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WEG – Wann kann eine Sonderumlage beschlossen werden?

LG Lüneburg – Az.: 3 S 59/19 – Urteil vom 30.06.2020

In dem Rechtsstreit hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 09.06.2020 für Recht erkannt:

Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen wird auf die Berufung der Kläger und auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 17.10.2019 teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Die in der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefassten Beschlüsse 5, 12 und 15 werden für ungültig erklärt.

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit insoweit, als der auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefasste Beschluss 10 angefochten worden ist, erledigt ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Kläger zu 30 % und die Beklagten zu 70 %. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Kläger zu 78 % und die Beklagten zu 22 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Verfahren in erster Instanz auf 28.124,54 Euro (Beschlüsse 5, 8, 9, 10, 12, 13, 15, 17, 18, 19) und für das Berufungsverfahren auf 8.610,00 Euro (Beschlüsse 8, 9, 10, 12, 13, 15) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Mitglieder einer seit langem zerstrittenen Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie streiten um die Gültigkeit von Beschlussfassungen der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018, und zwar von Beschluss 5, 8, 9, 10, 12, 13, 15, 17, 18 und 19.

Das Amtsgericht hat die in der Eigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefassten Beschlüsse zu 5, 8, 9 (soweit angefochten), 10, 12 und 13 für ungültig erklärt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Die Kläger haben Berufung eingelegt, soweit die Klage in Bezug auf Beschluss 15 abgewiesen worden ist. Die Beklagte haben Berufung eingelegt, soweit das Amtsgericht die Beschlüsse 8, 9, 10, 12 und 13 für ungültig erklärt hat.

Von der weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Beide Berufungen sind zulässig; in der Sache hat die Berufung der Kläger vollumfänglich Erfolg, während die Berufung der Beklagten nur teilweise Erfolg hat.

1. Die Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Dies gilt auch, soweit die Beklagten zu 3.) und 4.) zunächst zwar selbst keine Berufung eingelegt, dann im Verlauf des Berufungsverfahrens jedoch selbst auch Anträge gestellt haben. Die Berufung der Kläger und die Berufung der Beklagten zu 1.) und 2.) wirken für und gegen die Beklagten zu 3.) und 4.). Denn bei klagenden und beklagten Wohnungseigentümern im Beschlussmängelprozess handelt es sich jeweils um notwendige Streitgenossen, so dass die Streitgenossen, die von der Einlegung eines Rechtsmittels (zunächst) abgesehen haben, in der bisherigen Parteirolle als Kläger oder Beklagte weiter an dem Verfahren zu beteiligen sind (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2015 V ZR 76/14 – ; Suilmann in: Jennißen, WEG, 6. Aufl., 2019, § 47 Rn. 18e, 19). Soweit nur die Beklagten zu 1.) und 2.) fristgerecht Berufung eingelegt haben, wirkt die Einhaltung dieser prozessualen Frist auch für die Beklagten zu 3.) und 4.) die erst mit der Berufungsbegründung ausdrücklich dem Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten zu 1.) und 2.) beigetreten sind.

2. a) Die Berufung der Kläger ist begründet.

aa) Beschluss 15

Der Beschluss 15 der Wohnungseigentümerversammlung vom 14 01.2018 ist mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft nichtig.

Mit dem angefochtenen Beschluss 15 hat die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen, dass bis zum Beschluss einer Gebrauchs- und Nutzungsordnung der individuelle Gebrauch der Gemeinschaftsflächen grundsätzlich untersagt sein soll und zulässige legitime Nutzungen mindestens zwei Tage vorab anzumelden sein und nur durch die Gemeinschaft erfolgen sollen.

Gemäß § 13 Abs. 2 WEG ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt. Seine Grenzen findet das Recht zum Mitgebrauch darin, dass bei der Ausübung des Mitgebrauchs den übrigen Wohnungseigentümern kein unvermeidbarer Nachteil entstehen darf (§ 14 WEG). Weitere Beschränkungen des Mitgebrauchs können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung nach § 15 Abs. 1 WEG oder im Rahmen eines ordnungsgemäßen Gebrauchs durch Beschluss nach § 15 Abs. 2 WEG bestimmen.

Der angefochtene Beschluss enthält nicht nur eine Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG. Eine Gebrauchsregelung läge nur vor, wenn ein Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümer überhaupt vorgesehen wäre. Dies ist indessen nicht der Fall, weil nach dem Beschluss der individuelle Gebrauch der Gemeinschaftsflächen insgesamt untersagt wird und damit Gegenstand des Beschlusses ein Ausschluss des Mitgebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums ist. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Ausschluss des Mitgebrauchs mit einer Art Öffnungsklausel versehen ist dahin, dass eine individuelle Nutzung zulässig sein soll, wenn sie zwei Tage vorher angemeldet worden ist. Abgesehen davon, dass schon unklar ist, bei wem die Nutzung vorher angemeldet werden soll, und abgesehen davon, dass die Regelung ersichtlich völlig unpraktikabel ist, wenn jeder einzelne Wohnungseigentümer eine von ihm beabsichtigte Nutzung des Gemeinschaftseigentums, zu dem auch Zufahrt, Zuwege, Treppenhaus oder der Abstellplatz der Mülltonnen zählen, zwei Tage vorher anmelden soll, ändert dies nichts daran, dass der Beschluss einen Nutzungsausschluss bzw. eine unter Vorbehalt gestellte Nutzung des Gemeinschaftseigentums beinhaltet, bezüglich derer die Wohnungseigentümergemeinschaft keine Beschlusskompetenz besitzt.

Auch der Umstand, dass der Beschluss 15 nur vorläufigen Charakter haben sollte, weil er nur „bis zum Beschluss einer Gebrauchs- und Nutzungsordnung“ gelten sollte, ändert nichts daran, dass der Wohnungseigentümergemeinschaft die Beschlusskompetenz für einen – auch nur vorübergehenden – Ausschluss der Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums fehlte.

bb) Beschluss 10

Soweit Gegenstand der Beschlussanfechtungsklage der auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018 gefasste Beschluss 10 ist, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft die Beiratsvorsitzende ### (Beklagte zu 3) mit der Beschlussvorbereitung für insgesamt neun im Raum stehende Kostenerstattungsanträge beauftragt und eine diesbezügliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 80 Euro pro Vorgang beschlossen hatte, war festzustellen, dass die Klage erledigt ist.

Die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits setzt voraus, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und nach Rechtshängigkeit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. So verhält es sich hier. Die Beschlussmängelklage der Kläger war im Hinblick auf die Anfechtung des Beschlusses 10 zulässig und begründet. Der Beschluss 10 wäre für nichtig zu erklären gewesen, weil er nicht hinreichend bestimmt ist. Der Beschluss 10 lautet wörtlich: „Die WEG beauftragt die Beiratsvorsitzende damit die eingangs bezeichneten 9 (neun) Vorgänge zur Beschlussfassung aufzubereiten und gewährt hierfür eine Aufwandsentschädigung von 80 Euro pro Vorgang.“ Dem Beschluss ist schon nicht ohne weiteres zu entnehmen, hinsichtlich welcher Vorgänge eine Beschlussfassung vorbereitet werden soll. Es ist zudem völlig unklar, was mit „Vorgänge zur Beschlussfassung aufzubereiten“ gemeint sein soll. Auch aus der Bezugnahme auf die der Beschlussfassung vorangestellte Aufzählung ergibt sich nicht hinreichend bestimmt, welche Aufgabe konkret an das Beiratsmitglied delegiert werden sollte.

Indem der angefochtene Beschluss 10 mit Beschluss 15 der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.03.2019 (Anlage BK 5) aufgehoben worden ist, hat sich die am 24.01.2019 erhobene Beschlussmängelklage, soweit diese sich gegen den Beschluss 10 richtete, nach Rechtshängigkeit erledigt.

b) Die Berufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage in Bezug auf die Beschlussfassungen 8, 9 und 13 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.12.2018 begehrt, insoweit, als sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils in Bezug auf die Beschlussfassung 12 begehrt, ist sie hingegen unbegründet.

Im Einzelnen:

aa) Beschluss 8

Der Beschluss 8, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Sicherung der Liquidität eine nachträgliche Sonderumlage unter Bezifferung der jeweils von den Wohnungseigentümern gemäß ihrer jeweiligen Miteigentumsanteile zu zahlenden Beträge, zu verrechnen mit der Abrechnung 2016, beschlossen hat, ist nicht zu beanstanden und entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Der Beschluss ist hinreichend bestimmt. Aus dem Beschlusstext ist hinreichend deutlich, dass die Sonderumlage zur Überbrückung eines Liquiditätsengpasses erhoben werden soll, dass eine Verrechnung der Sonderumlage mit der – noch nicht bestandskräftigen – Jahresabrechnung 2016 erfolgen soll, und wer welche Beträge auf die Sonderumlage zu leisten hat. Soweit die Kläger einwenden, es sei unklar, wie die Verrechnung der Sonderumlage mit dem Wirtschaftsjahr 2016 erfolgen soll, überzeugt dies nicht. Ein sich aus der Jahresabrechnung 2016 ergebender Nachzahlungsbetrag ist ohne weiteres mit den von den Wohnungseigentümern auf die Sonderumlage gezahlten Beträgen zu verrechnen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Sonderumlage zum 03.01.2019 fällig sein soll, die Jahresabrechnung 2016 aber erst in der Eigentümerversammlung vom 17.12.2019 genehmigt worden ist. Denn nach dem Beschluss ist klar, dass die auf die Sonderumlage zu zahlenden Beträge gleichsam als Guthaben auf die sich aus der Jahresabrechnung 2016 ergebenden Nachzahlungsbeträge angerechnet werden sollen. Der Einwand, eine Verrechnung würde dann nicht erfolgen können, wenn sich aus der Jahresabrechnung 2016 ein Guthaben ergeben hätte, ist rein theoretischer Natur, weil die nachträgliche Sonderumlage ihren Grund ja gerade in dem Umstand hatte, dass die von den Wohnungseigentümern für das Wirtschaftsjahr 2016 gezahlten Gelder nicht auskömmlich sein würden. Auch der Einwand der Kläger im Schriftsatz vom 22.06.2020, der Schuldner der Sonderumlage müsse nicht notwendigerweise mit dem Schuldner der Jahresabrechnung 2016 identisch sein, ist rein theoretischer Natur, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung allen Beteiligten klar war, dass ein Eigentümerwechsel nicht stattgefunden hat.

Darüber hinaus entspricht der Beschluss 8 auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Festsetzung einer Sonderumlage stellt einen Nachtrag zum Jahreswirtschaftsplan der Gemeinschaft dar, der diese ändert oder ergänzt. Sie kann daher nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung von den Wohnungseigentümern beschlossen werden, sofern die Ansätze des Wirtschaftsplanes unrichtig waren, durch neue Tatsache überholt oder der Plan aus anderen Gründen zum Teil undurchführbar geworden ist (vgl. BGH MDR 1989, 898). Da es bei der Sonderumlage darum geht, liquide Mittel zur Begleichung von Ausgaben zu beschaffen, deren Höhe noch nicht feststeht, ist sie am geschätzten Finanzbedarf auszurichten. Dabei ist eine Prognose der erforderlichen Kosten notwendig, wobei allerdings den Wohnungseigentümern ein weiter Ermessenspielraum zusteht und eine großzügige Handhabung zulässig ist, so dass vertretbare Mehrheitsentscheidungen in diesem Rahmen hinzunehmen sind (vgl. Abramenko in: Riecke/Schmid, WEG, 4. Aufl., § 28 Rn. 36 m. w. N.). Erst wenn die benötigten Gelder erheblich zu niedrig oder erheblich zu hoch angesetzt werden, sind die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verletzt (vgl. Abramenko in: Riecke/Schmid, WEG, ebenda, m. w. N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Die Beklagten haben umfassend dazu vorgetragen, dass die Einnahmen und Ausgaben im Wirtschaftsjahr 2016, bezüglich dessen die Sonderumlage nachträglich erhoben werden sollte, zu einer erheblichen Unterdeckung geführt hatten. Diesen Vortrag haben die Beklagten im weiteren Schriftsatz vom 04.05.2020 nochmals vertieft und insbesondere nachvollziehbar dargelegt, dass die WEG per 31.12.2016 nach Abzug zweckgebundener Gelder über keine frei verfügbaren Gelder mehr verfügte und die nachträgliche Erhebung einer Sonderumlage durch eine in 2015/2016 durchgeführte Dachsanierung erforderlich geworden ist, für die zuvor keine Sonderumlage erhoben worden war. Die Berücksichtigung eines Fehlbetrages in der Jahresabrechnung 2016 war zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht möglich, da diese noch nicht erstellt war.

Der Einwand der Kläger, es sei unüblich, auf derselben Wohnungseigentümerversammlung sowohl über die Erhebung einer Sonderumlage als auch über den Wirtschaftsplan zu entscheiden, weil der nötige Finanzbedarf bereits im Rahmen des Wirtschaftsplanes zu berücksichtigen sei, ist im Grundsatz zwar richtig. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass mit der Sonderumlage ausnahmsweise eine durch besondere Ausgaben im Wirtschaftsjahr 2016 zum 31.12.2016 entstandene Liquiditätslücke nachträglich gedeckt und insoweit eine Verrechnung mit den erwarteten Nachzahlungsforderungen aus der Jahresabrechnung 2016, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung immer noch nicht vorlag, erfolgen sollte. Gerade weil über das Wirtschaftsjahr 2016 noch nicht abgerechnet war, sich insoweit jedoch eine erhebliche Unterdeckung abzeichnete, entspricht es ordnungsgemäßer Verwaltung, in diesem besonderen Fall nachträglich eine Sonderumlage für ein bereits abgeschlossenes Wirtschaftsjahr zu beschließen mit der Bestimmung, diese mit den sicher zu erwartenden Nachzahlungen für das Wirtschaftsjahr 2016, deren Höhe zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Sonderumlage mangels Vorliegens einer Jahresabrechnung noch nicht feststand, zu verrechnen. Der Beschluss einer nachträglichen Sonderumlage hatte ersichtlich zum Ziel, den entstandenen Liquiditätsengpass nicht länger vor sich herzuschieben und die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erhalten.

Auch vermag sich die Kammer der Auffassung der Kläger, die mit Beschluss 8 beschlossene Sonderumlage stelle einen unzulässigen Eingriff in das abgeschlossene Wirtschaftsjahr 2016 dar, nicht anzuschließen. Zum einen mag das Wirtschaftsjahr 2016 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zwar kalendarisch abgeschlossen gewesen sein, das Jahr 2016 war jedoch noch nicht abgerechnet, weil eine Jahresabrechnung für das Jahr 2016 zu diesem Zeitpunkt noch ausstand. Zum anderen ist die Sonderumlage für Ausgaben erhoben worden, die im Jahr 2016 durch die Verwendung anderer Mittel, die aufgrund ihrer Zweckbindung (Sonderumlage für Heizungssanierung) hierfür nicht hätten verwendet werden dürfen, getätigt worden waren und für die zuvor keine Sonderumlage erhoben worden war. Durch die im Beschluss 8 vorgesehene Verrechnung mit den sich aus der Jahresabrechnung 2016 ergebenden Nachzahlungsforderungen wird gerade deutlich, dass die Sonderumlage gezielt zum Ausgleich des Finanzbedarfs eben des Wirtschaftsjahres 2016 erhoben werden soll.

Schließlich führt auch der Einwand der Kläger im Schriftsatz vom 22.06.2020, die streitgegenständliche Sonderumlage habe in der nunmehr mit Beschluss der Eigentümerversammlung genehmigten Jahresabrechnung 2016 keine Berücksichtigung gefunden und es lägen bei Bestandskraft des Genehmigungsbeschlusses und des streitgegenständlichen Beschlusses zwei separate Anspruchsgrundlagen vor, aufgrund derer die Eigentümer zu einer Doppelzahlung verpflichtet wären, nicht zu einer anderen Bewertung. Denn der Genehmigungsbeschluss hinsichtlich der Jahresabrechnung 2016 wäre, sofern darin eine Verrechnung auf die Sonderumlage gezahlter Beträge entgegen der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung tatsächlich nicht vorgenommen worden ist, anzufechten, was nach Mitteilung der Kläger ja auch erfolgt ist.

bb) Beschluss 9

Der Beschluss 9 der Wohnungseigentümerversammlung vom 14.10.2018, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft den Gesamtwirtschaftsplan 2019 mit einer Plansumme von 27.051,00 Euro und die darauf basierenden Einzelwirtschaftspläne genehmigt hat, ist insoweit, als die Einzelwirtschaftspläne 2019 in Bezug auf die Positionen Wasser, Abwasser und Müll genehmigt worden sind, nicht zu beanstanden und entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.

Das Amtsgericht hat den Beschluss, soweit er angefochten worden ist, für ungültig erklärt mit der Begründung, dieser entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Positionen Frischwasser, Abwasser und Müll nach Personenanzahl verteilt werden würden, jedoch Streit über die dem Wirtschaftsplan zugrunde gelegte Personenzahl bestehe und es überdies Aufgabe der Verwaltung sei, dafür Sorge zu tragen, dass für die verbrauchsabhängigen Kosten in den jeweiligen Wohnungen entsprechende Messgeräte vorhanden seien. Dieser Würdigung schließt sich die Kammer nicht an. Es ist nicht zu beanstanden und entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, dass für den Wirtschaftsplan 2019 die bis dahin auch in vorangegangenen Abrechnungen zugrunde gelegte Personenzahl in Ansatz gebracht worden ist. Sollten insoweit Veränderungen in Bezug auf die von der Klägerin zu 3 bewohnte Wohnung eingetreten sein, wäre dies von dieser zum einen nachvollziehbar bei der Verwaltung anzuzeigen und ggf. zu belegen gewesen. Ob und wie dies konkret vor der Erstellung des Wirtschaftsplans erfolgt sein soll, haben die Kläger nicht dargetan. Zum anderen wären etwaige Unrichtigkeiten der im Rahmen der Erstellung des Wirtschaftsplans zu berücksichtigenden Personenanzahl bei der Erstellung der Gesamt- und Einzeljahresabrechnungen zu korrigieren. Hinsichtlich des Wirtschaftsplans ist zu berücksichtigen, dass diesem immer nur vorläufiger Charakter zukommt und insoweit gewisse Unsicherheiten hinsichtlich der am Ende tatsächlich vorzunehmenden Verteilung der Kosten hinzunehmen sind.

Ferner ist nicht zu beanstanden, dass hinsichtlich der fraglichen Positionen Frischwasser, Abwasser und Müll in den Einzelwirtschaftsplänen eine Verteilung nach Personenanzahl vorgesehen ist. Bei der Position Müll handelt es sich ohnehin um eine nicht verbrauchsabhängige Position, so dass eine andere als sich nach der Anzahl der Personen richtende Umlegung der Kosten nicht in Betracht kommt. Zwar sind die Positionen Frischwasser und Abwasser verbrauchsabhängig. Unstreitig verfügen bislang jedoch nicht alle Wohneinheiten über Verbrauchserfassungsgeräte und die Ursache hierfür liegt nach dem Vorbringen der Beklagten, dem die Kläger nicht entgegengetreten sind, in der diesbezüglichen Verweigerung auf Klägerseite für die von diesen innegehaltenen Wohneinheiten. Für die Erstellung des Wirtschaftsplans 2019 blieb der Wohnungseigentümergemeinschaft somit gar nichts anderes übrig, als den in der Vergangenheit angewendeten personenanzahlbasierten Verteilungsschlüssel heranzuziehen.

cc) Beschluss 13

Der Beschluss 13 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.10.2018, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft den Verwalter beauftragt hat, einen fachkundigen Betrieb mit der Grundpflege der Bäume und Büsche des Gemeinschaftseigentums zu beauftragen und dafür bis zu 1.500,00 Euro aufzuwenden, wobei die Baumpfleger ein möglichst einheitliches Gesamtbild herstellen sollen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Soweit das Amtsgericht diesen Beschluss für nicht hinreichend bestimmt gehalten hat, weil nicht ersichtlich sei, was unter einem „einheitlichen Gesamtbild“ zu verstehen sei und welche von den unterschiedlich bepflanzten Frontseiten den Maßstab für ein wie auch immer geartetes Gesamtbild bilden soll, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Zwar ist der Begriff „einheitliches Gesamtbild“ ggf. auslegungsbedürftig. Gleichwohl ist er so hinreichend bestimmt, dass dem objektiven Leser deutlich ist, was mit dem Beschluss erreicht werden soll, nämlich, dass im Wege einer fachmännischen Baumpflege der vorhandene Bewuchs des Gemeinschaftseigentums so gepflegt werden soll, dass ein einheitliches Erscheinungsbild im Sinne eines Kompromisses zwischen den jeweiligen Frontseiten entsteht. Dies ist gerade nicht in dem Sinne zu verstehen, dass beide Frontseiten identisch gestaltet werden müssen und eine der beiden Frontseiten den Maßstab für das Gesamtbild vorgeben soll dahin, dass die andere Frontseite dieser nachzubilden ist. Dem Beschluss 13 ist vielmehr ohne weiteres zu entnehmen, dass der Verwalter einen fachkundigen Betrieb damit beauftragen soll, die im Bereich des Gemeinschaftseigentums vorhandenen Bäume und Büsche so zu schneiden, dass am Ende ein einheitliches Erscheinungsbild so, als stamme es aus einer Hand, erzielt wird. In dem Beschluss geht es auch nur um die Grundpflege der Bäume und Büsche und nicht um eine gärtnerische Neugestaltung.

dd) Beschluss 12

Der Beschluss 12, mit dem die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen hat, dass die im rechten Vorgarten des Klägers zu 1.) eingepflanzten Thujen entfernt und die ursprüngliche Gartengestaltung mit Bäumen wiederhergestellt werden sollen, ist nichtig.

Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass dieser Beschluss nicht hinreichend bestimmt ist. Bei Maßnahmen zum Rückbau etc. müssen in der Regel die Grundfragen der Art und Weise der Durchführung (Umfang, Finanzierung, Ablauf) geregelt werden. Hieran fehlt es, weil der Beschluss bereits nicht erkennen lässt, wer die im rechten Vorgarten eingepflanzten Thujen zu entfernen und wer die diesbezüglichen Kosten zu tragen hat. Ferner erschließt sich aus dem Beschluss nicht ohne weiteres, welcher „frühere Zustand“ wiederhergestellt werden soll, weil dieser in dem Beschluss nicht konkret bezeichnet wird (vgl. hierzu LG Lüneburg, Urt. v. 16.03.2016 – 9 S 64/15 – ZMR 2016, 647, in dem ein Antrag auf „Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands“ als nicht vollstreckbar und unzulässig angesehen wurde). Es mag sein, dass den beteiligten Wohnungseigentümern klar ist, welcher frühere Zustand (nämlich der vor der Pflanzung der Thujen) gemeint ist. Indessen muss der Inhalt eines Beschlusses, insbesondere, weil ein Sondernachfolger nach § 10 Abs. 4 WEG an Beschlüsse gebunden ist, aus sich heraus oder zumindest aus dem Zusammenhang des Protokolls heraus klar und hinreichend bestimmt sein (vgl. BGH, Urt. v. 18.03.2016 – V ZR 75/15 – Rn. 39; Merlin in. Bärmann, WEG, 14. Aufl., 2018, § 23 Rn. 54 a).

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Soweit die Beklagten einen Ermessensnichtgebrauch hinsichtlich der Möglichkeit, nach § 49 Abs. 2 WEG dem Verwalter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, geltend machen, kommt eine Beteiligung des Verwalters an den Prozesskosten nach Maßgabe des § 49 Abs. 2 WEG nur in Betracht, wenn die gerichtliche Tätigkeit auf ein grobes Verschulden des Verwalters zurückzuführen ist, der Verwalter im Rahmen der Beschlussfassungen, die Gegenstand der Beschlussmängelklage sind, also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt hat. Für ein derartiges auch in subjektiver Hinsicht schweres Verschulden im Sinne eines gesteigerten Fehlverhaltens konkret bezogen auf die in diesem Rechtsstreit in Streit stehenden Beschlussfassungen haben die Beklagten weder in erster Instanz noch im Rahmen der Berufung hinreichend vorgetragen. Es ist bereits fraglich, ob ein grobes Verschulden des Verwalters bei einer hoch zerstrittenen Wohnungseigentümergemeinschaft mit etlichen Beschlussfassungen nicht ohnehin nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Soweit die Beklagten allgemein eine Untätigkeit des Streitverkündeten als früherer Verwalter geltend machen, mag dies für einen etwaigen materiell-rechtlichen Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des Verwaltervertrages eine Rolle spielen. Für eine Beteiligung der Streitverkündeten an den Prozesskosten des vorliegenden Rechtsstreits gibt dies keinen Anlass, weil ein konkret auf die in Streit stehenden Beschlussfassungen bezogenes grobes Verschulden des Streitverkündeten nicht dargetan ist. Ob sich die Beklagten bei ihrem Verwalter schadlos halten können und wollen, mögen sie anhand des Verwaltervertrages selber entscheiden. Die Nichtanwendung von § 49 Abs. 2 WEG sperrt insoweit einen Regress nicht (BGH, Beschluss vom 18. August 2010 – V ZB 164/09, WuM 2010, 643).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat in der Sache keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 573 Abs. 2 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 a GKG. Hinsichtlich der angefochtenen Beschlüsse sind dabei folgende Einzelwerte zugrunde zu legen:

Beschluss 5 36.482,91 Euro, davon 50 % = 18.246,46 Euro

Beschluss 8 10.000,00 Euro, davon 50 % = 5.000,00 Euro

Beschluss 9 2.000,00 Euro, davon 50 % = 1.000,00 Euro

Beschluss 10 720,00 Euro, davon 50 % = 360,00 Euro

Beschluss 12 2.000,00 Euro, davon 50 % = 1.000,00 Euro

Beschluss 13 1.500,00 Euro, davon 50 % = 750,00 Euro

Beschluss 15 1.000,00 Euro, davon 50 % = 500,00 Euro

Beschluss 17 2.000,00 Euro, davon 50 % = 1.000,00 Euro

Beschluss 18 500,00 Euro, davon 50 % = 250,00 Euro

Beschluss 19 936,17 Euro, davon 50 % = 468,08 Euro

 

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