LG Frankfurt – Az.: 2/13 S 98/17 – Urteil vom 07.06.2018
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil- und Schlussurteil des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) vom 12.07.2017, Az. 2 C 64/17 (23), auch im Kostenpunkt abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt es vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Beklagten nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 8.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft … . Die einschlägige Teilungserklärung wurde mehrfach geändert. So wurde etwa durch Änderung der Teilungserklärung vom 04.03.1993 der Garten aufgeteilt und Sondernutzugsrechte an bestimmten Flächen begründet.
In den Jahren 2001 bis 2004 errichteten die Beklagten auf der ihnen zugeteilten Sondernutzungsfläche im Garten ein Gartenhaus nebst Anbau … .
Die Terrasse, welche den Beklagten als Sondereigentum zugewiesen ist, gestalteten sie um. …
Im Bereich des Gemeinschaftseigentums stellten die Beklagten eine Vielzahl von Sachen auf, etwa eine Garderobe, eine Schuhablage, ein Regal, ein Schrank und eine Kommode …
In einem Vorprozess haben die Kläger die Beklagten auf Entfernung und Beseitigung in Anspruch genommen. Die Klage hatte letztlich keinen Erfolg, die Kammer hat die Ansprüche auf Beseitigung als verjährt angesehen.
Die Kläger verlangen nun, soweit für die Berufungsinstanz noch relevant, die Duldung der Beseitigung auf eigene Kosten.
Die Beklagten haben erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.
Das Amtsgericht hat einen Anspruch auf Duldung der Wiederherstellung des der Teilungserklärung entsprechenden Zustandes aus § 902 BGB bejaht.
Die Terrassenänderung sei eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 WEG. Das optische Erscheinungsbild sei verändert worden. Sofern die Beklagten ein Sondernutzungsrecht innehätten, berechtige ein solches nicht, ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer, bauliche Veränderungen vorzunehmen. Die Baumaßnahmen der Beklagten gingen auch über eine bloße Instandsetzung hinaus. …
Das Gleiche gelte für die Gartenhütte.
Auch die Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch die Beklagten, sofern diese dort Sachen aufgestellt haben, gehe über den gewöhnlichen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums hinaus und müsse nicht von den Klägern geduldet werden.
Ein Anspruch auf Duldung der Beseitigung sei nicht verjährt, auch wenn ein Beseitigungsanspruch verjährt sei (Bezugnahme auf BGH 28.01.2011 V ZR 141/10). Insofern gelte für den Duldungsanspruch § 902 BGB.
Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen das angefochtene Urteil.
….
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Den Klägern steht der streitgegenständliche Duldungsanspruch nicht zu. Ein Anspruch auf Duldung der Störungsbeseitigung steht der teilrechtsfähigen Gemeinschaft zu und nicht den Klägern als Sondereigentümern. Die Kläger sind insoweit nicht aktivlegitimiert.
1. Zutreffend und der Ansicht des BGH entsprechend (vgl. zuletzt BGH NZM 2018, 231 ) ist, dass hinsichtlich eines Unterlassungsanspruches nach § 1004 BGB bzw. 15 WEG der einzelne Sondereigentümer Anspruchsberechtigter und damit in einem gerichtlichen Verfahren aktivlegitimiert ist. Nur durch entsprechende Beschlussfassung kann die Gemeinschaft die Ausübungsbefugnis an sich ziehen. Ein derartiger Anspruch ist aber nicht streitgegenständlich, denn diesen Anspruch hat die Kammer – rechtskräftig – als verjährt abgewiesen.
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Verjährung des Beseitigungsanspruchs allerdings nicht dazu, dass der Zustand legalisiert wird (BGH NJW 2011, 1068), Folge ist lediglich, dass der Miteigentümer seinen Beseitigungsanspruch nicht (mehr) mit Erfolg durchsetzen kann (vgl. Kammer ZMR 2014, 821). Der geschaffene Zustand ist daher weiterhin unzulässig und stellt ggf. eine unzulässige bauliche Veränderung dar. Demzufolge hat der Bundesgerichtshof es auch für zulässig erachtet, dass der durch eine Eigentumsbeeinträchtigung gestörte Eigentümer im Rahmen seiner aus § 903 BGB folgenden Rechtsmacht die Störung beseitigen kann und der Störer dies dulden muss (BGH NJW 2011, 1068).
3. Demzufolge wird auch in der Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig vertreten, dass soweit es sich um eine – wie hier – Störung durch eine Veränderung des Gemeinschaftseigentums handelt, die Gemeinschaft als Maßnahme der Instandhaltung- und Instandsetzung (§ 21 Abs. 5 WEG) die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands beschließen kann (LG Hamburg ZMR 2016, 129; Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 57; Bärmann/Merle § 22 Rn. 327; Riecke/Schmid/Drabek § 22 Rn. 101; Staudinger/Lehmann-Richter § 22 Rn. 132). Für den aus einer entsprechenden Beschlussfassung folgenden Duldungsanspruch ist aber nicht – wie das Amtsgericht und die Kläger meinen – der einzelne Eigentümer, sondern die WEG anspruchsberechtigt, so dass die auf Duldung der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gerichtete Klage der Kläger mangels Aktivlegitimation abzuweisen ist.
a) Denn der geltend gemachte Duldungsanspruch ist kein aus § 1004 BGB bzw. § 15 WEG folgender Individualanspruch. Dieser ist verjährt. Der weiterhin bestehende Duldungsanspruch zielt vielmehr darauf ab, es zu dulden, dass das Gemeinschaftseigentum ordnungsgemäß wieder hergestellt wird (LG Hamburg ZMR 2016, 129; Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 57; Bärmann/Merle § 22 Rn. 327; Riecke/Schmid/Drabek § 22 Rn. 101). Dies erfordert jedoch, dass sich die Wohnungseigentümer auf einer Versammlung mit der Angelegenheit befassen und ihr Ermessen, ob sie den derzeitigen Zustand auf Kosten der Gemeinschaft (§ 21 Abs. 4, 5 WEG) beseitigen, ausüben (LG Hamburg aaO; Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 57 mwN). Ist ein entsprechender Beschluss gefasst worden, der es erforderlich macht, dass der Störer – wie die hier bei den begehrten Maßnahmen der Fall wäre – Beeinträchtigungen in seinem Sondernutzungsrecht hinzunehmen haben, ergäbe sich dieser Anspruch aus § 14 Nr. 3, 4 WEG, der nach allgemeiner Auffassung auch die Duldung von Instandsetzungsmaßnahmen im Bereich eines Sondernutzungsrechtes umfasst (vgl. Bärmann/Suilmann § 14 Rn. 56 mwN).
b) Für derartige Ansprüche ist aber – unstreitig – nicht der einzelne Eigentümer sondern die Gemeinschaft klagebefugt (geborene Wahrnehmungsbefugnis Bärmann/Suilmann § 14 Rn. 66; Jennißen/Hogenschurz § 14 Rn. 22b; Niedenführ/Kümmel/Niedenführ § 14 Rn. 49; Klimesch ZMR 2012, 428, 430).
Für diesen Befund sprechen weiterhin neben den dargestellten rechtsdogmatischen auch praktische Erwägungen. Die Abgrenzung der Kompetenzzuweisung zwischen den einzelnen Eigentümern und der Gemeinschaft ist neben dem Interesse der Eigentümer auch von Verkehrsschutzgesichtspunkten geprägt (Bärmann/Suilmann WEG § 10 Rn. 248). Der Anspruch muss auch im Sinne des Schuldnerschutzes praktisch sinnvoll durchsetzbar, also vollstreckbar, sein. Es könnte jedoch, wollte man die einzelnen Sondereigentümer als Anspruchsinhaber betrachten, dazu kommen, dass diese jeweils getrennt eine entsprechende Duldungsverpflichtung isoliert geltend machen. Im Gegensatz zu einem titulierten Unterlassungsanspruch und auch einem vom Schuldner zu erfüllenden Beseitigungsanspruch, der gegenüber mehreren Berechtigten gleichermaßen erfüllt werden kann, ist dies im Falle der Duldung der Störungsbeseitigung nicht der Fall. Der Verpflichtete könnte sich gegenüber mehreren Eigentümern einer Verpflichtung zur Duldung der Störungsbeseitigung ausgesetzt sehen, wobei die Gläubiger ggf. eigene Vorstellungen von der Umsetzung der Störungsbeseitigung verfolgen. Schon im Interesse einer einheitlichen Handhabung von Veränderungen des Gemeinschaftseigentums kann es nicht angehen, dass verschiedene Eigentümer den Rückbau verjährte Beseitigungsansprüche jeweils individuell – in unterschiedlicher praktischer Ausgestaltung – durchsetzen.
4. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass es sich vorliegend um eine „Zweier WEG“ handelt. Die Kammer ist bereits im Ansatz skeptisch, ob im Allgemeinen eine Lockerung der gesetzlichen Vorschriften des WEG in einem solchen Fall geboten ist (Kammer ZWE 2017, 231). Jedenfalls im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, weshalb von den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen abgewichen werden sollte. Es bleibt den Klägern vorbehalten, wenn nötig durch gerichtliche Entscheidung, eine entsprechende Beschlussfassung und deren Durchsetzung durch die Gemeinschaft sicherzustellen. Nach Ansicht der Kammer ist es nicht angängig, in derartigen Fällen die Aktivlegitimation von der Gemeinschaft ohne weiteres auf den Einzelnen zu übertragen. Dies sieht das Gesetz nur im Falle des – hier nicht anwendbaren und auch nicht übertragbaren – § 18 Abs. 1 S. 2 WEG (dazu BGH NZM 2010, 408 ) vor.
Unüberwindbare praktische Schwierigkeiten stellen sich bei dieser Lösung auch nicht, denn es steht dem Wohnungseigentümer frei, sich durch gerichtliche Beschlussersetzung – bei der in zerstrittenen Zweiergemeinschaften eine Vorbefassung entbehrlich sein kann – zur Durchsetzung des Anspruchs ermächtigen zu lassen.
Die Durchführung eines derartigen (Vor)prozesses ist auch keine unnütze Förmelei, die es ggf. rechtfertigen könnte, sogleich eine Klage der Eigentümer untereinander zuzulassen. Im Gegenteil ist ein solches Verfahren zwingend erforderlich. Denn die Prüfungsmaßstäbe der Prozesse unterscheiden sich erheblich. Nur in dem Beschlussersetzungsverfahren könnte gerichtlich geklärt werden, ob es ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, auf Kosten der Gemeinschaft (Bärmann/Merle § 22 Rn. 327; Jennißen/Hogenschurz § 22 Rn. 57) (und nicht des einzelnen Eigentümers (so aber Klimesch ZMR 2012, 428, 429)) den Rückbau vorzunehmen und ggf. den störenden Eigentümer auf Duldung in Anspruch zu nehmen. Zugleich müsste in diesem Prozess – ggf. durch eine Beschlussersetzung über eine Sonderumlage – geklärt werden, wie die Gemeinschaft sich die erforderlichen Mittel beschafft.
Diese Prüfung kann nicht in den Prozess, in dem der Eigentümer auf Duldung der Beschlussdurchführung – eines noch gar nicht gefassten Beschlusses – verklagt wird, verlagert werden, da es in diesem Prozess nur um die Rechtsfolge – Duldung der Umsetzung eines gefassten Beschlusses – ginge und sich hier die Frage der sachgerechten Ermessensausübung nicht stellte. Entsprechend müsste im Falle einer Beschlussfassung über einen Rückbau der betroffene Eigentümer seine Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit des Beschlusses im Anfechtungsprozess vortragen und könnte diese nicht im Prozess auf Duldung der Beseitigung erheben.
Bei einer anderen Auffassung erschlösse sich auch nicht, wie die Kostenbelastung erfolgen soll, denn es wäre wohl nicht angängig, durch einen Prozess zwischen den beiden – einzigen – Wohnungseigentümern eine Zahlungsverpflichtung bei einem Dritten – der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft – zu begründen. Diese wäre allerdings nach einer Beschlussfassung für die Umsetzung verantwortlich und müsste auch für die Kosten aufkommen. Auch von diesen Grundlagen der Kostenverteilung im Wohnungseigentumsrecht in Zweiergemeinschaften vollständig abzuweichen, besteht aus Sicht der Kammer keine Veranlassung.
5. Nach alledem war auf die Berufung das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Die ungeklärte Frage der Beurteilung der Verteilung der Anspruchsinhaberschaft zwischen Sondereigentümern und teilrechtsfähiger Gemeinschaft – insbesondere in Zwei-Personen-Verhältnissen – betrifft eine Vielzahl von Fällen und hat daher grundsätzliche Bedeutung.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49a GKG.
Bei Rückbauansprüchen bemisst sich das Interesse im Sinne von § 49a GKG nach den Beseitigungskosten (Niedenführ/Vandenhouten WEG § 49a GKG Rn. 13). Dasselbe muss auch für Ansprüche gelten, die auf Duldung einer solchen Beseitigung gerichtet sind.
Vorliegend sind ausschließlich solche Ansprüche streitgegenständlich. Dem wird die vorgenommene Wertfestsetzung gerecht.