LG Heidelberg, Az.: 3 O 128/17, Urteil vom 28.07.2017
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 13.600,00 € festgesetzt.
Begründung
Die Klägerin hat ihr Interesse mit 17.000,00 € beziffert. Hiervon ist nach allgemeinen Grundsätzen ein 20%iger Feststellungsabschlag – gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage – zu machen (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1107 Rn. 5, juris).
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der beklagten Wohnungseigentumsgemeinschaft (WEG) Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich einer Tiefgarage.
Am 4.6.2016 gegen 12:50 Uhr fuhr der Ehemann der Klägerin mit seinem PKW in die zum Gebäudekomplex der Beklagten in der H. Gasse gehörende, als „öffentliches Parkhaus“ bezeichnete Tiefgarage und stellte das Fahrzeug dort ab, um zusammen mit der Klägerin, die vor der Einfahrt ausgestiegen war, das nahegelegene Geschäft der Firma Büroartikel K. aufzusuchen.
Das Parkhaus ist zur H. Gasse – wie aus dem Lichtbild Anlage K 2 ersichtlich – mit einer jeweils separaten Einfahrt und Ausfahrt verbunden. Ein separater Ein- und Ausgangsweg speziell für Fußgänger besteht zur H. Gasse hin nicht. Das Parkhaus verfügt über ein Unter- und ein Oberdeck, die über eine Rampe verbunden sind. Vom Oberdeck aus gelangt man über eine Passage in die Fußgängerzone bzw. zur Hauptstraße in die Innenstadt. Außer dem Parkhaus gehören zu dem Gebäudekomplex diverse Ladenlokale und Wohnungen.
Auf dem Rückweg betrat die Klägerin von der H. Gasse kommend die als „Ausfahrt“ bezeichnete Ausfahrtsstraße, um in die Tiefgarage zu gelangen. Diese Ausfahrtsstraße ist wie auch die westlich daneben gelegene Einfahrtsstraße zum Gebäudeinneren hin abgeneigt. Zwischen der von unten nach oben führenden betonierten Rampe und der gepflasterten Fläche des sich außerhalb anschließenden Gehweges befindet sich ein zur Tiefgarage hin geneigtes Wasserablaufgitter aus Metall. Das Gitter weist an seiner Oberfläche keine Riffelung auf und war zum Zeitpunkt niederschlagsbedingt nass. Die Örtlichkeit war der Klägerin nicht aus früheren Besuchen bekannt.
Die Klägerin trägt vor, sie sei auf dem Wasserablaufgitter ausgerutscht und zu Fall gekommen.
Als Folge des Sturzes erlitt die Klägerin eine OSG-Fraktur Typ Weber B. Die Klägerin musste sich im Sankt J. Krankenhaus H. operieren lassen und dort 4 Tage stationär bleiben. Der Bruch wurde mit einer Plattenostheosynthese versorgt. Anschließend war die Klägerin bis Ende August 2016 auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen und erhielt in der Folgezeit eine bis heute andauernde physiotherapeutische Behandlung. Bis ungefähr zwei Monate nach der Operation benötigte die Klägerin Schmerzmittel. Bis Ende des Jahres 2016 war sie auf Gehstützen bzw. einen Rollator angewiesen. Das Osteosynthesematerial muss wieder entfernt werden. Mit einem Dauerschaden ist zu rechnen.
Der Haftpflichtversicherer der Beklagten lehnte mit Schreiben vom 02.02.2017 und vom 07.02.2017 eine Eintrittsverpflichtung ab. Der Klägerin sind außergerichtlich Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 571,44 entstanden.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte habe als Betreiberin eines öffentlichen Parkhauses ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie habe – entsprechend dem heutigen Stand der Technik – geriffelte Gitterroste installieren müssen. Selbst wenn man derartige Gitter nicht installiere, sei ein Warnhinweis für Fußgänger angezeigt gewesen. Dies insbesondere dann, wenn durch Fahrzeuge die Gitterroste angefeuchtet würden und deshalb – auch wegen eines gewissen Gummiabriebs – extrem rutschig seien. Hinzu komme, dass die Gitterroste in einem Gefälle lägen und der von außen eintretende Fußgänger/Benutzer des Parkhauses infolge der Hell-/Dunkelgrenze optische Adoptionsprobleme habe. Da die Behandlungen der Klägerin noch nicht abgeschlossen seien, sei es noch nicht möglich, das Schmerzensgeld zu beziffern. Daher sei ein Feststellungsantrag zulässig.
Die Klägerin beantragt zuletzt, wie folgt zu erkennen:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden auch zukünftigen materiellen wie auch immateriellen Schaden zu ersetzen, welcher durch die bauliche Anordnung eines nicht rutschfesten Metallgitters im Fahrbahnbereich der Tiefgaragenausfahrt des Anwesens H. Gasse, und des dadurch bedingten Sturzes der Klägerin am 04.06.2016 beruht, soweit ein Übergang auf Sozialversicherungsträger nicht stattgefunden hat.
2. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren über € 571,44 zuzüglich Zins in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, der Sturz der Klägerin resultiere allein aus ihrem Fehlverhalten und ihrer Unachtsamkeit, nicht jedoch aus der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten. Eine zwingende Notwendigkeit, die Tiefgarage wieder über deren Einfahrt oder über deren Ausfahrt zu betreten oder zu verlassen, habe nicht bestanden. Die Ein- und Ausfahrten seien lediglich für die Benutzung durch PKW vorgesehen und nicht für den Fußgängerverkehr. Dies zeige bereits die Ausgestaltung deutlich. Weder gebe es gesonderte Fußwege noch genügend Raum, Fußgänger ein bequemes Betreten/Belaufen der Ein-/Ausfahrt zu ermöglichen. Der Verkehrssicherungspflichtige müsse nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadeneintritts Vorsorge treffen. Es genügten diejenigen Vorkehrungen, die zur Vermeidung einer Gefahr erforderlich und zumutbar seien. Gefahren, die jedem vor Augen stünden und vor denen er sich selbst schützen könne, bedürften keiner speziellen Verkehrssicherungspflicht. Der Klägerin habe bekannt sein müssen, dass sie die Tiefgarage über einen nicht dafür vorgesehenen Zugang habe betreten wollen. Bei dem Gitterrost handele es sich nicht um eine glatte Metallfläche, sondern dieser sei so ausgestaltet, wie dies auch bei so genannten Fußabtretern üblich sei. Das Gitter sei darüber hinaus deutlich erkennbar gewesen, eine etwaige Gefahr für die Klägerin also erkennbar und vermeidbar. Sie habe in dem Entschluss, das Parkhaus dennoch durch Überschreitung des Bodengitters zur Ausfahrt hin zu betreten, gegen die eigenen Sorgfaltspflichten verstoßen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Augenscheins. Die Klägerin wurde informatorisch gehört. Auf das Sitzungsprotokoll vom 19.7.2017 (As. 47 ff.) wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist – auch wenn man hinsichtlich des Feststellungsantrages von einem Feststellungsinteresse der Klägerin ausgeht – unbegründet. Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten wegen des Unfallereignisses im Eingangsbereich der Tiefgarage am 4.6.2016 Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht mit Erfolg geltend machen. Die Verletzung einer vertraglichen oder quasivertraglichen Pflicht sowie die Verletzung einer der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft obliegenden Verkehrssicherungspflicht sind nicht feststellbar. In jedem Falle ist die Beklagte aufgrund eines deutlich überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin haftungsfrei.
1. Allerdings ist die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft passivlegitimiert. Eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern ist rechtsfähig, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt (§ 10 Abs. 6 S. 1 WEG; siehe auch BGH, Beschl. v. 02.06.2005 – V ZB 32/05, ZIP 205, 1233, 1241). Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Verkehrspflichten sind nach herrschender Auffassung gegen die Gemeinschaft zu richten (OLG München, Beschl. v. 24.10.2005 – 34 Wx 082/05, MDR 2006, 807 f.; AG Hamburg-Wandsbek, Urt. v. 04.09.2012 – 716b C 53/12, juris Rn. 19 = ZMR 2013, 76; AG München, Urt. v. 31.03.2015 – 424 C 29442/13, juris Rn. 15 f. = ZMR 2014, 834; AG Reutlingen, Urt. v. 24.11.2016 – 9 C 1425/15, juris Rn. 32; Abramenko, in: Jennißen, WEG, 5. Aufl. 2017, § 10 WEG Rn. 138).
2. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 1 BGB stehen der Klägerin gegen die Beklagte nicht zu.
a) Allerdings hat die Klägerin das Unfallereignis, dessen Folgen als solche die Beklagte nicht einmal bestritten hat, im Rahmen der mündlichen Verhandlung und des Augenscheinstermins vor Ort sehr detailliert, nachvollziehbar und daher für das Gericht auch glaubhaft und überzeugend geschildert.
Demnach wollte sie, kurz nachdem ihr Ehemann mit dem PKW in die Tiefgarage eingefahren war und ihr zuvor gesagt hatte, sie solle an der Ausstiegsstelle rechts von der Einfahrt warten, zu ihm über den Ausfahrtsweg in die Tiefgarage folgen, weil es so stark geregnet hatte. Sie sei dann, von der Eingangssicht aus gesehen, rechtseitig gelaufen, habe einen Schritt auf das große Gitter gemacht, habe dabei den rechten Fuß vorausgesetzt und sei dann sofort so abgerutscht, dass sie rückwärtig hingefallen sei Dann habe sie sich mit Hilfe ihres hinzu gekommenen Mannes aufgerappelt. Sie habe gedacht, ihr rechter Fuß „baumele einfach nur so rum“. Beim Fallen habe sie es krachen gehört. Die Verletzung sei im Bereich des Sprunggelenks. Eine vorbeikommende Passantin habe ihnen dann geholfen. Mit deren Hilfe, der Hilfe ihres Mannes und ihrer Arme habe sie sich dann auf die Mittelkonsole gesetzt und gewartet, bis ihr Mann Hilfe hole. Es sei dann noch ein Ehepaar bei ihr geblieben aus Angst, ihr würde schlecht werden.
b) Dass die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft eine ihr obliegende Verkehrsicherungspflicht verletzt hat, kann jedoch nicht festgestellt werden.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1990 – VI ZR 246/89, VersR 1990, 796, 797; vom 8. November 2005 – VI ZR 332/04, VersR 2006, 233 Rn. 9; vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11, VersR 2012, 1528 Rn. 7, jeweils mwN). Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012 aaO mwN).
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1990 aaO; vom 15. Februar 2011 – VI ZR 176/10, aaO Rn. 9; vom 02.10.2012 aaO jeweils mwN).
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen ( vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012 aaO Rn. 8).
bb) Die Anforderungen an die Verkehrssicherung können je nach betroffenem Verkehrskreis und den konkreten Umständen unterschiedlich ausfallen. Fußgänger auf öffentlichen Gehwegen etwa haben gegebene Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen, wie sie erkennbar sind, und müssen mit typischen Gefahren rechnen; eine besondere Verkehrssicherungspflicht besteht erst dann, wenn auch für den aufmerksamen Fußgänger eine Gefahrenlage von einiger Erheblichkeit vorliegt, die völlig überraschend eintritt, nicht ohne Weiteres erkennbar ist oder besonders groß ist (Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 823 Abs. 1 Rn. E163). Demgegenüber richten sich die Anforderungen an die Verkehrssicherheit von Fußböden in Gebäuden nach der Art des Publikumsverkehrs und den Anforderungen der öffentlichen Einrichtung; maßgebliches Kriterium ist dabei die Trittsicherheit des Bodens (Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 823 Abs. 1 Rn. E271). Erhöhte Anforderungen können danach in Kaufhäusern oder anderen Örtlichkeiten mit regem Publikumsverkehr bestehen, weil zum einen vielfach Gedränge herrscht und zum anderen die Besucher ihre Aufmerksamkeit auf die Auslagen und Verkaufsstände richten und daher nicht ständig auf die Bodenbeschaffenheit achten (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.1986 – VI ZR 22/85, MDR 1986, 924; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.04.2013 – 3 U 1493/12, MDR 2013, 783; OLG Koblenz, Urt. v .17.06.2014 – 3 U 1447/13, MDR 2014, 1143; Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 823 Abs. 1 Rn. E 249). Auch in öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Parkhäusern, die für einen nicht auf bestimmte Personenkreise eingegrenzten Publikumsverkehr eröffnet sind, müssen die bestimmungsgemäßen Zugänge und Wege so beschaffen sein, dass auch der durch den Publikumsverkehr abgelenkte Besucher sich gefahrlos bewegen kann, auch wenn ein gewisses Maß an eigener Vorsicht in Rechnung gestellt werden kann. Allerdings muss die Vermeidung von Gefahrstellen sich im Bereich des für den Verkehrssicherungspflichtigen Zumutbaren bewegen (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.03.2003 – 7 U 138/01).
cc) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht festzustellen.
Zwar hat sich der Unfall bereits innerhalb des der Beklagten gehörenden öffentlichen Parkhauses ereignet. Jedoch ist die Klägerin dort in einem Bereich verunfallt, der für den bestimmungsgemäßen Zutritt durch Fußgänger ersichtlich nicht vorgesehen ist. Vielmehr handelt es sich um die Ausfahrt für die parkenden Kraftfahrzeuge zum Verlassen der Tiefgarage, was von außen durch den oberhalb angebrachten Hinweis „Ausfahrt“ sowie die unmittelbar links und rechts des Fahrweges angebrachten Schraffenbaken (vgl. das Zeichen 605 der Anl. 4 zu § 63 Abs. 2 StVO) deutlich kenntlich gemacht ist. Bei dieser Sachlage sind etwaige Verkehrssicherungspflichten des Inhabers oder Betreibers eines öffentlichen Parkhauses maßgeblich und vorrangig nach den Bedürfnissen des fahrenden bzw. ausfahrenden Kraftfahrzeugverkehrs zu richten und gerade nicht im Hinblick auf eine etwaige Nutzung durch Fußgänger, die gegebenenfalls entgegen der ohne weiteres erkennbaren Widmung bestimmungswidrig erfolgt. Es bestehen auch keine verbindlichen Vorgaben für die Beurteilung der Rutschfestigkeit von Bodengittern für die Fahrwege von Parkhäusern zugunsten von Fußgängern. Die aus Gründen des Arbeitsschutzes aufgestellte berufsgenossenschaftliche Regel 181 zur Rutschfestigkeit von Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen ist nicht anwendbar (vgl. auch AG Reutlingen, Urt. v. 24.11.2016 – 9 C 1425/15, juris Rn. 38).
Andererseits kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass von dem Parkhaus aus kein separater Ausgang für Fußgänger zur H. Gasse vorhanden ist, weshalb die Beklagte, die den Parkhausbetrieb eröffnet hat, zumindest damit rechnen muss, dass – was auch während des Augenscheinstermins festzustellen war – die Benutzer parkender Fahrzeuge es im Einzelfall unternehmen werden, zur Ersparnis von Weg und Zeit nicht den dafür vorgesehenen rückwärtigen Durchgang zur Stadtmitte zu benutzen, sondern über die Einfahrt oder Ausfahrt zur H. Gasse hin aus der Tiefgarage in die H. Gasse zu gelangen und/oder von dort wieder zurück. Dementsprechend ist von einem Betreiber insoweit auch ein gewisses Mindestmaß an Verkehrssicherung gegenüber solchen Passanten zu verlangen dergestalt, dass diese im Rahmen des Zumutbaren vor völlig überraschenden und nicht oder nur schwer erkennbaren Gefahren – wie sie beispielsweise bei einem größeren und tiefen, in einem Dunkelbereich befindlichen Schlagloch gegeben sein könnten – zu bewahren sind.
Wie weit diese Mindestanforderungen reichen können, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte aufgrund des Zustandes des Wasserablaufgitters beim Betreten durch die Klägerin das ihr gegenüber notwendige Mindestmaß an Verkehrssicherung verletzt hat. Zwar hat die Augenscheinnahme mit mehreren Rutschversuchen sowohl des Gerichts als auch der beteiligten Rechtsanwälte mit den Schuhen ergeben, dass man in dem von der Klägerin beschriebenen Randbereich bei stärkerer Befeuchtung bzw. Benässung durchaus ins Rutschen kommen kann, zumal das Gitter zur Tiefgarage hin leicht abfällt. Jedoch ist diese Gefahr nach der im Vororttermin gewonnenen Erfahrung und Überzeugung des Gerichts zumindest bei einer etwas vorsichtigen Begehensweise beherrschbar und dadurch auch ein Ausrutschen bzw. Stürzen vermeidbar, zumal das Gitter zwar nicht mir „Riffelungen“ ausgeführt ist, aber immerhin mit verhältnismäßig kleinteiligen Quadraten. Außerdem hat sich gezeigt, dass das Gitter auf der rechten Seite in dem Bereich, in dem ein Pkw gegebenenfalls mit seinen linksseitigen Reifen ausfährt, deutlich glatter ist als ganz außen. Eine vergleichbare Situation – geringere Rutschfestigkeit bei Nässe im Fahrspurbereich – ergab sich bei Benetzung mit Wasser auf der anderen Seite im Vergleich zur Mitte. Dabei hat man die Fahrspurbereiche auch visuell erkennen können, da dort das Gitter ersichtlich mehr geglänzt hat als im übrigen Bereich. Dies ist auch auf dem als Anlage K3 vorgelegten Lichtbild ersichtlich.
Bei dieser Sachlage erscheint die Annahme einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht sachgerecht. Jedenfalls trifft die Klägerin ein derart überwiegendes Eigenverschulden, dass eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten bei verständiger Abwägung gemäß § 254 BGB zurücktreten müsste. Denn die Klägerin musste in der gegebenen Situation nicht nur deshalb besondere Vorsicht walten lassen, weil sie mit ausfahrenden Kraftfahrzeugen rechnen musste. Darüber hinaus musste die Klägerin damit rechnen, dass der Ausfahrtbereich aufgrund des einsetzenden Regens mit Wasser benetzt und daher verhältnismäßig glatt war, zumal – wie sich beim Augenschein ebenfalls gezeigt hat – auf Grund der Neigung der Einfahrt zur Tiefgarage für sie ohne weiteres ersichtlich gewesen sein muss, dass das Regenwasser auch in Richtung der Tiefgaragenausfahrt laufen konnte. Ohne weiteres konnte und musste die Klägerin auch bei geringer Sorgfalt das Wasserablaufgitter als solches erkennen sowie auch, dass es sich um ein relativ großes Gitter handelte, über welches man praktisch nicht hinweg gelangen kann, ohne dieses mit beiden Füßen vollständig zu betreten. Die Klägerin hat dies nach eigenem Bekunden auch erkannt. Sie hat bei ihrer informatorischen Anhörung angegeben, dass der Vorfall um die Mittagszeit gewesen sei und man „normal gesehen“ habe. Demnach musste sich der Klägerin – wie jedem anderen etwaigen Passanten – aufdrängen, dass es sich gemäß der erkennbaren Widmung des Ausfahrtbereiches um ein Gitter handelte, das dafür vorgesehen und dementsprechend ausgelegt ist, von ausfahrenden Kraftfahrzeugen befahren und nicht – erst Recht nicht von außen nach innen bzw. in Abwärtsrichtung – von Fußgängern begangen zu werden. Sie durfte mit anderen Worten, wenn sie sich schon entschloss, entgegen allen Gefahrenanzeichen über dieses Gitter den Weg in die Tiefgarage zu nehmen und nicht über den eröffneten Personenzugang von der Rückseite her oder zumindest über den wesentlich gefahrloser begehbaren nebenan befindlichen Einfahrtsbereich – mit dem wie auf dem als AHB 5 vorgelegten Lichtbild zu sehen wesentlich schmaleren Gitter, welches man ohne es zu betreten hätte passieren können – keine besondere Trittsicherheit erwarten, sondern beging das Gitter damit ersichtlich auf eigenes Risiko. Selbst wenn das Erkennen des Bodengitters beim Betreten von außen für die Klägerin deshalb erschwert war, weil man – wie die Klägerseite vorgetragen hat – infolge der Hell-/Dunkelgrenze optische Adoptionsprobleme habe, so läge darin nur ein zusätzlicher Gesichtspunkt, der die Klägerin wie jeden anderen Passanten zu besonderer Vorsicht beim Eintreten hätte anhalten müssen.
Im Übrigen spricht dafür, dass nicht die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt, sondern die Klägerin sich vor dem Unfall in besonderer Weise entgegen dem eigenen Interesse unvorsichtig verhalten hat, der Umstand, dass ein gleichartiger Vorfall an Ort und Stelle in dem – augenscheinlich schon viele Jahre betriebenen – Parkhaus weder vorgetragen noch ersichtlich ist.
Ob der streitgegenständliche Unfall der Beklagten für die Zukunft Anlass geben muss, die Sachlage neu zu bewerten und dadurch im Wiederholungsfalle von einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auszugehen sein könnte (vgl. etwa AG Reutlingen, Urt. v. 24.11.2016 – 9 C 1425/15, juris Rn. 39 und 43), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
dd) Soweit die Klägerseite meint, es sei zumindest ein Warnhinweis für Fußgänger angezeigt gewesen, ist lediglich ergänzend darauf hinzuweisen, dass ein solcher „Warnhinweis“ etwa auf eine besondere Rutschgefahr des Gitters schon deshalb untunlich und kontraproduktiv gewesen wäre, weil er von Fußgängern geradezu als „Aufforderung“ hätte missverstanden werden können, die Tiefgarage über den hierfür nicht vorgesehenen Ausfahrtbereich für Kraftfahrzeuge zu betreten.
3. Etwaige vertragliche oder so genannte quasivertragliche Ansprüche auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB (etwa im Zusammenhang mit der vorübergehenden Anmietung eines Stellplatzes durch den Ehemann der Klägerin) scheitern, soweit sie überhaupt in Betracht kommen, an der Verletzung einer entsprechenden Pflicht der Beklagten, deren Anforderungen nicht anders als bei der Verkehrsicherungspflicht beurteilt werden können, jedenfalls aber auch wiederum am ganz überwiegenden Mitverschulden der Klägerin.
4. Offenbleiben kann schlussendlich auch, ob die erforderliche (zusätzliche) Voraussetzung, dass ein Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft – etwa die Verwalterin – schuldhaft pflichtwidrig gehandelt hat (entsprechend § 31 BGB), erfüllt wäre.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.