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WEG – Unterlassung baulicher Veränderungen

Ohne Beschlussfassung kein Bauen!

LG Bremen – Az.: 4 S 176/21 – Urteil vom 08.07.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 12.05.2021 (Az.: 28 C 48/20) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500 Euro vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz festgesetzt auf: 10.000 Euro.

Gründe:

I.

Die Klägerin klagt gegen die Beklagten auf Unterlassung des Baus eines Swimmingpools, den die Beklagten zu bauen beabsichtigen.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien sind die beiden Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft und je zu ½ Eigentümer des Grundstücks, das mit zwei Doppelhaushälften bebaut ist. Die an das jeweilige Sondereigentum anschließende Gartenfläche des Grundstücks steht im Gemeinschaftseigentum. Hinsichtlich der Nutzung der Gartenfläche ist in der Miteigentümerordnung aus dem Jahr 1971 folgendes geregelt:

„Das Verhältnis der beiden Wohnungseigentümer untereinander bestimmt sich nach dem Gesetz, wobei lediglich hier gesondert vereinbart wird, daß der Eigentümer des ersten Wohnungseigentums seine alleine Grundstücksnutzung ausschließlich beschränkt auf die westliche Seite des Grundstücks, der Eigentümer des zweiten Eigentums auf die östliche Seite. Die Grenze wird gebildet durch den östlichen Giebel des Hauses Nr. 1 und seine gerade Verlängerung.“

Ferner ist der Wohnungseigentümer für die Reparatur und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums, in dessen Bereich sich sein Sondereigentum befindet, allein verantwortlich und kostenpflichtig (vgl. Ergänzung der Teilungserklärung vom 20.09.2013), in der es wie folgt heißt:

„Jeder Wohnungseigentümer ist für die Reparatur und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums, in dessen Bereich sich sein Sondereigentum befindet, allein verantwortlich und kostenpflichtig. Entsprechendes gilt für die Gebäude- und Eigentümerhaftpflicht und deren Versicherungen.“

Einen genehmigenden Beschluss der Eigentümergemeinschaft hinsichtlich des von den Beklagten beabsichtigten Baus eines Swimmingpools gibt es nicht.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bremen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO).

Das Amtsgericht Bremen hat der Unterlassungsklage der Klägerin mit Urteil vom 12.05.2021 stattgegeben. Zur Prozessführungsbefugnis der Klägerin hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber eine Fortgeltung des § 15 Abs. 3 WEG a.F. zwar nicht vorgesehen, aber eine unmittelbare Anwendung der neuen Regelung gem. § 9a Abs. 2 S. 1 WEG, wonach nur der Verband zur Geltendmachung des Anspruchs gem. § 1004 BGB berechtigt sei, vorliegend eine unzumutbare Erschwerung der Rechtsdurchsetzung für die Klägerin bedeuten würde. Außerdem sei mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG von einer fortbestehenden Prozessführungsbefugnis auszugehen, da das hiesige Verfahren bereits vor dem Inkrafttreten des neuen WEG ab dem 01.12.2021 anhängig gewesen sei. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Unterlassung gem. § 1004 BGB, da der Bau eines Swimmingpools eine zustimmungsbedürftige bauliche Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG a.F. sei. Es sei für die Beurteilung der Berechtigung zum Bau des Swimmingpools auf das Wohnungseigentumsgesetz abzustellen, da eine Realteilung nicht vorgenommen worden sei und die gesetzlichen Regelungen des WEG nicht durch eine abweichende Praxis außer Kraft gesetzt werden könnten. Weiter berechtigten weder die Regelungen der Miteigentümerordnung noch die der Ergänzung die Beklagten zu einer derartigen weitreichenden Umgestaltung. Der Bau eines Swimmingpools stelle für die Klägerin aufgrund der völlig anderen Gestaltung und Nutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks einen wesentlichen Nachteil dar.

Das am 12.05.2021 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bremen ist der Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 05.07.2021 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 16.07.2021, bei Gericht eingegangen am 18.07.2021, haben die Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigte gegen das Urteil Berufung eingelegen und diese mit Schriftsatz vom 25.08.2021, bei Gericht eingegangen am 26.08.2021, begründen lassen.

Die Beklagten setzen sich gegen ihre Verurteilung zur Wehr. Mit der Berufung rügen sie, dass das Amtsgericht einen Nachteil der Klägerin durch den Bau des Swimmingpools angenommen habe, ohne dass die Klägerin konkrete Nachteile dargelegt habe und ohne dabei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu würdigen sowie über etwaige Nachteile durch Inaugenscheinnahme Beweis zu erheben. Das Amtsgericht habe fehlerhaft eine Darlegungs- und Beweislast der Beklagten für den fehlenden Nachteil der Klägerin angenommen.

Zudem sei das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bau des Swimmingpools zustimmungsbedürftig sei. Die Beklagten meinen, durch die Regelung in der Miteigentümerordnung ergänzt durch die Änderung der Teilungserklärung im Jahr 2013, jedenfalls aber durch die gelebte Praxis der Parteien sei das dispositive Recht des Wohnungseigentumsgesetzes abbedungen worden. Weiterhin sind sie der Ansicht, dass das Amtsgericht ihre Ausführungen, dass die Geltendmachung der Rechte durch die Klägerin schon nach Treu und Glauben ausgeschlossen sei, da die Klägerin selbst so lebe, als ob sie keine Zustimmung bedürfe, vollkommen unberücksichtigt gelassen habe.

Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des erstinstanzlichen Urteils und unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

1. Die Berufung ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, nämlich form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und fristgerecht begründet (§ 520 ZPO) worden.

2. Die Berufung ist allerdings nicht begründet.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf der Grundlage der in erster Instanz festgestellten Tatsachen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf einer Verletzung des materiellen Rechts oder der Rechtsregeln zum Beweisverfahren und zur Beweiswürdigung (§ 546 ZPO) beruht, d.h. eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Anhaltspunkte können vorliegen, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges die Beweislast verkannt hat, beweiswürdigende Darlegungen nachvollziehbarer Grundlage entbehren, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde, Verfahrensfehler bei der Tatsachenfeststellung unterlaufen sind oder Fehler bei der Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme vorliegen (vgl. BGH NJW 2004, 1876; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 529, Rn. 2).

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist die Entscheidung des Amtsgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Die Klägerin ist hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs auch nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG n.F. prozessführungsbefugt (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2021 – V ZR 299/19 = NZM 2021, 561; BGH, Versäumnisurteil v. 1.10.2021 – V ZR 48/21 = NZM 2022, 107, beck-online).

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagten, wie vom Amtsgericht ausgeurteilt, einen Anspruch auf Unterlassung der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums der Parteien in Form des Baus eines Swimmingpools in dem ihnen zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Gartenbereich gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit § 20 Abs. 1 WEG.

Der Bau eines Swimmingpools stellt eine Veränderung der Sachsubstanz dar, sodass dadurch eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums der Parteien durch die Beklagten als Handlungsstörer droht.

Da die Beklagten im Jahr 2020 bereits mit dem Bau begonnen haben und den Bau unstreitig weiter beabsichtigen, ist auch die Wiederholungsgefahr gegeben.

aa) Die Klägerin ist nicht zur Duldung verpflichtet. Es fehlt an dem nach § 20 Abs. 1 WEG n.F. erforderlichen Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, mit dem den Beklagten der Bau des Swimmingpools gestattet wird und aus dem sich deshalb eine Duldungspflicht der Klägerin ergeben würde.

(1) Ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagten zum Bau des Swimmingpools berechtigt sind, beurteilt sich vorliegend, auch wenn der Streit bereits unter Geltung des alten Wohnungseigentumsgesetzes entstanden ist, nach dem aktuell geltenden Wohnungseigentumsgesetz, also nach § 20 WEG neuer Fassung. Denn entscheidend für die anzuwendenden Rechtsnormen ist der Zeitpunkt der Urteilsverkündung (Feskorn in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 300 Rn. 3), soweit in Übergangsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. So liegt es hier. Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) enthält keine generelle Übergangsvorschrift, sodass das „neue“ WEG mit Inkrafttreten des WEMoG zum 01.12.2020 auf alle Gemeinschaften und Sachverhalte Anwendung findet. Lediglich in den in § 48 WEG n.F. aufgezählten Fällen, die vorliegend nicht einschlägig sind, findet das „alte“ WEG weiter Anwendung.

Für den Bau eines Swimmingpools als bauliche Veränderung im Sinne des § 20 Abs. 1 WEG bedürfen die Beklagten daher zwingend eines gestattenden Beschlusses, auf den die Beklagten unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 WEG einen Anspruch haben.

(2) Die Rüge der Beklagten, das Amtsgericht habe verkannt, dass das Beschlusserfordernis abbedungen worden sei und deshalb zu Unrecht ein Zustimmungsbedürfnis angenommen, greift nicht durch.

Zwar können die Wohnungseigentümer gem. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG eine von der Vorschrift des § 20 WEG abweichende Vereinbarungen dahingehend treffen, dass bauliche Veränderungen ohne das Einverständnis der übrigen Wohnungseigentümer zulässig sind (vgl. MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 11).

Eine solche Vereinbarung kann hier aber nicht festgestellt werden. Entsprechendes ergibt sich nämlich weder aus der Miteigentümerordnung nebst Ergänzung noch konkludent aus dem von den Beklagten vorgetragenen Verhalten der Wohnungseigentümer.

Die Miteigentümerordnung regelt vorliegend die „alleinige Grundstücksnutzung“ bestimmter, dort zugewiesener Grundstücksflächen (Garten). Umfang und Reichweite dieses Sondernutzungsrechts sind durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Der Miteigentümerordnung kann vorliegend nicht entnommen werden (§§ 133, 157 BGB), dass die Wohnungseigentümer in dem zugewiesenen Gartenbereich auch zu baulichen Veränderungen ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer berechtigt sind. Denn ohne besondere Anhaltspunkte ist der Sondernutzungsberechtigte regelmäßig nicht zur grundlegenden Umgestaltung und zu baulichen Veränderungen wie die Errichtung von Gartenhäusern, Wintergärten, Zäunen und auch eines Swimmingpools berechtigt (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 14 WEG, Rn. 62; MüKoBGB/Burgmair, 8. Aufl. 2021, WEG § 10 Rn. 34; Schmid, Sondernutzungsrecht Garten, ZWE 2015, 109, 110; beck-online). Derartige Anhaltspunkte sind vorliegend nicht gegeben, da in der Miteigentümerordnung einleitend klargestellt wird, dass sich das Verhältnis der beiden Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz bestimmt und hier lediglich die alleinige Grundstücksnutzung gestattet wird.

Die Ergänzung der Teilungserklärung vom 20.09.2013, wonach jeder Wohnungseigentümer hinsichtlich der Sondernutzungsflächen für die Reparatur und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums allein verantwortlich ist, mag dahingehend auszulegen sein, dass die in Zusammenhang mit der Reparatur und Instandsetzung stehenden baulichen Veränderungen zustimmungsfrei sind. Allerdings fällt der Bau eines Swimmingpools weder unter Reparatur noch unter Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums.

Eine Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 2 WEG kann zwar auch konkludent erfolgen (vgl. BeckOGK/Falkner, 1.6.2022, WEG § 10 Rn. 98). Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben allerdings keine hinreichenden Umstände dargelegt, die eine konkludente Vereinbarung der Parteien dahingehend, dass bauliche Veränderungen zustimmungsfrei erfolgen können, tragen.

Insbesondere kann etwaigen ohne vorherige Beschlussfassung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgenommenen baulichen Veränderungen seitens der Klägerin aus Sicht der Kammer nicht der Erklärungswert entnommen werden, dass diese mit Bindungswillen für die Zukunft auf ihr Mitbestimmungsrecht (überhaupt und) für (jegliche) bauliche Veränderungen seitens der Beklagten verzichten möchte. Insoweit entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand, der zum eigenen Vorteil Regeln umgeht, sich (dennoch) nicht schwer damit tut, auf das Einhalten eben jener Regeln zu pochen, wenn es um die Abwehr eigener Nachteile geht und die Redewendung „Geben ist seliger denn Nehmen“ dabei ins Gegenteil verkehrt.

bb) Es kann dahinstehen, ob die Beklagten gegen die Klägerin einen Anspruch auf die Beschlussfassung über die Gestattung des Baus des Swimmingpools gem. § 20 Abs. 3 WEG haben. Denn nach Auffassung der Kammer führt ein solcher Anspruch der Beklagten nicht dazu, dass es der Klägerin nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt wäre, den Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten geltend zu machen.

Denn durch das WEMoG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung zu ihrer Legitimierung einer Gestattung durch Beschluss bedarf, selbst wenn auf die Beschlussfassung ein Anspruch gem. § 20 Abs. 3 besteht, weil kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird (sog. Beschlusszwang; BT-Drucks. 19/18791, S. 62; BeckOGK/Kempfle, 1.6.2022, WEG § 20 Rn. 271, 171). Durch den Beschlusszwang wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer in der Versammlung über alle baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums informiert werden. Die Beschlussfassung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat überdies den Vorteil, dass der legitimierende Beschluss bei Bestandskraft Rechtssicherheit für den bauenden Wohnungseigentümer gibt und eine Bindungswirkung gegenüber Sondernachfolgern herbeigeführt werden kann (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 62; MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 14, 15).

Dieser Wille des Gesetzgebers, der dem hohen Gut des Vorbefassungsgebots der Eigentümerversammlung Rechnung trägt, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung ohne Beschlussfassung vorgenommen hat bzw. vornehmen möchte, dem Rückbau- bzw. Unterlassungsanspruch seinen Anspruch auf die Gestattung per Beschluss gem. § 242 BGB entgegenhalten könnte. Ein Wohnungseigentümer könnte sonst folgenlos gegen den Beschlusszwang und das Vorbefassungsgebot verstoßen. Aufgrund des Vorbefassungsgebots handelt es sich bei der Beschlussfassung nach Auffassung der Kammer auch nicht um bloße Förmelei. Im Übrigen ist der Beseitigungs- bzw. Unterlassungsprozess der falsche Ort, um dort erstmals zu prüfen und darüber zu befinden, ob der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Genehmigung der von ihm bereits vorgenommenen oder konkret geplanten baulichen Veränderung hat (vgl. MüKoBGB/Rüscher, 8. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 14, 15; BeckOGK/Kempfle, 1.6.2022, WEG § 20 Rn. 271; a.A. Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 120; LG Berlin, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 85 S 40/20 WEG). Ob dies im Rahmen von § 20 Abs. 3 WEG in ganz eindeutig gelagerten Fällen, in denen auf den ersten Blick ganz offensichtlich ist, dass keiner der übrigen Wohnungseigentümer durch die bauliche Veränderung auch nur ansatzweise beeinträchtigt ist, anders zu entscheiden ist, kann offenbleiben, da das Fehlen jedweder Beeinträchtigung bei dem Bau eines Swimmingpools nicht offenkundig ist.

cc) Das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist auch nicht dann rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB), wenn die Klägerin in der Vergangenheit selbst bauliche Veränderungen unter Missachtung des Zustimmungs- bzw. Beschlusserfordernisses vorgenommen hätte.

Unabhängig davon, dass es insofern an konkretem Vortrag der Beklagten fehlen dürfte, macht ein eigener Verstoß gegen die Pflichten aus § 14 WEG das Unterlassungsverlangen nicht rechtsmissbräuchlich. Eine „Aufrechnung“ unzulässiger baulicher Veränderungen gegeneinander findet nicht statt (Reichel-Scherer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, § 22 WEG (Stand: 01.07.2020), Rn. 118; Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 7. Aufl. 2021, § 20 WEG, Rn. 119).

c) Die ausgeurteilten Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verzugs zu, nachdem die Klägerin die Beklagten unbestritten vor der Beauftragung des Rechtsanwalts mehrfach darauf hinwies, dass sie ihre Zustimmung zu dem Bau des Swimmingpools nicht erteile.

III.

Die prozessualen Nebenfolgen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 709 S. 1 ZPO.

IV.

Die Revision wird gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen. Die Frage, ob sich der Wohnungseigentümer, der die bauliche Veränderung ohne Beschlussfassung vorgenommen hat bzw. vornehmen möchte, gegenüber dem Rückbau- bzw. Unterlassungsanspruch auf § 242 BGB berufen kann, wenn er einen Anspruch auf Gestattung bzw. Genehmigung der baulichen Veränderung haben sollte, ist nach Recherche der Kammer unter Geltung des neuen WEG noch nicht obergerichtlich entschieden worden. Diese Frage hat nach Auffassung der Kammer auch grundsätzliche Bedeutung.

V.

Der Streitwert richtet sich gem. § 3 ZPO nach dem Interesse der Klägerin, das die Kammer in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens mit 10.000 Euro bewertet.

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