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WEG-Verwaltung – Verstoß gegen Bauordnungsrecht – Beschluss nicht ordnungsgemäß

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen, das die nachträgliche Genehmigung eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus für ungültig erklärt hatte. Entscheidend war, dass die bauordnungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Mindestbreite der Treppe, durch die Installation des Lifts nicht eingehalten wurden. Vor der Beschlussfassung hätte die baurechtliche Zulässigkeit durch die zuständige Baubehörde geklärt werden müssen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2-13 S 575/23

✔ Kurz und knapp


  • Bauliche Veränderungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft müssen den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften entsprechen.
  • Die DIN-Normen sind maßgeblich für die Beurteilung, ob Baumaßnahmen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
  • Ein Beschluss über bauliche Änderungen darf nur gefasst werden, wenn die Genehmigungsfähigkeit zuvor geklärt ist.
  • Die Resttreppenbreite von mindestens 60 cm neben einem Treppenlift muss gewährleistet sein.
  • Geringfügige Abweichungen von technischen Normen erfordern eine Befreiung durch die Baubehörde.
  • Die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben kann nicht im Zivilprozess geklärt werden.
  • Der Eigentümer, der die Änderung begehrt, muss die erforderlichen Genehmigungsunterlagen beibringen.
  • Ungültige Beschlüsse müssen angefochten werden, da sie auf einer unsicheren Tatsachenbasis getroffen wurden.

Treppenlift in Wohnungseigentum: Baurechtliche Vorgaben müssen beachtet werden

Die Verwaltung eines Wohneigentums ist eine komplexe Aufgabe, die eine Vielzahl rechtlicher Aspekte umfasst. Neben den internen Vereinbarungen und Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft müssen auch öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts beachtet werden.

Diese Vorschriften legen technische Standards fest, die bei baulichen Veränderungen einzuhalten sind. Dazu zählen beispielsweise Mindestmaße für Treppen oder Aufzüge, um die Sicherheit und Barrierefreiheit im Gebäude zu gewährleisten. Werden diese Vorgaben nicht erfüllt, kann dies die Genehmigungsfähigkeit der geplanten Maßnahme gefährden.

Um rechtssichere Beschlüsse zu treffen, müssen Wohnungseigentümer daher stets die Vereinbarkeit ihrer Vorhaben mit dem öffentlichen Baurecht prüfen. Andernfalls laufen sie Gefahr, dass Beschlüsse zur Durchführung baulicher Änderungen im Nachhinein für unwirksam erklärt werden. Im Folgenden wird anhand eines konkreten Gerichtsurteils erläutert, wie sich diese Problematik in der Praxis darstellen kann.

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✔ Der Fall vor dem Landgericht Frankfurt am Main


Streit um Treppenlift im gemeinschaftlichen Treppenhaus

Treppenlift WEG
(Symbolfoto: gbbot /Shutterstock.com)

In dem vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Anfechtung eines Beschlusses, der nachträglich die Anbringung eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus genehmigt. Die Klägerin, eine Wohnungseigentümerin, wendet sich gegen diesen Beschluss mit der Begründung, dass der Treppenlift den bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht entspreche. Konkret wird die vorgegebene Mindestbreite von einem Meter für die Treppe durch die Installation des Treppenlifts weit unterschritten. Die Schienen des Lifts ragen ca. 20 cm in den Treppenbereich hinein, wodurch die nutzbare Breite der Treppe auf 80,5 cm reduziert wird. Die Klägerin argumentiert zudem, dass kein dringendes Bedürfnis für die Nutzung des Treppenlifts durch den antragstellenden Hauseigentümer bestehe und dass eine nachträgliche Genehmigung gemäß § 20 WEG nicht zulässig sei.

Das Amtsgericht gab der Klage statt und stützte sich dabei auf die Tatsache, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften nicht eingehalten worden seien. Obwohl der grundsätzliche Einbau eines Treppenlifts ohne Baugenehmigung gemäß § 63 HBO möglich sei, müssten die Regeln der DIN 18065 beachtet werden. Dies war hier nicht der Fall. Zudem hätte vor der Beschlussfassung geprüft werden müssen, ob die Bauaufsichtsbehörde eine Befreiung gemäß § 73 HBO erteile.

Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main

Das Landgericht Frankfurt am Main, 13. Zivilkammer, wies die Berufung der Beklagten durch Beschluss zurück. Die Kammer stellte fest, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe und dass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung der Kammer bedürfe. Die Kammer teilte die Auffassung des Amtsgerichts, dass vor der Genehmigung der baulichen Veränderung die baurechtliche Zulässigkeit hätte geklärt werden müssen.

Die Beklagte argumentierte, dass gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG ein Anspruch auf bauliche Veränderungen bestehe, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dienten. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass es dabei nicht darauf ankomme, ob der Wohnungseigentümer individuell auf den Umbau angewiesen sei. Dennoch überlagere das Wohnungseigentumsrecht nicht das öffentliche Recht. Alle Baumaßnahmen müssten daher den öffentlich-rechtlichen Anforderungen genügen.

Anforderungen der DIN 18065 und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit

Das Amtsgericht stellte ausführlich dar, dass die DIN 18065 maßgeblich sei und dass auch unwesentliche Unterschreitungen der baurechtlichen Vorschriften einen Verstoß darstellten. Eine Befreiung gemäß § 73 HBO hätte beantragt werden müssen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ragte die Führungsschiene des Treppenlifts 20 cm in die Treppenbreite hinein, wodurch die nutzbare Breite auf 80,5 cm reduziert wurde. Dies sei eine erhebliche Unterschreitung der Mindestbreite von einem Meter.

Die DIN 18065 sieht vor, dass Warteflächen vorhanden sein müssen, wenn die Restlaufbreite der Treppe von 60 cm neben dem benutzten Lift nicht gesichert ist. Nach den Angaben der Klägerin, die nicht bestritten wurden, beträgt die Breite des Sitzes im offenen Zustand 60 cm, sodass auch diese Restbreite nicht vorhanden ist. Die Beklagte argumentierte, dass die Restlaufbreite 65 cm betrage, jedoch wurde dies vom Gericht als nicht zutreffend beurteilt.

Unzulässigkeit des Beschlusses und Empfehlung zur Rücknahme der Berufung

Das Landgericht stellte fest, dass ein Beschluss, der auf einer ungesicherten Tatsachenbasis beruht, ungültig sei. Es sei nicht Aufgabe des Wohnungseigentumsgerichts, die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens zu klären. Dies könne nur von der zuständigen Baubehörde beurteilt werden. Daher müsse der antragstellende Wohnungseigentümer die erforderlichen Tatsachen beibringen, um eine sachgerechte Beschlussfassung zu ermöglichen.

Da die Kammer der Berufung keine Erfolgsaussichten einräumte, wurde angeregt, diese aus Kostengründen zurückzunehmen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf bis zu 5.000 Euro bemessen. Es wurde der Berufungsklägerin Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen eingeräumt.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung zeigt, dass auch bei Baumaßnahmen zur Barrierefreiheit im Wohnungseigentum die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zwingend einzuhalten sind. Vor der Beschlussfassung muss die baurechtliche Zulässigkeit, insbesondere die Einhaltung der DIN-Normen, durch die zuständige Baubehörde geklärt werden. Wohnungseigentumsrecht überlagert nicht das öffentliche Baurecht. Ein Beschluss ohne gesicherte Tatsachenbasis zur Rechtmäßigkeit ist ungültig.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Bauordnungsrechtliche Anforderungen bei Wohneigentumsveränderungen


Welche bauordnungsrechtlichen Vorschriften müssen bei Veränderungen im Wohnungseigentum beachtet werden? (Relevanz: 10)

Bei Veränderungen im Wohnungseigentum müssen zwingend öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere aus der Bauordnung, beachtet werden. Diese Vorschriften gelten unabhängig von den Beschlüssen der Eigentümerversammlung und sind von den Eigentümern einzuhalten.

Bauordnungsrechtliche Vorschriften umfassen unter anderem Anforderungen an die Standsicherheit, den Brandschutz und die Nutzung von Stellplätzen. Beispielsweise müssen bauliche Maßnahmen, die das Erscheinungsbild des Hauses grundlegend verändern, von der Eigentümerversammlung genehmigt werden. Diese Genehmigung kann auch über ein schriftliches Umlaufverfahren eingeholt werden. Ein Beschluss, der an Bedingungen geknüpft ist, dass keiner der Eigentümer innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht, gilt als nicht zustande gekommen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat.

Öffentlich-rechtliche Anforderungen betreffen sowohl das Gemeinschaftseigentum als auch das Sondereigentum. Bei Maßnahmen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, müssen die Kosten für die Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen von der Wohnungseigentümergemeinschaft getragen werden. Dies gilt beispielsweise für den Einbau von Brandschutzmaßnahmen oder die Schaffung von Stellplätzen. Der BGH hat klargestellt, dass die Gemeinschaft die Kosten nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen hat.

  • Sondereigentum: Für Maßnahmen, die das Sondereigentum betreffen, wie etwa der Einbau einer Toilette, muss der jeweilige Sondereigentümer die Kosten selbst tragen. Auch wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften diese Maßnahmen erfordern, besteht keine Verpflichtung der Gemeinschaft, diese Kosten zu übernehmen.
  • Beschlussfassung: Jede bauliche Veränderung bedarf eines formellen Beschlusses im Rahmen der Eigentümerversammlung. Die Genehmigung einer baulichen Veränderung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft entbindet nicht von der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften. Fehlerhafte Beschlüsse bleiben bis zu ihrer Ungültigkeitserklärung durch ein Gericht gültig.
  • Praxisbeispiel: Ein Wohnungseigentümer, der eine Baugenehmigung für eine bislang nicht bewohnbare Einheit beantragt, muss die öffentlich-rechtlichen Anforderungen wie Standsicherheits- und Brandschutznachweise erfüllen. Die Kosten für diese Maßnahmen müssen von der Gemeinschaft getragen werden, wenn sie das Gemeinschaftseigentum betreffen. Für Maßnahmen am Sondereigentum, wie den Einbau einer Toilette, muss der Eigentümer selbst aufkommen.
  • Rechtslage: Die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften ist zwingend und unabhängig von den Beschlüssen der Eigentümerversammlung. Verstöße gegen diese Vorschriften können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen und die Gültigkeit von Beschlüssen beeinträchtigen.

Wann ist eine Baugenehmigung für Veränderungen im gemeinschaftlichen Eigentum erforderlich?

Eine Baugenehmigung für Veränderungen im gemeinschaftlichen Eigentum ist erforderlich, wenn die baulichen Maßnahmen über einfache Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten hinausgehen und das äußere Erscheinungsbild oder die Statik des Gebäudes betreffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die baulichen Veränderungen die Standfestigkeit des Gebäudes beeinflussen oder wenn sie den Aufwand eines Neubaus erreichen oder übersteigen. Ein Beispiel hierfür ist der Einbau einer Stahlbetondecke anstelle einer Holzbalkendecke, der eine statische Nachberechnung erfordert und somit eine erneute Überprüfung der Standsicherheit notwendig macht.

Auch wenn die Eigentümerversammlung einer baulichen Veränderung zugestimmt hat, entbindet dies nicht von der Pflicht, eine Baugenehmigung einzuholen, wenn die Maßnahme genehmigungspflichtig ist. Dies gilt beispielsweise für den Anbau eines Balkons, der nicht nur die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft, sondern auch eine Baugenehmigung der zuständigen Baubehörde erfordert.

Die Notwendigkeit einer Baugenehmigung ergibt sich aus den Bauordnungen der jeweiligen Bundesländer, die festlegen, welche baulichen Maßnahmen genehmigungspflichtig sind. In der Regel sind alle Maßnahmen, die das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes verändern oder die Sicherheit und Stabilität des Gebäudes betreffen, genehmigungspflichtig. Dies umfasst auch Maßnahmen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, wie die Erneuerung von Fenstern oder die Anbringung von Markisen, sofern diese das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes verändern.

Ein Verstoß gegen die Bauordnung kann dazu führen, dass die Maßnahme als rechtswidrig eingestuft wird und rückgängig gemacht werden muss. Dies kann erhebliche Kosten und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Daher ist es wichtig, vor Beginn der Arbeiten zu prüfen, ob eine Baugenehmigung erforderlich ist und diese gegebenenfalls einzuholen.

Welche Folgen hat es, wenn ein Beschluss über bauliche Veränderungen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt?

Ein Beschluss über bauliche Veränderungen, der gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, hat mehrere schwerwiegende Folgen. Ein solcher Beschluss ist nichtig und entfaltet keine Rechtswirkung. Dies bedeutet, dass der Beschluss so behandelt wird, als hätte er nie existiert. Nichtigkeit liegt vor, wenn der Beschluss gegen unabdingbare Gesetze oder bereits geschlossene Verträge verstößt oder wenn den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz fehlt.

Ein nichtiger Beschluss genießt keinen Bestandsschutz. Das bedeutet, dass die baulichen Maßnahmen, die auf einem solchen Beschluss basieren, ebenfalls als rechtswidrig gelten. Die Bauaufsichtsbehörde kann in solchen Fällen verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Rechtsordnung wiederherzustellen. Dazu gehören die Anordnung des sofortigen Baustopps, die Beseitigung der baulichen Veränderungen und die Untersagung der Nutzung des betroffenen Bauwerks.

Mögliche Sanktionen bei Verstößen gegen das Bauordnungsrecht umfassen Bußgelder, die je nach Schwere des Verstoßes variieren können. In besonders schweren Fällen oder bei wiederholten Verstößen können die Bußgelder erheblich sein und sogar verdoppelt werden. Ein Beispiel für eine solche Sanktion ist die Verhängung eines Zwangsgeldes, um den Bauherrn zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu zwingen.

Ein Verstoß gegen das Bauordnungsrecht kann auch dazu führen, dass die zuständige Baubehörde die Erteilung einer Baugenehmigung verweigert. In solchen Fällen muss der Bauherr den Verstoß beheben und einen neuen Antrag stellen. Dies kann zu erheblichen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führen.

Ein Beschluss über bauliche Veränderungen, der gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, ist nichtig und entfaltet keine Rechtswirkung. Die Bauaufsichtsbehörde kann verschiedene Maßnahmen ergreifen, um die Rechtsordnung wiederherzustellen, und es drohen Bußgelder sowie Rückbauanordnungen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 522 Abs. 2 ZPO: Die Berufung wird durch Beschluss zurückgewiesen, wenn sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies betrifft die Verfahrensweise des Gerichts bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung.
  • § 20 WEG: Regelt bauliche Veränderungen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dienen. Dies ist relevant für den Anspruch auf den Einbau des Treppenlifts.
  • DIN 18065: Technische Norm, die die Mindestbreite von Treppen festlegt. Die Unterschreitung dieser Maße durch den Treppenlift ist zentral für die baurechtliche Zulässigkeit.
  • § 63 HBO: Bestimmungen zur Genehmigungsfreiheit bestimmter baulicher Maßnahmen. Hier wird die grundsätzliche Genehmigungsfreiheit des Treppenlifts angesprochen, jedoch unter Einhaltung der technischen Normen.
  • § 73 HBO: Vorschriften zur Befreiung von baurechtlichen Anforderungen. Die Notwendigkeit einer Befreiung aufgrund der Unterschreitung der Treppenbreite wird diskutiert.
  • Öffentlich-rechtliche Bauvorschriften: Diese müssen bei baulichen Veränderungen im Gemeinschaftseigentum eingehalten werden. Das Gericht betont die Bedeutung der Einhaltung dieser Vorschriften.
  • Verhältnis von Wohnungseigentumsrecht und öffentlichem Recht: Es wird klargestellt, dass das Wohnungseigentumsrecht die öffentlich-rechtlichen Anforderungen nicht überlagert.
  • Rechtsprechung des BGH: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, insbesondere bezüglich der Rechte von Menschen mit Behinderung und baulichen Änderungen, beeinflussen die rechtliche Beurteilung im vorliegenden Fall.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Frankfurt am Main

LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 575/23 – Beschluss vom 19.02.2024

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Frankfurt am Main – 13. Zivilkammer – am 19.02.2024 beschlossen:

Es wird die Berufungsklägerin darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen. Die Berufungsklägerin mag binnen vorgenannter Frist auch mitteilen, ob die Berufung zurückgenommen wird.

Gründe

Die Parteien streiten um eine Beschlussanfechtung. Mit dem streitgegenständlichen Beschluss wurde nachträglich die Anbringung eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus genehmigt.

Die Klägerin wendet sich hiergegen mit ihrer Anfechtungsklage. Sie rügt unter anderem, dass der Treppenlift den bauordnungsrechtlichen Vorschriften nicht entspreche. Die vorgegebene Breite von 1 m für die Treppe werde weit unterschritten. Im Übrigen bestehe kein Bedürfnis für die Benutzung des Treppenlifts durch den antragstellenden Hauseigentümer. Eine nachträgliche Genehmigung sei ohnehin von § 20 WEG nicht gedeckt.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und sich darauf gestützt, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen, die sich aus den öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften ergeben, nicht eingehalten wären.

Zwar sei der grundsätzliche Einbau eines Treppenliftes ohne Baugenehmigung möglich (§ 63 HBO i.V.m. Ziffer 13.11 der Anlage), die Regeln der DIN 18065 müssten aber eingehalten werden. Dies sei nicht der Fall, denn die gesetzliche Mindestbreite von 1 m sei deutlich unterschritten. Die Schienen ragten ca. 20 cm in den Treppenbereich hinein, damit sei die Treppe an der engsten Stelle lediglich 80,5 cm breit. Angesichts dessen sei vor der Beschlussfassung zu klären gewesen, ob die Bauaufsichtsbehörde eine Befreiung gemäß § 73 HBO erteile.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.

Die Kammer ist einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert sie zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Kammer aufgrund mündlicher Verhandlung.

Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass im vorliegenden Fall vor der Beschlussfassung über die Genehmigung einer baulichen Veränderung die baurechtliche Zulässigkeit der Maßnahme hätte zwingend geklärt werden müssen.

Zwar hat der antragstellende Wohnungseigentümer im Grundsatz einen Anspruch auf eine barrierefreie Zugangsmöglichkeit zur Wohnung. Insoweit besteht gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG ein Anspruch auf bauliche Veränderungen, welche dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung dienen. Wie der Bundesgerichtshof zwischenzeitlich entschieden hat (Urteil vom 9. Februar 2024 – V ZR 244/22), kommt es dabei auch nicht darauf an, ob der Wohnungseigentümer individuell auf den Umbau angewiesen ist, so dass dem Gesundheitszustand nicht nachgegangen werden musste.

Allerdings überlagert das Wohnungseigentumsrecht, wie das Amtsgericht zutreffend und detailliert ausgeführt hat, das öffentliche Recht nicht. Alle Baumaßnahmen müssen daher den öffentlich-rechtlichen Anforderungen genügen (vgl. MüKoBGB/Rüscher, 9. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 93; Leist NZM 2019, 658).

Wie das Amtsgericht unter ausführlicher Aufführung der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung dargestellt hat, ist insoweit öffentlich-rechtlich die DIN 18065 maßgeblich, wobei auch unwesentliche Unterschreitungen ein Verstoß gegen das Bauordnungsrecht darstellen, von denen der Bauherr eine Befreiung beantragen muss (vgl. VG Düsseldorf 25 K 3183/08). Insoweit gilt, dass die DIN-Normen die Vermutung in sich tragen, dass sie den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben (vgl. BGH NJW 2013, 2271).

Entgegen der Auffassung der Berufung sind die Anforderungen der DIN 18065 nicht sicher eingehalten, das Gegenteil scheint der Fall. Erforderlich ist insoweit, dass die Mindestlaufbreite der Treppe von 1 m durch die Führungskonstruktion nicht wesentlich unterschritten ist. Nach den nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts, ragt die Führungsschiene des Treppenliftes 20 cm in die Treppenbreite, die mit etwa 1 m angegeben wurde, hinein. Dies führt, wie das Amtsgericht insoweit unbeanstandet ausgeführt hat, dazu, dass zum Teil nur 80,5 cm Treppenbreite zur Verfügung stehen. In der baurechtlichen Literatur wird bereits eine Unterschreitung von mehr als 10 cm als nicht zulässig angesehen (vgl. Busse/Kraus, Bayrische Bauordnung, Okt. 2023, Anlage A 4.2/1). Ob die Ausnahme der DIN 18065 Nr. 2 S. 2 einschlägig ist, wonach eine untere Einschränkung des Lichtraumprofils von höchstens 20 cm Breite und höchstens 50 cm Höhe hinnehmbar ist, wenn die Treppenlauflinie oder der Gehbereich nicht verändert wurde, ist jedenfalls keinesfalls sicher.

Zudem müssen Warteflächen vorhanden sein, wenn nicht neben dem benutzten Lift eine Restlaufbreite der Treppe von 60 cm gesichert ist. Nach dem Vortrag der Klägerseite, der ebenfalls nicht bestritten wurde, beträgt die Breite des Sitzes im offenen Zustand 60 cm, demzufolge verbleibt auch diese Restbreite nicht.

Soweit die Berufung der Auffassung ist, die Restlaufbreite sei mit 65 cm gewährleistet, so berücksichtigt sie nicht, dass die DIN 18065 insoweit auf die Breite neben dem geöffneten Sitz und nicht neben dem geschlossenen Sitz abstellt.

Demzufolge spricht vieles dafür, dass es im vorliegenden Fall der Zulassung einer Abweichung gemäß § 73 HBO bedarf.

Jedenfalls ist die Frage, ob der Treppenlift den bauordnungsrechtlichen Vorschriften genügt, im vorliegenden Fall zweifelhaft. In einem solchen Fall entspricht ein Genehmigungsbeschluss nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn zuvor die Grundlagen geklärt sind, also insbesondere die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit gesichert ist (vgl. Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 191).

Ein Beschluss, der sich hieran nicht hält, ist bereits deshalb für ungültig zu erklären, weil er auf einer ungesicherten Tatsachenbasis ergeht. Insoweit ist es auch nicht Aufgabe des Wohnungseigentumsgerichtes die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens zu klären. Dies kann bereits deshalb nicht erfolgen, weil eine Entscheidung in einem Zivilrechtsverfahren auf ein späteres bauordnungsrechtliches Verfahren keinerlei Auswirkungen hätte. Demzufolge ist es Aufgabe der Wohnungseigentümer, insoweit im Kern des Wohnungseigentümers, welcher die bauliche Veränderung begehrt, gegebenenfalls mit Hilfe der Verwaltung die erforderlichen Tatsachen beizubringen, welche die Wohnungseigentümer brauchen, um sachgerechte Beschlüsse fassen zu können (vgl. Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 190). Dies gilt umso mehr, wenn wie im vorliegenden Fall, die Baumaßnahme bereits – illegal (vgl. BGH ZWE 2023, 211) – durchgeführt wurde und damit die Baubehörden ohne weiteres die Genehmigungsfähigkeit beurteilen können.

Da die Kammer nach alledem der Berufung keine Erfolgsaussichten einräumt, wird angeregt, sie – zumindest aus Kostengründen – zurückzunehmen.

Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren mit bis zu 5.000 Euro zu bemessen. Auch insoweit besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

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