluss zwar formal korrekt ist, aber inhaltlich nicht dem entspricht, was eine vernünftige und vorausschauende Verwaltung erwarten würde. Die Eigentümergemeinschaft muss bei ihren Entscheidungen die Interessen aller Eigentümer angemessen berücksichtigen und darf nicht willkürlich handeln. Beispiele hierfür sind:
- Unverhältnismäßigkeit: Eine Baumaßnahme ist überteuert, unnötig kompliziert oder ihr Nutzen steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu den entstehenden Kosten und Belastungen für die Eigentümer.
- Unbillige Benachteiligung: Eine Maßnahme benachteiligt einzelne Eigentümer unangemessen stark, ohne dass dies durch ein berechtigtes Interesse der Gemeinschaft ausreichend begründet ist. Stellen Sie sich vor, eine Baumaßnahme führt bei Ihnen zu erheblichen Nachteilen, die vermeidbar gewesen wären.
- Ermessensfehler: Die Gemeinschaft trifft eine Entscheidung, die objektiv unsinnig ist oder wichtige Umstände völlig außer Acht lässt.
Die wichtige Anfechtungsfrist
Für die Anfechtung eines Beschlusses gibt es eine sehr kurze und strikte Frist: Sie muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erfolgen. Das bedeutet, dass die Klage innerhalb dieser Frist beim zuständigen Gericht eingereicht werden muss. Wird diese Frist versäumt, kann der Beschluss nicht mehr angefochten werden, selbst wenn er fehlerhaft ist. Für Sie als Miteigentümer ist es daher entscheidend, im Falle einer Meinungsverschiedenheit schnell zu handeln.
Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zu einer Baumaßnahme kann somit angefochten werden, wenn er entweder auf einem fehlerhaften Zustandekommen beruht oder inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben oder den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung widerspricht.
Darf ein Sondernutzungsrecht durch einen Mehrheitsbeschluss erweitert oder neu geschaffen werden?
Ein Sondernutzungsrecht, das einem einzelnen Wohnungseigentümer die exklusive Nutzung eines Teils des Gemeinschaftseigentums (wie z.B. eines Gartenteils, eines bestimmten Stellplatzes oder einer Dachterrasse) zuweist, kann grundsätzlich nicht durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft neu geschaffen oder erweitert werden.
Was ist ein Sondernutzungsrecht?
Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Gebäude, das Grundstück, die Flure und das Treppenhaus gehören allen Miteigentümern gemeinsam – das ist das sogenannte Gemeinschaftseigentum. Ein Sondernutzungsrecht erlaubt es einem einzelnen Eigentümer, einen bestimmten Teil dieses Gemeinschaftseigentums alleine und unter Ausschluss aller anderen zu nutzen. Es ist also eine Art „exklusive Erlaubnis“ für einen Teil des eigentlich allen gehörenden Bereichs. Typischerweise sind solche Rechte in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung festgehalten und oft auch im Grundbuch eingetragen.
Warum ein Mehrheitsbeschluss nicht ausreicht
Die Schaffung oder Erweiterung eines Sondernutzungsrechts greift fundamental in die Rechte aller Wohnungseigentümer ein. Jeder Eigentümer hat ein gesetzliches Recht, das gesamte Gemeinschaftseigentum mitzunutzen. Wenn nun ein Teil davon einem Einzelnen exklusiv zugewiesen wird, verlieren alle anderen dieses Mitnutzungsrecht an diesem speziellen Bereich.
Daher gilt:
- Ein Sondernutzungsrecht verändert die Grundlagen des Gemeinschaftsverhältnisses und die Zuordnung der Nutzungsrechte am Gemeinschaftseigentum.
- Solche tiefgreifenden Änderungen benötigen die Zustimmung aller betroffenen Wohnungseigentümer. Das bedeutet, wenn ein Sondernutzungsrecht neu entstehen oder vergrößert werden soll, müssen alle Eigentümer zustimmen, denen dadurch ein Mitnutzungsrecht entzogen oder eingeschränkt wird.
- Oft ist für eine rechtlich bindende und dauerhafte Schaffung oder Erweiterung eines Sondernutzungsrechts sogar eine Änderung der Teilungserklärung und deren Eintragung ins Grundbuch notwendig, was die Zustimmung aller im Grundbuch eingetragenen Eigentümer erfordert.
Was ein Mehrheitsbeschluss bewirken kann
Ein einfacher Mehrheitsbeschluss kann zwar die Nutzung des Gemeinschaftseigentums regeln, beispielsweise wer wann den Gemeinschaftsgarten nutzen darf oder wo Fahrräder abgestellt werden. Solche Beschlüsse betreffen jedoch nur die Ordnung der Nutzung und schaffen keine dauerhaften, ausschließlichen Rechte, die den gesetzlichen Kern des Miteigentums am Gemeinschaftseigentum verändern. Sie sind also keine Ersatzlösung für ein echtes Sondernutzungsrecht.
Was gilt als „grundlegende Umgestaltung“ der Wohnanlage?
Eine „grundlegende Umgestaltung“ der Wohnanlage liegt vor, wenn eine Baumaßnahme den Charakter, das Erscheinungsbild oder die Funktion der gesamten Immobilie so tiefgreifend und nachhaltig verändert, dass dies weit über eine übliche Modernisierung oder Instandhaltung hinausgeht. Es geht darum, dass die Identität oder der typische Zustand der Wohnanlage in ihrem Kern verändert wird und man von einem neuen Zustand sprechen kann.
Was bedeutet „grundlegend“?
Dieser Begriff ist nicht starr definiert, sondern wird immer im Einzelfall beurteilt. Wichtig ist, dass die Maßnahme die „Eigenart der Wohnanlage“ betrifft. Die Eigenart ist das, was die Anlage ausmacht – ihre Bauweise, ihr ästhetisches Erscheinungsbild oder ihre grundsätzliche Nutzung. Eine grundlegende Umgestaltung verändert diese Merkmale so stark, dass sie kaum wiederzuerkennen ist oder eine völlig neue Bestimmung erhält.
Das unterscheidet sich deutlich von alltäglichen Reparaturen, notwendigen Instandhaltungen oder sogar Modernisierungen, die dem Zeitgeist entsprechen, ohne die grundlegende Beschaffenheit der Anlage zu berühren.
Beispiele für grundlegende Umgestaltung
- Stellen Sie sich vor: Ein Wohnhaus mit einer historischen oder architektonisch besonderen Fassade soll durch eine völlig andere, moderne Fassadenverkleidung ersetzt werden, die nicht zum ursprünglichen Stil passt und das Gesamtbild der Straße verändert.
- Denken Sie an: Die Umwandlung großer Teile eines bisher unberührten Gemeinschaftsgartens, der als grüne Oase dient, in eine weitläufige Tiefgarage, wodurch die ursprüngliche Nutzung und Atmosphäre des Außenbereichs verloren gehen.
- Ebenso könnte es sein: Der Anbau eines komplett neuen Gebäudeflügels an eine bestehende Wohnanlage, der in Stil, Größe oder Höhe nicht zur vorhandenen Architektur passt und die ursprüngliche Struktur der Anlage erheblich verändert.
Besondere rechtliche Anforderungen
Solche Maßnahmen sind rechtlich besonders anspruchsvoll. Während viele bauliche Veränderungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft heute durch eine Mehrheitsentscheidung der Eigentümerversammlung beschlossen werden können, ist dies bei einer grundlegenden Umgestaltung der „Eigenart der Wohnanlage“ nicht so einfach. Hier müssen die Eigentümer, deren Rechte oder Interessen durch die Maßnahme erheblich beeinträchtigt werden, zustimmen. Das zeigt, dass solche weitreichenden Eingriffe einen sehr hohen Konsens erfordern, da sie die gemeinsame Lebensgrundlage fundamental neu definieren. Die Beurteilung, ob eine Maßnahme eine grundlegende Umgestaltung darstellt, hängt immer von den spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Wohnanlage ab.
Wann liegt eine „unbillige Benachteiligung“ eines Miteigentümers durch eine Baumaßnahme vor?
Eine „unbillige Benachteiligung“ eines Miteigentümers durch eine Baumaßnahme liegt dann vor, wenn die Nachteile für diesen Eigentümer das normale Maß des Zumutbaren überschreiten und nicht mehr als fair oder angemessen angesehen werden können. Es geht dabei immer um eine Abwägung der Interessen des einzelnen Eigentümers gegen die Interessen und Vorteile für die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich im Wohnungseigentumsgesetz (WEG), insbesondere in § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2 WEG.
Die Kernfrage: Was ist noch zumutbar?
Stellen Sie sich vor, in Ihrer Eigentümergemeinschaft soll eine Baumaßnahme durchgeführt werden, beispielsweise der Anbau von Balkonen oder die Aufstockung eines Gebäudes. Eine Beeinträchtigung ist oft unvermeidlich, aber entscheidend ist, ob diese Beeinträchtigung erheblich und unzumutbar ist. Das Gesetz schützt Sie als Miteigentümer davor, dass Sie durch eine Maßnahme der Gemeinschaft unangemessen stark benachteiligt werden.
Eine unbillige Benachteiligung ist dann gegeben, wenn der einzelne Eigentümer durch die Baumaßnahme über das bei einem geordneten Zusammenleben übliche Maß hinaus oder auf unverhältnismäßige Weise betroffen ist. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle:
- Schwere des Nachteils: Wie gravierend ist die Beeinträchtigung für den einzelnen Eigentümer? Beispiele hierfür sind eine dauerhafte und deutliche Minderung von Licht und Luft in den Wohnräumen, eine massive und ständige Lärmbelästigung, ein erheblicher Entzug der Aussicht oder eine dauerhafte, wesentliche Einschränkung des Zugangs zu Ihrem Eigentum. Auch eine deutliche Wertminderung Ihrer Wohnung kann ein Indikator sein. Für Sie als Eigentümer bedeutet das: Kleinere, vorübergehende Beeinträchtigungen während der Bauphase sind in der Regel zumutbar, aber dauerhafte, gravierende Einschnitte in Ihre Lebensqualität oder den Wert Ihres Eigentums nicht.
- Art und Zweck der Baumaßnahme: Handelt es sich um eine notwendige Instandhaltungsmaßnahme, eine Modernisierung, die allen zugutekommt, oder um eine reine Luxusmaßnahme? Je höher der Nutzen für die Gemeinschaft, desto eher sind kleinere Nachteile hinzunehmen.
- Alternativen: Gab es mildere Möglichkeiten, die Baumaßnahme durchzuführen, die den einzelnen Eigentümer weniger oder gar nicht benachteiligt hätten? Wenn es praktikable Alternativen gibt, die nicht oder nur unwesentlich teurer sind, aber die Benachteiligung vermeiden würden, kann dies auf eine Unbilligkeit hindeuten.
- Kompensationsmöglichkeiten: Können die Nachteile für den benachteiligten Eigentümer durch geeignete Maßnahmen gemildert oder ausgeglichen werden? Dies kann zwar im Einzelfall eine Rolle spielen, hebt aber nicht zwangsläufig die Unbilligkeit auf, wenn der Nachteil an sich zu groß ist.
Für Sie ist es wichtig zu verstehen, dass es immer auf die Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls ankommt. Eine unbillige Benachteiligung liegt nicht schon bei jeder kleinen Beeinträchtigung vor, sondern erst, wenn das Maß des Erträglichen objektiv und nach vernünftigen Maßstäben überschritten wird. Wenn beispielsweise durch einen Anbau ein einziges Fenster eines Schlafzimmers statt zehn nur noch fünf Stunden direkte Sonne am Tag bekommt, ist dies in der Regel keine unbillige Benachteiligung. Fällt die Sonne aber komplett weg oder wird die Wohnung dadurch dunkel und unwohnlich, kann dies anders beurteilt werden.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Sondernutzungsrecht
Ein Sondernutzungsrecht erlaubt einem einzelnen Wohnungseigentümer, einen bestimmten Teil des Gemeinschaftseigentums exklusiv zu nutzen, also ohne Mitbenutzung durch die anderen Eigentümer. Es handelt sich um ein besonderes Nutzungsrecht, das über das allgemeine Miteigentum am Gemeinschaftseigentum hinausgeht und in der Regel dauerhaft gewährt wird. Solche Rechte sind oft in der Teilungserklärung oder im Grundbuch festgehalten und können zum Beispiel die alleinige Nutzung eines bestimmten Stellplatzes oder Gartenteils betreffen. Die Schaffung oder Erweiterung eines Sondernutzungsrechts erfordert die Zustimmung aller betroffenen Eigentümer, da sie das Gemeinschaftsverhältnis grundlegend ändert.
Beispiel: Wenn einem Eigentümer das exklusive Nutzungsrecht für eine Garage im gemeinschaftlichen Hof eingeräumt wird, dürfen die anderen Eigentümer diese Fläche nicht mehr ohne Erlaubnis nutzen.
Gemeinschaftseigentum
Gemeinschaftseigentum bezeichnet alle Teile eines Gebäudes und Grundstücks, die allen Wohnungseigentümern gemeinsam gehören und zur gemeinschaftlichen Nutzung oder zum Erhalt der Immobilie notwendig sind. Dazu zählen unter anderem das Grundstück selbst, tragende Wände, das Dach, Treppenhäuser, Gärten und Gemeinschaftsanlagen. Veränderungen am Gemeinschaftseigentum betreffen somit alle Eigentümer und können in der Regel nur durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft erfolgen. Gemeinschaftseigentum steht im Gegensatz zum Sondereigentum, das einzelne Wohnungen und zugehörige Räume betrifft.
Beispiel: Die Garagenfläche auf dem Grundstück gehört allen Eigentümern gemeinsam und stellt Gemeinschaftseigentum dar.
Grundlegende Umgestaltung
Eine grundlegende Umgestaltung liegt vor, wenn eine bauliche Maßnahme das Erscheinungsbild, die Nutzung oder die Funktion einer Wohnanlage so tiefgreifend verändert, dass ihr ursprünglicher Charakter nachhaltig verändert wird. Sie geht weit über normale Reparaturen oder Modernisierungen hinaus und schafft faktisch einen neuen Zustand. Für solche Maßnahmen ist in der Regel ein besonders hoher Zustimmungsgrad der Eigentümer erforderlich, da die Umgestaltung das gemeinschaftliche Eigentum und seine Nutzung erheblich beeinflusst. Ob eine Umgestaltung als „grundlegend“ gilt, hängt vom Einzelfall ab und wird nach der Eigenart der Wohnanlage beurteilt.
Beispiel: Der Anbau eines weiteren Gebäudeflügels, der Stil und Struktur der Anlage stark verändert, wäre eine grundlegende Umgestaltung.
Unbillige Benachteiligung
Unbillige Benachteiligung bedeutet, dass durch eine bauliche Maßnahme ein einzelner Eigentümer in einem Ausmaß benachteiligt wird, das über das normale Maß des Zumutbaren im Zusammenleben in einer Eigentümergemeinschaft hinausgeht. Ein Nachteil ist nur dann unbillig, wenn er besonders gravierend ist und ein „Sonderopfer“ vom Betroffenen verlangt, das andere Eigentümer nicht tragen müssen. Dabei werden die Nachteile für den Einzelnen gegen die Interessen der Gemeinschaft abgewogen. Eine bloße Beeinträchtigung reicht nicht aus; sie muss erheblich und unangemessen sein, um rechtlich zu gelten.
Beispiel: Wenn eine Wohnungsbaumaßnahme dazu führt, dass ein Eigentümer seinen Zugang dauerhaft nur noch unzumutbar eingeschränkt nutzen kann, liegt eine unbillige Benachteiligung vor.
Beschlusskompetenz
Beschlusskompetenz bezeichnet die rechtliche Befugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft, über bestimmte Angelegenheiten ihres Gemeinschaftseigentums durch Beschluss zu entscheiden. Im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist geregelt, welche Maßnahmen und Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss (meist einfache Mehrheit) getroffen werden können. Dies umfasst insbesondere bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum, die über reine Instandhaltung hinausgehen. Allerdings gibt es Grenzen, etwa bei grundlegenden Umgestaltungen oder der Schaffung von Sondernutzungsrechten, die besondere Mehrheiten oder Einstimmigkeit erfordern.
Beispiel: Die Eigentümer können durch Mehrheitsbeschluss erlauben, die alte Garage abzureißen und eine neue zu bauen, sofern keine zwingenden rechtlichen Verbote bestehen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Wohnungseigentumsgesetz (WEG), insbesondere §§ 10, 22 WEG: Regelt die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümergemeinschaft, einschließlich der Beschlussfassung über bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hiernach entscheidet die Eigentümergemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss über bauliche Veränderungen wie den Garage-Neubau, sofern keine zwingenden Verbote verletzt werden.
- § 14 Abs. 2 Nr. 3 WEG (Sondernutzungsrecht): Definiert das ausschließliche Nutzungsrecht an bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums, das einem Eigentümer zugewiesen werden kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Nutzungsrecht an der Garage wird als Sondernutzungsrecht verstanden, dessen Vergrößerung durch den Neubau von der Gemeinschaft per Mehrheitsbeschluss genehmigt wurde.
- Grundsatz der Mehrheitsbeschlusskompetenz (§ 23 WEG): Bestimmt, dass Entscheidungen über die Verwaltung und bauliche Veränderungen mit einfacher Mehrheit getroffen werden können, sofern keine qualifizierten Mehrheiten vorgeschrieben sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zustimmung der Mehrheit zur Vergrößerung der Garage bindet die Gemeinschaft, die Gegnerin kann dies nur ansetzen, wenn gegen zwingende rechtliche Grenzen verstoßen wird.
- Begriff der grundsätzlichen Umgestaltung (Rechtsprechung, insbesondere BGH): Differenziert zwischen erlaubten Veränderungen und solchen, die den Charakter der Wohnanlage wesentlich verändern und daher einer Einstimmigkeit bedürfen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Eine Vergrößerung der Garage stellt keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage dar, sodass keine Einstimmigkeit der Eigentümer erforderlich ist.
- Unbillige Benachteiligung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 WEG): Verhindert, dass durch einen Beschluss einzelne Eigentümer in unfairer Weise schlechtergestellt werden. Ein bloßer Nachteil reicht nicht aus. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin wurde nicht unbillig benachteiligt, da der geringfügige Flächenverlust und die Veränderungen den Eigentümern insgesamt gleichmäßig auferlegt werden.
- Grundsatz der Bestimmtheit von Beschlüssen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 WEG und allgemeines Verwaltungsrecht): Beschlüsse müssen so klar formuliert sein, dass jeder Eigentümer den Inhalt und die rechtlichen Folgen verstehen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Trotz leichter Unschärfen war der Beschluss in Verbindung mit den vorgelegten Bauunterlagen ausreichend bestimmt, um wirksam zu sein.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 37/24 WEG – Urteil vom 23.05.2025
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