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WEG-Verwalter – schlechte Bewertung im Internet durch WEG

AG Heilbronn – Az.: 8 C 412/21 – Beschluss vom 01.03.2021

1. Der Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es zu unterlassen, sich in Bezug auf die Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß wie folgt zu äußern und/oder äußern zu lassen, bzw. zu verbreiten und/oder öffentlich zugänglich zu machen, insbesondere wenn dies geschieht wie auf der G. Plattform Rezensionen und wie nachstehend wiedergegeben:

„Fragwürdige Vergabe von Renovierungen in Bezug auf die Kosten. Die Arbeiten werden dann nur halb bzw. gar nicht ausgeführt. Bestes Beispiel kann bei uns eingesehen werden. Auf keinen Fall mit der Verwaltung und schon gar nicht mit Renovierungs- bzw. Sanierungsarbeiten beauftragen. Provisionsgefahr.“

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

2. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen einer Bewertung im Internet.

Die Verfügungsklägerin ist …. Der Verfügungsbeklagte ist Miteigentümer an dieser Wohnungseigentumsanlage.

Am 07.04.2020 wurde für eine Balkon-/Fassadensanierung eine Sonderumlage beschlossen, wofür der Verfügungsbeklagte anteilig 4.215,70 € bezahlen musste. Zwischen den Parteien bestehen umfangreiche Streitigkeiten diesbezüglich. Der Verfügungsbeklagte wandte sich in verschiedenen Schreiben an die Verfügungsklägerin und monierte die Mangelhaftigkeit der durchgeführten Sanierungsarbeiten (Anlage A4).

Der Verfügungsbeklagte verfasste am 08.02.2021 folgende 1-Sterne-Bewertung für die Verfügungsklägerin:

„Fragwürdige Vergabe von Renovierungen in Bezug auf die Kosten. Die Arbeiten werden dann nur halb bzw. gar nicht ausgeführt. Bestes Beispiel kann bei uns eingesehen werden. Auf keinen Fall mit der Verwaltung und schon gar nicht mit Renovierungs- bzw. Sanierungsarbeiten beauftragen. Provisionsgefahr.“

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, durch die Verbreitung der Rezension auf G. bestehe für die Antragstellerin die Besorgnis, dass die Verwirklichung ihrer Rechte vereitelt, bzw. wesentlich erschwert werde. Die Ausführungen seien keine sachliche Kritik, sondern diffamierend, beleidigend und darüber hinaus geschäftsschädigend.

Die Verfügungsklägerin beantragt, der Antragsgegner hat es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, sich in Bezug auf die Antragstellerin wörtlich oder sinngemäß wie folgt zu äußern und/oder äußern zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie auf der G. Plattform Rezensionen und wie nachstehend wiedergegeben. Die bereits verfasste Rezension hat er sofort zu entfernen.

„Fragwürdige Vergabe von Renovierungen in Bezug auf die Kosten. Die Arbeiten werden dann nur halb bzw. gar nicht ausgeführt. Bestes Beispiel kann bei uns eingesehen werden. Auf keinen Fall mit der Verwaltung und schon gar nicht mit Renovierungs- bzw. Sanierungsarbeiten beauftragen. Provisionsgefahr.“

Der Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Der Verfügungsbeklagte trägt vor; er gebe in der Rezension nur wieder, was er erlebt habe. Die Rezension beruhe nur auf Fakten. Das was er in der Rezension geschrieben habe sei noch nicht alles, da er die „Wahrheit ans Licht bringen“ wolle. Unter anderem seien auch strafrechtliche Vorwürfe gegenüber der Verfügungsklägerin noch gar nicht in der Rezension.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie das Terminsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

Soweit der Tenor der einstweiligen Verfügung von dem gestellten Antrag abweicht, hat das Gericht den Antrag ausgelegt bzw. von dem ihm durch § 938 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht, ohne dass damit eine Teilzurückweisung erfolgt wäre.

I.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet; es bestehen ein Verfügungsanspruch (1.) und ein Verfügungsgrund (2.).

1.

Der Verfügungsklägerin steht der geltend gemachte Verfügungsanspruch zu. Sie hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, §§ 824, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.

a)

Der Verfügungsbeklagte ist unmittelbarer Handlungsstörer, da er die Bewertung unstreitig selbst verfasst und auf der G. Plattform Rezensionen veröffentlicht hat.

b)

Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Bei Persönlichkeitsverletzungen aufgrund unzulässiger Äußerungen ist regelmäßig Wiederholungsgefahr gegeben, solange nicht eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wurde. Der Verfügungsbeklagte hat aber in seiner Anhörung auch selbst angegeben, weitere derartige Äußerungen treffen zu wollen, um „die Wahrheit ans Licht zu bringen“.

c)

Die Behauptung es bestehe „Provisionsgefahr“ betrifft die Verfügungsklägerin in ihrem sozialen Geltungsanspruch., Dasselbe gilt für die Formulierung „Fragwürdige Vergabe von Renovierungen in Bezug auf die Kosten“ und „Arbeiten werden dann nur halb bzw. gar nicht ausgeführt“ oder „Auf keinen Fall mit der Verwaltung und schon gar nicht mit Renovierungs- und Sanierungsarbeiten beauftragen“. Mit diesen Aussagen soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Verfügungsklägerin kein vertrauenswürdiger Geschäftspartner sei. Zugleich ist die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Verfügungsklägerin betroffen. Die beanstandete Onlinebewertung ist geeignet, das unternehmerische Ansehen der Verfügungsklägerin in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen indem es online für jeden, vor allem für potenzielle zukünftige Geschäftspartner, sichtbar und abrufbar ist.

d)

Bei der beanstandeten 1-Sterne Bewertung handelt es sich zwar um eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung, da diese aber einen Tatsachenkern enthält und von der Verfügungsklägerin hinreichend glaubhaft gemacht wurde, dass dieser unwahr ist, sowie eine unfundierte geschäftsschädigende Behauptung gegenüber der Verfügungsklägerin aufgestellt wird, tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Verfügungsbeklagten im Rahmen einer Abwägung hinter die Schutzinteressen der von der Onlinebewertung betroffenen Verfügungsklägerin zurück.

Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, auf das sich der Kläger stützt, als ein Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2015 – VI ZR 175/14; Urteil vom 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14 Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12).

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14; BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14). Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14; BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03; BVerfGE 85, 1,15; BVerfG, NJW 1993, 1845 f.; NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 – VI ZR 39/14; BVerfGE 85, 1, 15 f.; BVerfG, NJW 1993, 1845, 1846). Die Äußerung ist daher stets in dem Zusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94).

Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen als Meinungsäußerungen zu qualifizieren. Die vom Verfügungsbeklagten hierzu getroffenen Äußerungen sind in einem Gesamtkontext zu verstehen. Sie finden ihren tatsächlichen Bezugspunkt in einem tatsächlichen (geschäftlichen) Kontakt. In diesem (geschäftlichen) Kontakt gab es erhebliche Meinungsunterschiede zwischen den Parteien über die geschuldeten Leistungen, bzw. durchgeführten Renovierungsarbeiten, die auch bereits Gegenstand von Gerichtsverfahren vor dem erkennenden Gericht waren (vgl. AG Heilbronn Az. 17 C 2614/20, 17 C 1327/20, 17 C 1168/20). In den Äußerungen kommt zum Ausdruck, dass der Verfügungsbeklagte schlechte Erfahrungen mit der Verfügungsklägerin gemacht hat und andere davor warnen will.

In der zwingend vorzunehmenden Abwägung stehen sich auf Seiten des Beklagten das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK und auf der Seite der Verfügungsklägerin das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber. Das Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG ist konstitutiv für die unserem Staat zugrunde liegende freiheitlich demokratische Grundordnung. Diese enorme Bedeutung muss zu jeder Zeit berücksichtigt werden. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang geben (BGH Urteil vom 30. Oktober 2012 – VI ZR 4/12). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich, wie im vorliegenden Fall, wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen falschen oder bewussten unwahren Tatsachenkern, so tritt das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (BGH Urteil vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06; BGH Urteil vom 20. November 2007 – VI ZR 144/07; BVerfG, NJW 1994, 1779, 1780; 1996, 1529, 1530; 1993, 1845, 1846; 2008, 358, 359 f.; 2012, 1643 Rn. 34).

Auch wenn die Onlinebewertung vorliegend im Gesamtkontext als Meinungsäußerung qualifiziert werden kann, überwiegt das Schutzinteresse der Verfügungsklägerin. Aufgrund der zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemachten unwahren Tatsachenbehauptung, Arbeiten würden nicht ausgeführt werden, sowie der unfundierten Unterstellung, es bestehe „Provisionsgefahr“, fällt die vom Gericht vorgenommene Abwägung vorliegend zu Lasten des Verfügungsbeklagten aus. Eine besondere Schutzwürdigkeit des Verfügungsbeklagten ist nicht ersichtlich.

„Fragwürdige Vergabe“

Dass der Beklagte die von ihm als negativ empfundenen Erfahrungen mit der Verfügungsklägerin als „fragwürdig“ bewertet, müsste die Verfügungsklägerin grundsätzlich hinnehmen. Mit dem Verweis auf sein eigenes „Beispiel“ lässt er zumindest erkennen, dass dieser Bewertung eine eigene Erfahrung zugrunde liegt. Bei der Bezeichnung der Vergabepraxis als „fragwürdig“ handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um ein von der Meinungsfreiheit geschütztes Werturteil. Dieses Werturteil war zudem an einen Tatsachenkern geknüpft, da eine solche Auftragsvergabe bereits Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen den Parteien war. Isoliert betrachtet, wäre diese Äußerung zunächst nicht zu beanstanden.

„Arbeiten werden halb bzw. gar nicht ausgeführt“

Mit der getroffenen Aussage „die Arbeiten werden dann nur halb bzw. gar nichtausgeführt“ stellt der Verfügungsbeklagte eine Tatsachenbehauptung auf. Als Tatsachenmitteilung sind solche Angaben zu qualifizieren, wenn und soweit die Beurteilung im Gesamtzusammenhang ihrer Verwendung nicht als Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten tatsächlichen Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (BGH, Urteil vom 22. Juni 1982 – VI ZR 255/80 BGH, Urteil vom 27. April 1999 – VI ZR 174/97; BGH, Urteil vom 6. Februar 2014 – I ZR 75/13; BVerfG, NJW 2008, 358, 359).

Zwar sind auch diese Aussagen in Zusammenhang mit der im Satz davor angesprochenen Vergabepraxis zu sehen, und damit im Gesamtkontext ebenso in die vorangegangene Meinungsäußerung einzubeziehen. Dies folgt aus dem Kontext, dass nicht auf die „Arbeit“ der Verfügungsklägerin selbst Bezug genommen wird, sondern auf die Arbeit des Handwerkerbetriebs, an den die Vergabe der vorgenannten Arbeiten erfolgt ist. Diese Äußerungen sind insgesamt in den Gesamtkontext der zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten einzuordnen. So bestehen zwischen den Parteien umfangreiche rechtliche Streitigkeiten über die Ordnungsgemäßheit der in diesem Rahmen durchgeführten Renovierungsarbeiten. Jedoch behauptet der Verfügungsbeklagte mit der von ihm gewählten Formulierung, dass hier tatsächlich die Arbeiten „gar nicht“ oder „nur halb“ ausgeführt worden seien. Unterstrichen wird der Tatsachenbezug dadurch, dass der Verfügungsbeklagte diesbezüglich ausdrücklich auf sein eigenes Beispiel verweist und anbietet, dass dies „eingesehen“ werden könne. Während ein Streit über die Ordnungsgemäßheit oder Mangelhaftigkeit der Arbeiten gegebenenfalls berechtigt sein könnte, stellt der Verfügungsbeklagte mit seiner Aussage für unbeteiligte Dritte eine tatsächliche Behauptung auf, die wohl auch nach dessen eigenen Angaben so nicht ganz zutreffend ist. Dass in Folge der Vergabe des Renovierungsauftrags tatsächlich Arbeiten stattgefunden haben ist unstreitig und im Übrigen dadurch belegt, dass der Verfügungsbeklagte aufgrund eines WEG-Beschlusses selbst hierfür im Verfahren vor dem AG Heilbronn (Az. 17 C 2614/20) eine Sonderumlage i.H.v. 4.215,70 € zur Kostendeckung geleistet hat.

Insoweit hat die Verfügungsklägerin hinreichend nach dem Maßstab der §§ 294, 286 ZPO glaubhaft gemacht, dass die angegriffene Äußerung unwahr ist. Nach den unbestrittenen Angaben der Verfügungsklägerin wurden die tatsächlich durchgeführten Renovierungsarbeiten von der Eigentümerversammlung offiziell bestätigt. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Behauptung, Arbeiten würden „gar nicht“ ausgeführt unwahr ist.

„Auf keinen Fall … beauftragen“

Bei der von der Verfügungsklägerin angegriffenen öffentlichen Aufforderung die Verfügungsbeklagte „auf keinen Fall mit der Verwaltung und schon gar nicht mit Renovierungs- und Sanierungsarbeiten zu beauftragen“ in Verbindung mit der angegriffenen Darstellung im Internet handelt es sich um eine durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerung und nicht um eine Tatsachenbehauptung.

Entscheidend für die Beurteilung eines zulässigen Boykott-Aufrufs sind Ziel und Zweck des Aufrufs sowie die hierfür eingesetzten Mittel (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 05.05.2015 zum Az.: 4 U 1676/14, zitiert nach Juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 29.01.1987 zum Az.: 16 U 132/85). Der gegebenenfalls vorliegen zu sehende Aufruf, die Verfügungsklägerin nicht zu beauftragen, ist im Gesamtkontext als Werturteil einzustufen. In den Äußerungen kommt zum Ausdruck, dass der Verfügungsbeklagte schlechte Erfahrungen mit der Verfügungsklägerin gemacht hat und andere davor warnen will.

„Provisionsgefahr“

Der Verfügungsbeklagte stellt mit dem Wort „Provisionsgefahr“, welches im Gesamtkontext der Bewertung zu sehen ist, die Behauptung auf, die Verfügungsklägerin würde unzulässige Provisionen im Rahmen der Auftragsvergabe an Handwerker annehmen. Der Verfügungsbeklagte gab in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass es keine tatsächliche Grundlage für diese Behauptung gibt. Es sei seiner Aussage nach allgemein bekannt, dass da „immer Geld fließe“. In Bezug auf die zuvor aufgestellte Behauptung, die Vergabepraxis sei „fragwürdig“, wird für den verständigen Durchschnittsleser der Eindruck erweckt, die Verfügungsklägerin vergebe ihre Aufträge unzulässigerweise gegen Provision. Der damit vom Verfügungsbeklagten suggerierte Tatsachenkern ist jedoch nicht einmal nach dessen eigenen Vortrag erwiesenermaßen wahr, sondern offensichtlich eine reine Unterstellung. Die damit einhergehende Diffamierung der Verfügungsklägerin ist grundsätzlich nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt (vgl. LG Frankfurt, Beschluss vom 23. Dezember 2020 – 2-03 O 418/20).

2.

Ein Verfügungsgrund im Sinne von §§ 935, 940 ZPO, der eine vorläufige Sicherung oder Regelung im Eilverfahren zu rechtfertigen vermag, besteht anerkanntermaßen nur im Falle der Dringlichkeit. Eine solche Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit liegt vor, wenn eine objektive Besorgnis besteht, dass durch bevorstehende Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder wenn bei dauernden Rechtsverhältnissen die Regelung eines einstweiligen Zustands zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 935 Rn. 10). Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist unter Abwägung der einander im Einzelfall gegenüberstehenden Parteiinteressen zu prüfen. Gegen das Interesse des Antragstellers an der alsbaldigen Untersagung ist das Interesse des Antragsgegners abzuwägen, nicht aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens mit einem Verbot belegt zu werden (vgl. OLG Düsseldorf, Schlussurt. v. 25.08.2015 – 20 U 196/14, BeckRS 2015, 16904). Die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) wird bei der Veröffentlichung von Äußerungen regelmäßig daraus abgeleitet, dass mit einer jederzeitigen Wiederholung der beanstandeten Äußerung zu rechnen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 8.2.2017 – 4 U 166/16). Im vorliegenden Fall war daher insbesondere zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Rezension im Internet frei zugänglich ist und damit ihre rechtsbeeinträchtigende Wirkung dauerhaft entfaltet. Der Verfügungsbeklagte hat zudem im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, weitere „Wahrheiten ans Licht bringen“ zu wollen. Die Möglichkeit weiterer Rechtsverletzungen ist vorliegend entsprechend gegeben.

II.

Die Entscheidung hinsichtlich der Zwangsmaßnahmen beruht auf § 890 ZPO.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.

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