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WEG – Verjährung des Rückbauanspruchs bei Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses

LG Frankfurt – Az.: 2/13 S 59/18 – Urteil vom 28.02.2019

Auf die Berufung wird das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 1.3.2018 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 120.000,- Euro.

Gründe

I.

Mit der Klage machen die Kläger gegen die beklagte Wohnungseigentümerin Rückbauansprüche für eine Dacherhöhung geltend.

Die Beklagte ließ im Frühjahr 2009 hinsichtlich ihrer Sondereigentumseinheit das alte Dach abtragen und eine Erhöhung um 55 cm vornehmen. Diese Maßnahmen wurden in der Eigentümerversammlung vom 21.04.2010 mehrheitlich genehmigt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Anfechtungsklage der Kläger hatte Erfolg. Mit am 09.10.2013 verkündetem Urteil hat die Kammer das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 20.01.2012 abgeändert und den Genehmigungsbeschluss für ungültig erklärt. Die Revision gegen dieses Urteil hat die Kammer nicht zugelassen.

Mit an das Landgericht Wiesbaden gerichteten Schriftsatz vom 02.08.2016, dort eingegangen am 10.08.2016 haben die Kläger einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt, mit welchem sie Prozesskostenhilfe für eine Klage begehren, mit welcher die Beklagte verpflichtet werden sollte, den Dachumbau in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Die Zustellung dieses Schriftsatzes an die Beklagte konnte nicht erfolgen, da die dort angegebene Anschrift der Beklagten unzutreffend war, die neue Anschrift wurde mit Schriftsatz vom 24.08.2016 mitgeteilt. Am 23.08.2016 hat der Klägervertreter einen Verweisungsantrag gestellt, welchem das Landgericht Wiesbaden nachgekommen ist. Die Bekanntgabe dieses Antrags an die richtige Adresse der Beklagten wurde am 29.08.2016 verfügt.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und insbesondere die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht verjährt, da in die Verjährungsfrist die Zeit von der Erfassung des Genehmigungsbeschlusses am 21.04.2016 bis zum Ablauf des Tages, bis zu welchem Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil der Kammer vom 09.10.2013 hätte eingelegt werden können (13.12.2013, da Zustellung am 13.11.2013), die Verjährung gehemmt gewesen sei. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der geltend gemachte Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB, § 15 WEG) besteht nicht, denn dem steht die erhobene Einrede der Verjährung entgegen, selbst wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass mit Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags beim unzuständigen Gericht und mit fehlerhafter Adresse die Verjährung bereits gehemmt war (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB).

Zwar ist das Amtsgericht zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Dachanhebung eine bauliche Veränderung darstellt, welche die Kläger auch über das in § 14 Nr. 1 WEG beschriebene Maß hinaus benachteiligt. Insoweit kann auf die Feststellungen und die Ausführungen der Kammer im Urteil vom 09.10.2013 (2-13 S 28/12) Bezug genommen werden.

Dem Anspruch steht allerdings, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen (§§ 194, 195, 214 BGB).

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass für die geltend gemachten Beseitigungsansprüche die dreijährige Verjährungsfrist der §§ 195, 199 BGB gilt (BGH NJW 2016, 1735 ). Zutreffend ist auch, dass die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, mithin mit Ablauf des 31.12.2009 beginnt (§ 199 Abs. 1 BGB). Zu diesem Zeitpunkt mussten die Kläger auch Kenntnis von den Umständen erlangen, welche den Anspruch begründen, denn insoweit ist es ausreichend, dass sie die tatsächlichen Umstände kennen. Da der Vortrag sowohl in diesem Verfahren als auch in den Vorverfahren dahin geht, dass die maßgebliche Beeinträchtigung der Kläger darin liegt, dass der Ausblick aus den Fenstern ihrer Wohnung durch die Dacherhöhung erheblich beeinträchtigt ist, mussten sie – wenn nicht schon während des Baus – so doch jedenfalls mit der Fertigstellung des Baus, Kenntnis von den tatsächlichen den Anspruch begründenden Umständen erlangen. Dieses wird auch in diesem Verfahren nicht in Abrede genommen.

Nach der Rechtsprechung der Kammer (NJW 2018, 85) ist in die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung die Zeit nicht einzuberechnen, während der die bauliche Veränderung durch einen später für ungültig erklärten Beschluss der Wohnungseigentümer genehmigt war. Die Kammer hat dies in der vorgenannten Entscheidung damit begründet, dass der Genehmigungsbeschluss – auch wenn er anfechtbar war – bis zum Zeitpunkt seiner Ungültigerklärung (§ 23 Abs. 4 WEG) gültig und bindend war, so dass während dieser Zeit ein Beseitigungsanspruch der Kläger, welchen diese mit Erfolg hätten durchsetzen können, nicht bestand. Dies steht – aus den in der vorgenannten Entscheidung näher dargelegten Gründen – der Annahme entgegen, die Verjährungsfrist würde gleichwohl laufen.

Allerdings beginnt – was die Kammer in der vorgenannten Entscheidung noch offen lassen konnte – mit der rechtskräftigen Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses die Verjährung nicht erneut, sondern der Zeitraum in welcher der Genehmigungsbeschluss nach § 23 Abs. 4 WEG gültig war, ist lediglich in dem Verjährungszeitraum nicht einzuberechnen. Denn die Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses löst nicht einen neuen Beseitigungsanspruch aus. Der Beseitigungsanspruch aus § 15 WEG, § 1004 BGB bestand – aus der nunmehr maßgeblichen Betrachtung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz in diesem Verfahren – vielmehr bereits mit Errichtung der unzulässigen baulichen Veränderung. Durch die gerichtliche Entscheidung der Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses änderte sich an dem Bestehen dieses Anspruches nichts, es wurde auch keine neue Anspruchsgrundlage für die Kläger geschaffen. Entschieden ist damit lediglich, dass die zwischenzeitlich eingetretene Legitimation der baulichen Veränderung mit ex-tunc-Wirkung (BGH NJW 1989, 1087, 1088 ) entfallen ist. Diese Sachlage ist nicht ansatzweise mit den in § 212 BGB beschriebenen Situationen vergleichbar, welche den Neubeginn einer Verjährung zur Folge haben, sondern entspricht eher den Hemmungstatbeständen des § 204 BGB (so auch Dötsch MietRB 2018, 48).

Dies hat, was das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, zunächst zur Folge, dass die 110 Tage vom 01.01.2010 bis zum 21.04.2010, dem Zeitpunkt der Beschlussfassung des Genehmigungsbeschlusses, bei der Verjährungsfrist zu berücksichtigen sind. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Zeit ab dem 09.10.2013, an welchem das Urteil der Kammer, mit welchem der Genehmigungsbeschluss für ungültig erklärt wurde, verkündet wurde, mit einzuberechnen und es kommt nicht auf den Ablauf einer Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde an, den das Amtsgericht mit dem 13.12.2013 bemisst und damit – rechnerisch zutreffend – zu einem Verjährungsbeginn am 24.08.2016 gelangte. Denn der Beschluss war bereits mit der Verkündung des Berufungsurteils – ex tunc – ungültig, da er mit der Verkündung des Berufungsurteils durch ein rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt worden ist (§ 23 Abs. 4 WEG).

Ein Urteil ist gemäß § 705 ZPO grundsätzlich mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig. Dieses setzt aber voraus, dass ein Rechtsmittel zumindest statthaft ist. Ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil bereits nicht statthaft, wird es mit der Verkündung formell rechtskräftig (allg. Auffassung vgl. nur Musielak/Voit/Lackmann § 705 Rdnr. 3; MüKOZPO/Götz, § 705 Rdnr. 5; Zöller/Seibel § 705 Rdnr. 7).

Da die Kammer in dem Urteil vom 09.10.2013 die Revision nicht zugelassen hatte, war ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht statthaft. Denn gemäß § 62 Abs. 2 WEG in der vom 17.05.2012 bis 12.12.2014 geltenden Fassung, fanden in Wohnungseigentumssachen nach § 43 Nr. 1 – 4 WEG die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, § 544 ZPO) keine Anwendung, soweit die anzufechtende Entscheidung vor dem 31.12.2014 verkündet worden ist. Dieses war hier in zeitlicher Hinsicht der Fall, weshalb die Kammer in der vorgenannten Entscheidung auch von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 ZPO absehen konnte. Damit war eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur, was nicht zum unmittelbaren Eintritt der Rechtskraft geführt hätte, unzulässig, sondern ein Rechtsmittel war insoweit von vorneherein gegen das Berufungsurteil nicht statthaft, wie dieses etwa auch bei einem Berufungsurteil betreffend einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung der Fall ist (§ 552 Abs. 2 ZPO). Für diese Fälle ist es aber einhellige Auffassung, dass eine derartige Entscheidung mit Verkündung formelle Rechtskraft erlangt (vgl. Musielak/Voit/Lackmann § 705 Rdnr. 4; MükoZPO/Götz § 705 Rdnr. 5; Zöller/Seibel § 705 Rdnr. 7).

Die Verjährungsfrist, die das AG zutreffend mit 1095 Tagen bemessen hat, verlängerte sich daher um die Zeit vom 21.04.2010 bis 09.10.2013 also um 1268 Tage und endete daher mit Ablauf des 21.06.2016, so dass zum Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags am 10.08.2016 der Anspruch in jedem Fall verjährt war und es daher auf die Frage, ob dieser, da beim falschen Gericht und mit falscher Anschrift der Gegnerin, die Verjährung (erneut) gehemmt hätte, nicht mehr ankommt.

Nach alledem war auf die Berufung das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlagen in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, denn es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Basis gesicherter Rechtsprechung, zudem handelt es sich um die Anwendung nicht mehr geltenden Rechts (§ 62 Abs. 2 WEG aF).

Die Streitwertfestsetzung folgt der nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung (§ 49 a GKG).

 

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