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WEG: Ungültigerklärung eines Wohnungseigentümerbeschlusses wegen Ladungsfristunterschreitung

AG Pinneberg, Az.: 60 C 39/16, Urteil vom 29.11.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Klägerin begehrt die Ungültigerklärung eines Beschlusses, mit dem die Verwalterin ermächtigt wird, sie außergerichtlich und nötigenfalls gerichtlich auf Unterlassung bzw. Durchsetzung zum Rückbau hinsichtlich am Balkon angebrachter Pflanzenampeln in Anspruch zu nehmen.

Zu der im Sondereigentum der Klägerin stehenden Erdgeschosswohnung gehört das Sondernutzungsrecht an einer Terrasse. Über der Terrasse befindet sich ein Balkon, der zu der darüber liegenden Wohnung gehört. Die Balkonbrüstung besteht unter anderem aus Streben, die seitlich aus der Sockelplatte und nach oben führen. Zur Verdeutlichung wird auf die Fotografie in der Anlage K5, Blatt 29 der Akte, verwiesen.

An diese Streben hing die Klägerin Pflanzenampeln auf.

Mit Schreiben vom 3.5.2016 lud der Verwalter zur Wohnungseigentümerversammlung vom 11.5.2016 ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K2, Bl. 4 f. der Akte, verwiesen.

Auf dieser Wohnungseigentümerversammlung beschlossen die neben der Klägerin fünf anwesenden Wohnungseigentümer dann einstimmig zu TOP 4 wie folgt: „Die Wohnungseigentümer der Gemeinschaft ermächtigen die Verwalterin, die Miteigentümerin der Wohnung 003 wegen der Störung des Gemeinschaftseigentums durch die sichtbare bauliche Veränderung durch die Anbringung von Pflanzenampeln an der Balkonkonstruktion (Unterseite) außergerichtlich und wenn nötig gerichtlich auf Unterlassung bzw. Durchsetzung zum Rückbau zum Ursprungszustand in Anspruch zu nehmen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer soll einen Rechtsanwalt in eigenem Namen und auf eigene Kosten mit der Durchsetzung beauftragen.“

Insgesamt besteht die Gemeinschaft aus 8 Wohnungseinheiten, wobei jede Einheit mit einer Stimme stimmberechtigt ist.

Weiter heißt es im Protokoll: „Die Eigentümerin der Wohnung 003 wird an dieser Stimmenauswertung ausgeschlossen“.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beschluss an formellen und materiellen Mängeln leide. Es liege ein Verstoß gegen die Ladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 1 WEG vor und ein Grund für die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zu TOP 4 habe nicht bestanden. Im Einladungsschreiben sei nicht darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin von der Abstimmung zu TOP 4 ausgeschlossen werde. Zudem sei der Beschluss nicht hinreichend bestimmt und die Regelung undurchführbar. Es sei unklar, welche Störung des Gemeinschaftseigentums vorliegen solle, worin eine sichtbare bauliche Veränderung liegen solle, was Pflanzenampeln seien und zu welchem Ursprungszustand ein Rückbau erfolgen soll. Einerseits würden „die Wohnungseigentümer“ die Verwalterin ermächtigen wollen, dann wiederum solle „die Gemeinschaft“ einen Rechtsanwalt beauftragen.

Es fehle an einer Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, da ein Eingriff in die individuelle Rechtsposition eines Wohnungseigentümers nicht durch Mehrheitsbeschluss erfolgen könne. Eine Leistungspflicht gegen den Willen des Schuldners könne durch einen Mehrheitsbeschluss nicht konstitutiv begründet werden.

Aus den Regelungen der Teilungserklärung einerseits und dem Inhalt des Vergleichs zwischen den Parteien in dem Rechtsstreit 60 C 25/15 andererseits folge, dass die Pflanzenampeln zulässig seien. Der Beschluss stelle eine Änderung der in der Teilungserklärung enthaltenen Vereinbarung dar, was nicht durch Mehrheitsbeschluss zulässig sei. Der Umfang des Sondernutzungsrechts der Klägerin werde durch den Beschluss unberechtigt eingeschränkt. Es handele sich bei den Pflanzenampeln auch nicht um eine bauliche Veränderung oder Störung des Gemeinschaftseigentums, solche Störungen lägen vielmehr in Form der von anderen Wohnungseigentümern angebrachten Markisen vor.

Schließlich erhebe die Klägerin den Einwand der Verwirkung nach § 242 BGB, berufe sich auf die Ausschlussfrist des § 40 Nachbarrechtsgesetz für das Land Schleswig-Holstein und erhebe die Einrede der Verjährung.

Die Klägerin beantragt, den zu TOP 4 der Wohnungseigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft „…, “ am 11. Mai 2016 gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der angefochtene Beschluss enthalte lediglich eine Ermächtigung zur Rechtsverfolgung. Es komme nicht darauf an, ob der behauptete Anspruch bestehe oder nicht, allenfalls, wenn dieser aus keinerlei rechtlichen Gesichtspunkten und ganz offensichtlich nicht bestehen könne, könnte man daran denken, dass ein entsprechender Ermächtigungsbeschluss für ungültig zu erklären sei.

Das Recht zur gärtnerischen Gestaltung im Rahmen des Sondernutzungsrechts beinhalte im Übrigen nicht das Anbringen von Pflanzenkübeln mit erheblichem Gewicht an der Balkonbrüstung des über der Einheit der Klägerin belegenen Balkons. Dies beinhalte eine störende optische Beeinträchtigung sowie die Gefahr, dass bei Sturmböen Schäden am Gemeinschaftseigentum entstünden.

Die außerordentliche Eigentümerversammlung sei schon deswegen angezeigt gewesen, da unter TOP 3 in Ansehung des gerichtlichen Verfahrens 60 C 25/15 die Neufassung des Beschlusses zügig habe beschlossen werden müssen. Selbst wenn ein formeller Mangel wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist vorliege, sei die Beschlussanfechtung nicht begründet, wenn feststehe, dass der Mangel sich auf die Beschlussfassung nicht ausgewirkt habe. Von den insgesamt 8 Wohnungseigentümern seien einschließlich der Klägerin 6 anwesend gewesen, wobei sämtliche 5 stimmberechtigten Eigentümer dem Beschluss zugestimmt hätten. Ein Stimmrecht der Klägerin habe gemäß § 25 Abs. 5 WEG nicht vorgelegen. Durch den Beschluss werde auch nicht in die individuelle Rechtsposition der Klägerin eingegriffen, da es lediglich um die Ermächtigung gehe, etwaige Ansprüche überhaupt als Verband zu verfolgen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Beschluss ist weder nichtig, noch für ungültig zu erklären. Er entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Es handelt sich um eine Vergemeinschaftung eines (vermeintlichen) Unterlassungs- bzw. Rückbauanspruchs gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 HS 2 WEG, der in Vorbereitung einer möglichen Anspruchsverfolgung die (gekorene) Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft als teilrechtsfähigen Verband begründet, vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2006, ZMR 2006, 457 f. Der den Wohnungseigentümern zustehende Ermessensspielraum hinsichtlich einer solchen Vergemeinschaftung wurde nicht verletzt. Bei der Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft Ansprüche einzelner Mitglieder zum Zwecke der Geltendmachung an sich zieht, steht ihnen ein weiter Spielraum zu. Dabei können sie beispielsweise etwaige Prozessrisiken und das Interesse am Rechtsfrieden innerhalb der Gemeinschaft mit in die Abwägung einbeziehen und ermessensfehlerfrei beschließen, eine Vergemeinschaftung abzulehnen, vergleiche LG Itzehoe, Urteil vom 15.4.2014, 11 S 37/13, juris Rn. 35.

Solange das Nichtbestehen eines Anspruchs nicht auf der Hand liegt und seine erfolgreiche Geltendmachung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist, sind die Wohnungseigentümer aber auch nicht gehindert, ermessensfehlerfrei die Aktivlegitimation des Verbandes zu begründen. So verhält es sich hier. Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob das Anbringen der Pflanzenampeln wie durch die Klägerin gehandhabt tatsächlich eine bauliche Veränderung oder unzulässige Nutzung des Gemeinschaftseigentums darstellt, es ist ausreichend, dass ein solcher Anspruch jedenfalls nicht ganz offensichtlich außerhalb des Bereichs des Möglichen liegt. Durch den Umstand, dass der Ermächtigungsbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist gerade noch nichts darüber gesagt, ob der Anspruch wirklich besteht.

Bei dem Beschluss handelt es sich dagegen entgegen der Ansicht der Klägerin weder um eine Änderung der Teilungserklärung, noch wird unzulässigerweise eine Leistungsverpflichtung der Klägerin durch ihn begründet (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2014, ZMR 2015, 239 ff.). Eine Verjährung, Verwirkung oder ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Nachbarrechts des Landes Schleswig-Holstein kommen ebenfalls nicht in Betracht.

Der Ermächtigungsanspruch ist auch nicht etwa aufgrund seiner Unbestimmtheit nichtig. Er lässt einen durchführbaren Regelungsinhalt – die Ermächtigung des Verbandes zur Anspruchsverfolgung – ohne weiteres erkennen, vgl. LG Itzehoe, Urteil vom 28.05.2014, ZMR 2014, 912 . Der angefochtene Beschluss spricht zwar in seinem ersten Satz von einer Ermächtigung der Verwalterin und im zweiten Satz davon, dass die Gemeinschaft im eigenen Namen und auf eigene Kosten die Durchsetzung beauftragt. Dies ist jedoch nach Ansicht des Gerichtes ohne weiteres der Auslegung zugänglich, dass die Verwalterin wiederum für die Gemeinschaft handelt, was den tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten (§ 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG) entspricht.

Der Beschluss ist auch nicht aufgrund der Verletzung der Ladungsfrist für ungültig zu erklären. § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG beinhaltet nur eine Sollvorschrift. Eine Fristunterschreitung führt daher im Fall der Anfechtung nicht ohne weiteres zur Ungültigerklärung der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, vielmehr wird die Fristunterschreitung nur relevant, wenn der Anfechtende durch die Fristunterschreitung gehindert war, an der Versammlung teilzunehmen, einen Vertreter zu entsenden oder sich auf die Versammlung hinreichend vorzubereiten, vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Auflage, § 24 Rn. 21. Hierzu trägt die Klägerin nichts vor. Der in der Versammlung angenommene Stimmrechtsausschluss gemäß § 20 Abs. 5 WEG liegt tatsächlich vor, er bedurfte keiner Ankündigung in der Einladung zur Wohnungseigentümerversammlung. Die Beklagten können daher erfolgreich einwenden, dass der Beschluss bei Einhaltung der gesetzlichen Ladungsfrist ebenso zustande gekommen wäre, wie es der Fall war, so dass eine Ungültigerklärung des Beschlusses mangels Kausalität des Ladungsfristunterschreitung ausscheidet.

Die Kostenentscheidung folgt aus 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 49a GKG festgesetzt.

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