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WEG-Verwalter – rückwirkende Wiedereinsetzung

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980a C 1/21 WEG – Urteil vom 28.05.2021

1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.12.2020 zu TOP 3 (Wirtschaftsplan 2020) – betreffend den Gesamtwirtschaftsplan (Berechnung der Verwaltergebühr) und betreffend die Einzelwirtschaftspläne (Verteilung der Kosten nach Wohnfläche) -, zu TOP 6 (Sicherheitsschließzylinder/Türsprechanlage) und zu TOP 7 (Beauftragung Sachverständiger) werden für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 13 % und die Beklagte zu 87 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse einer Eigentümerversammlung.

Der Kläger ist Mitglied der Beklagten, die aus fünf Wohnungen – eine davon im Eigentum des Kläges stehend – besteht; es gilt die notarielle Teilungserklärung (TE) vom 31.12.1999 (Anlage K1). Darin heißt es in § 2 Abs. 1: „Das Verhältnis der Eigentümer untereinander bestimmt sich nach . den Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15. März 1951 in seiner jeweils gültigen Fassung, soweit diese Erklärung nichts Abweichendes bestimmt.“ In § 13 Abs. 2 S. 1 TE heißt es: „Die Versammlung ist beschlußfähig, wenn mindestens drei Wohnungen vertreten sind.“

Auf der Eigentümerversammlung vom 17.01.2019 (vgl. Protokoll, Anlage K4) wurde zu TOP 2 mehrheitlich beschlossen, die ### für die Zeit vom 01.02.2019 bis zum 29.02.2020 zum Verwalter der Beklagten zu bestellen. Mit Schreiben vom 30.10.2020 (Anlage K3) lud diese zur Eigentümerversammlung am 10.12.2020 ein. Dort erschien zunächst der Kläger sowie für die Mehrheitseigentümerin (von drei Wohnungen) deren Sohn. Während der Diskussion um TOP 3 (Wirtschaftsplan 2020) verließ der Kläger die Versammlung und kehrte nicht zurück.

Sodann wurden jeweils „einstimmig und ohne Gegenstimmen“ u.a. folgende Beschlüsse gefasst:

TOP 3

Genehmigung des Wirtschaftsplans 2020

TOP 4

„Es wird beantragt die Sanierung der Abwasserrohre gemäß dem vorliegenden Angebot, der Firma ### über derzeit Euro 57.619,59 vom 09.10.2019 zzgl. ca. 5 % Erhöhung und zzgl. ca. 5 % Sicherheit. Die Abrechnung erfolgt über eine Sonderumlage von ca. Euro 65.000,00 Euro.“

TOP 6

„Es wird beantragt, den Einbau eines Sicherheitsschließzylinders in der Eingangstür, sowie eine Video Türsprechanlage, Kosten ca. Euro 7.500,00 Euro zu beauftragen. Angebote wurden vorab per Mail versendet. Die Abrechnung erfolgt über eine Sonderumlage.

TOP 7

„Diskussion und Beschlussfassung über die zusätzliche Vergütung der Verwaltung in Höhe von 10 % der Gesamtkosten für die Abrechnung und Beaufsichtigung der vorgenannten Baumaßnahmen für Instandhaltung und Reparaturen, soweit die Gesamtkosten der Einzelmaßnahmen einen Betrag von Euro 10.000,00 Euro übersteigen.

Nach kurzer Diskussion soll ein Sachverständiger zu gleichen Bedingungen die Sanierungsmaßnahme beaufsichtigen

Antrag:

Es wird beantragt einen Sachverständigen zu gleichen Bedingungen mit der Beaufsichtigung der Sanierungsmaßnahme zu beauftragen.“

TOP 8

„Es wird beantragt die Verwaltung für 2019 zu entlasten.“

„TOP 3“

„Es wird beantragt die WEG-Verwaltung durch ### für den Zeitraum 01.01.2021-31.12.2023, verbunden mit der Erhöhung der Verwaltervergütung auf monatlich Euro 50,00 Euro je Wohnung zzgl. Der gesetzlichen Mehrwertsteuer, erneut zu bestellen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll gemäß Anlage K2 Bezug genommen.

Der Kläger macht mit seiner am 07.01.2021 bei Gericht eingegangenen, der Beklagten am 09.02.2021 zugestellten und mit weiterem Schriftsatz vom 10.02.2021 begründeten Anfechtungsklage geltend, dass die Beschlüsse zu TOP 3, 4, 6, 7, 8 und „3“ für ungültig zu erklären seien.

Übergreifend folge dies schon aus dem Umstand, dass die frühere Verwaltung, deren Amtszeit – was unstreitig ist – zum 29.02.2020 abgelaufen gewesen sei, nicht mehr befugt gewesen sei, zu der Versammlung am 10.12.2020 einzuladen. Die Regelung in § 6 Abs. 1 COVMG führe nicht dazu, dass ein Verwalter, dessen Amtszeit abgelaufen war, wieder ins Amt gesetzt worden sei.

Ferner sei die Versammlung auch nicht mehr beschlussfähig gewesen, nachdem er diese verlassen habe. Das ergebe sich aus der Regelung in § 13 Abs. 2 S. 1 TE, die auch nach dem neuen, zum 01.12.2020 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsgesetz anwendbar sei (§ 47 WEG).

Zu den einzelnen Beschlüssen macht der Kläger ergänzend folgende Einwendungen geltend:

-TOP 3: Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2020 (vgl. Anlage K5) lege zu Unrecht eine Verteilung der Kosten nach Wohnfläche (m²) zugrunde. In § 8 Abs. 5 TE sei aber – was unstreitig ist – eindeutig bestimmt, dass „sonstige Betriebskosten“ nach Miteigentumsanteilen zu tragen seien. Zudem werden für die Verwaltergebühr „7 Einheiten“ berechnet; es seien aber unstreitig nur fünf.

-TOP 4: Das der Beschlussfassung zugrunde liegende Angebot sei veraltet gewesen. Zudem hätten weitere Vergleichsangebote gefehlt. Es sei dem Beschlusstext nicht zu entnehmen, zu welchen konkreten Kosten die Auftragsvergabe stattfinden solle. Die Angabe von ca.-Beträgen sei betreffend die Bemessung der Sonderumlage unzulässig. Es bestünden auch Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Fa. ###, nachdem diese bereits für die WEG tätig geworden sei und deren Kostenvoranschlag für die Montage von Wasserzählern deutlich überschritten habe.

-TOP 6: Der Beschluss lassen offen, welcher Schließzylinder und welche Türsprechanlage zur Montage vorgesehen sei. Auch sei nicht bestimmt, welcher Unternehmer die Arbeiten erledigen solle. Auch die hierfür erforderlichen Aufwendungen sowie die Finanzierung seien offen geblieben. Vergleichsangebote für die Erneuerung des Schließzylinders hätten nicht vorgelegen. Ferner sei es unzulässig, die Auswahl des Werkunternehmers der Verwaltung oder einzelnen Eigentümern zu überlassen. Hinzu komme, dass acht Sprechstellen für fünf Wohneinheiten vorgesehen seien.

-TOP 7: Die Beauftragung eines Sachverständigen sei in der Einladung nicht angekündigt worden. Die Einzelheiten von dessen Beauftragung lasse der Beschlusstext zudem offen.

-„TOP 3“: Die Weiterbestellung der WEG-Verwaltung widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Es bestehe ein Dissens hinsichtlich der Vergütung. Ausweislich des Wirtschaftsplans 2020 beanspruche der Verwalter seine Vergütung für sieben Einheiten, obwohl er diese nur für fünf Einheiten verlangen könne. Es bestehe daher ein Dissens, ob die wiedergewählte Verwaltung insgesamt 250,00 Euro oder 350,00 Euro netto für ihre Tätigkeit verlangen könne.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2021 hat der Kläger im Hinblick auf den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07.04.2021 zu TOP 2 (vgl. Anlage K8) die Klage betreffend die Anfechtung des Beschlusses vom 10.12.2020 zu TOP 4 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen.

Der Kläger beantragt, die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 10.12.2020 zu TOP 3 (Wirtschaftsplan 2020), TOP 6 (Sicherheitsschließzylinder/Türsprechanlage), TOP 7 (Beauftragung Sachverständiger), TOP 8 (Verwalterentlastung für 2019) und TOP „3“ (Weiterbestellung der Verwaltung) für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Beschlüsse und macht geltend, dass die frühere WEG-Verwaltung auch über den 29.02.2020 hinaus im Amt gewesen sei; das ergebe sich aus der Regelung in § 6 Abs. 1 COVMG, mit der der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass Gemeinschaften verwalterlos werden und wegen der Beschränkungen bei der Durchführung von Versammlungen infolge der Corona-Pandemie nicht in der Lage seien, einen neuen Verwalter zu bestellen. Die Versammlung vom 10.12.2020 sei auch nach dem Weggang des Klägers beschlussfähig gewesen. Nach § 25 WEG n.F. sei jede Versammlung beschlussfähig. Die Anwendung dieser neuen gesetzliche Regelung sei nicht durch den Inhalt der hiesigen Vereinbarung (insbesondere § 13 Abs. 2 TE) ausgeschlossen, weil das Übergangsrecht nach Maßgabe von § 47 WEG n.F. einen Vorrang der gesetzlichen Regelung erlaube. Das ergebe sich auch im Lichte von § 2 Abs. 1 TE.

Betreffend den Beschluss zu TOP 3 sei zu berücksichtigen, dass frühere Abrechnungen – etwa die für das Jahr 2017, die am 12.12.2019 beschlossen worden sei (vgl. Anlagen B2 und B3) – auch eine Verteilung der Kosten nach Wohnfläche vorgesehen habe. Bei dem Beschluss zu TOP 6 habe es ausgereicht, den Eigentümern die Vergleichsangebote per E-Mail zur Kenntnis zu geben. Im Übrigen habe die Maßnahme – auch wegen der überschaubaren Kosten – nur untergeordnete Bedeutung gehabt, weswegen die Auswahl des Werkunternehmers unproblematisch vom Verwalter habe vorgenommen werden können. Hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 7 fehle es an der Kausalität eines etwaigen Einladungsmangels. Die Entlastung der Verwaltung (TOP 8) sei . nicht zu beanstanden. Und der Beschluss zu „TOP 3“ (Verwalterwahl) sei ausreichend bestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

1. Soweit die Parteien die Anfechtung des Beschlusses vom 10.12.2020 zu TOP 4 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten zu entscheiden.

2. Die Beschlüsse vom 10.12.2020 zu TOP 3 (teilweise), TOP 6 und TOP 7 widersprechen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums und sind für ungültig zu erklären. Im Übrigen (TOP 8 und „TOP 3“) hat die Anfechtungsklage hingegen keinen Erfolg.

a) Die erfolgreiche Anfechtung aller Beschlüsse – die im Übrigen fristgemäß erfolgt ist – ergibt sich nicht schon daraus, dass ein Ladungsmangel gegeben ist. Der Kläger hat innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist (§ 45 S. 1 HS 2 WEG n.F.) zwar zutreffend vorgebracht, dass die Einladung zur Versammlung vom 10.12.2020 durch einen Unbefugten, und zwar die bereits zum 29.02.2020 aus dem Amt geschiedene Verwaltung erfolgt ist (aa). Allerdings hat sich dieser Ladungsmangel auf die Ergebnisse der Beschlussfassung vom 10.12.2020 nicht ausgewirkt (bb).

aa) Die mit Beschluss vom 17.01.2019 zu TOP 2 bestellte – und mit hier angefochtenem Beschluss zu „TOP 3“ erneut bestellte – Verwaltung ist zum 29.02.2020 aus ihrem Amt ausgeschieden. Daran hat sich durch die Regelung in § 6 Abs. 1 COVMG (Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27.03.2020, BGBl. I S. 569, 570) nichts geändert. Diese Vorschrift, wonach „der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (###) bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt [bleibt]“, führt(e) nicht dazu, dass bereits zum In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 28.03.2020 aus dem Amt ausgeschiedene Verwalter – rückwirkend – wieder ins Amt gekommen sind. Dagegen spricht schon der Wortlaut der Vorschrift, sofern es heißt „bleibt (###) im Amt“; das schließt nach dem natürlichen Wortsinn aus, dass von dieser Regelung auch bereits aus dem Amt ausgeschiedene Verwalter erfasst werden (so auch KG, FGPrax 2021, 6). Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 COVMG soll zwar nach der Intention des Gesetzgebers auch für den Fall gelten, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm bereits abgelaufen ist (vgl. BT-Drs. 19/18110, 31). Dieser gesetzgeberische Wille, der nur mit einer sog. echten Rückwirkung der gesetzlichen Regelung zu verwirklichen wäre, kommt in dem Wortlaut der Vorschrift nicht zum Vorschein (offengelassen in KG, a.a.O.) und wäre auch verfassungsrechtlich höchst bedenklich (vgl. zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf Zeitpunkte vor dem In-Kraft-Treten einer Rechtsnorm etwa BVErfG, NJW 1998, 1547, 1548); das Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand von Regelungen, die einmal für schon abgewickelte Tatbestände gefunden worden sind, schließt eine nachträgliche Verschlechterung der Rechtslage prinzipiell aus (siehe Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 20, Rz. 80). Damit kommt also keine rückwirkende „Bestellung“ eines Verwalters, dessen Amtszeit vor dem 28.03.2020 bereits abgelaufen war, durch Gesetz in Betracht (so auch OLG Hamm, NZM 2020, 991, 992; KG, a.a.O.). Gleiches gilt – auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung – für die Bewirkung einer Amtsstellung für bereits ausgeschiedene Verwalter nach dem 28.03.2020, da andernfalls ohne sachlichen Grund in das Selbstorganisationsrecht der Eigentümer und das Selbstbestimmungsrecht der Verwaltung eingegriffen werden würde; die Eigentümer können den früheren Verwalter vor dem 28.03.2020 bewusst aus verschiedenen Motiven nicht erneut bestellt haben und/oder eine Wiedererlangung des Amtes gegen den Willen des Verwalters begegnet erheblichen Bedenken (so auch Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, COVMG § 6, Rn. 5). Für eine teleologische Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 6 Abs. 1 COMVG ist daher kein Raum (anders etwa Scheller, in: MüKoBGB, Bd. 13, 8. Aufl. 2021, COVMG § 6, Rn. 2 oder auch Drasdo, in: Butenberg/Drasdo/Först/Hannemann/Heilmann NZM 2020, 493, 494, wonach der Verwalter „kraft Gesetzes“ die erneute Übernahme des Amts – bei sachlichen Gründen – ablehnen kann). Und eine „verwalterlose Zeit“ war nach alter Rechtslage (vgl. § 26 WEG a.F.) nicht rechtswidrig, weswegen auch kein legislatives Bedürfnis bestand, den Eigentümern einen Verwalter aufzudrängen.

bb) Die Einladung zur Versammlung durch die nicht (mehr) berechtigte Verwaltung hat sich aber auf das Beschlussergebnis hier nicht ausgewirkt. Die Erklärung eines Beschlusses für ungültig scheidet in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich der Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat; anders verhält es sich nur bei schwerwiegenden Verstößen, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitgliedes in gravierender Weise ausgehebelt wird oder wenn die Regeln des WEG über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums systematisch missachtet (vgl. etwa BGH, NZM 2021, 236, 237, Rn. 14 = ZMR 2021, 223). Im Streitfall ist es zur Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen, dass das Abstimmungsergebnis ohne den formellen Fehler anders ausgefallen wäre. Die Stimmrechte in der Gemeinschaft sind eindeutig verteilt; drei von fünf Stimmrechten sind in der Hand einer Miteigentümerin, die die hier angefochtenen Beschlüsse sämtlichst mitgetragen hat. Und weder dem Protokoll der Versammlung vom 10.12.2020 noch dem Vortrag des Klägers ist zu entnehmen, dass er den Ladungsmangel bis zum Beginn der Versammlung gerügt hat. Stattdessen heißt es unter TOP 1, dass der Antrag „Es wird festgestellt und beantragt, dass die Einladung zu dieser Versammlung ordnungsgemäß und rechtzeitig erfolgt ist“ angenommen worden ist, und zwar „ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen“. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch persönlich in der Versammlung anwesend und die mangelhafte Ladung hat er erstmals mit seiner Klage gerügt. Von einem „Aushebeln“ seiner Teilnahme- und Mitwirkungsrechte kann daher keine Rede sein.

b) Die angefochtenen Beschlüsse sind auch nicht deswegen für ungültig zu erklären, weil die Versammlung vom 10.12.2020 nach dem Verlassen des Klägers (während der Diskussion um den Wirtschaftsplan 2020 zu TOP 3) nicht mehr beschlussfähig gewesen ist. Entgegen der Meinung des Klägers ergeben sich die Voraussetzungen zur Beschlussfähigkeit der Versammlung nicht (mehr) aus der Regelung in § 13 Abs. 2 S. 1 TE, in der es heißt, dass die Versammlung beschlussfähig ist, wenn „mindestens drei Wohnungen vertreten sind“. Vielmehr wird diese vereinbarte Regelung überlagert von der seit dem 01.12.2020 geltenden (Neu-)Regelung in § 25 Abs. 1 WEG, wonach jede Versammlung – im Grundsatz ohne Rücksicht auf bestimmte Quoren – beschlussfähig ist. Dies folgt aus der Übergangsregelung in § 47 WEG n.F. Das erkennende Gericht vermag den Regelungen der hier geltenden Teilungserklärung keinen sog. Versteinerungswillen der Eigentümer entnehmen, der eine Anwendbarkeit des neuen Rechts auf die Frage der Beschlussfähigkeit ausschließt. Die vorgenannte Regelung sieht in Abweichung zu § 25 Abs. 3 WEG a.F. vor, dass die Beschlussfähigkeit einer Versammlung nicht an die anwesende bzw. vertretene Mehrheit der Miteigentumsanteile, sondern an die Anzahl der Wohnungen (drei von fünf) geknüpft wird. Dies folgt dem Inhalt von § 2 Abs. 1 TE, wonach sich das Verhältnis der Eigentümer untereinander nach den Vorschriften WEG „in seiner jeweils gültigen Fassung“ bestimmt, soweit diese Erklärung – wie in § 13 Abs. 2 S. 1 TE erfolgt – nichts Abweichendes bestimmt. Gleichwohl hat der Kläger in Abkehr von der gesetzlichen Vermutung in § 47 S. 2 WEG nicht dargetan, dass sich aus dem Gesamtgefüge der in Rede stehenden Vereinbarung selbst ergibt, dass die Eigentümer an der Regelung in § 13 Abs. 2 S. 1 TE für alle Zeit festhalten wollten. Deren Abweichung von der früheren Rechtslage ist in ihrer Zielrichtung nicht wesensverschieden, sondern ordnete für die Frage der Beschlussfähigkeit lediglich eine andere Berechnungsgrundlage an. Ein eindeutiges Festhalten an dieser Regelung ist der Vereinbarung aber nicht zu entnehmen.

c) Der Beschluss vom 10.12.2020 zu TOP 3 über den Wirtschaftsplan 2020 ist aber insoweit für ungültig zu erklären, wie die Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer auf der Grundlage des Gesamtwirtschaftsplans betreffend die Verwaltergebühr auf Basis von sieben Einheiten festlegt worden ist und – betreffend die Einzelwirtschaftspläne – eine Verteilung der Kosten nach Wohnfläche (m²) vorgenommen worden ist. Insoweit widersprechen diese Berechnungsgrundlagen den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach näherer Maßgabe von § 28 Abs. 1 S. 1 WEG n.F. Unstreitig ist hier in § 8 Abs. 5 TE festgelegt, dass „sonstige Betriebskosten“ nach Miteigentumsanteilen zu tragen sind; zudem besteht die Gemeinschaft nicht aus sieben, sondern nur aus fünf Wohnungen (Einheiten). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Eigentümer in den Vorjahren abweichende Beschlüsse über die Jahresabrechnungen gefasst haben, in denen also die vom Kläger hier gerügten Mängel enthalten gewesen sind. Der Kostenverteilungsschlüssel wird nicht schon dadurch geändert, dass die Eigentümer eine Jahresabrechnung mit einem abweichenden, letztlich unzutreffenden Schlüssel beschließen (vgl. dazu etwa Bartholome, in: BeckOKWEG, 44. Ed. 2.4.2021, § 16, Rn. 85 m.w.N.).

Im Übrigen scheidet eine Anfechtung des Beschlusses zu TOP 3 aus. Die o.g. Mängel betreffen rechnerisch selbständige und abgrenzbare Teile von diesem. Es ist im Lichte von § 139 BGB zugrunde zu legen, dass die Eigentümer die übrigen Zahlungspflichten auch ohne die vom Kläger mit Recht beanstandeten Positionen beschlossen hätten (s. LG Frankfurt/Main, ZMR 2015, 958).

d) Der Beschluss zu TOP 6 betreffend den Einbau der Schließzylinder und der Videosprechanlage widerspricht ebenfalls den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Darin ist nicht bestimmt worden, welches Unternehmen für die Durchführung der Arbeiten ausgewählt worden ist. Eine Verlagerung dieser Entscheidungskompetenz der Eigentümer nach § 19 Abs. 1 WEG a.F. auf die Verwaltung steht nicht in Rede. Dazu hätte es eines ausdrücklichen Beschlusses, der eine Erweiterung der Befugnisse des Verwalters vorsieht, gemäß § 27 Abs. 2 WEG n.F. bedurft.

e) Im Hinblick auf den Beschluss vom 10.12.2021 zu TOP 7 macht der Kläger zwar ohne Erfolg geltend, dass der Beschlussgegenstand entgegen § 23 Abs. 2 WEG in der Einladung gemäß Anlage K3 nicht ausreichend bezeichnet worden ist. Selbst wenn dort eine Bestellung eines Sachverständigen nicht erwähnt worden ist, hat sich dieser formelle Mangel auf das Beschlussergebnis hier nicht ausgewirkt (s.o.). Allerdings macht der Kläger zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz ausreichender Bestimmtheit eines Beschlusses geltend. Der angefochtene Beschluss legt nach einer objektiv-normativen Auslegung, ausgehend vom Wortlaut und dem nächstliegenden Sinn der Bedeutung, nicht fest, welcher Sachverständige beauftragt wird und zu welchen Konditionen. Auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten dazu kommt es nicht an.

f) Der Beschluss zu TOP 8 (Entlastung der Verwaltung) ist nicht für ungültig zu erklären. Dazu hat der Kläger innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist lediglich auf die mangelnde Beschlussfähigkeit sowie den Ladungsmangel abgestellt. Beide Einwendungen greifen nicht durch (s.o.).

g) Letztlich ist auch der Beschluss über die Wiederbestellung der Verwaltung gemäß „TOP 3“ nicht für ungültig zu erklären. Dieser enthält entgegen der Meinung des Klägers bei einer objektiv-normativen Auslegung – auf die es allein ankommt und nicht auf seine subjektive Vorstellung – keinen Dissens hinsichtlich der Vergütung. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Beschlusses beträgt diese monatlich 50,00 Euro je Wohnung. Soweit der Kläger aus dem Wirtschaftsplan 2020 und der darin enthaltenen Berechnung der Verwaltergebühr auf Basis von sieben Einheiten meint, dass die Gesamthöhe der Vergütung unklar sei, findet diese Befürchtung in dem Beschlusstext keine Stütze. Eine Berechnung „je Wohnung“ führt dazu, dass die in der Teilungserklärung bestimmte Anzahl von Wohnungen für die Berechnung der Gesamtvergütung heranzuziehen ist.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache betreffend den Beschluss zu TOP 4 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 91 a Abs. 1 ZPO, dass die Beklagte die Kosten zu tragen hat. Sie wäre insoweit bei streitigem Fortgang des Rechtsstreits unterlegen gewesen, die Klage hätte also insoweit hier Erfolg gehabt. Der Beschluss zu TOP 4 betreffend die Sanierung der Abwasserrohre widersprach ebenfalls den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Kläger hat zu Recht geltend gemacht, dass keine Vergleichsangebote zu dem Angebot der Fa. Schellhorn vorgelegen haben; das machte – gemessen an § 18 Abs. 1 WEG – eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Eigentümer über die Vornahme der Sanierungsarbeiten unmöglich (vgl. dazu nur Elzer, in: BeckOKWEG, 44. Ed. 2.4.2021, § 18, Rn. 31 m.w.N.). Es kommt hinzu, dass das Angebot der Fa. Schellhorn vom 09.10.2019 datierte und damit – wie der Kläger ebenfalls gerügt hat – veraltet war; es versteht sich von selbst, dass ein Angebot, das den Eigentümern zu Entscheidung vorgelegt wird, aktuell ist (Elzer, a.a.O. zu „Inhalte/Anforderungen“); das war hier aber bei einem mehr als ein Jahr zurückliegenden Zeitpunkt der Angebotserstellung nicht der Fall. Letztlich war auch unklar, zu welchen konkreten Konditionen die Beauftragung der Fa. Schellhorn erfolgen soll, weil die Berechnung von „Euro 57.619,59 (###) zzgl. ca. 5 % Erhöhung und zzgl. ca. 5 % Sicherheit“ nicht erkennen ließ, welche genaue Vergütungshöhe Gegenstand des Auftrags war.

Bei der Kostenentscheidung entfallen – ausgehend von einem Gesamtstreitwert von 89.869,59 Euro – auf den Kläger betreffend TOP 8 (1.000,00 Euro) und „TOP 3“ (10.700,00 Euro) anteilig insgesamt 11.700,00 Euro, auf die Beklagte betreffend TOP 3 (6.527,94 Euro), TOP 4 (57.619,59 Euro), TOP 6 (7.500,00 Euro) und TOP 7 (6.511,96 Euro) insgesamt 78.169,59 Euro. Daraus folgt die tenorierte Quote.

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