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WEG-Vorratsbeschluss – § 27 Abs. 2 WEG

LG Dortmund – Az.: 17 S 193/20 – Beschluss vom 30.10.2020

In dem Rechtsstreit hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund am 30.10.2020 beschlossen:

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu den Hinweisen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich und eine mündliche Verhandlung nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zulegende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Das Amtsgericht hat die Beschlussanfechtungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen, weil die innerhalb der Frist des § 46 WEG vorgetragenen Anfechtungsgründe nicht zur Ungültigkeit des zu TOP 7 gefassten Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 10.03.2020 führen.

Mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss hat die Eigentümerversammlung mehrheitlich (75411000 MEA) beschlossen, dass der Verwalter berechtigt wird, Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum-auch ohne vorherige Beschlussfassung namens und auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zu beauftragen, sofern der jeweilige Auftragswert im Einzelfall 500,00 Euro brutto und bei mehreren Aufträgen pro Wirtschaftsjahr insgesamt 2000,00 Euro brutto nicht übersteigen und die Finanzierung durch ausreichende liquide Mittel sichergestellt ist.

Die damit im Wege des Mehrheitsbeschlusses vorgenommene Delegation zur Vergabe von Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten auf den Verwalter ist im hier zu entscheidenden konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden.

Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ von Maßnahmen der Instandhaltung, Instandsetzung und Modernisierung des gemeinschaftlichen Eigentums grundsätzlich den Wohnungseigentümern obliegt. Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz auf die Verwaltung kann daher grundsätzlich nur durch Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 WEG erfolgen.

Für Instandsetzungsmaßnahmen ist in Rechtsprechung und Literatur jedoch anerkannt, dass es in engen Grenzen möglich ist, die Vergabe und Durchführung eines Sanierungsauftrages durch Mehrheitsbeschluss auf die Verwaltung zu delegieren, wenn dies zu einem überschaubaren und für den einzelnen Wohnungseigentümer begrenzten finanziellen Risiko führt und die grundsätzliche Verantwortlichkeit für den Beschluss bei der Eigentümerversammlung bleibt, vgl. OLG Düsseldorf v. 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, ZMR 1997, 605 (606) = NJW-RR 1998, 13; OLG Düsseldorf v. 8.11.2000 – 3 Wx 253/00, NJW-RR 2001, 660 = ZMR 2001, 304; LG Hamburg v. 18.1.2012 – 318 S 164/11, ZMR 2012, 388 (389) = ZWE 2012, 285 (286); LG Itzehoe v. 1.7.2014 – 11 S 10/13, ZMR 2014, 915; LG München I v 5.8.2010 – 36 S 19282/09, ZWE 2011, 42 (43); LG München I, Beschluss vom 10.11.2008 – 1 T 4472/08, ZMR 2009, 398 ;Heinemann in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 6, Aufl. 2019, § 21 WEG, Rn. 74; Bärmann/Suilmann, 14. Aufl. 2018, WEG § 10 Rn. 77; Reichel-Scherer in: Herberger/Martinek/RüßmannNVeth/Würdinger, PK-BGB, 9. Aufl., § 20 WEG (Stand: 01.07.2020), Rn. 17). Der Umfang der zulässigen Ermächtigung bestimmt sich nach der Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft. Je größer eine solche ist, desto eher wird eine Zuständigkeitsverlagerung möglich sein, die darüber hinaus der Höhe des finanziellen Risikos nach begrenzt sein muss, vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.7.1997 – 3 Wx 61/97, ZMR 1997, 605.

Soweit die Klägerin gegen die vorzitierte Rechtsprechung Einwände grundsätzlicher Natur erhebt ist ihr zunächst zwar zuzustimmen, dass die Delegation zur Vergabe von Sanierungsaufträgen auf die Verwaltung durch Mehrheitsbeschluss ihre Entscheidungsbefugnis einschränkt, so dass diese Maßnahme verhältnismäßig sein muss. Auch ist der Klägerin zuzugeben, dass im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Nicht zutreffend ist jedoch die Ansicht der Klägerin, insoweit seien ihr Interesse an Wahrung ihrer Entscheidungskompetenz gegen das Interesse der Verwaltung an einer praktikablen Lösung abzuwägen, wobei die durch die Verwalterfachverbände wahrgenommenen Verwalterinteressen naturgemäß nicht deckungsgleich mit denen der Eigentümer seien. Denn bei der Entwicklung der Grundsätze zur Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf die Verwaltung wurden nicht das Interesse der Verwaltung, sondern das Interesse der dieser Delegation zustimmenden Mehrheit der Wohnungseigentümer an einer praktikablen Lösung mit dem Interesse des/der nichtzustimmenden Minderheit abgewogen. Dies ist nicht zu beanstanden, da auch die dem Delegationsbeschluss zustimmenden übrigen Wohnungseigentümer neben dem anfechtenden Eigentümer über grundgesetzlich geschützte Eigentumsrechte verfügen und es in ihrem Interesse liegen kann, zur Vermeidung erhöhter Verwaltungskosten und eines umständlichen Beteiligungsverfahrens den Verwalter zur Durchführung kleinerer Sanierungsarbeiten zu ermächtigen, wenn diese Ermächtigung nur zu einem begrenzten und für den einzelnen Wohnungseigentümer überschaubaren finanziellen Risiko führt, s.o. Dass dieses Interesse grundsätzlich schützens- und anerkennenswert ist, hat im Übrigen auch der Gesetzgeber nunmehr in der neuen, ab 01.12.2020 geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetz zum Ausdruck gebracht, in welchem unter § 27 Abs. 2 WEG n.F. ausdrücklich die Möglichkeit einer Kompetenzverlagerung auf den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist.

Die o.g. Grenzen für die danach grundsätzlich zulässige Delegation von Entscheidungsbefugnissen über die Vergabe von kleineren Sanierungsaufträgen auf die Verwaltung wurden im vorliegenden Einzelfall auch eingehalten. Auch insoweit ist der Klägerin zwar zunächst zuzustimmen, dass sich diese Grenzen an der Größe und Leistungsfähigkeit der konkreten Wohnungseigentümergemeinschaft orientieren, so dass größere Eigentümergemeinschaften zu einer Delegation in höherem Rahmen befugt sein dürften als kleinere. Vorliegend jedoch hat die Eigentümerversammlung sich bei der Bestimmung der Grenzwerte innerhalb des ihr einzuräumenden Ermessens bewegt, da das finanzielle Risiko bei Einzelmaßnahmen von bis zu maximal 500,00 Euro brutto je Einzelmaßnahme und maximal 2.000,00 Euro brutto pro Wirtschaftsjahr überschaubar bleibt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich hier um eine Eigentümergemeinschaft mit lediglich 4 Wohneinheiten handelt. Denn auch insoweit liegt die finanzielle Belastung der Klägerin bei lediglich maximal 480,00 Euro jährlich (= entsprechend 240/1000), was überschaubar ist. Überdies ist einzustellen, dass andernfalls über jede – auch sehr kleine – Instandsetzungsmaßnahme ggf. im Rahmen weiterer unterjähriger Eigentümerversammlungen abgestimmt werden müsste, was ebenfalls mit Kosten verbunden wäre. Soweit die Klägerin meint, die Gestaltung der Kostendeckelung eröffne Missbrauchsmöglichkeiten dadurch, dass sowohl im Dezember des einen Jahres als auch im Januar des Folgejahres ein Sanierungsauftrag mit einem Volumen von jeweils 2.000,00 Euro vergeben werden könne, ändert dies nichts an daran, dass es auch dann bei der grundsätzlichen jährlichen Höchstbelastung verbliebe. Im Übrigen ist dem Amtsgericht zuzustimmen, dass sich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung bereits aus dem Gesetz ergibt, so dass die Möglichkeit eines Missbrauchs, welche grundsätzlich immer gegeben ist, nicht per se eine Delegation ausschließt. Wenn die Berufung dagegen vorbringt, hierbei handele es sich um ein sog. „Totschlag-Argument“, da es demnach überhaupt keine erfolgreichen Beschlussanfechtungsklagen gäbe, verkennt sie, dass gerade die Tatsache, dass Verwalterhandeln bzw. Beschlussanfechtungsklagen bei fehlender Ordnungsmäßigkeit für ungültig erklärt werden, zeigt, dass effektive Missbrauchskontrolle vorgenommen wird, weshalb eine Delegation auf die Verwaltung nicht allein mit dem Argument einer Missbrauchsmöglichkeit abgelehnt werden kann.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kammer zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen unanfechtbaren Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten – eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von 4 auf 2 Gerichtsgebühren halbiert würden (KV 1222 Nr. 1 GKG). Wird dem gegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen, verbleibt es regelmäßig bei der 4-fachen Gerichtsgebühr (KV 1220 GKG).

Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme zu den vorstehenden Hinweisen binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses gegeben.

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