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WEG-Verwalterpflicht bei Beschlussfassung

LG Hamburg – Az.: 318 T 13/18 – Beschluss vom 13.09.2018

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird das Schluss-Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 22.01.2018, Az. 22a C 177/17, abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin ist WEG-Verwalterin der WEG A. Straße …, … H.. Sie wendet sich mit ihrer am 21.02.2018 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen die im Schluss-Urteil vom 22.01.2018, ihr zugestellt am 07.02.2018, getroffene Kostenentscheidung, wonach sie gem. § 49 Abs. 2 WEG die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 17.08.2018 nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 49 Abs. 2 WEG, §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2 analog i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthaft (BGH, Beschluss vom 07.07.2016 – V ZB 15/14, Rn. 6, zitiert nach juris), auch im übrigen zulässig und begründet.

Das Amtsgericht hat der Beschwerdeführerin zu Unrecht gem. § 49 Abs. 2 WEG die Kosten des Rechtsstreits auferlegt; diese sind gem. § 91 Abs. 1 ZPO von den Beklagten als unterlegener Prozesspartei zu tragen.

Gemäß § 49 Abs. 2 WEG können dem Verwalter Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft, auch wenn er nicht Partei des Rechtsstreits ist. Nach der Rechtsprechung des BGH eröffnet die Norm dem Gericht aus prozessökonomischen Gründen die Möglichkeit, dem Verwalter Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn die §§ 91 ff. ZPO hierfür keine Handhabe bieten, die Tätigkeit des Gerichts aber durch den Verwalter veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft. Sie erlaubt damit, den materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch des unterlegenen Wohnungseigentümers wegen der Verletzung von Pflichten bei der Verwaltung im Rahmen der Kostenentscheidung durchzusetzen. Ob das Gericht hiervon Gebrauch macht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen; eine Verpflichtung, dem Verwalter immer dann die Kosten aufzuerlegen, wenn die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 WEG erfüllt sind, besteht nicht (BGH, Beschluss vom 07.07.2016 – V ZB 15/14, ZMR 2017, 406, Rn. 8, zitiert nach juris).

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die Tätigkeit des Gerichts durch den Verwalter veranlasst wurde, wobei die Beschwerdeführerin den von ihr erhobenen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens hätte beweisen müssen (vgl. Staudinger/Lehmann-Richter, Neubearbeitung 2018, § 49 WEG Rdnr. 46). Jedenfalls fehlt es entgegen der Auffassung des Amtsgerichts an dem erforderlichen groben Verschulden der Beschwerdeführerin. Unter einem grobem Verschulden im Sinne von § 49 Abs. 2 WEG sind Vorsatz oder zumindest grobe Fahrlässigkeit zu verstehen (vgl. § 309 Nr. 7b BGB). Letztere setzt voraus, dass der Handelnde die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten und sich aufdrängen müssen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.12.2004 – II ZR 17/03, NJW 2005, 981, 982 unter 2. mwN). Es muss sich um eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln, wobei generell an einen erfahrenen Berufsverwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit höhere Anforderungen zu stellen sind als an einen nicht professionell tätigen Verwalter aus der Reihe der Wohnungseigentümer (BGH, Beschluss vom 07.07.2016 – V ZB 15/14, Rn. 23, zitiert nach juris).

Im vorliegenden Fall fehlt es an einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhalten der Beschwerdeführerin. Das Amtsgericht hat die konkreten Umstände, unter denen der Beschluss zustande gekommen ist, nicht hinreichend berücksichtigt. Ausweislich des Einladungsschreibens vom 10.04.2017 (Anl. K 3) hat die Beschwerdeführerin zu TOP 4 eine Diskussion und Beschlussfassung über erforderliche Arbeiten an der Tiefgaragendecke sowie die Finanzierung der Maßnahme angekündigt. Im Rahmen der Diskussion ist sodann aus den Reihen der Eigentümer der schließlich zur Abstimmung gestellte Beschlussantrag formuliert worden. Dies ergibt sich auch aus der von den Beklagten überreichten Stellungnahme des Verwaltungsbeirats vom 09.04.2018 (Anl. BG 1). Die Wohnungseigentümer haben damit an eine zuletzt auf der Eigentümerversammlung vom 13.05.1997 (Anl. K 2) geführte Diskussion angeknüpft. Seinerzeit hatten die Wohnungseigentümer zu TOP 5.6 vor dem Hintergrund des Auftretens von Durchfeuchtungen an der Decke der Garagendurchfahrt „vorsorglich“ beschlossen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes von der Klägerin zu fordern und ggfs. gerichtlich durchzusetzen, da ein Zusammenhang der Durchfeuchtungen mit der Anlegung einer Rasenfläche durch die Klägerin nicht ausgeschlossen werden könne.

Das Amtsgericht sieht das grobe Verschulden der Beschwerdeführerin darin, dass diese die Wohnungseigentümer nicht auf die Risiken einer Beschlussfassung über einen spontan aus der Versammlung heraus formulierten und damit ggf. nicht hinreichend bestimmten Beschlussantrag hingewiesen hat, der zudem nicht im Einladungsschreiben angekündigt worden war. Damit überdehnt das Amtsgericht die Pflichten des WEG-Verwalters, auch wenn es sich bei diesem wie hier um einen gewerblich handelnden Verwalter handelt. In Bezug auf die Frage der Bestimmtheit des Beschlusses ist es nicht als grob fahrlässig anzusehen, wenn der Verwalter versehentlich einen unbestimmten Beschluss fassen lässt, weil das WEG insoweit keine konkreten Vorgaben enthält (Staudinger/Lehmann-Richter, BGB, Neubearbeitung 2018, § 49 WEG Rdnr. 54). Dass die Beschwerdeführerin die Wohnungseigentümer wissentlich und willentlich in das Anfechtungsverfahren laufen ließ, obwohl sie die Unbestimmtheit des Beschlusses oder dessen nicht hinreichende Ankündigung positiv erkannt hatte, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist dem WEG-Verwalter in der Regel keine rechtliche Adhoc-Stellungnahme abzuverlangen, ob ein Beschluss nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gerade noch oder nicht mehr hinreichend bestimmt ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Beschluss auf einen früheren Beschluss, den die Wohnungseigentümer 20 Jahre zuvor gefasst hatten, Bezug nimmt. Mag dieses Verhalten der Beschwerdeführerin auch unter bestimmten Umständen den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen, so scheidet die Annahme grober Fahrlässigkeit aus.

Im Hinblick auf die vom Amtsgericht erkannte nicht hinreichende Ankündigung der Beschlussfassung zu TOP 4 fehlt es ebenfalls an einem groben Verschulden der Beschwerdeführerin. Auch insoweit stellt es für die Frage des Vorwurfs der groben Fahrlässigkeit einen erheblichen Unterschied dar, ob der Verwalter in dem Einladungsschreiben eine von ihm vorgesehene und vorbereitete Beschlussfassung, die auf der Eigentümerversammlung auch so erfolgt, entgegen § 23 Abs. 2 WEG nicht so ankündigt, dass dies für den Wohnungseigentümer eine hinreichende Informations- und Entscheidungsgrundlage darstellt, ob er an der Versammlung teilnehmen will oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2012 – V ZR 129/11, Rn. 9, zitiert nach juris), oder ob – wie hier – erst auf der Versammlung im Zuge der Diskussion statt eines Instandsetzungsbeschlusses ein Wohnungseigentümer aufgefordert wird, eine von ihm vor langer Zeit vorgenommene bauliche Veränderung zurückzubauen bzw. den ursprünglichen Zustand einer bestimmten Fläche wiederherzustellen oder einen bestimmten Kostenbeitrag zu erbringen. Auch im Rahmen des § 23 Abs. 2 WEG bedarf es häufig einer eingehenden Würdigung, ob die Ankündigung eines bestimmten Tagesordnungspunkts die dann erfolgte Beschlussfassung noch deckt. Verkennt der Verwalter sodann unter dem Druck des Abstimmungswunsches der Eigentümer versehentlich, dass die gewünschte Beschlussfassung, auch wenn diese thematisch die Fläche über der Tiefgaragendecke und das weitere Vorgehen der Wohnungseigentümer zum Inhalt hatte, nicht mehr von der Einladung gedeckt war, handelt es sich nicht um eine subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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