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WEG-Versammlung – Redezeitbeschränkung wirksam?

Das Amtsgericht Schwarzenbek hat entschieden, dass die pauschale Begrenzung der Redezeit auf Eigentümerversammlungen unrechtlich ist und die Beschlüsse, die die Abberufung der Verwalterin und die Kündigung des Verwaltervertrags ablehnten, ungültig sind. Zudem muss die Beklagte dem Kläger Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Rechtsanwaltskosten leisten.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 C 385/22 WEG

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Eine pauschale Redezeitbegrenzung von maximal drei Minuten für Wohnungseigentümer auf Versammlungen ist rechtswidrig.
  • Der Beschluss zur Einsichtnahmebeschränkung in vergangene Unterlagen (TOP 26) ist nichtig, da der Beschlussgegenstand nicht ausreichend bezeichnet wurde.
  • Die Ablehnung der Anträge zur Abberufung der Verwalterin und Kündigung des Verwaltervertrags (TOP 19, 20) beruhte auf fehlender ordnungsgemäßer Verwaltung.
  • Der Verwalter hat gegen das Urteil zur Einsichtnahme verstoßen und musste durch Zwangsmittel dazu angehalten werden.
  • Die Verwaltung zeigte mangelnde Neutralität und Ungleichbehandlung gegenüber der Klägerin.
  • Es gab Verstöße gegen den Verwaltervertrag sowie mangelhafte Vorbereitung der umstrittenen Beschlüsse.
  • Das Vertrauensverhältnis zur Verwaltung war zerstört, daher war ihre Abberufung geboten.
  • Die Klägerin hat Anspruch auf Kostenersatz für die vergebliche Anreise zum Einsichtnahmetermin.

Rechtlicher Streit in WEG: Amtsgericht Schwarzenbek kippt pauschale Redezeitbeschränkung

In Wohnungseigentümergemeinschaften spielen Versammlungen und Beschlüsse der Eigentümer eine zentrale Rolle. Dabei stehen immer wieder Fragen der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit solcher Beschlüsse im Fokus. Insbesondere die Regelung und Begrenzung von Redezeiten auf Eigentümerversammlungen ist ein häufiger Streitpunkt. Hier müssen die Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer sorgfältig gegen das Interesse an einer geordneten und effektiven Versammlungsführung abgewogen werden. Gerichte haben in der Vergangenheit bereits entschieden, dass pauschale Redezeitbeschränkungen ohne Rücksicht auf den Einzelfall unzulässig sind. Dennoch greifen Wohnungseigentümergemeinschaften immer wieder zu solchen Regelungen, was nicht selten zu Rechtsstreitigkeiten führt.

Im Folgenden soll ein konkreter Fall beleuchtet werden, in dem das Amtsgericht Schwarzenbek über die Wirksamkeit einer beschlossenen Redezeitbeschränkung in einer Eigentümerversammlung zu entscheiden hatte.

Der Fall vor dem Amtsgericht Schwarzenbek im Detail

Streit um Redezeiten und Verwalterabberufung in Wohnungseigentümergemeinschaft

In diesem Fall vor dem Amtsgericht Schwarzenbek ging es um mehrere Streitpunkte innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Eine Wohnungseigentümerin klagte gegen Beschlüsse der WEG, welche u.a. die Begrenzung der Redezeit auf Eigentümerversammlungen auf 3 Minuten sowie die Ablehnung der Abberufung der aktuellen Verwalterin betrafen. Zudem begehrte die Klägerin Schadensersatz für nutzlos aufgewendete Rechtsanwaltskosten aufgrund eines gescheiterten Termins zur Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen.

Die Klägerin bemängelte die pauschale Begrenzung der Redezeit als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Weiterhin sah sie die Ablehnung der Verwalterabberufung als nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend an, da das Vertrauensverhältnis zur Verwaltung aufgrund mehrerer Pflichtverletzungen zerstört sei. Die Klägerin warf der Verwalterin u.a. vor, ihr die Einsichtnahme in diverse Verwaltungsunterlagen über einen langen Zeitraum verwehrt zu haben, obwohl ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts vorlag.

Gericht erklärt Redezeitbegrenzung und Negativbeschlüsse für unwirksam

Das Amtsgericht Schwarzenbek gab der Klage in allen Punkten statt. Es stellte die Rechtswidrigkeit der pauschalen Redezeitbegrenzung fest und erklärte die Beschlüsse, welche die Abberufung der Verwalterin und die Kündigung des Verwaltervertrags ablehnten, für ungültig. Der Beschluss zur Einschränkung der Einsichtnahme in Unterlagen wurde als nichtig bewertet.

Mehrere Pflichtverletzungen der Verwalterin führten zur Abberufung

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit mehreren schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Verwalterin. Insbesondere die verweigerte Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen, obwohl ein entsprechendes Urteil vorlag, sowie die mangelnde Neutralität im Umgang mit der Klägerin erwiesen sich als gravierend. Weiterhin wurde die Verwalterin für das Fehlen einer vollständigen Beschlusssammlung verantwortlich gemacht. Die Verwalterin war ihrer Verpflichtung zur Behebung von Unvollständigkeiten, die von einer früheren Verwalterin verursacht wurden, nicht nachgekommen.

Gericht verurteilt Beklagte zum Ersatz von Rechtsanwaltskosten

Aufgrund der festgestellten Pflichtverletzungen bestand für die Klägerin ein Anspruch auf Abberufung der Verwalterin und Kündigung des Verwaltervertrags. Das Gericht erkannte zudem den Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz für die nutzlos aufgewendeten Rechtsanwaltskosten an, da die Verwaltung der Beklagten der Klägerin die im Urteil 2 C 377/21 des Amtsgerichts Schwarzenbek zugesprochene Einsichtnahme in Verwaltungsunterlagen im vereinbarten Termin nicht gewährt hatte.

✔ FAQ zum Thema: WEG-Versammlung – Redezeitbeschränkung


Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Begrenzung von Redezeiten in einer WEG-Versammlung?

Der Versammlungsleiter einer Wohnungseigentümerversammlung ist grundsätzlich berechtigt, die Redezeit der Wohnungseigentümer zu begrenzen. Dies kann er von sich aus tun oder die Versammlung darüber abstimmen lassen. Eine Redezeitbegrenzung muss aber so gestaltet sein, dass jedem Eigentümer noch ausreichend Gelegenheit bleibt, seinen Standpunkt zu umstrittenen Tagesordnungspunkten darzulegen.

Eine Begrenzung der Redezeit auf 5 bis 7 Minuten pro Wortmeldung wird in der Regel als unbedenklich angesehen. Kürzere Redezeiten von unter 5 Minuten können hingegen einen Anfechtungsgrund darstellen. Ist absehbar, dass die Tagesordnung bei den vorgesehenen Redezeiten nicht in angemessener Zeit abgearbeitet werden kann, sollte der Verwalter durch entsprechende Gestaltung der Tagesordnung und notfalls durch Vertagung einzelner Tagesordnungspunkte auf eine Fortsetzungsversammlung für einen straffen Versammlungsverlauf sorgen.

Unzulässig sind Redezeitbeschränkungen, wenn sie dazu führen, dass die Versammlung bis in die späten Abendstunden andauert und Eigentümer die Versammlung vorzeitig verlassen müssen. Ab einer Dauer von 6,5 Stunden besteht ein Anfechtungsrisiko, da den Eigentümern eine derart lange Versammlung nicht zugemutet werden kann. Der Verwalter muss durch eine angemessene Tagesordnung und Versammlungsleitung sicherstellen, dass die Versammlung in einem zumutbaren zeitlichen Rahmen bleibt.


Wie kann eine Verwalterabberufung in einer Eigentümergemeinschaft rechtlich durchgesetzt werden?

Nach der WEG-Reform 2020 kann der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft jederzeit ohne Angabe von Gründen durch einfachen Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung abberufen werden (§ 26 Abs. 3 S. 1 WEG). Eine Beschränkung der Abberufung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nicht mehr möglich.

Findet der Antrag auf Abberufung in der Eigentümerversammlung keine Mehrheit, können die Eigentümer, die die Abberufung wünschen, im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage die gerichtliche Ersetzung des ablehnenden Beschlusses beantragen. Auch nach der Gesetzesreform besteht ein Anspruch auf Abberufung aber nur dann, wenn die Ablehnung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Dabei sind die Schwere der dem Verwalter vorgeworfenen Pflichtverletzungen und die Aussicht auf eine Besserung in der Zukunft abzuwägen.

Neben der Abberufung muss für eine vollständige Trennung vom Verwalter auch der Verwaltervertrag gekündigt werden, da dieser sonst fortbesteht. Enthält der Vertrag eine Klausel, die eine Kündigung nur aus wichtigem Grund zulässt, läuft er trotz Abberufung weiter. Der Verwalter behält dann seine Vergütungsansprüche, die lediglich um ersparte Aufwendungen (ca. 20%) zu kürzen sind. Um dies zu vermeiden, sieht das Gesetz vor, dass der Vertrag spätestens 6 Monate nach der Abberufung endet (§ 26 Abs. 3 S. 2 WEG).

Zusammengefasst sind folgende Schritte für eine rechtswirksame Verwalterabberufung erforderlich:

  1. Aufnahme eines entsprechenden Tagesordnungspunkts in der Einladung zur Eigentümerversammlung unter Einhaltung der Ladungsfrist
  2. Mehrheitliche Beschlussfassung über die Abberufung in der Versammlung
  3. Bei Ablehnung ggf. Anfechtungsklage mit dem Antrag auf gerichtliche Ersetzung des Negativbeschlusses
  4. Kündigung des Verwaltervertrags, sofern keine automatische Beendigung 6 Monate nach Abberufung greift

Welche Rechte haben Eigentümer, wenn Beschlüsse der WEG rechtswidrig sind?

Wohnungseigentümer haben folgende Rechte, wenn Beschlüsse der Eigentümerversammlung rechtswidrig sind:

Sie können eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss erheben, um ihn gerichtlich für ungültig erklären zu lassen (§ 44 Abs. 1 WEG). Die Anfechtungsklage muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben und innerhalb von zwei Monaten begründet werden (§ 45 WEG). Gründe für eine Anfechtung können formelle Mängel wie eine fehlende Benennung des Beschlussgegenstands in der Einladung oder materielle Verstöße gegen das WEG oder Vereinbarungen der Eigentümer sein.

Wenn der Beschluss besonders gravierende Fehler aufweist, die zu seiner Nichtigkeit führen, kann alternativ eine Nichtigkeitsfeststellungsklage erhoben werden. Hierfür gilt im Gegensatz zur Anfechtungsklage keine Frist.

Die Erhebung der Anfechtungsklage hat zunächst keine aufschiebende Wirkung, d.h. der Beschluss bleibt bis zu einer gegenteiligen Gerichtsentscheidung wirksam. Um zu verhindern, dass in der Zwischenzeit irreversible Maßnahmen ergriffen werden, kann in dringenden Fällen zusätzlich im Eilverfahren beantragt werden, dass der Verwaltung die Durchführung des Beschlusses bis zum Verfahrensabschluss untersagt wird.

Seit der WEG-Reform zum 1.12.2020 muss die Anfechtungsklage ausschließlich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtet werden. Eine Klage gegen die übrigen Eigentümer als Beklagte wahrt die Anfechtungsfrist nicht. Für „Altbeschlüsse“, die vor dem 1.12.2020 gefasst wurden, sieht § 48 WEG Übergangsregelungen vor.

Wird der Beschluss rechtskräftig durch das Gericht aufgehoben, entfällt er rückwirkend. Bereits erfolgte Umsetzungsmaßnahmen müssen dann rückgängig gemacht werden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 23 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Regelt die Versammlung der Wohnungseigentümer, insbesondere deren Zuständigkeit für wichtige Entscheidungen. In diesem Fall relevant bei der Ungültigkeitserklärung der Beschlüsse und der Redezeitbeschränkung. Die Frommigkeit, Transparenz und Teilhabe an Entscheidungen sind hier essentiell.
  • § 24 WEG (Einberufung und Durchführung der Versammlung): Hier wird dargelegt, wie Versammlungen einzuberufen und durchzuführen sind. Bei der Frage nach der Wirksamkeit von Redezeitbeschränkungen ist relevant, dass jeder Eigentümer angemessen zu Wort kommen muss.
  • § 43 WEG (Anfechtungsklage): Erlaubt Eigentümern, Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung gerichtlich anzufechten, wenn diese als rechtswidrig erachtet werden. Dies trifft auf die festgestellten ungültigen und nichtigen Beschlüsse zu.
  • Urteilskompetenz von Amtsgerichten: Amtsgerichte sind in erster Instanz für Streitigkeiten unter Wohnungseigentümern zuständig. Das Amtsgericht Schwarzenbek war daher berechtigt, über die Rechtsmäßigkeit der Versammlungsbeschlüsse zu entscheiden.
  • Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG): Beschlüsse müssen diesem Grundsatz entsprechen. Die Klärung, ob eine Redezeitbegrenzung diesen Grundsatz verletzt, ist daher von wesentlicher Bedeutung.
  • § 26 WEG (Verwalter und dessen Abberufung): Legt die Rolle des Verwalters und die Möglichkeiten seiner Abberufung dar. Die Entscheidungen des Gerichts zur Abberufung des Verwalters und zur Kündigung des Verwaltervertrags basieren hierauf.
  • Transparenz und Informationspflichten der Verwaltung: Nicht direkt im WEG kodifiziert, aber grundsätzlich bedeutend im Kontext von Wohnungseigentum. Die Verpflichtung zur Gewährung von Einsicht in Unterlagen, wie im Urteil thematisiert, folgt aus den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen und dem Recht auf Information der Eigentümer.
  • Zivilprozessordnung (ZPO): Regelungen zur Zwangsvollstreckung und zum Streitwert sind hier zu finden und für die Umsetzung des Urteils und die Festlegung des Streitwertes relevant.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Schwarzenbek

AG Schwarzenbek – Az.: 2 C 385/22 WEG – Urteil vom 28.06.2023

1. Die in der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten vom 7.7.2022 gefassten Beschlüsse zu TOP 3, TOP 19 und TOP 20 werden für ungültig erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass der in der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten vom 7.7.2022 gefasste Beschluss zu TOP 26 nichtig ist.

3. Es wird festgestellt, dass eine pauschale Redezeitbegrenzung von maximal drei Minuten für Wohnungseigentümerinnen/Wohnungseigentümer auf Wohnungseigentümerversammlungen der Beklagten rechtswidrig ist.

4. Es ist beschlossen, dass die …, mit sofortiger Wirkung als Verwalter der Beklagten abberufen und der Verwaltervertrag fristlos gekündigt ist.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 727,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.08.2022 zu zahlen.

7. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

8. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung. Soweit es den Gestaltungs- und Feststellungstenor betrifft, ist das Urteil nur hinsichtlich des Kostenausspruchs vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 32.324,97 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der in der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten vom 7.7.2022 gefassten Beschlüsse zu TOP 3, TOP 19, TOP 20 und TOP 26. Die Klägerin begehrt zudem eine Beschlussersetzung durch das Gericht hinsichtlich der Abberufung der derzeitigen Verwalterin und der fristlosen Kündigung des Verwaltervertrages sowie den Ersatz von Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin ist Miteigentümerin der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. In ihrem Sondereigentum stehen zwei Eigentumseinheiten. Hiervon bewohnt sie eine selbst, die andere wird von ihrer Tochter bewohnt. Die Tochter ist die Bevollmächtigte der Klägerin.

Die Klägerin hatte über ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten bereits in der Pandemiezeit Einsichtnahme in diverse Verwaltungsunterlagen verlangt. Für den 10.06.2021 vereinbarte der Prozessbevollmächtigten mit der Verwaltung einen Termin zur Einsichtnahme im Büro der Verwalterin in … Zu diesem Termin erschien er selbst mit der bevollmächtigten Tochter der Klägerin. Die Verwaltung stellte fünf Umzugskartons mit Unterlagen bereit, die die begehrten und zuvor konkret bezeichneten Unterlagen nicht enthielten. Die Klägerin erweiterte daraufhin ihre zu dem Az.: 2 C 377/21 bei dem Amtsgericht Schwarzenbek bereits anhängige Klage um die Gewährung der Einsichtnahme im begehrten Umfang. Die Beklagte erwiderte auf die Klageerweiterung, dass das Einsichtnahmeverlangen nicht auf ein Interesse der Klägerin, sondern auf ein Interesse der bevollmächtigten Tochter zurückgehe. Sie war der Auffassung, dass der Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da die bevollmächtigte Tochter die neue wie zuvor die alte Verwalterin in Auseinandersetzungen verwickle. Der Behauptung der Klägerin, dass am 10.06.2021 die begehrten Unterlagen nicht vorgelegen hätten, trat die Beklagte nicht entgegen. Mit Urteil vom 09.11.2021, das am 20.12.2021 Rechtskraft erlangte, wurde die Beklagte zur Gewährung der Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen im begehrten Umfang verurteilt. Auf den Tenor und die weiteren Feststellungen des Urteils zu dem Az.: 2 C 377/21 wird Bezug genommen. Nachdem die Beklagte der Verpflichtung aus dem Urteil zur Einsichtsgewährung im tenorierten Umfang nicht nachkam, setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.05.2022 ein Zwangsmittel gegen die Beklagte (dort: Schuldnerin) fest.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten wurde vom Landgericht zurückgewiesen, da sich auch aus dem Beschwerdevorbringen der darlegungs- und beweisbelasteten Schuldnerin nicht ergab, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem Urteil nachgekommen sei. Das Landgericht führte aus, dass aus dem Vortrag der Schuldnerin selbst hervorgehe, dass sie in weiten Teilen noch nicht vollständig Einsicht gewährt habe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die beigezogenen Akten 2 C 377/21 (Amtsgericht Schwarzenbek) – 11 T 30/22 (Landgericht Itzehoe) Bezug genommen.

In der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten vom 7.7.2022 wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst bzw. Anträge der Klägerin abgelehnt:

Zu TOP 3: „Die Redezeit je Tagesordnungspunkt beträgt je Teilnehmer maximal drei Minuten. Die Redezeiten sind ggf. zu begrenzen und ggf. zu protokollieren.“ Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich angenommen.

Zu TOP 19: „Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die Verwalterin mit sofortiger Wirkung abzuwählen.“ Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich abgelehnt bzw. nicht angenommen.

Zu TOP 20: „Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die Kündigung des Verwaltervertrages aus wichtigem Grund.“ Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich abgelehnt bzw. nicht angenommen.

Zu TOP 26: „Die Eigentümerversammlung beschließt, dass die Einsichtnahme in Unterlagen aus vergangenen Abrechnungsjahren nach erfolgter Entlastung der Verwaltung durch die Eigentümerversammlung nur noch durch Beschluss der Eigentümerversammlung genehmigt werden kann. Die Einsichtnahme darf nur durch im Grundbuch eingetragene Eigentümer erfolgen.“ Der Beschlussantrag wurde mehrheitlich angenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beschlussfassungen wird auf die als Anlage K1 eingereichte Protokollabschrift (Bl. 5 ff. d.A.) sowie auf die mit der Einladung übersandte Tagesordnung (Bl. 16 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin trägt vor, die unter TOP 3 in der Eigentümerversammlung am 7.7.2022 beschlossene Redezeitbegrenzung sei als pauschale Beschränkung auf maximal 3 Minuten unverhältnismäßig und daher rechtswidrig. Dass die Regelung über den Beschlussantrag hinausgehe, lasse den Schluss zu, dass die Redezeitbegrenzung nicht nur für die Versammlung am 7.7.2022 gelte, sondern für sämtliche künftigen Versammlungen. Soweit die gerichtliche Auslegung ergebe, dass sich der Beschluss nur auf die Versammlung vom 7.7.2022 erstreckte, sei hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Regelung festzustellen. Es sei auch zukünftig für weitere Versammlungen mit rechtswidrigen Anträgen auf Begrenzung der Redezeit zu rechnen.

Der unter TOP 26 gefasste Beschluss sei sowohl aus formellen als auch materiellen Gründen rechtswidrig, wenn nicht sogar nichtig. Zum einen sei der Beschlussgegenstand bei der Einladung zur Tagesordnung nicht bezeichnet worden. Es ist nicht auszuschließen, dass bei entsprechender Vorbereitung der Eigentümer/innen eine andere Diskussion und ein anderer Beschlussverlauf erfolgt wäre. Darüber hinaus werde mit der beschlossenen Regelung der Klägerin, die über 80 Jahre alt ist und von ihrer bevollmächtigten Tochter vertreten werde, das ureigene Recht auf Einsichtnahme in Unterlagen faktisch abgeschnitten.

Die unter TOP 19 und 20 gefassten Negativbeschlüsse würden nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, da die Ablehnung der Verwalterabwahl nicht mehr vertretbar war und das Vertrauensverhältnis zur Verwaltung zerstört sei. Die Verwaltung der Beklagten habe sich eine Vielzahl schwerer Pflichtverstöße zu Schulden kommen lassen, die sich auf die Beklagte ausgewirkt und Schäden für die Wohnungseigentümergemeinschaft verursacht hätten. Zusammengefasst erhebt die Klägerin folgende Vorwürfe gegen die Verwaltung der Beklagten:

• Nichtbeachtung des gerichtlichen Urteils sowie des Beschlusses des Amtsgerichts in Sachen Einsichtnahme in Unterlagen betreffend das Verfahren 2 C 377/21 (Amtsgericht Schwarzenbek)

• Fehlende Neutralität/Ungleichbehandlung von Eigentümern zu Lasten der Klägerin

• Fehlende Information der Wohnungseigentümer

• Fehlende Herausgabe der (dann mangelhaften) Beschlusssammlung über einen langen Zeitraum

• Mangelhafte Vorbereitung von Beschlüssen der Versammlung am 7.7.2022

• Geschäftssitz nicht am Ort der Wohnanlage

• Verstöße gegen den Verwaltervertrag

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der vorgetragenen Pflichtverstöße wird insbesondere auf die Klagebegründung vom 01.09.2022 nebst Anlagen (Bl. 31 ff.) Bezug genommen.

Die abgelehnten Anträge der Klägerin auf Abberufung der Verwaltung und Kündigung des Verwaltervertrages seien durch das Gericht zu ersetzen, da ein wichtiger Grund für die Abberufung und Kündigung vorliege und das Ermessen auf Null reduziert sei.

Die Klägerin beantragt mit Klage vom 25.07.2022, die in der Wohnungseigentümerversammlung der Beklagten vom 7.7.2022 gefassten Beschlüsse

TOP 3: „Die Redezeit je Tagesordnungspunkt beträgt je Teilnehmer maximal drei Minuten. Die Redezeiten sind ggf. zu begrenzen und ggf. zu protokollieren.“

TOP19: „Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt, die Verwalterin mit sofortiger Wirkung abzuwählen“ – abgelehnt bzw. Antrag nicht angenommen –

TOP 20: „Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschließt die Kündigung des Verwaltervertrages aus wichtigem Grund“ – abgelehnt bzw. Antrag nicht angenommen –

TOP 26: „Die Eigentümerversammlung beschließt, dass die Einsichtnahme in Unterlagen aus vergangenen Abrechnungsjahren nach erfolgter Entlastung der Verwaltung durch die Eigentümerversammlung nur noch durch Beschluss der Eigentümerversammlung genehmigt werden kann. Die Einsichtnahme darf nur durch im Grundbuch eingetragene Eigentümer erfolgen.“

für ungültig zu erklären,

hilfsweise – hinsichtlich des Anfechtungsantrags den TOP 3 betreffend – festzustellen, dass eine pauschale Redezeitbegrenzung von Wohnungseigentümerinnen/Wohnungseigentümern auf Wohnungseigentümerversammlungen der Beklagten von maximal drei Minuten rechtswidrig ist,

durch Beschlussersetzungsklage zu TOP 19 und 20,

die …, mit sofortiger Wirkung als Verwalter der Beklagten abzuberufen und den Verwaltervertrag fristlos zu kündigen.

Die Klägerin beantragt mit Klageerweiterung vom 16.01.2023, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 727,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hierzu trägt die Klägerin vor, dass ihr durch den gescheiterten Einsichtnahmetermin … in de am 10.06.2021 unnütze Kosten in Höhe der Rechnung ihres Rechtsanwaltes (Anlage K 21, Bl. 235 d.A.) entstanden seien.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, es sei die bevollmächtigte Tochter der Klägerin, die die Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Verwalter fortwährend an der Durchführung einer ordnungsgemäßen Verwaltung durch ständige Einwendungen und Prozessandrohungen hindere. Dies sei der Verwaltung bei der Geschäftsübergabe so durch die Vorverwalterin offen kommuniziert worden, nämlich, dass die Tochter der Klägerin ein fortwährender Störungsfaktor sei, der die Durchführung der Verwaltungsarbeit praktisch unmöglich mache. Bei den Vorwürfen gegen die Leistungen des Verwalters handele es sich um persönliche Perspektiven der Tochter der Klägerin, nicht einmal um diejenigen der tatsächlichen Eigentümerin. Aus diesem Grunde hält die Beklagte die Vorgehensweise der Tochter der Klägerin für bedenklich und rechtsmissbräuchlich.

Die jetzige Verwaltung habe mit den Beiräten, jedoch auch mit allen anderen Mitgliedern der dortigen Gemeinschaft von Beginn an konstruktiv zusammengearbeitet und die anstehenden Renovierungs- und Sanierungsarbeiten nacheinander abgearbeitet.

Der unter TOP 3 gefasste Beschluss zur Begrenzung der Redezeit sei nicht rechtswidrig, denn er ziele darauf ab, Wortbeiträge, insbesondere die der Tochter der Klägerin, auf deren wesentlichen Inhalte zu konzentrieren und die zeitliche Ausdehnung der Eigentümerversammlung nicht ins Uferlose geraten zu lassen.

Der unter TOP 19 und 20 gestellte Antrag der Klägerin sei von sämtlichen Mitgliedern der Beklagten, mit Ausnahme der Stimmen der Klägerin, zurückgewiesen worden, da es bei der Gemeinschaft keinerlei Bestrebungen gebe, die Verwaltung abzuwählen. Vor diesem Hintergrund sei eine Ablösung des Verwalters weder geboten noch sachdienlich.

Von der jetzigen Verwaltung würden die Geschäfte der Gemeinschaft in völlig ordnungsgemäßer Art und Weise geführt. Es sei nicht richtig, dass sich die Gemeinschaft bzw. der Verwalter einem rechtskräftigen Urteil nicht unterwerfe. Die Beklagte wehre sich lediglich im Vollstreckungsverfahren zu dem Az. 2 C 377/21 gegen die Verhängung des Zwangsgeldes.

Hinsichtlich der weiterhin begehrten Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen bietet die Beklagte der Klägerin nochmals eine Durchführung an. Sie weist ergänzend darauf hin, dass die Einsicht in Verwaltungsunterlagen für das Jahr 2021, nämlich in die Abrechnung für das Jahr 2021, erst ab dem 7. Juli 2022 möglich gewesen sei, da erst die Eigentümerversammlung von diesem Datum abgewartet werden musste, um die Abrechnung für das betreffende Jahr zu beschließen. Da es sich bei dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2022 um den fortgeschriebenen Wirtschaftsplan aus den Vorjahren handele, erschließe sich die Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen als sinnvolles Begehren nicht.

Der Verwaltung fehle es im Übrigen auch nicht an einer mangelnden Neutralität und die Wohnungseigentümer würden durch das von der Verwaltung geschaffene Onlineportal in ausreichender Weise über sämtliche Belange der Gemeinschaft informiert.

Zur Ergänzung ihres Vortrages bezieht sich die Beklagte auf eine schriftliche Stellungnahme der Verwaltung, verfasst von der allein sachbearbeitenden Mitarbeiterin … die sie der Klageerwiderung beigefügt hat.

Wegen des weiteren Inhaltes der Klageerwiderung und der Stellungnahme der Verwaltung wird auf den Schriftsatz vom 10.10.2022 nebst Anlagen (Sonderband zur Akte) Bezug genommen.

Das Gericht hat mit den Parteien am 31.05.2023 mündlich verhandelt. Die Akten zum Verfahren 2 C 377/21 wurden beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.05.2023 (Bl. 246 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14.06.2023 hat die Beklagte in der Sache ergänzend vorgetragen und beantragt, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

1. a) Hinsichtlich des unter TOP 3 in der Wohnungseigentümerversammmlung vom 7.7.2022 gefassten Beschlusses, mit dem die Redezeit je Tagesordnungspunkt je Teilnehmer auf maximal drei Minuten begrenzt wurde, war die Rechtswidrigkeit der beschlossenen Regelung festzustellen. Der insoweit gestellte Hilfsantrag ist begründet. Die Redezeitbegrenzung, die das Verfahren der Versammlung betrifft, und somit als Geschäftsordnungsbeschluss gilt, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar sind Geschäftsordnungsbeschlüsse, deren Regelungsinhalt sich auf eine konkrete Versammlung beschränkt, nicht separat anfechtbar (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 24 Rn. 128). Um einen derartigen Beschluss handelt es sich hier. Denn die objektiv-normative Auslegung ergibt, dass die Redezeitbegrenzung nur für die konkrete Eigentümerversammlung am 07.07.2022 gelten sollte. Dieses ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses. Sowohl die zuvor übersandte Tagesordnung als auch das Protokoll zur Versammlung (Bl. 7 und 16 d.A.) enthalten zum betreffenden Antrag für den TOP 3 jedoch die ausdrückliche Beschränkung der Regelung auf das Versammlungsdatum des 07.07.2022. Mangels gegenteiliger Angaben im Protokoll ist davon auszugehen, dass über den Beschlussantrag unverändert, d.h. beschränkt auf das Datum des 07.07.2022 abgestimmt wurde, und nicht zugleich eine Regelung für zukünftige Versammlung getroffen werden sollte.

Für die Klägerin besteht jedoch ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO daran, die Zulässigkeit der unter TOP 3 beschlossenen Regelung gerichtlich klären zu lassen. Denn bei einer Geschäftsordnungsbestimmung, die die Rededauer betrifft, handelt es um eine Regelung, die aller Voraussicht nach auch künftig jederzeit wieder gefasst werden kann (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 24 Rn. 129). Dies gilt umso mehr, als nach dem Vorbringen der Beklagten die Regelung darauf abzielte, Wortbeiträge der bevollmächtigten Tochter der Klägerin „auf deren wesentliche Inhalte zu konzentrieren“ und ähnliche Regelungen bereits auf den Versammlungen vom 27.2.2020 und 31.3.2020 beschlossen wurden (vgl. Anlage K3). Eine Wiederholung der Beschlussfassung in zukünftigen Versammlungen liegt damit nahe.

Hier war die Rechtswidrigkeit der Geschäftsordnungsregelung festzustellen, da sie nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dabei kann dahinstehen, ob eine Zeitbegrenzung auf maximal drei Minuten noch vertretbar sein kann. Die Regelung widerspricht bereits deshalb ordnungsmäßiger Verwaltung, weil sie generell und ohne jegliche Ausnahme eine maximale Redezeit festlegt. Um der Bedeutung einzelner Tagesordnungspunkte gerecht zu werden, kann eine Begrenzung der Redezeiten aber nur dann verhältnismäßig sein, wenn bereits in der Regelung selbst Ausnahmen für schwierige und/oder besonders umfangreiche Themenkomplexe vorgesehen sind (LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 05.06.2014 – 2-09 S 6/13, BeckRS 2014, 17072). Andernfalls wird das bedeutsame Rederecht des einzelnen Wohnungseigentümers in einer Art und Weise eingeschränkt, die nicht durch das Interesse der Eigentümer an einer zügigen und effektiven Durchführung der Versammlung gerechtfertigt ist (LG Frankfurt a.M., a.a.O.).

b) Der auf der Wohnungseigentümerversammlung zu TOP 26 gefasste Beschluss war gemäß § 44 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. WEG für nichtig zu erklären. Ist ein Beschluss nichtig, ist dies vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 23 Rn. 198). Der Beschluss, mit dem die Einsichtnahme in Unterlagen vom Erfordernis eines genehmigenden Beschlusses abhängig gemacht wurde und die Einsichtnahme nur durch im Grundbuch eingetragene Eigentümer erfolgen dürfe, ist nichtig, da den Wohnungseigentümern bereits die Kompetenz dazu fehlt, die getroffenen Regelungen im Beschlusswege zu fassen.

Die im Beschluss zu TOP 26 enthaltenen Bestimmungen betreffen das Informationsrecht der Wohnungseigentümer gemäß § 18 Abs. 4 WEG. Nach dieser Vorschrift kann jeder Wohnungseigentümer von der Gemeinschaft Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen. Hieraus folgt ein grundsätzlich unbegrenzter Individualanspruch auf Information, eine Grenze bildet lediglich das Verbot des Rechtsmissbrauchs und das Schikaneverbot (§§ 242, 226 BGB). Abdingbar und der Konkretisierung zugänglich ist die Vorschrift des § 18 Abs. 4 WEG ausschließlich durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder im Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Verwalter im Verwaltervertrag. Für eine abweichende Regelung durch Mehrheitsbeschluss und zwar auch für Regelungen über die inhaltliche Ausgestaltung des Einsichtnahmerechts fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 18 Rn. 138). Soweit der Beschluss abweichend von § 18 Abs. 4 WEG regelt, dass „die Einsichtnahme in Unterlagen […] nur noch durch Beschluss der Eigentümerversammlung genehmigt werden kann“ liegt ein unzulässiger Eingriff in ein Kernrecht vor. Eine solche Regelung wäre sogar als Vereinbarung nichtig. Die Regelung, dass „die Einsichtnahme […] nur durch im Grundbuch eingetragene Eigentümer erfolgen“ darf, schränkt den Kreis der Anspruchsberechtigten abweichend von § 18 Abs. 4 WEG ein. Laut der gesetzlichen Bestimmung gilt jeder Wohnungseigentümer, d.h. auch ausgeschiedene und nicht mehr im Grundbuch eingetragene Eigentümer, als grundsätzlich anspruchsberechtigt. Da es sich bei § 18 Abs. 4 WEG nicht um ein höchstpersönliches Recht handelt, kann das Recht auch von Dritten ausgeübt werden (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 18 Rn. 141). Die Anspruchsberechtigung erstreckt sich damit auch auf Personen, die aufgrund rechtsgeschäftlicher oder gesetzlicher Vertretung handeln.

c) Die auf der Eigentümerversammlung vom 7.7.2022 unter TOP 19 und 20 gefassten Negativbeschlüsse, mit denen die Anträge der Klägerin auf Abberufung der Verwaltung und fristlose Kündigung des Verwaltervertrages abgelehnt wurden, widersprechen ordnungsmäßiger Verwaltung und waren deshalb für ungültig zu erklären.

Bei einer Anfechtungsklage, die sich gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags auf Abberufung des Verwalters richtet, ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Beschlussfassung ein Anspruch des anfechtenden Wohnungseigentümers aus § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG auf Abberufung der Verwalterin bestand. Dies setzt nach neuem Recht in Anlehnung an die bis zum 1.12.2020 ergangene Rechtsprechung des BGH voraus, dass die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht vertretbar erscheint (BGH Urt. v. 25.2.2022 – V ZR 65/21, ZWE 2022, 220, 222). Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass in der Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (BGH a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen bestand unter Würdigung der gegen die Verwalterin erhobenen Vorwürfe für die Klägerin ein Anspruch auf Abberufung und fristlose Kündigung des Verwaltervertrages. Entgegen der Auffassung der Beklagten konnte der Wunsch der Mehrheit der Wohnungseigentümer auf Fortsetzung der Verwaltertätigkeit nicht mehr maßgeblich sein.

(1) Nichterfüllung der (vollständigen) Einsichtsgewährung in Verwaltungsunterlagen

Als besonders schwerwiegenden Pflichtverstoß der Verwalterin sieht das Gericht insbesondere die nicht erfüllte Einsichtsgewährung in konkret bezeichnete Verwaltungsunterlagen über einen Zeitraum von mindestens 1 1/2 Jahren an. Die Verwalterin ist als Geschäftsführungsorgan für die Erfüllung der Verpflichtung aus § 18 Abs. 4 WEG zuständig. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils zum Verfahren des Amtsgerichts Schwarzenbek 2 C 377/21 steht für das Gericht bindend fest, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft im dort tenorierten Umfang der Klägerin die Einsichtnahme in eine Vielzahl von Verwaltungsunterlagen schuldete. Das Urteil vom 9.11.2021, das der Leistungsklage auf die Einsichtsgewährung im begehrten Umfang stattgegeben hat, umfasste zugleich die der Rechtskraft fähige Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin im Umfang des Urteilstenors Einsicht in die dort bezeichneten Verwaltungsunterlagen zu gewähren. Aus den Feststellungen im anschließenden Zwangsmittelverfahren (2 C 377/21 des Amtsgerichts Schwarzenbek und 11 T 30/22 des Landgerichts Itzehoe) folgt, dass die Verwalterin der geschuldeten Einsichtsgewährung weder nach formeller Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils am 20.12.2021 noch unverzüglich nach Festsetzung des Zwangsmittels am 16.05.2022 nachgekommen ist.

Wie bereits im vorangegangenen Verfahren zum Az. 2 C 377/21 legt die Beklagte eine Erfüllung der Einsichtsgewährung auch im jetzigen Verfahren nicht dar. Es fehlt an einer näheren Darlegung, zu welchem Zeitpunkt die Verwaltung Einsicht in die begehrten Unterlagen gewährt haben will. Vielmehr werden der Klägerin im Klageerwiderungsschriftsatz vom 10.10.2022 lediglich neue Einsichtnahmetermine angeboten.

Mit der im jetzigen Verfahren wiederholten Einwendung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin ist die Beklagte präkludiert. Es handelt sich um Vortrag zu Tatsachen, die im maßgeblichen Zeitpunkt des Verfahrens 2 C 377/21 bereits vorhanden waren und darauf gerichtet sind, nunmehr das Gegenteil der zuvor festgestellten Rechtsfolge auszusprechen. Im Übrigen hat die Beklagte – wie bereits im vorherigen Verfahren – nicht näher zu einem Rechtsmissbrauch vorgetragen. Die Behauptung, die bevollmächtigte Tochter der Klägerin befinde sich in einer fortwährenden Auseinandersetzung mit der Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Verwaltungen, rechtfertigt – auch als wahr unterstellt – die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht. Ob die Klägerin selbst im einzelnen Kenntnis über die Handlungen ihrer Tochter hat, ist angesichts der unstreitigen Bevollmächtigung nicht maßgeblich.

(2) Aus diesem Fehlverhalten als Streitgegenstand des Verfahrens 2 C 377/21 resultieren weitere erhebliche Pflichtverstöße der Verwalterin. So ist die Verwalterin nicht nur der gesetzlichen Pflicht aus § 18 Abs. 4 WEG nicht nachgekommen, sondern hat zugleich ein formell rechtskräftiges Urteil nicht beachtet.

Während im Namen der anwaltlich beratenen Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich Beschwerde gegen den Zwangsmittelbeschluss eingelegt wurde, erfolgte eine vollständige Erfüllung auf die Verurteilung zur Einsichtsgewährung nicht. Wie sich aus der Stellungnahme der Mitarbeiterin der Verwalterin ergibt, unterlag die Verwaltung der irrigen Annahme, dass ein „endgültiges Urteil“ durch das Landgericht ergehen würde. Dies wollte die Verwaltung „abwarten“. Mit dieser Fehleinschätzung hat die Verwaltung zugleich eine unnötige Kostenlast für die Gemeinschaft in Höhe der Festsetzung eines Zwangsgeldes von 3.000,00 Euro zuzüglich der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten im Zwangsvollstreckungsverfahren herbeigeführt.

(3) Die Verwalterin hat auch gegen die Informationspflicht des § 44 Abs. 2 S. 2 WEG verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat der Verwalter den Wohnungseigentümern die Erhebung einer Klage unverzüglich bekannt zu machen. Dies ist im Hinblick auf das Verfahren 2 C 377/21 nicht erfolgt. Mangels gegenteiligem Vortrag der Beklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer bis zur Eigentümerversammlung vom 7.7.2022 – über ein Jahr nach Klageerhebung – nicht von der gegen die Gemeinschaft erhobenen Klage informiert wurden.

(4) Auch eine Verletzung der Objektivitäts- und Neutralitätspflicht der Verwaltung sieht das Gericht als gegeben an. Der Gleichbehandlungsgrundsatz erfordert es, dass sich eine Verwaltung nicht in das Lager einer Eigentümergruppe schlagen oder einzelne Wohnungseigentümer benachteiligen darf (vgl. Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 26 Rn. 204). Gleiches muss für den Umgang mit Bevollmächtigten gelten, die aufgrund einer wirksamen Vollmacht für einen Wohnungseigentümer handeln. Zwar ist bei der Annahme einer Verletzung der Neutralitätspflicht Zurückhaltung geboten, so dass menschliche Reaktionen insbesondere auf unbeherrschtes Verhalten eines Wohnungseigentümers außer Betracht bleiben müssen (Jennißen, a.a.O.).

Bereits aus den Feststellungen im Verfahren 2 C 377/21 folgt, dass die Verwaltung gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen hat, indem sie eine Erwiderung der Bevollmächtigten der Klägerin auf ein allen Eigentümern übermitteltes Schreiben nicht ebenfalls übersandte (Bl. 166 d.A. zum Az.: 2 C 377/21). Es war für die Verwaltung offensichtlich, dass sich hier zwei Lager in der Wohnungseigentümergemeinschaft gebildet hatten. Nachdem sie das Schreiben einer Eigentümerin sämtlichen Mitgliedern übersandt hatte, erforderte es der Gleichbehandlungsgrundsatz, ebenso auch mit einem Antwortschreiben zu verfahren. Mit der Zurückhaltung des Antwortschreibens der Bevollmächtigten erweckte sie den Eindruck, deren Stellungnahme nicht das gleiche Gewicht beizumessen.

Letztlich gibt vor allem die persönliche Stellungnahme der Mitarbeiterin … zu den klägerischen Vorwürfen (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 10.10.2022) dem Gericht Anlass zu der Annahme, dass die Verwaltung zu einem neutralen geschäftlichen Umgang zur Bevollmächtigten der Klägerin nicht mehr in der Lage war und ist. Die dortigen Äußerungen sind teilweise so formuliert, dass sie eine persönliche, negativwertende Betrachtung enthalten. So bezeichnet die Mitarbeiterin Einsichtnahmen der Klägerin als „unangemessen“, spricht von „abstrusen Gedanken“ und „ständige[r] Unruhe der Klägerin“ und begründet das Fehlen von Vergleichsangeboten damit, „[…] dass … alle Handwerker in der Wohnanlage terrorisiert.“

(5) Die Verwaltung verstößt nach wie vor gegen die Pflicht zur Führung einer vollständigen Beschlusssammlung. Gemäß §§ 24 Abs. 7, 8 S. 1 WEG betrifft die Beschlusssammlung sämtliche Beschlüsse und gerichtliche Entscheidungen, die nach dem 1.7.2007 ergangen sind. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für die Jahre 2007 – 2019 keine oder nur eine sehr lückenhafte Beschlusssammlung vorhanden ist. Der von der Beklagten vorgetragene Umstand, dass die Vorverwalterin für die betreffenden Jahre keine Beschlusssammlung übergeben habe, lässt die Pflicht der jetzigen Verwaltung nicht entfallen.

Denn die aus § 24 Abs. 7, 8 WEG folgende Verpflichtung umfasst die Behebung von Unvollständigkeiten, auch wenn diese von einem früheren Verwalter verursacht sind (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 24 Rn. 168; LG Berlin, 2.10.2015, 55 S 206/14, ZWE 2017, 95, 96). Zwar ist bei einem Verwalterwechsel die Beschlusssammlung an den neuen Verwalter zu übergeben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Holschuld, die die neue Verwaltung gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen muss. Daran konnte hier auch eine vermeintliche Erklärung des Verwaltungsbeirates, dass die Verwaltung von einer Durchsetzung des Herausgabeanspruches absehen solle, nichts ändern. Eine solche Erklärung – als wahr unterstellt – entlastet die neue Verwaltung nicht. Es hätte vielmehr einer Entscheidung der Wohnungseigentümer zur Frage der Durchsetzung oder Nichtdurchsetzung des Anspruches bedurft.

Abgesehen von den gesetzlichen Regelungen in den §§ 9 b Abs. 2, 24 Abs. 3 WEG ist der Beirat nicht zur Vertretung der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt (Jennißen, WEG, 7. Auflage 2022, § 29 Rn. 36). Dem Verwaltungsbeirat kommen im Hinblick auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Vorverwalter keine eigenen Entscheidungsbefugnisse zu.

Die vorzunehmende Gesamtschau der unter 1. c) (1) – (5) festgestellten Verstöße lässt die Ablehnung der Anträge der Klägerin auf Abberufung der Verwaltung und Kündigung des Verwaltervertrages als nicht mehr vertretbar erscheinen.

Nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen legen schwerwiegende Verstöße die Unvertretbarkeit der Abberufung eher nahe, während bei leichteren Verfehlungen möglicherweise berücksichtigt werden kann, inwieweit in der Zukunft eine Besserung zu erwarten ist (BGH Urt. v. 25.2.2022 – V ZR 65/21, ZWE 2022, 220, 222). Das Fehlverhalten der Verwaltung betreffend die Gewährung von Einsicht in die Verwaltungsunterlagen, das Führen der Beschlusssammlung sowie das Neutralitätsgebot bewertet das Gericht zum einen als besonders gravierend, da hierbei elementare Kernrechte des einzelnen Wohnungseigentümers betroffen sind. Sowohl der Anspruch auf Einsichtnahme gem. § 18 Abs. 4 WEG als auch die Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung einer Beschlusssammmlung aus § 24 Abs. 7, 8 WEG dienen der notwendigen Information des Wohnungseigentümers sowie zukünftiger Erwerber. Zum anderen hat die Verwaltung die begehrte Einsichtsgewährung in einem erheblichen Umfang und über einen längeren Zeitraum nicht bzw. nicht vollständig gewährt. Bereits hieraus folgt, dass den Wohnungseigentümern ein so genanntes Verzeihungsermessen, dass die Mehrheitsentscheidung trotz Fehlverhalten der Verwaltung als vertretbar erscheinen lassen kann, nicht mehr zugebilligt werden durfte.

Jedenfalls muss ein Verzeihungsermessen aber dann ausscheiden, wenn in Zukunft eine Besserung bezogen auf das konkrete Verwalterhandeln nicht zu erwarten ist. Dies ist hier der Fall. Die Auseinandersetzung der Verwaltung im Rahmen der begehrten Einsichtsgewährung zeigt, dass ihr Inhalt und Ausgestaltung des Anspruches aus § 18 Abs. 4 WEG nicht hinreichend bewusst ist. So macht zuletzt die Stellungnahme der Mitarbeiterin … deutlich, dass sie den irrigen Annahmen unterliegt, Unterlagen zurückhalten zu können, soweit diese „noch in Bearbeitung“ sind, der Verwaltung eine Kompetenz zukomme, Einsichtnahmen als „unangemessen“ zu bewerten und den Archivstandort in … als geeigneteren Einsichtnahmeort auszuwählen. Diese Annahmen sind mit dem Anspruch auf Einsichtsgewährung unvereinbar. Die Einsichtnahme ist vielmehr grundsätzlich unbegrenzt auf bloßes Verlangen eines Wohnungseigentümers zu gewähren, eine Grenze kann sich lediglich aus Treu und Glauben ergeben. Der Anspruch erstreckt sich auf sämtliche Verwaltungsunterlagen, die für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums und – Vermögens relevant sind, auch auf fremde Einzelabrechnungen. Die Verwaltung kann sich daher nicht darauf berufen, aus datenschutzrechtlichen Gründen einzelne Dokumente, die nur einen anderen Wohnungseigentümer betreffen (Hausgeldkonto/Einzelabrechnung), zurückzuhalten. Zur Wahrung des Datenschutzes hat die Verwaltung die Möglichkeit, Einsichtstermine zu begleiten und im Vorfeld geschützte personenbezogene Daten wie Mobilfunknummern oder Emailadressen unkenntlich zu machen. Der Verwaltung steht es aber nicht zu, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ein Einsichtnahmeverlangen nachvollziehbar ist. Mangels gesetzlicher Regelung und Beschluss/Vereinbarung der Wohnungseigentümer ist die Einsicht im Regelfall gem. § 269 Abs. 1 BGB am „Wohnsitz“ der Schuldnerin zu erfüllen. Dieser ist bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft als Ort des gemeinschaftlichen Grundstücks zu verstehen (Jennißen, 7. Auflage 2022, § 18 Rn. 147). Eine Einsichtnahme am (zweiten) Sitz der Verwaltung ist nur dann als zumutbar anzusehen, wenn sich dieser ebenfalls am Ort der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. in unmittelbarer, leicht zu erreichender Nähe befindet. Dies trifft auf den über 30 km entfernten Verwaltungssitz in … gerade nicht zu.

Nach den obigen Ausführungen unter 1. a) (4) ist die Verwaltung insbesondere im Hinblick auf den Inhalt der persönlichen Stellungnahme der Mitarbeiterin der Verwaltung auch zu dem gebotenen neutralen Umgang mit der Bevollmächtigten der Klägerin und damit zugleich mit den Interessen der Klägerin selbst, nicht mehr in der Lage.

Bezüglich der Verantwortung für das Führen einer ordnungsgemäßen Beschlusssammlung ist sich die Verwaltung nach wie vor nicht im Klaren. In ihrer persönlichen Stellungnahme weist die Mitarbeiterin der Verwaltung, wie bereits die Beklagte im Verfahren 2 C 377/21, die Verantwortung für die Unvollständigkeit zurück, da die Unterlagen von der Vorverwalterin nicht übergeben worden seien. Damit wird weiterhin verkannt, dass sie als aktuelle Verwaltung zur Behebung von Unvollständigkeiten verpflichtet ist, unabhängig von der Frage, ob sie diese selbst verursacht hat oder die Vorverwalterin.

Zuletzt spricht auch der Umstand, dass es den Eigentümern an einer hinreichenden Tatsachengrundlage bei der Beschlussfassung am 7.7.2022 gefehlt haben dürfte, gegen ein Verzeihungsermessen und damit gegen eine Vertretbarkeit der Mehrheitsentscheidung. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass den Wohnungseigentümern das streitgegenständliche Fehlverhalten der Verwaltung im Vorfeld der Versammlung bewusst war. Dies wäre aber gerade erforderlich gewesen, da die Wohnungseigentümer nur dann hinreichend von dem ihnen eingeräumten Ermessen Gebrauch machen können, wenn sie sich der maßgeblichen Umstände und deren rechtlicher Bewertung bei der Beschlussfassung bewusst sind (vgl. LG Itzehoe, Urteil vom 12.7.2013 – 11 S 39/12, BeckRS 2014, 11983).

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verwalterin weitere Pflichtverstöße wie inhaltliche Fehler der Beschlusssammlung, eine mangelhafte Beschlussvorbereitung für die Versammlung am 7.7.2023 und zuletzt Verstöße gegen den Verwaltervertrag anzulasten sind. Bereits aus den zuvor dargelegten Gründen ergibt sich, dass die Ablehnung des Abberufungs- und Kündigungsantrages nicht mehr vertretbar war. Das Gericht hat im Rahmen der Gesamtwürdigung durchaus berücksichtigt, dass sich die Mehrheit der Wohnungseigentümer mit der Ablehnung der zu TOP 19, 20 gestellten Anträge für ein Verbleiben der Verwalterin im Amt ausgesprochen hat. Gleichwohl hatte es auch den Schutz der Minderheit der Wohnungseigentümer zu berücksichtigen und letztendlich dieser zu Recht verholfen.

2. Die Klägerin hat demzufolge einen Anspruch auf die im Klageantrag zu III. begehrte Beschlussersetzung. Ergibt die Abwägung – wie hier -, dass die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschritten haben, weil die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht mehr vertretbar erscheint, muss das Gericht im Interesse der Minderheit die Abberufung vornehmen (Becker in: Bärmann, WEG, 15. Auflage 2023, § 26 Rn. 284, 285).

3. Die Klägerin kann auch den Ersatz ihrer Rechtsanwaltskosten für den Einsichtnahmetermin im Büro der Verwaltung in … am 10.06.2021 nebst Zinsen verlangen.

Der Anspruch folgt aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, S. 1, 249 BGB. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, der Sonderverbindung zwischen Gemeinschaft und einzelnem Wohnungseigentümer, verletzt. Die Verwaltung, die den Anspruch der Klägerin aus § 18 Abs. 4 WEG zu erfüllen hatte, ist der bereits zuvor mehrfach begehrten Einsichtnahme im vereinbarten Termin am 10.06.2021 im Büro in … nicht nachgekommen. Insoweit wird erneut auf die Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Schwarzenbek vom 9.11.2021 zu dem Verfahren 2 C 377/21 Bezug genommen. Diese Pflichtverletzung hat die Beklagte zu vertreten; das Verhalten der Verwaltung wird ihr zugerechnet. Steht dem Gläubiger ein auf Ersatz des negativen Interesses gerichteter Anspruch zu, kann er unabhängig von den Voraussetzungen des § 284 BGB seine vergeblichen Aufwendungen ersetzt verlangen (Grüneberg-Grüneberg, BGB, 81. Auflage 2022, § 284 Rn. 2). Der Vertrauensschaden der Klägerin besteht hier in den nutzlos aufgewendeten Rechtsanwaltskosten, die die Klägerin im Vertrauen auf die für den 10.06.2021 vereinbarte Einsichtsgewährung aufgewendet hat. Da die Klägerin bereits zuvor wiederholt ihr Einsichtsverlangen erfolglos geltend gemacht hatte, durfte sie die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten auch für erforderlich halten. Der Einwand der Beklagten, die Bevollmächtigte der Klägerin hätte ebenso Kopien anfertigen können, greift nicht durch. Auch in diesem Falle wäre die geltend gemachte RVG-Gebühr ebenso angefallen, wenn der Prozessbevollmächtigte die Unterlagen in seiner Kanzlei geprüft hätte. Schließlich war die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten gerade erforderlich, um vor Ort die Vollständigkeit der begehrten Unterlagen zu prüfen. Dieser Zweck wurde der Verwaltung unter Benennung der konkret begehrten Unterlagen wurde der Verwaltung auch im Vorfeld mitgeteilt. Die angefallenen Fahrtkosten gehen insbesondere auf den Umstand zurück, dass die Verwaltung der Beklagten die Bevollmächtigte auf einen Einsichtstermin in … verwiesen hat. Die Höhe der geltend gemachten Gebühren ist im Hinblick auf den zutreffenden Streitwert nicht zu beanstanden.

Soweit die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 14.06.2023 nach Schluss der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen hat, handelt es sich um verspäteten Vortrag (§ 296 a ZPO), der nicht zuzulassen war und keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gab.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 49 a Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 704 ZPO.

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