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WEG-Versammlung – Grundsatz der Nichtöffentlichkeit

Streit um Gültigkeit eines Beschlusses in Eigentümerversammlung

In diesem Artikel wird ein juristischer Fall behandelt, in dem die Parteien über die Gültigkeit eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung streiten. Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten und Eigentümerin der Teileigentumseinheit Nr. 25. Die Auseinandersetzung betrifft die Änderung der Teilungserklärung im Hinblick auf eine Übertragung von Miteigentumsanteilen und eine etwaige Entschädigungsregelung dafür.

Direkt zum Urteil: Az.: 980b C 41/21 WEG springen.

Vorgeschichte des Streits

Die Gemeinschaft diskutiert seit einiger Zeit über eine Änderung der Teilungserklärung. In der Eigentümerversammlung vom 22.11.2021 wurde beschlossen, einen Rechtsanwalt zu ermächtigen, den Eigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 25 zur Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung und zur Abgabe einer Erklärung aufzufordern, dass er keinen Anspruch auf Entschädigung hat bzw. auf einen solchen Anspruch unwiderruflich verzichtet. Der Beschluss wurde mehrheitlich angenommen.

Anfechtungsklage der Klägerin

Die Klägerin hat den Beschluss vom 22.11.2021 zu TOP 13 mit einer am 16.12.2021 eingereichten Anfechtungsklage angefochten. Sie macht geltend, dass der Beschluss nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Sie rügt unter anderem einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung, da Rechtsanwalt (…) teilgenommen habe, ohne dass eine begründete Notwendigkeit dafür bestanden hätte.

Urteilsbegründung

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Klägerin dringt mit ihren formellen und materiellen Einwendungen nicht durch. Die Anwesenheit des Rechtsanwalts in der Versammlung kann offenbleiben, da die Klägerin auf die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit stillschweigend verzichtet hat.


Das vorliegende Urteil

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 41/21 WEG – Urteil vom 29.04.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gültigkeit eines Beschlusses einer Eigentümerversammlung.

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten und Eigentümerin der Teileigentumseinheit Nr. 25. In der Gemeinschaft wird seit einiger Zeit über eine Änderung der Teilungserklärung im Hinblick auf eine Übertragung von Miteigentumsanteilen und eine etwaige Entschädigungsregelung dafür diskutiert.

Im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 22.11.2021 (vgl. Anlage K2) heißt es zu TOP 13:

„Information, Diskussion und Beschlussfassung zur Änderung der Teilungserklärung

Um im Rahmen der – von der Wohnungseigentümergemeinschaft seit langem – angestrebten Änderung der Teilungserklärung (vgl. u. a. TOP 3 vom 27.03.2018) die Übertragung der Miteigentumsanteile ohne großes Entschädigungsrisiko für die Wohnungseigentümergemeinschaft in die Wege leiten zu können, schlägt Herr Rechtsanwalt (…) vor, zunächst die Entschädigungsfrage gerichtlich klären zu lassen. Hierzu soll folgender Beschluss gefasst werden:

Beschlussantrag:

Die Eigentümerversammlung beschließt, Rechtsanwalt (…) aus der Kanzlei (..) zu ermächtigen, den Eigentümer des Teileigentums Nr. 25 unter Fristsetzung zur Abgabe der Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung sowie zur Abgabe der Erklärung, dass er keinen Anspruch auf eine Entschädigung hat bzw. auf einen solchen Anspruch unwiderruflich verzichtet, aufzufordern.

Sollte der vorgenannte Eigentümer diese Erklärung nicht abgeben, wird Herr Rechtsanwalt (…) ferner ermächtigt, im Wege eines Gerichtsverfahren (Feststellungsklage) gerichtlich klären zu lassen, ob und falls ja in welcher Höhe nach der vorliegenden Teilungserklärung von der Wohnungseigentümergemeinschaft an den Eigentümer des Teileigentums Nr. 25 eine Entschädigung zu zahlen ist, sofern es zu der in der Teilungserklärung unter § 16 vorgesehenen Neuaufteilung und Übertragung der Miteigentumsanteile an die Wohnungseigentümergemeinschaft kommt.

Die Beauftragung des Rechtsanwaltes erfolgt, wie bisher, zu einem Stundensatz in Höhe von € 250,00 netto. Die von der Wohnungseigentümergemeinschaft mit dem Gerichtsverfahren zu leistenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten werden aus dem laufenden Etat finanziert. Die Kostenverteilung erfolgt nach Wohn- und Teileigentumsfläche. Der jeweilige Eigentümer des Teileigentums Nr. 25 soll an den Kosten nicht beteiligt werden.

Hinweis des Beirates:

Die sonstigen unter TOP 3 vom 27.03.2018 gefassten Beschlüsse zur Änderung der Teilungserklärung (Verwalterzustimmung, Anpassung der Zuordnung der Bodenräume an die derzeitige Nutzung) bleiben unberührt.

Abstimmungsergebnis:

Der Beschlussantrag wird mehrheitlich angenommen.“

Die Klägerin macht mit ihrer am 16.12.2021 bei Gericht per beA eingegangen und mit weiterem Schriftsatz vom 24.01.2022 – Eingang bei Gericht am selben Tag (Montag) – begründeten Anfechtungsklage geltend, dass der Beschluss vom 22.11.2021 zu TOP 13 für ungültig zu erklären sei. Der Beschluss entspreche nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Versammlung vor, weil – was unstreitig ist – Rechtsanwalt (…) an der Versammlung teilgenommen habe. Dafür habe keine begründete Notwendigkeit bestanden; dessen Teilnahme sei auch weder angekündigt worden noch sei diese durch einen Geschäftsordnungsbeschluss genehmigt worden. Hätte sie, die Klägerin, davon vorab gewusst, hätte sie sich ebenfalls eines anwaltlichen Beistandes bedient. Der in dem Beschlusstext benannte Beschluss vom 27.03.2018 – mit dem die Verwaltung, was ebenfalls unstreitig ist, beauftragt worden sei, eine aktuelle Version eines notariellen Entwurfs für die Änderung der Teilungserklärung zu beauftragen, und Rechtsanwalt (…) ermächtigt worden sei, diejenigen Eigentümer, welche die Zustimmung zu der Änderung verweigern, auf entsprechende Zustimmung außergerichtlich und gerichtlich in Anspruch zu nehmen – sei bis heute, was zwischen den Parteien unstreitig ist, nicht umgesetzt worden. Es entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, diesen früheren Beschluss nicht umzusetzen, sondern stattdessen einen weiteren Beschluss dazu zu fassen. Es wäre zudem auch unzulässig, eine Feststellungsklage zu erheben, weil eine Leistungsklage gegen den jeweiligen Eigentümer – gerichtet auf die Erteilung der Zustimmung zu der Änderungsvereinbarung – vorrangig wäre. Eine Finanzierung des Honorars für den Rechtsanwalt „aus dem laufenden Etat“ sei zu bemängeln, weil der Gemeinschaft dadurch notwendige Liquidität entzogen werde; die Erhebung einer Sonderumlage (ohne ihre eigene finanzielle Beteiligung daran) wäre die einzig in Betracht kommende Finanzierungsmöglichkeit gewesen. Auch sei die Kostenregelung für die Höhe der anwaltlichen Vergütung unklar. Es hätte eine Unterscheidung zwischen außergerichtlicher und gerichtlicher Tätigkeit geben müssen. Und es fehle an einer Regelung für die Anrechnung bestimmter Gebühren bzw. zu Mindestgebühren.

Die Klägerin beantragt, den in der Eigentümerversammlung vom 22.11.2021 zu TOP 13 gefassten Beschluss für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht dazu geltend, dass Rechtsanwalt (…) ihr langjähriger anwaltlicher Berater sei und in der Vergangenheit an nahezu jeder Eigentümerversammlung teilgenommen habe. Die Klägerin bzw. deren Vertreter habe in der Versammlung – was unstreitig ist – dessen Teilnahme nicht gerügt, weswegen sie auf die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit stillschweigend verzichtet habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass das Abstimmungsergebnis ohne die Anwesenheit des anwaltlichen Beraters anders ausgefallen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss vom 22.11.2021 zu TOP 13 widerspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Klägerin dringt mit ihren formellen und materiellen Einwendungen – die sie offenbar deswegen erhebt, um den Vollzug des streitbehafteten Beschlusses und ihre eigene Inanspruchnahme zu verhindern – nicht durch.

Ob die unstreitige Anwesenheit des Rechtsanwalts (…) in der Versammlung zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit geführt hat, kann offenbleiben. In jedem Fall hat die Klägerin auf die Einhaltung dieses Grundsatzes stillschweigend verzichtet, in dem sie zu Beginn der Versammlung bzw. der Abstimmung über den Beschluss zu TOP 13 die Anwesenheit dieses Dritten – was unstreitig ist – nicht gerügt hat (vgl. HansOLG, ZMR 2007, 550; LG Frankfurt, ZWE 2012, 46, 47; weitere Nachweise auch bei Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 23, Rn. 64, die aber selbst eine differenzierte Ansicht vertreten [vgl. aber Rn. 65 zu „allgemeinen Beratern“]).

Auch in materieller Hinsicht leidet der Beschluss nicht unter einem Mangel. Ein Beschluss, mit dem – wie hier – ein Rechtsanwalt mit der Geltendmachung eines Anspruchs beauftragt wird, widerspricht nur dann den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn ein entsprechender Anspruch offensichtlich nicht besteht bzw. die Eigentümer einen solchen Anspruch nicht für plausibel halten durften (so etwa OLG München, NJW-RR 2010, 1388 = ZMR 2010, 469). Ob ein Anspruch tatsächlich besteht oder nicht, ist hingegen nicht im Beschlussanfechtungsverfahren zu prüfen, sondern erst in einem etwaig geführten Rechtsstreit, in dem der Anspruch geltend gemacht wird (zu dieser eingeschränkten Prüfung BayObLG, NZM 1998, 161, 162 = ZMR 1998, 44; s. auch Gericht, Urt. v. 22.10.2021 – 980a C 33/20, ZMR 2022, 76 [dort abgedruckt unter „980b“]).

Gemessen an diesen Maßstäben erweisen sich die Einwendungen der Klägerin als nicht durchgreifend. Bei einer objektiv-normativen Auslegung des Beschlusstextes aus der Warte eines unbeteiligten Betrachters und nach dem nächstliegenden Sinn der Bedeutung haben die Eigentümer in der Versammlung beschlossen, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, den Eigentümer des Teileigentums Nr. 25 – derzeit die Klägerin – zunächst außergerichtlich auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung sowie zur Abgabe der Erklärung, dass er keinen Anspruch auf eine Entschädigung (bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen auf die Gemeinschaft) hat bzw. auf einen solchen Anspruch unwiderruflich verzichtet, aufzufordern, und für den Fall, dass dies nicht geschieht, durch die Erhebung einer Feststellungsklage den Klageweg zu beschreiten.

Ob ein entsprechender Anspruch gegen den Eigentümer der Einheit Nr. 25 auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung tatsächlich besteht und ob die Erhebung einer Feststellungsklage – auch in Ansehung des Vorrangs einer möglichen Leistungsklage – zulässig wäre, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Dass ein solcher Anspruch auf Zustimmung offensichtlich nicht besteht, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch ist dies sonst ersichtlich. Im Übrigen durften die anwaltlich beratenden Eigentümer das Bestehen eines solchen Anspruchs auch für plausibel halten. Der in Rede stehende Beschluss zu TOP 13 ist auf Vorschlag eines zur Beratung hinzugezogenen Rechtsanwalts, der auch Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist, gefasst worden. Der Anforderung einer (rechtlichen) Plausibilitätsprüfung ist in jedem Fall Genüge getan, wenn die Eigentümer infolge eines solchen Expertenrats entscheiden.

Der in Rede stehenden Beschlussfassung am 22.11.2021 stand auch nicht entgegen, dass bereits auf der Versammlung vom 27.03.2018 ein – unstreitig nicht vollzogener – Beschluss gefasst worden ist, wonach Rechtsanwalt (…) einzelne Miteigentümer im Weigerungsfall auf Abgabe ihrer Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung in Anspruch nehmen soll. Den Eigentümern steht es im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich frei, einen Zweitbeschluss zu fassen (vgl. BGH, NJW 2001, 3339, 3344 = ZMR 2001, 809). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass etwaig schutzwürdige Belange der Klägerin, auf die bei einem abändernden Zweitbeschluss hätte Rücksicht genommen werden müssen (s. OLG Schleswig, ZWE 2007, 55, 57 = ZMR 2006, 803), durch den neuerlichen Beschluss ohne sachlichen Grund übergangen wurden.

Soweit die Klägerin einwendet, dass eine Finanzierung des anwaltlichen Honorars „aus dem laufenden Etat“ ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nicht geltend macht, dass die vorhandene Liquidität auf den gemeinschaftlichen Konten zur Deckung der absehbaren Ausgaben insgesamt nicht ausreichen wird. Der Verweis auf die Notwendigkeit einer Sonderumlage, die dafür (ohne ihre Beteiligung) stattdessen hätte beschlossen werden müssen, ist rein theoretischer Natur. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beschlusstext – über die Festlegung des Stundensatzes von 250,00 € netto hinaus – keine weiteren Einzelheiten für die Vergütung des Rechtsanwalts bzw. die Anrechenbarkeit des Honorars enthält. Die Regelungen für die Berechnung des anwaltlichen Honorars sind gesetzlich geregelt (RVG), weswegen die wiederholende Festlegung einzelner Abrechnungsgrundsätze durch Beschluss unnötig wäre.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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