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WEG-Versammlung – Aufnahme eines Tagesordnungspunktes – Wahrung der Ladungsfrist

LG München I – Az.: 1 S 5166/11 – Urteil vom 16.05.2011

I. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 17.01.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

I.

Der Verfügungskläger ist Miteigentümer der WEG, die von der Verfügungsbeklagten verwaltet wird.

Bereits Anfang des Jahres 2010 hatte der Verfügungskläger sich über zu hohe Temperaturen in seiner Wohnung beklagt und von der Verfügungsbeklagten verlangt, die zentrale Temperatursteuerung der Heizung derart herunterzuregulieren, dass eine Temperatur von 22 Grad Celsius in den Wohnungen nicht überschritten werde. Mit Schreiben vom 09.10.2010 beantragte der Verfügungskläger, das Problem der Einregelung der Vorlauftemperatur auf die Tagesordnung einer für 02.12.2010 geplanten außerordentlichen Eigentümerversammlung zu setzen. Die Verfügungsbeklagte nahm den TOP jedoch nicht in ihre Einladung vom 16.11.2010 mit auf.

Mit Antrag vom 24.11.2010 begehrte der Verfügungskläger zunächst den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch die die Verfügungsbeklagte verpflichtet werden sollte, den gewünschten TOP noch bei der Eigentümerversammlung am 02.12.2010 mit auf die Tagesordnung zu setzen. Mit Schriftsatz vom 02.12.2010 erklärte der Verfügungskläger diesen Antrag für erledigt und beantragte darüber hinaus, die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, auf eigene Kosten unverzüglich eine außerordentliche Eigentümerversammlung mit dem von ihm gewünschten TOP einzuberufen.

Die Verfügungsbeklagte stimmte der Erledigterklärung nicht zu und beantragte Antragsabweisung. Sie trägt vor, dass eine Herabsetzung der Vorlauftemperatur namentlich deswegen nicht in Betracht komme, weil es dann aufgrund des speziellen Heizungssystems in anderen Wohnungen zu kalt würde.

Das Amtsgericht hat die Anträge nach mündlicher Verhandlung durch Urteil vom 17.01.2011 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Verfügungskläger mit seiner Berufung, mit der er seine in erster Instanz gestellten Anträge weiter verfolgt. Die Verfügungsbeklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt. Die Kammer hat am 16.05.2011 mündlich verhandelt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter, das amtsgerichtliche Urteil sowie das Verhandlungsprotokoll vom 16.05.2011 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet.

1. Das Amtsgericht hat zu Recht den in der einseitigen Erledigterklärung des Antrags vom 24.11.2011 liegenden Antrag des Verfügungsklägers auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in diesem Punkt zurückgewiesen.

a) Die in der einseitigen Erledigungserklärung liegende Änderung des ursprünglichen Verpflichtungsantrags in einen Feststellungsantrag ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.

b) Der Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Eine Erledigung des Rechtsstreits ist hinsichtlich des Antrags vom 24.11.2011 nicht eingetreten, weil dieser Antrag schon von Anfang an unbegründet war. Es fehlte nämlich bereits im Moment der Antragserhebung am 24.11.2011 ein Verfügungsanspruch auf Berücksichtigung des vom Verfügungskläger gewünschten Tagesordnungspunktes bei der Versammlung am 02.12.2010.

(1) Grundsätzlich hat ein Miteigentümer zwar einen Anspruch auf Aufnahme einer Tagesordnungspunktes gemäß § 21 IV WEG, wenn dessen Behandlung ordnungsgemäßer Verhandlung entspricht (OLG Frankfurt NZM 2009, 34; Spielbauer/Then, WEG, § 24 Rz. 25; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 23 Rz. 84). Letzteres setzt lediglich voraus, dass sachliche Gründe dafür sprechen, den Punkt in der Eigentümerversammlung zu erörtern und darüber abzustimmen (OLG Frankfurt NZM 2009, 34; Spielbauer/Then, WEG, § 24 Rz. 25; Riecke in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 24 Rz. 37).

Etwas anderes gilt indes dann, wenn der Beschluss, der zu dem von dem Miteigentümer gewünschten Tagesordnungspunkt gefasst werden könnte, von vornherein rechtswidrig und also unter Umständen anfechtbar wäre, weil die Ladungsfrist des § 24 IV 2 WEG nicht mehr gewahrt werden kann und auf diese Frist auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden kann. In diesem Fall besteht kein Anspruch des Miteigentümers mehr, den Tagesordnungspunkt bei der anstehenden Versammlung zu berücksichtigen (Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 24 Rz. 24).

§ 21 IV WEG hat den Zweck, eine ordnungsgemäße Verwaltung sicherzustellen. Damit wäre es aber unvereinbar, wenn ein Miteigentümer über diesen Weg einen Beschluss herbeiführen könnte, der gegen § 24 IV 2 WEG verstößt. Ein derartiger Beschluss wäre gesetzeswidrig und entspräche folglich gerade nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Daran ändert der Umstand, dass § 24 IV 2 WEG nur eine „Soll-Vorschrift“ ist, nichts. Auch die Nichteinhaltung dieser „Soll-Vorschrift“ kann nämlich eine Anfechtbarkeit des Beschlusses hervorrufen, wenn der Verstoß für die Beschlussfassung ursächlich war (Spielbauer/Then, WEG, § 24 Rz. 28; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 24 Rz. 33). Eine solch mögliche, im Vorhinein kaum letztlich abschätzbare Anfechtungsgefahr sehenden Auges heraufzubeschwören, ist mit dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung unvereinbar.

(2) Demnach konnte der Verfügungskläger bereits bei Einreichung seines Antrages am 24.11.2011 und damit erst Recht im Moment der Rechtshängigkeit die Berücksichtigung des Tagesordnungspunktes für die Versammlung am 02.12.2011 nicht mehr verlangen.

(a) Die Frist des § 24 IV 2 WEG war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.

(b) Eine Verkürzung der Frist war nicht gerechtfertigt.

Eine solche Verkürzung würde einerseits eine besondere Dringlichkeit der Maßnahme erfordern; andererseits müsste ausgeschlossen werden, dass die Fristverkürzung die übrigen Eigentümer unzumutbar in der Ausübung ihrer Stimmrechte behindert (Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 24 Rz. 33 a.E.).

An beidem fehlt es vorliegend.

Zum einen geht es um die technisch relativ komplexe, zwischen den Parteien hochstreitige Frage, ob eine Reduzierung der Vorlauftemperatur hier möglich ist, ohne dass es in anderen Wohnungen zu kalt würde. Auf eine solche Problematik müssen sich die Eigentümer angemessene Zeit vorbereiten können, zumal eine Haftung drohen könnte, wenn ein Beschluss dazu führen würde, dass einzelne Eigentümer ihre Wohnungen mangels ausreichender Beheizung zeitweise nicht mehr oder nur eingeschränkt nutzen könnten.

Zum anderen ist eine besondere Dringlichkeit, die die Einhaltung der zweiwöchigen Frist des § 24 IV 2 WEG nicht mehr gestatten würde, nicht glaubhaft gemacht. Das zeigt sich schon darin, dass die Problematik dem Verfügungskläger schon seit längerem, nämlich jedenfalls schon seit Januar 2010 bekannt war; gleichwohl hat er erst im Oktober 2010 die Behandlung eines entsprechenden Tagesordnungspunktes in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung verlangt und im November diesbezüglich gerichtliche Schritte eingeleitet. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Wohnung aufgrund der von dem Verfügungskläger behaupteten erhöhten Temperaturen unbewohnbar oder auch nur eingeschränkt bewohnbar wäre, mithin also eine akute, unmittelbare Gefahr für das Sondereigentum des Verfügungsklägers, die jegliches weiteres Zuwarten verbieten würde, drohte.

2. Das Amtsgericht hat im Ergebnis auch zu Recht den Antrag auf Einberufung einer erneuten außerordentlichen Eigentümerversammlung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgewiesen. Nach Ansicht der Kammer fehlt der hierzu erforderliche Verfügungsgrund.

a) Grundsätzlich ist es allerdings möglich, den Anspruch aus § 21 IV WEG auf Durchsetzung eines bestimmten Tagesordnungspunktes gegenüber der Hausverwaltung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen (Spielbauer/Then, WEG, § 24 Rz. 28 und vor § 43 Rz. 23). Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass es um eine Leistungsverfügung, also die Vorwegnahme der Hauptsache geht (Spielbauer/Then, WEG, § 24 Rz. 28). Eine solche ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn der Verfügungskläger ausnahmsweise auf die sofortige Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Hautsacheverfahren nicht abwarten könnte, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden (BerlVerfGH NZM 2011, 314, Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rz. 6).

b) Eine derartige besondere Dringlichkeit liegt hier nicht vor.

Dagegen spricht schon, dass der Verfügungskläger, wie dargelegt (oben 1 b (2) (b)), selbst relativ lange zugewartet hat, bis er den Antrag an die Hausverwaltung im Oktober 2010 gestellt und im November 2010 gerichtlich verfolgt hat (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 940 Rz. 4). Hinzu kommt, dass weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht wurde, dass die Wohnung aufgrund der von dem Verfügungskläger behaupteten erhöhten Temperaturen unbewohnbar oder auch nur erheblich eingeschränkt bewohnbar wäre oder sonst dem Verfügungskläger ohne sofortige Entscheidung große, gar irreparable Schäden drohten.

c) Der Verfügungsgrund folgt entgegen der Meinung des Verfügungsklägers auch nicht aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes.

(1) Allerdings weist der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers zutreffend darauf hin, dass er von der Verfügungsbeklagten in der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte zunächst einmal dadurch beeinträchtigt wurde, dass die Verfügungsbeklagte den ursprünglichen Antrag auf Aufnahme des Tagesordnungspunktes für die Versammlung am 02.12.2010 so knapp vor dieser Versammlung abgelehnt hatte, dass der Verfügungskläger die Frist des § 24 IV 2 WEG für die Versammlung faktisch nicht mehr wahren konnte.

(2) Allein der Umstand jedoch, dass ein Schuldner die Erfüllung verweigert und so den Zeitpunkt, zu dem der Gläubiger schließlich befriedigt wird, mitunter erheblich hinauszögert, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Vorwegnahme der Hauptsache im Wege der einstweiligen Verfügung (so auch BerlVerfGH NZM 2011, 314 für die Parallelproblematik bei § 44 III WEG a.F.). Denn dieses Problem besteht regelmäßig, wenn der Schuldner sich weigert, freiwillig zu erfüllen. Würde man diesen Gesichtspunkt für die Leistungsverfügung ausreichend lassen, würde die Vorwegnahme der Hauptsache zum Regelfall, obwohl sie vom Grundsatz her unzulässig ist (BerlVerfGH NZM 2011, 314). Denn im Grundsatz muss es beim Vorrang des Hauptsacheverfahrens verbleiben, weil dieses die genaueren Erkenntnismöglichkeiten gegenüber dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, in dem die bloße Glaubhaftmachung genügt, bietet.

(3) Die Lösung ist auch interessengerecht. Insbesondere ist der Verfügungskläger nicht schutzlos gestellt.

Durch eine etwaige rechtswidrige, weil § 21 IV WEG missachtende, und zu vertretende Weigerung, einen von einem Miteigentümer begehrten TOP aufzunehmen, macht sich die Hausverwaltung grundsätzlich schadensersatzpflichtig. Sie muss dann dem Miteigentümer die daraus erwachsenden kausalen Schäden ersetzen und namentlich grundsätzlich eine außerordentliche Eigentümerversammlung auf eigene Kosten einberufen, um den Schaden möglichst effektiv wieder gutzumachen.

Hinzu kommt, dass ein Miteigentümer die missliche Situation, die durch § 24 IV 2 WEG entstehen kann, dadurch entschärfen kann, dass er die Hausverwaltung unter Fristsetzung rechtzeitig vor der vorgesehenen Versammlung und ausreichend lange vor Ablauf der Frist des § 24 IV 2 WEG dazu auffordert, sich zu erklären, ob der TOP berücksichtigt wird. Geht die Hausverwaltung innerhalb der Frist darauf nicht ein oder erklärt sie, den TOP nicht beachten zu wollen, bestünde grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, sofort und also noch ausreichend lange vor Ablauf der Frist des § 24 IV 2 WEG auf Aufnahme des Tagesordnungspunktes zu klagen (Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 24 Rz. 24 a.E.).

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

2. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht mehr gegeben ist. Die Revision ist nicht statthaft, § 542 II 1 ZPO.

3. Die Streitwertfestsetzung erfolgte bereits in der mündlichen Verhandlung.

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