AG Dortmund – Az.: 512 C 31/17 – Urteil vom 27.03.2018
Der Beschluss vom 31.08.2017 zu Tagesordnungspunkt 2 der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 31.08.2017 “Abstimmung zur Bezahlung der Außenarbeiten aus den Rücklagen“ wird für ungültig erklärt.
Der Beschluss vom 31. 8. 2017 zu Tagesordnungspunkt 3 der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 31.8.2017 über „das Zurückschneiden der Sträucher gemäß vorliegenden Angeboten“ wird für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft V in Dortmund. Die Eigentümergemeinschaft wird verwaltet von der Mutter des Beklagten zu 11). Die Eigentümergemeinschaft ist wohl zerstritten wobei insbesondere das Verhältnis der Kläger zur Verwalterin und umgekehrt als äußerst belastet zu bezeichnen sein dürfte. Die Kläger nehmen schon seit längerer Zeit persönlich nicht mehr an Eigentümerversammlungen teil und lassen sich jeweils durch Herrn M., der nicht im Haus wohnt, vertreten.
Die Eigentümergemeinschaft hat am 06.07.2017 im B. Hof eine Wohnungseigentümerversammlung durchgeführt. In dieser Eigentümerversammlung ist unter Tagesordnungspunkt 5 ein Beschluss über die Instandsetzung der Außenanlagen der beiden Häuser gefasst worden. Ferner ist ein Antrag der Kläger auf Abberufung der Verwalterin unter Tagesordnungspunkt zehn abgelehnt worden. Die Kläger haben diese beiden Beschlüsse vor dem erkennenden Gericht im Verfahren 512 C 26/17 angefochten und zugleich die Abberufung der Verwalterin beantragt. Dies Verfahren ist noch nicht entschieden. In diesem Verfahren haben die Kläger unter anderem gerügt, dass hinsichtlich des Instandsetzungsbeschlusses keine Regelung über die Finanzierung getroffen worden sei. In der Versammlung ist ferner unter Tagesordnungspunkt 8 beschlossen worden für kurze Eigentümerversammlungen die Waschküche als Versammlungsort beizubehalten.
Die Verwalterin hat mit Schreiben vom 13.08.2017 zu einer Eigentümerversammlung am 31.08.2017 um 18:00 Uhr in die Waschküche des Hauses eingeladen. Neben der Feststellung der Beschlussfähigkeit stand auf der Tagesordnung die Abstimmung zur Bezahlung der auszuführenden Arbeiten (Außenanlagen) der Firma M. GmbH gemäß Schreiben vom 16.07.2017 und Protokoll vom 13.07.2017 Tagesordnungspunkt fünf, aus den Rücklagen sowie Diskussion und Abstimmung über das zurückschneiden der Sträucher im Einfahrtsbereich des Garagenhofes und der beiden Bäume, Angebot der Firma M. GmbH anbei sowie Abstimmung über die Bezahlung der Maßnahme aus den Rücklagen. Die Eigentümerversammlung dauerte von 18:00 Uhr bis 18:07 Uhr. Im Protokoll ist festgehalten dass die Kläger nicht anwesend waren und ab 18:03 Uhr von Herrn M. vertreten wurden. Aus dem Protokoll ergibt sich nicht welcher Tagesordnungspunkt zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war. Anwesend waren fünf Eigentümer und neben den Klägern haben sich weitere drei Eigentümer vertreten lassen. Als Abstimmungsergebnis ist bei beiden Tagesordnungspunkten sieben Ja-Stimmen und einen Nein Stimme (nach Kopfzahl) vermerkt.
Die Kläger haben diese beiden Beschlüsse durch Klage vom 22.09.2017 angefochten. Sie behaupten dass Herr M. bereits um 17:58 Uhr erschienen sei. Ihm sei ein Zutritt zum Versammlungsort nicht möglich gewesen weil er vor einer verschlossenen Tür gestanden hätte die ihm auch auf mehrfache Betätigung der Klingel nicht geöffnet wurde. Die Kläger seien nicht im Haus gewesen. Um 18:04 Uhr habe Herr M. den Prozessbevollmächtigten der Kläger angerufen. Nach wenigen Minuten habe dann ein Eigentümer doch noch die Tür geöffnet. Man habe Herrn M. erklärt man habe bereits über die Tagesordnungspunkte zwei und drei abgestimmt, er könne nunmehr noch seine Stimme zu Protokoll geben.
Die Kläger beantragen, den Beschluss vom 31.08.2017 zu Tagesordnungspunkt 2 der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 31.08.2017 “Abstimmung zur Bezahlung der Außenarbeiten aus den Rücklagen“ für ungültig zu erklären; den Beschluss vom 31. 8. 2017 zu Tagesordnungspunkt 3 der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 31.8.2017 über „das Zurückschneiden der Sträucher gemäß vorliegenden Angeboten“ für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen
Sie vertreten die Auffassung, dass derjenige der sich vertreten lassen will natürlich dafür zu sorgen habe dass der Bevollmächtigte auch in das Haus gelangen könne. In der Vergangenheit sei es für Herrn M. auch immer möglich gewesen den Versammlungsort zu erreichen. Die Diskussion über den Tagesordnungspunkt zwei sei auch nicht bereits vollständig abgeschlossen gewesen. Herrn M. sei noch Gelegenheit gegeben worden sich zu äußern und auch abzustimmen.
In der Sache streiten die Parteien über die inhaltliche Rechtmäßigkeit der gefassten Beschlüsse. Deswegen und wegen des gesamten weiteren Inhalts des Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das erkennende Gericht hat den Parteien einen Vergleichsvorschlag unterbreitet der die Wurzeln der Auseinandersetzungen zwischen den Parteien endgültig beseitigen sollte. Eine Einigung konnte bisher nicht erzielt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die in der Versammlung vom 31.8. 2017 gefassten Beschlüsse sind rechtswidrig.
Dies ergibt sich bereits aus der Wahl des Versammlungsortes in der Waschküche des Hauses. Versammlungsort und Versammlungsstätte müssen so beschaffen sein, dass eine ordnungsmäßige Durchführung der Eigentümerversammlung gewährleistet (OLG Hamm ZMR 2001, 1004; OLG Hamm NJW-RR 2001, 516 (517) und allen Wohnungseigentümern die Teilnahme an der Versammlung möglich ist. Versammlungsort und Versammlungsstätte müssen also frei zugänglich sein.
Versammlungsort und Versammlungsstätte sind am Grundsatz der Zumutbarkeit zu messen (Schultzky in Jenißen, WEG, 5. Aufl. § 24 WEG Rdn 96). Vor allem die Versammlungsstätte muss einen störungsfreien Ablauf gewährleisten und akzeptabel sein. Vertreten wird, dass zur Einsparung von Versammlungskosten von den Eigentümern gewisse Unbequemlichkeiten in Kauf zu nehmen sind (OLG Düsseldorf WuM 1993, 305; OLG Hamm MDR 1992, 772; Gottschalg, NZM 1998, 825).
Unter Berücksichtigung der konkreten Situation der Gemeinschaft ist eine Eigentümerversammlung im Waschkeller nicht zulässig. Eine Versammlung im Stehen dürfte kaum ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, selbst wenn, wie behauptet, auf Bitten eines Eigentümers ein Stuhl herbeigeholt worden wäre. Dann würde ein Eigentümer sitzen und alle um ihn herum stehen, was nach Ansicht des Gerichts eher eine Verschlimmbesserung darstellen würde.
Problematisch ist der Zugang zum Versammlungsort. Der muss frei zugänglich sein und nicht einer Art Schnitzeljagd durch Kellereingänge oder Ähnliches entsprechen. Die Ansicht, dass derjenige, der sich vertreten lassen will, natürlich dafür zu sorgen habe, dass der Bevollmächtigte auch in das Haus gelangen könne, ist rechtsirrig. Der Versammlungsleiter/Verwalter muss für einen frei zugänglichen Zugang sorgen. Das war hier nicht der Fall. Der Vertreter der Kläger konnte nicht frei ins Haus kommen.
Gegen die Geeignetheit des Waschkellers als Versammlungsort spricht auch, dass die Gemeinschaft hinsichtlich der anstehenden Punkte zumindest sehr unterschiedlicher Auffassung war. Es gab diesbezüglich bereits ein Anfechtungsverfahren vor dem erkennenden Gericht. Ein Versammlung, die ihren Namen als der Eigentümerversammlung als Ort der gemeinsamen Willensbildung und Beschlussfassung wirklich verdient, muss eine Diskussion auch wirklich ermöglichen und nicht nur zum Abwinken von der Mehrheit vorbesprochener Entscheidungen dienen.
Bei einer Versammlung im Stehen im Waschkeller ist eine demokratischen Gepflogenheiten entsprechende sachliche Diskussion der Themen kaum denkbar und wie der zeitliche Ablauf hier zeigt, wohl auch gar nicht gewollt gewesen. Immerhin hieß der Tagesordnungspunkt drei: „Diskussion und Abstimmung über das zurückschneiden der Sträucher“. Das ist bei einer 7 minütigen Versammlung nach Feststellung der Beschlussfähigkeit und zwei kontroversen Punkten kaum machbar. Ein Versammlungsort muss gerade bei streitigen Gemeinschaften und strittigen Punkten eine längere argumentative Auseinandersetzung ermöglichen. Nur so kann eine Überzeugungsbildung stattfinden, die spätere gerichtliche Auseinandersetzungen verhindert. Das ist im Stehen im Waschkeller alles kaum denkbar. Hier wollte die Verwalterin und die Mehrheit gar keine offene Diskussion und Meinungsbildung mehr zulassen, sondern nur ein Ergebnis „Durchwinken“.
Soweit die Beklagten sich auf das Urteil des OLG Düsseldorf (WuM 1993, 305) und die insofern in den Kommentaren übernommene Argumentation berufen, folgt das erkennende Gericht aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles dieser Rechtsauffassung aus den dargestellten Gründen nicht. Es mag Situationen geben, in denen eine Versammlung ausnahmsweise im Waschkeller zulässig ist, vorliegend war sie es wegen der zu besprechenden Punkte und der Zugangsproblematik aber nicht.
Ob der Vertreter der Kläger überhaupt noch an der Willensbildung teilnehmen konnte erscheint dem Gericht mehr als zweifelhaft. Allein die Stimmabgabe reicht dazu nicht aus, wobei das Gericht das protokollierte Ergebnis auch insofern nicht nachvollziehen kann. Bei 5 anwesenden und einschließlich des Vertreters der Kläger 4 vertretenen Eigentümern würde bei einem 7:1 Ergebnis eine Stimme fehlen, wobei das Gericht nicht aufgeklärt hat, ob die Verwalterin gemeinschaftliche Eigentümer ggf. getrennt aufgeführt hat.
Der Versammlungsort ist auch nicht aufgrund des in der Versammlung vom 6.7.2017 unter Tagesordnungspunkt 8 gefassten Beschlusses zulässig gewesen. Danach sollte für kurze Eigentümerversammlungen die Waschküche als Versammlungsort beizubehalten werden. Der Beschluss ist nach Ansicht des Gerichts nichtig. Er ist völlig unbestimmt. Was soll eine kurze Versammlung sein? Geht es nach der Anzahl der Tagesordnungspunkte oder der prognostizierten Dauer der Versammlung? Letzteres steht vorher gar nicht fest, da niemand weiß, wieviel Diskussionsbedarf entstehen wird. Deshalb kann Niemand vorher wissen, ob es eine kurze Versammlung wird oder nicht, es sei denn, jemand will gar keine Diskussion und hat es auf eine kurze Versammlung abgesehen. Da deshalb niemand weiß, ob die Voraussetzungen des Beschlusses vorliegen oder nicht, ist der Beschluss unbestimmt und damit nichtig.
Auf die weitere Frage des vorliegenden Verfahrens, ob die Beschlüssen inhaltlich den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung genügen, kommt es deshalb – noch – nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung übe die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 49a GKG.