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WEG-Verwaltungsunterlagen – Anforderungen an Klageantrag auf Einsichtgewährung

LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 39/22 – Urteil vom 16.02.2023

In dem Rechtsstreit hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2023 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 2.000 €

Zusammenfassung

Der Fall dreht sich um einen Streit über einen Antrag auf Zugang zu Verwaltungsunterlagen, den ein Erbpachtberechtigter an die anderen Berechtigten der Erbpächtergemeinschaft gestellt hatte. Der Kläger begehrte Einsicht in Buchhaltungsunterlagen, Lohnsteuerbescheinigungen der im Antrag genannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Wartungsverträge mit Fremdfirmen und Arbeitsverträge der für die Gemeinschaft im Jahr 2019 beschäftigten Personen. Die Beklagte argumentiert, dass sie bereits Kopien der Buchhaltungsunterlagen übermittelt habe und dass sie aufgrund der Pandemie nicht verpflichtet sei, weiteren Personen Zugang zu gewähren. Dem Antrag des Klägers wurde jedoch von der Vorinstanz stattgegeben. Das Obergericht stimmte mit der Vorinstanz darin überein, dass der Antrag spezifisch genug war, um es dem Gerichtsvollzieher zu ermöglichen, zu bestimmen, welche Dokumente betroffen sind, und dass der Antrag des Klägers auf Zugang zu den Unterhaltsverträgen für 2019 angemessen war. Der Beklagte war verpflichtet, Zugang zu den Originaldokumenten zu gewähren, nicht nur zu Kopien oder Ausdrucken, die er bereits übermittelt hatte. Das Gericht entschied außerdem, dass der Kläger von zwei anderen Pächtern begleitet werden durfte […]

Gründe

I.

Mit der Klage begehrt der Kläger, ein Erbbauberechtigter, von der beklagten Erbbauberechtigtengemeinschaft Einsicht in Verwaltungsunterlagen. Diese möchte er, angesichts des Umfangs der begehrten Einsicht mit zwei weiteren Erbbauberechtigten zu den üblichen Geschäftszeiten an einem Werktag ausüben.

Er begehrt Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen 2019, in die Lohnsteuerbescheinigungen die von dem im Klageantrag näher bezeichneten Steuerbüro erstellt worden sind für die angestellten Personen der Gemeinschaft, in die Wartungsverträge 2019, die mit externen Unternehmen abgeschlossen wurden sowie in die Arbeitsverträge der im Jahr 2019 beschäftigten Personen für die Gemeinschaft.

Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger bereits Kopien der Buchhaltungsbelege übersandt zu haben, legt in Kopie Arbeitsverträge vor, wobei die Parteien darum streiten, ob dies sämtliche Arbeitnehmer erfasst und vertritt die Ansicht, dass ein Anspruch weitere Personen zur Einsicht mitzunehmen nicht bestehe, zumal in Zeiten der Corona-Pandemie hierfür das Verwaltungsbüro zu klein sei.

Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben, hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben, so dass zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen wird.

Der Anspruch des Klägers besteht aus § 18 Abs. 4 WEG.

1. Der Klageantrag ist entgegen der Auffassung der Berufung hinreichend bestimmt, soweit der Kläger begehrt, ihm Einsicht in alle Buchhaltungsunterlagen des Jahres 2019 betreffend die Erbbauberechtigtengemeinschaft zu gewähren.

Zutreffend ist, dass die Unterlagen, in die Einsicht gewährt werden soll, hinreichend bestimmt bezeichnet werden müssen. Dies ist schon erforderlich, um die Vollstreckung eines späteren Titels zu gewährleisten. Insoweit ist eine genaue Präzisierung erforderlich, weil die Vollstreckung des Anspruchs aus § 18 Abs. 4 WEG nach § 883 ZPO zu erfolgen hat. Insoweit entspricht es gefestigter Auffassung für vergleichbare Einsichtsrechte im Gesellschaftsrecht, dass die Vollstreckung nicht nach § 888 ZPO zu erfolgen hat, wenn die Einsichtgewährung als Hauptpflicht und nicht als Reflex einer Rechenschaftspflicht tituliert ist (zusammenfassend jüngst BayObLG DGVZ 2022, 133; OLG Frankfurt aM NJW-RR 2018, 765; BeckOK ZPO/Stürner, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 883 Rn. 4), da auch die Einsichtnahme in der Sache eine kurzfristige Herausgabe ist (Bendtsen in Kindl/Meller-Hannich, Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., 2020, ZPO § 883 Rn. 36 mwN).

Da anders als im alten Recht nun das Einsichtnahmerecht in § 18 Abs. 4 WEG gesetzlich ausdrücklich gesetzlich geregelt ist und nicht (mehr) Teil einer Rechenschaftspflicht ist, handelt es sich insoweit um eine Hauptpflicht der Gemeinschaft. Anders als im alten Recht ist das Einsichtnahmerecht auch nicht mehr Teil einer Rechenschaftspflicht, die im hier maßgeblichen Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer zur Gemeinschaft ohnehin nur in den im WEG bestimmten Grenzen des § 28 WEG bestehen dürfte. Für diese Lösung sprechen zudem Praktikabilitätserwägungen. So hält § 883 Abs. 2 ZPO beispielsweise ein praktikables Instrument bereit, wenn die Unterlagen nicht aufzufinden sind. Zudem werden damit auch Probleme der Vollstreckung nach § 888 ZPO, die sich daraus ergeben, dass Titelschuldner die Gemeinschaft ist, den Anspruch aber das Handlungsorgan der Gemeinschaft – der Verwalter – erfüllen muss, vermieden (näher Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rn. 155; Greiner, Wohnungseigentumsrecht, § 8 Rn. 134; BeckOK WEG/Elzer, 49. Ed. 1.7.2022, WEG § 43 Rn. 61).

Erforderlich ist daher, dass der Gerichtsvollzieher bestimmen kann, welche Unterlagen dem Titel unterfallen oder nicht, zudem muss die Gemeinschaft klar erkennen können, was von ihr zur Erfüllung des Anspruchs verlangt wird. Dem wird der Klageantrag insoweit gerecht.

In zeitlicher Hinsicht hat der Kläger sein Einsichtnahmeanspruch hinreichend konkret auf Unterlagen aus dem Jahre 2019 beschränkt, dies ist hinreichend bestimmbar. Aber auch in sachlicher Hinsicht genügt die Bezeichnung der „Buchhaltungsunterlagen“, um eine hinreichende Abgrenzung zu anderen Unterlagen zu gewährleisten. Der Begriff ist eindeutig. Erfasst sind alle Unterlagen, die sich auf Ausgaben und Einnahmen im Kalenderjahr 2019 beziehen, neben den Buchungen, vor allem die hierzu gehörenden Belege (vgl. § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Insoweit findet der Begriff auch im Gesetz in § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB Widerhall. Angesichts dieser klaren Bestimmbarkeit ist auch in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine entsprechende Titulierung vollstreckbar ist (vgl. nur BayObLG WM 1996, 661; OLG München BeckRS 2016, 6501; OLG Jena BeckRS 2015, 117392; BeckOF Prozess/Scharm, Form. 8.1.3.2).

2. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend ist auch die Auffassung des Amtsgerichts, dass der Kläger auch ein Einsichtnahmerecht in die Wartungsverträge des Jahres 2019 mit externen Unternehmen hat. Insoweit konnte sich die Beklagte nicht auf ein einfaches Bestreiten, dass entsprechende Verträge nicht bestehen, beschränken.

Allerdings ist es im Grundsatz Aufgabe des Klägers als Anspruchsteller, die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen, hierzu gehört auch die Existenz von Unterlagen, in die Einsicht begehrt wird. Jedoch trifft vorliegend die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast, wonach sie näheren Vortrag zu den vorhandenen Unterlagen halten muss. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei in der Regel nämlich dann, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH NJW 2020, 755 Rn. 35).

So liegt es hier. Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm aus anderen Verfahren bekannt ist, dass Wartungsrechnungen von Drittfirmen erstellt worden sind, die auf einen Wartungsvertrag Bezug nehmen. Der Vortrag des Klägers, dass im Kalenderjahr 2019 für verschiedene Wartungsarbeiten über 80.000 € abgerechnet wurden, ist nicht bestritten, zudem ergibt sich aus den von dem Kläger vorgelegten Protokollen der Erbbauberechtigtenversammlung, dass dort unter anderem die Wartung von Rauchmeldern, Aufzügen und Löschleitungen Gegenstand der Diskussion war. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist bei der vorliegenden Anlage, bei der sich um einer der größten Wohnungseigentümergemeinschaften in Hessen handeln dürfte, auch fernliegend, dass keine schriftlichen Wartungsverträge geschlossen worden sind, über die Unterlagen vorhanden sind.

Jedenfalls konnte sich die Beklagte bei dieser Sachlage nicht auf ein einfaches Bestreiten der Existenz von Wartungsverträgen beschränken, sondern hätte, um ihre sekundären Darlegungslast Genüge zu tun, zumindest vortragen müssen, inwieweit die unstreitig angefallenen Wartungskosten ohne schriftliche vertragliche Grundlage entstanden sind und wie die Vertragssituation bezüglich der Rauchmelder, Aufzüge und Löschleitungen ist. Diese Darlegung ist der Beklagten auch ohne weiteres möglich und zumutbar, während der Kläger keine über seinen Vortrag hinausgehenden Informationen hat und nähere Einzelheiten gerade durch die Einsicht erfahren will.

3. Der Anspruch ist nicht bereits erfüllt, indem die Beklagte dem Kläger Kopien oder Ausdrucke von Unterlagen zusandte, so dass es auf die Frage der Vollständigkeit der Kopien nicht ankommt. Zunächst kann ein Eigentümer auch wiederholt Einsicht nehmen, solange das Einsichtsbegehren nicht treuwidrig ist (BGH NJW 2011, 1137 Rn. 8). Ob dies der Fall sein kann, wenn der Eigentümer durch Einsicht eine Information erlangt hat und eine identische Einsicht erneut begehrt, kann dahinstehen, denn Einsicht in die begehrten Unterlagen ist dem Kläger nicht gewährt worden. Alleine die Übersendung von Kopien oder Ausdrucken genügt nämlich nicht, denn der Eigentümer hat, wie der Bundesgerichtshof für das gleichgelagerte Problem der Einsichtnahme in die Abrechnungsbelege für den Mieter entschieden hat, einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Originalbelege (BGH NJW 2022, 772).

Nur wenn, was hier aber nicht konkret behauptet wurde, Papierunterlagen nicht (mehr) vorhanden sind, beschränkt sich das Einsichtnahmerecht auf die digitalen Daten (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 18 Rn. 131; BGH NJW 2010, 439 Rn. 9). Auch insoweit liegt jedoch eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, die vortragen muss, welche Unterlagen nur digital zur Verfügung stehen. Unabhängig davon, kann auch dann die Einsichtnahme in die digitalen Daten im Regelfall im Büro des Verwalters ausgeübt werden (näher Noack/Servatius/Haas/Noack, 23. Aufl. 2022, GmbHG § 51a Rn. 23), schon um deren Vollständigkeit prüfen zu können, was bei übersandten Ausdrucken nicht in gleicher Weise möglich ist. Dies gilt vorliegend jedenfalls für die Buchhaltungsbelege. Dass die Arbeitsverträge nicht (mehr) im Original vorliegen sollen, wird nicht behauptet, erscheint angesichts der Unterschriften auch unwahrscheinlich.

4. Zu Recht hat das Amtsgericht auch entschieden, dass der Kläger sich von zwei weiteren Wohnungseigentümern begleiten lassen kann. Das Einsichtnahemrecht ist kein höchstpersönliches Recht, insofern ist eine Vertretung zulässig, ebenso kann ein Eigentümer sich jedenfalls von einem Rechtsanwalt oder weiteren Wohnungseigentümern begleiten zu lassen (Kammer ZMR 2016, 982; LG Hamburg ZWE 2012, 283). Angesichts des Umfangs des Einsichtnahmebegehrens, alleine die Buchhaltungsbelege belaufen sich nach Angaben der Beklagten auf 6.000 Seiten und der gerichtsbekannten Zerstrittenheit des Klägers mit der Verwaltung liegen auch nachvollziehbaren Gründen vor, sich der Unterstützung und Hilfe zwei weiterer Eigentümer aus der Gemeinschaft zu bedienen. Da der Kläger zwei weitere Erbbauberechtigte mitnehmen möchte, die ihrerseits ebenfalls ein Einsichtnahmerecht haben, besteht hier auch nicht die Gefahr, dass Dritte Kenntnis von den Unterlagen erhalten. Die Frage, ob sich der Kläger auch von jedem beliebigen Dritten hätte begleiten lassen können, bedarf daher keiner Entscheidung.

Hinreichend Gefahren für den störungsfreien Geschäftsbetrieb, durch die Hinzuziehung der beiden weiteren Eigentümer unter Berücksichtigung der dann gegebenen Gesamtzahl von drei Personen, die Einsicht nehmen, bestehen nicht. Ob, wie die Beklagte in erster Instanz vortrug, derzeit noch die in der öffentlichen Wahrnehmung abklingende Corona-Pandemie ein ausreichendes Argument ist, um eine derartige Personenanzahl im Verwalterbüro für unzumutbar zu halten, kann dahinstehen. Bedenken bestehen bereits an dem Vortrag der Beklagten, denn diese hält mehr als vier bis fünf Personen im Verwalterbüro für unzumutbar, verweist aber selbst darauf, dass vier Mitarbeiter der Hausverwaltung oder externe Kräfte zur Überwachung der Einsichtnahme nötig seien, so dass bereits mit den für die Beklagten tätigen Personen die für zumutbar gehaltene Personenzahl überschritten wäre.

Im Übrigen steht es der Beklagten frei, die Einsicht in einem größeren Raum anzubieten, wobei wenn ein derartiger Raum in der Gemeinschaft nicht zur Verfügung steht, auch die Anmietung eines fremden Raums in Betracht kommt (vgl. OLG Frankfurt aM NZG 2021, 198 zu § 51b GmbHG).

5. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Der Streitwert folgt der nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung.

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