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WEG – ungültiger Eigentümerbeschluss über Fällung von Bäumen

AG Potsdam – Az.: 31 C 38/19 – Urteil vom 04.06.2020

1. Der Beschluss der Versammlung vom 13.08.2019 zu Tagesordnungspunkt 10 wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Kläger nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand

Die Parteien sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft am … in Schwielowsee, Ortsteil Geltow. Zum Gemeinschaftseigentum gehört ein davor liegendes Seeufergrundstück, auf welchem sich alter Baumbestand befindet. Dort standen u.a. drei Robinien mit einem Stammumfang von ca. 1 bis 2,3 m und eine zweistämmige Erle mit einem Stammumfang von ca. 1,5 bzw. 1 m. Im Herbst 2017 bestand aufgrund des Zustands dieser Bäume eine Gefährdungslage. Bis zu jenem Zeitpunkt hatten keine Baumpflegemaßnahmen stattgefunden. Der Verwalter beantragte deshalb für die vorbezeichneten Bäume eine Fällgenehmigung. Im Rahmen eines Ortstermins am 08.09.2017 stellte eine Mitarbeiterin der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark insbesondere eine sehr schlechte Vitalität der Erle mit geringem Feintriebanteil in der Krone fest. In dem Bescheid des Landkreises Potsdam Mittelmark hieß es, ein Erhalt der Bäume sei nicht möglich, die Pflanzen gefährdeten Personen und Sachen von bedeutendem Wert, weshalb eine Genehmigung zur Fällung erteilt werde. Eine Weide solle durch einen Kronenschnitt vitalisiert werden. Die Fällgenehmigung wurde auf zwei Jahre befristet erteilt. Daraufhin beauftragte der Verwalter ein Baumfällunternehmen, welches drei der in dem Bescheid genannten Robinien fällte. Als Miteigentümer gegen die Fällung der Erle einschritten, brach das Fällunternehmen seine Arbeiten ab, nachdem Rückschnitt- und Entlastungsmaßnahmen an der Erle durchgeführt worden waren. Ein Apfel und die Erle wurden nicht gefällt.

Mit Einladung vom 30.07.2019 kündigte die Verwalterin an, es sei darüber zu beschließen, wie im weiteren mit der abgebrochenen Baumfällung vorzugehen sei. Die beschlossene Baumfällung sei durch einige Miteigentümer verhindert worden, so dass über das weitere Vorgehen beschlossen werden müsse.

Während der Eigentümerversammlung erklärte die Mitarbeiterin der Verwaltung …, hinsichtlich der Erle liege Gefahr in Verzug vor. Zu Tagesordnungspunkt 10 beschlossen die Wohnungseigentümer in der Folge mehrheitlich, die abgebrochene Baumfällung gemäß Bescheid des Landkreises Potsdam-Mittelmark fortzusetzen und ein Baumfällunternehmen zu beauftragen.

Eine Beschlussfassung darüber, wer die Kosten für die abgebrochene Fällung der Erle in Höhe von 1.576,75 EUR tragen solle, wurde vertagt.

Die Kläger behaupten, dass die Erle nach einem partiellen Rückschnitt und Entlastungsmaßnahmen wieder verkehrssicher sei.

Sie sind der Auffassung, der Beschluss sei auf unzureichender Tatsachengrundlage gefasst worden. So sei bereits aus der Beschlussformulierung zu entnehmen, dass die Wohnungseigentümer die unzutreffende Vorstellung gehabt hätten, es handele sich um eine behördlich angeordnete, zwingend vorzunehmende Baumfällung, wie sich aus der Formulierung „die abgebrochene Baumfällung gemäß Bescheid … vom 26.10. 2017….. fortzusetzen“ ergebe. Da den Wohnungseigentümern die Fällgenehmigung nicht bekannt gegeben und auch nicht ausgehändigt worden sei, sei von der Mitarbeiterin der Wohnungseigentümerverwaltung unzutreffend vorgespiegelt worden, es liege Gefahr in Verzug vor. Insoweit sei der Beschluss rechtswidrig, weil die Wohnungseigentümer das ihnen zustehende Ermessen nicht oder jedenfalls unzureichend ausgeübt hätten.

Die Kläger beantragen, den in der Versammlung vom 23.08.2019 zu Tagesordnungspunkt 10 gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, ein Erhalt der Bäume sei nicht möglich. Insbesondere sei die streitgegenständliche Erle umsturzgefährdet und weise eine immense Schräglage auf. Aufgrund der Tatsache, dass hinsichtlich einer Weide nur ein Kronenschnitt genehmigt worden sei, sei davon auszugehen, dass im Übrigen nur eine Fällung zweckmäßig sei.

Allein die Fällung entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung.

Nach Eigentümerversammlung am 13.08.2019 ist die Klage eingegangen bei Gericht am 19.09.2019 samt Begründung. Nach Kostenanforderung durch die Geschäftsstelle am 09.10.2019 ist der Gerichtskostenvorschuss bei Gericht eingegangen am 24.10.2019.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Denn der Beschluss zur Fällung der Bäume widersprach dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 Abs. 3 und Abs. 4 WEG. Grundsätzlich obliegt es Wohnungseigentümern, bei mehreren Entscheidungsmöglichkeiten eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dazu gehört auch festzustellen, ob eine Ermessensentscheidung möglich ist oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Insoweit fehlten zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung ausreichende Anhaltspunkte. Soweit die Beklagten geltend machen, die streitgegenständliche Erle sei umsturzgefährdet, und müsse deswegen gefällt werden, spricht allein der Zeitablauf vom 26.10.2017, als die Fällgenehmigung erteilt wurde, und dem Zeitpunkt der Eigentümerversammlung am 23.08.2019 dagegen, dass eine akute Umsturzgefahr bestand. So stand der Baum auch ca. 2 Jahre nach Erteilung der Fällgenehmigung noch. Insofern spricht viel dafür, dass Kronenpflegemaßnahmen o. ä. ausreich(t)en, um den Baum erhalten zu können. Es hat zahlreiche, auch heftige Stürme in den letzten Jahren gegeben, wie allseits bekannt ist, ohne dass die Erle umgekippt ist. Auch ist nichts dafür vorgetragen worden, dass z.B. frische Risse in der Erdoberfläche erkennbar geworden sind, die eine fehlende Standfestigkeit des Baumes indizieren würden. Dass der Wurzelteller angehoben sei, ist nicht behauptet worden, ebenso wenig eine Veränderung der Schrägstellung des Stammes. Allein, dass die Erle schief steht, wie die Beklagten geltend machen, indiziert keine Umsturzgefahr, da Bäume sich regelmäßig, wie allgemein bekannt ist, den Weg zum Licht suchen. Unter diesen Umständen hätte es der Wohnungseigentümergemeinschaft oblegen festzustellen, ob andere, weniger eingreifende Maßnahmen noch erforderlich, möglich und gewünscht waren, um die Bäume zu erhalten. Die Tatsache, dass im Rahmen der Fällgenehmigung festgestellt wurde, dass die Bäume beseitigt werden dürfen, weil sie eine, hier die Erle, eine sehr schlechte Vitalität aufweist, ist insoweit nicht streitentscheidend. Der Bescheid war eine Fällgenehmigung, kein Bescheid, mit dem die Fällung zwangsweise angeordnet wurde. So mögen Wohnungseigentümer zu Zwecken des Naturschutzes und auch aus optischen Gründen unter Umständen andere Maßnahmen gegenüber einer Fällung bevorzugen. Welche Möglichkeiten bestanden und nach dem Kronenschnitt noch erforderlich waren, hätte vor Beschlussfassung geklärt werden müssen.

Dabei hat auch die Klägerseite innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist die unzureichende Ermessensausübung moniert, und insbesondere geltend gemacht, dass den Wohnungseigentümern ein möglicher Verhandlungsspielraum aufgrund der in Bezug genommenen Fällgenehmigung nicht hinreichend bewusst gewesen sei. Diese Rüge innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist gemäß § 46 Abs.1 S2 WEG genügte.

Zudem ist die Klage rechtzeitig innerhalb der Klagefrist und Klagebegründungsfrist des §§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG erhoben und begründet worden. Insbesondere ist die Klage rechtzeitig innerhalb eines Monats erhoben. Denn den Klägern ist die Kostenanforderung der Geschäftsstelle nicht vor dem 10.10.2019 zugegangen mit der Folge, dass ihnen keine mehr als zweiwöchige Verzögerung zuzurechnen ist (§§ 253, 261 Abs.1,167 ZPO).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 2.500 €.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 a GKG. Hiernach ist der Streitwert auf 50% des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das Fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten.

Insoweit war zu berücksichtigen, dass die Kläger insbesondere den Gesamteindruck des Seeufergrundstücks durch eine Fällung für erheblich beeinträchtigt halten, andererseits waren mögliche Kosten einer Fällung sowie die Gefährdung von Menschen und Sachen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung aller Umstände war deshalb der festgesetzte Wert angemessen.

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