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WEG – Umlageschlüsseländerung darf nicht willkürlich sein

LG Berlin, Az.: 53 S 26/15 WEG, Urteil vom 09.09.2015

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3.3.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg, 773 C 51/14, teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge zur Anfechtung der in der Eigentümerversammlung der WEG … 12 in … Berlin am 26.8.2014 gefassten Beschlüsse zu den TOP 5a, TOP 6a und TOP 6b insgesamt abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Kläger ¾ und die Beklagten ¼ zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I

WEG - Umlageschlüsseländerung darf nicht willkürlich sein
Symbolfoto: Von JPA /Shutterstock.com

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft …, … Berlin. Die Kläger haben mit ihrer Klage die in der Eigentümerversammlung vom 26.8.2014 zu den TOP 5a, 6a, 6b und 8a gefassten Beschlüsse angefochten. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit dem am 3.3.2015 verkündeten Urteil des Amtsgerichts Schöneberg sind die in der Eigentümerversammlung vom 26.8.2014 gefassten Beschlüsse zu TOP 5a, 6a und 8a für nichtig und zu TOP 6b hinsichtlich der Verteilung des Verwalterhonorars für das Jahr 2013 für ungültig erklärt worden unter Abweisung der Klage im Übrigen. Gegen das der Verwalterin am 6.3.2015 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 30.3.2015, eingegangen am 2.4.2015, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29.4.2015, eingegangen am 30.4.2015, begründet.

Die Beklagten meinen, dass den Wohnungseigentümern zu den TOP 5a und 6a nicht die Beschlusskompetenz gefehlt habe und eine Nichtigkeit nicht vorliege. Sie tragen vor, dass die Beschlussfassungen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würden. Es handele sich aufgrund der jahrelangen Handhabung der beschlossenen Abrechnungsweise nicht um eine rückwirkende Änderung des Kostenverteilungsschlüssels.

Die Beklagten beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 3.3.2015, 773 C 51/14, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil und meinen, dass mit den Beschlussfassung gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen worden sei.

II

Die zulässige Berufung hat in Bezug auf die Stattgabe der Klage zu den Beschlussfassungen der TOP 5a, 6a und 6b Erfolg. Hinsichtlich der Nichtigkeitserklärung des Beschlusses zu TOP 8a ist sie zurückzuweisen.

Die Beschlussfassungen zu den TOP 5a, 6a und 6b in der Versammlung vom 26.8.2014 erfolgte gemäß § 16 Abs. 3 WEG innerhalb der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, indem sie abweichend von der Kostenverteilung gemäß § 16 Abs. 2 WEG eine andere mit Stimmenmehrheiten beschlossen. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts verstießen sie hierbei nicht gegen eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Über die Änderung der Kostenverteilung bezüglich der Müllgebühren und des Verwalterhonorars fehlt es bereits an einer entsprechenden Beschlussfassung der Wohnungseigentümer vor dem 26.8.2014. Diesbezügliche Anfechtungsklagen sind mithin nicht erhoben worden. Grundlage des Anfechtungsverfahrens zum Aktenzeichen 770 C 93/13 sind die Einzelabrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 u.a. bezogen auf die Pos. Müllgebühren und Verwalterhonorar. Dieses beim Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 85 S 226/14 WEG anhängige Berufungsverfahren ist im Hinblick auf das hiesige Verfahren ausgesetzt worden. Den Wohnungseigentümern blieb es insoweit unbenommen, zur etwaigen teilweisen Erledigung des ausgesetzten Berufungsverfahrens im Rahmen ihrer Kompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG entsprechende Beschlüsse zu fassen.

Die rückwirkende Änderung der Kostenverteilung für die Jahre 2011, 2012 und 2013 bezogen auf die Müllgebühren und das Verwalterhonorar entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung. Grundsätzlich steht den Wohnungseigentümern bei der Änderung eines Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Wohnungseigentümer dürfen danach jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Dabei dürfen an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung des Verteilungsschlüssels zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen Wohnungseigentümers auswirkt. Soweit die frühere Rechtsprechung eine Änderung des Umlageschlüssels darüber hinaus an das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft hat, bedeutet dies unter der Geltung des nunmehrigen § 16 Abs. 3 WEG lediglich, dass sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen (vgl. BGH, NJW 2011, 2202-2204).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Verteilung des Verwalterhonorars nach Wohneinheiten und die Ausnahme der Teileigentumseinheit G03 bei der Verteilung der Müllgebühren, da diese über eine eigene Mülltonne verfügt, nicht zu beanstanden. Allein eine geringfügige Mehrbelastung der Kläger in Bezug auf diese Kosten stellt keine unangemessene Benachteiligung dar.

Die Kostenverteilung für die Jahre 2011 – 2013 die Müllgebühren und das Verwalterhonorar betreffend verstößt ferner nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

Unzulässig sind angeordnete Rückwirkungen nur, wenn sie zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen. Sie können nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände hingenommen werden, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt. Geht es dagegen um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang, ist eine Rückwirkung – so spezialgesetzliche Regelungen (wie etwa § 6 Abs. 4 HeikostenVO) fehlen- hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat (BGH, NJW 2010, 2654 f). Allein der Umstand, dass Vorschüsse auf der Grundlage des bislang geltenden Verteilungsschlüssels erhoben worden sind, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen. Seit Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG müssen die Wohnungseigentümer in Rechnung stellen, dass der Umlageschlüssel vor oder anlässlich der Entscheidung über die Jahresabrechnung durch eigenständigen Beschluss geändert wird (vgl. BGH, NJW 2011, 2202-2204 Rn. 12).

Eine Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2013 war vor der Eigentümerversammlung am 26.8.2014 nicht erfolgt. Insoweit fehlte es an einem Abschluss des Wirtschaftsjahres 2013 gemäß der oben näher dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (zur entsprechenden Auslegung des Urteils des BGH in NJW 2011, 2202-2204: LG Hamburg, Urteil vom 22.2.2013, 318 S 32/12, zitiert über juris). Eine Änderung des Umlageschlüssel nach § 16 Abs. 3 WEG, welcher der zukünftigen Jahresabrechnung für das Jahr 2013 zu Grunde gelegt werden soll, war mithin möglich.

Eine solche Änderungsmöglichkeit stand den Wohnungseigentümern ferner für die Jahresabrechnungen 2011 und 2012 zu, obgleich diese bereits in einer früheren Eigentümerversammlung beschlossen worden waren. Allein die Beschlussfassungen über diese Jahresabrechnungen begründen kein schutzwürdiges Interesses dahingehend, dass in Bezug auf die Pos. Müllgebühren und Verwalterhonorar die Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 WEG stattzufinden habe. Eine solche findet sich in den Jahresabrechnungen 2011 und 2012 gerade nicht. Aus diesem Grund wurden sie von einzelnen Wohnungseigentümern angefochten. Ein abgeschlossener Sachverhalt, welcher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Voraussetzung für ein Rückwirkungsverbot die Kostenverteilung betreffend ist, liegt hinsichtlich der Abrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 mithin nicht vor. Das Begehren der Kläger, mangels Änderung eines Verteilungsschlüssels innerhalb eines laufenden Wirtschaftsjahres eine Abrechnung der Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG herbeizuführen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht schutzwürdig. Auf der Grundlage des weiten Gestaltungsspielraums nach § 16 Abs. 3 WEG ist es den Wohnungseigentümern gestattet, bis zur Genehmigung einer Jahresabrechnung mit einem bestimmten Verteilungsschlüssel einen neuen geänderten Schlüssel zu beschließen. Der Ablauf des Abrechnungsjahres hindert sie hieran nicht.

Die Annahme eines Rückwirkungsverbots scheitert ferner daran, dass ein Vertrauen der Kläger in Bezug auf die Abrechnung des Verwalterhonorars und der Müllgebühren nach den gesetzlichen Vorgaben in § 16 Abs. 2 WEG nicht begründet worden ist, da dieser Verteilungsschlüssel unstreitig seit dem Jahr 2000 nicht angewandt worden ist (vgl. zu diesem Argument: LG Hamburg, a.a.o.).

Ohne Erfolg bleibt hingegen die Berufung in Bezug auf den Beschluss zu TOP 8a (Aushändigung von Unterlagen). Diesen hat das Amtsgericht zu Recht für nichtig erklärt, da den Wohnungseigentümern insoweit die Beschlusskompetenz fehlt. Auf die entsprechenden zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil, welche von den Beklagten nicht angegriffen worden sind, wird Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708Nr. 10 S. 1, 713 ZPO.

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