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WEG – Wann liegt eine Instandhaltung vor?

AG Kassel – Az.: 800 C 4204/19 – Urteil vom 07.04.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Beschlussanfechtungsklage die Ungültigerklärung dreier Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung sowie im Wege der Beschlussersetzungsklage die Feststellung, dass ein bestimmter Beschluss getroffen worden ist.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A in B. Hierbei handelt es-sich um eine so genannte Zwei-Haus-Anlage. In beiden Gebäuden befindet sich je eine Fahrstuhlanlage. Der Gemeinschaft liegt die Teilungserklärung vom 30.08.1979 (UR Nr. 8…4 für 1979 des Notars C in D) zugrunde, die in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung (Anl. III zur Teilungserklärung) bei größeren Instandsetzungsmaßnahmen eine Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit vorsieht sowie in § 15 Nr. 5 daselbst die Abstimmung nach Miteigentumsanteilen, sofern nicht Wahl oder Abberufung des Verwalters betroffen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der Teilungserklärung wird auf BI. I/196 ff. d. A., insbesondere auf BI. 213 ff. d. A. (Gemeinschaftsordnung) Bezug genommen. Einige der Eigentümer sind auf barrierefreie Fahrstühle angewiesen. Am 15.11.2018 erfolgte eine routinemäßige Überprüfung der Fahrstuhlanlagen durch den TÜV Hessen, der geringfügigen Mängel feststellte; wegen der Einzelheiten des Prüfergebnisses wird auf BI. I/143 ff. d. A. Bezug genommen. In der Eigentümerversammlung vom 21.10.2019 berieten die Eigentümer über Arbeiten an den bis dahin nicht barrierefreien Fahrstuhlanlagen. Im TOP 3.1 wurde der Beschlussantrag zur Abstimmung gestellt, barrierefreie Aufzüge in beiden Häusern zu erstellen, wobei die Gesamtkosten in Höhe von ca. 164.000 Euro aus der Rücklage entnommen werden sollten. Diesem Beschluss stimmten 646,66/1000 Miteigentumsanteile (im folgenden MEA) zu, 147,50/1000 MEA stimmten mit Nein. Der Versammlungsleiter stellte fest, ein Beschluss sei nicht zustande gekommen. Unter dem TOP 3.2 beschlossen sie mit allen anwesenden Stimmen die Herstellung eines nahezu barrierefreien Aufzugs im Hause Nr. 42 entsprechender Planung/Ausschreibung der Firma E mit der Maßgabe, dass die Mehrkosten in Höhe von ca. 29.300 Euro brutto gemäß der vorliegenden Ausschreibungsauswertung vom 10.10.2019 von der Antragstellerin F zu zahlen seien, wobei eine Frist zum 31.12.2019 zur Zahlung oder Stellung einer Bankbürgschaft gesetzt wurde. Unter dem TOP 3.3 beschlossen sie mit allen anwesenden Stimmen die Herstellung eines nahezu barrierefreien Aufzugs im Hause Nr. 40 entsprechender Planung/Ausschreibung der Firma E mit der Maßgabe, dass die Mehrkosten in Höhe von jeweils ca. 14.650 Euro brutto (insgesamt ca. 29.300 Euro brutto) gemäß der vorliegenden Ausschreibungsauswertung vom 10.10.2019 von den Antragstellern G und H zu zahlen seien, wobei eine Frist zum 31.12.2019 zur Zahlung oder Stellung einer Bankbürgschaft gesetzt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Beschlusswortlauts wird auf Seiten 3 und 4 des Protokolls der Versammlung (BI. I/5 f. d. A.) Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die Beschlussanfechtungsklage sowie bezüglich des Negativbeschlusses zu TOP 3.1 die Beschlussersetzungsklage.

Der Kläger ist der Ansicht, bei dem Beschluss zum TOP 3.1 hätte § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung angewendet werden müssen mit der Folge, dass die vorhandene einfache Mehrheit ausgereicht hätte, um das Zustandekommen des Beschlusses festzustellen. Bei der vorgesehenen Maßnahme habe es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme und nicht um eine bauliche Veränderung gehandelt. Folglich seien die in § 22 Abs. 1, 2 WEG a.F. vorgesehenen qualifizierten Mehrheiten bei der Abstimmung nicht erforderlich gewesen. Eine Instandsetzungsmaßnahme liege bereits deswegen vor, weil die Aufzüge zwingend erneuerungsbedürftig gewesen seien, die Betriebserlaubnis erlösche zum 31.12.2020. Dies ergebe sich aus der Prüfbescheinigung des TÜV. Zu berücksichtigen sei auch, dass einige Bewohner in den beiden Häusern auf Rollstühle und damit auf barrierefreie Aufzüge angewiesen seien. Folglich seien auch die Beschlüsse zu den TOP 3.2 und 3.3 aufzuheben. Hierbei fehle es auch deswegen an einer Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Mehrkosten, die einzelnen Eigentümern auferlegt wurden, nicht nachvollziehbar seien.

Der Kläger beantragt, den Negativbeschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.10.2019 unter TOP 3.1 betreffen die Modernisierung und komplette Aufzugsvergrößerung durch die WEG hinsichtlich der Aufzüge in den Häusern A in B für ungültig zu erklären und festzustellen, dass auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.10.2019 unter TOP 3.1 beschlossen wurde, nahezu barrierefreie Aufzüge in den Häusern A entsprechend der Planung/Ausschreibung der Firma E und technische Umsetzbarkeit – Ausschreibungsauswertung vom 10.10.2019 (Basispreis und Optionen „neue größere Kabine inklusive neuer Kabinenauskleidung, neue Schachtschiebetüren, Bedienungselemente nach EN 81-70 + Standanzeige je Haus) mit Auftragsvergabe an den wirtschaftlichsten Anbieter, derzeit die Firma I, herzustellen.

Die Maßnahmenkosten inklusive Zusatz-/Ausführungsoptionen und 4000 Euro Malerarbeiten/Reserve betragen ca. 154.000 Euro.

Für die Bauleitung/Abnahme (Leistungsphasen 7,5-9 gemäß HOAI) wird die Firma E in Anlehnung an das Angebot 2018074 vom 27.04.2018 zu brutto ca. 10.000 Euro beauftragt.

Die Hausverwaltung wird ferner beauftragt und ermächtigt, die Gewährung von Fördermitteln der KfW für die Maßnahmen zu prüfen und diese zu beantragen. Entstehende Kosten wird nach Zeitaufwand berechnet.

Die Gesamtkosten in Höhe von ca. 164.000 Euro werden durch Rücklagenentnahme finanziert. Die Auftragsvergaben erfolgen durch die Verwaltung in Namen und für Rechnung der WEG, hilfsweise im Wege der Beschlussersetzung zu entscheiden, dass nahezu barrierefreie Aufzüge in den Häusern A entsprechend der Planung/Ausschreibung der Firma E und technische Umsetzbarkeit – Ausschreibungsauswertung vom 10.10.2019 (Basispreis und Optionen „neue größere Kabine inklusive neuer Kabinenauskleidung, neue Schachtschiebetüren, Bedienungselemente nach EN 81-70 + Standanzeige je Haus) mit Auftragsvergabe an den wirtschaftlichsten Anbieter, derzeit die Firma I, herzustellen sind.

Die Maßnahmenkosten inklusive Zusatz-/Ausführungsoptionen und 4000 Euro Malerarbeiten/Reserve betragen ca. 154.000 Euro.

Für die Bauleitung/Abnahme (Leistungsphasen 7,5-9 gemäß HOAI) wird die Firma E in Anlehnung an das Angebot 2018074 vom 27.04.2018 zu brutto ca. 10.000 Euro beauftragt.

Die Hausverwaltung wird ferner beauftragt und ermächtigt, die Gewährung von Fördermitteln der KfW für die Maßnahmen zu prüfen und diese zu beantragen. Entstehende Kosten wird nach Zeitaufwand berechnet.

Die Gesamtkosten in Höhe von ca. 164.000 Euro werden durch Rücklagenentnahme finanziert. Die Auftragsvergaben erfolgen durch die Verwaltung in Namen und für Rechnung der WEG;

2. den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung von 21.10.2019 unter TOP 3.2 betreffend die Vergrößerung der Aufzugskabine im Haus A insoweit für ungültig zu erklären, soweit „die entstehenden Mehrkosten in Höhe von brutto ca. 29.300 Euro gemäß vorliegender Ausschreibungsauswertung vom 10.10.2019 (Optionen „neue größere Kabine inklusive neuer Kabinenauskleidung, neue Schachtschiebetüren, Bedienungselemente nach EN 81-70 + Standanzeige je Haus) bei genauer Abrechnung nach Rechnungslegung von der Antragstellerin Frau F bis zum 31.12.2019 auf das Konto der WEG einzuzahlen sind bzw. die Zahlung durch eine Bankbürgschaft sicherzustellen ist, damit eine Berücksichtigung bei der Beauftragung erfolgen kann“; 3. den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung von 21.10.2019) unter TOP 3.3 betreffend die Vergrößerung der Aufzugskabine im Haus A insoweit für ungültig zu erklären, soweit „die entstehenden Mehrkosten in Höhe von brutto jeweils ca. 14.650 Euro (Summe ca. 29.300) Euro gemäß vorliegender Ausschreibungsauswertung vom 10.10.2019 (Optionen „neue größere Kabine inklusive neuer Kabinenauskleidung, neue Schachtschiebetüren, Bedienungselemente nach EN 81-70 + Standanzeige je Haus) bei genauer Abrechnung nach Rechnungslegung von den beiden Antragstellern bis zum 31.12.2019 auf das Konto der WEG einzuzahlen sind bzw. die Zahlung durch eine Bankbürgschaft sicherzustellen ist, damit eine Berücksichtigung bei der Beauftragung erfolgen kann“.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffenen Beschlüsse insgesamt als den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend. Insbesondere sei die Regelung in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung nicht anwendbar, da nicht nur eine bloße Instandsetzungsmaßnahme vorliege. Es liege wenigstens eine Maßnahme nach § 555b BGB vor wobei es nicht zu beanstanden sei, insoweit die Kosten den von der beabsichtigten Maßnahme Begünstigten mit Eigentümern aufzuerlegen. Die Antragstellerin F aus dem Haus A habe auch bereits ihren Anteil bezahlt. Der Angriff des Klägers gegen die Höhe des Betrages sei unsubstantiiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat die Verfahrensakten 800 C 3797/21 beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die fristgerecht erhobene und mit einer Begründung versehene Klage bleibt ohne Erfolg.

Der Rechtsstreit ist gemäß § 48 Abs. 5 WEG n.F. nach den prozessrechtlichen Vorschriften des WEG in seiner bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung zu entscheiden, da er bereits vor der Rechtsänderung des Jahres 2020 anhängig war. Dies führt auch dazu, dass die Vertretungsverhältnisse bzw. Parteiverhältnisse in diesem Rechtsstreit ungeachtet der zum 01.12.2020 in Kraft getretenen Neufassung des WEG fortbestehen bleiben. Darüber hinaus ist hinsichtlich der Beschlussanfechtungsanträge ebenfalls der bis zum 30.11.2020 vorhandene Gesetzeszustand maßgeblich, da die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse nur nach dem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Rechtszustand möglich ist, weil die Eigentümerversammlung gehalten war, sich bei der Beschlussfassung an das geltende Recht zu halten. Denn die Eigentümer waren gar nicht in der Lage, bei der Beschlussfassung eine noch nicht verkündete geschweige denn in Kraft getretene Gesetzeslage zu antizipieren.

Die im Protokoll vom 31.10.2019 festgehaltene Beschlussverkündung zu TOP 3.1, der Beschluss sei nicht zu Stande gekommen, ist zutreffend. Zwar ist als unstreitiges Abstimmungsergebnis vermerkt, dass 646,66/1000 MEA (bzw. 12 Köpfe) dem Beschluss zugestimmt hatten. Dies hatte zwar zur Folge, dass mehrheitlich dem Beschlussantrag zugestimmt wurde. Diese einfache Mehrheit genügt jedoch nicht, um vom Zu-Stande-Kommen des Beschlusses ausgehen zu können. Denn der Beschluss betrifft nicht lediglich eine einfache Instandsetzungsmaßnahme, so dass zur Bestimmung der Mehrheitsverhältnisse weder die Regelung des § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung noch diejenige der §§ 22 Abs. 3, 21 Abs. 3 WEG a.F. Anwendung finden kann. Nach diesen Vorschriften genügt nur für eine gewöhnliche Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahme die einfache Mehrheit in der Eigentümerversammlung, um ein Beschluss treffen zu können.

Eine Instandhaltung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nummer 2 WEG a.F. liegt dann vor, wenn der bestehende Zustand erhalten werden soll und hier für pflegende, erhaltende und für vorsorgende Maßnahmen zu Beschlussfassung anstehen; Instandsetzung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet die Wiederherstellung des ursprünglichen ordnungsmäßigen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums mittels Reparatur oder Ersatzbeschaffung unter Einschluss von Maßnahmen aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen (zur Begrifflichkeit des Gesetzes in seinem alten Bestand s. Niedenführ/Vandenhouten, WEG-Kommentar, 13. Auflage, § 21 WEG Rn. 71, 72 m. w. N.). Die Begrifflichkeit in § 6 Nr. 4 der Gemeinschaftsordnung entspricht dabei diesem gesetzlichen Befund, da nicht erkennbar ist, dass bei der Errichtung der Gemeinschaftsordnung insoweit etwas anderes gewollt war, als vom Gesetzgeber beabsichtigt. Daran fehlt es hier. Die beschluss- und streitgegenständliche Maßnahme geht über diesen Rahmen eindeutig hinaus.

Bereits aus dem Beschlusstext selbst ergibt sich, dass eine neue Aufzugsanlage in die beiden Häuser eingebaut werden soll. Der zur Abstimmung gestellte Beschluss intendiert also nicht Erhaltungsmaßnahmen in Bezug auf die zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung vom 21.10.2019 Anlage in ihrem damaligen Bestand, sondern zielt auf eine neue Herstellung. Diese war auch nicht durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen geboten. Insbesondere vermag das Gericht nicht festzustellen, dass Sicherheitskontrollen durch den TÜV Hessen zu einer erforderlichen Neuerstellung der Aufzugsanlagen geführt hätten, weil anderenfalls der weitere Betrieb der Fahrstühle nicht mehr möglich bzw. öffentlich-rechtlich zulässig gewesen wäre. Zwar ist dem vom Kläger vorgelegten Bescheinigung des TÜV Hessen aufgrund der Kontrolle am 15.11.2018 zu entnehmen, dass die beiden Aufzugsanlagen mangelbehaftet sind. Die festgestellten Mängel wurden jedoch in der Kategorie „1“ bewertet, also als geringfügige Mängel eingeordnet. Der Betrieb der Anlage wurde weder untersagt noch befristet. Auch für die Beseitigung der drei erwähnten Mängel wurde keine konkrete Frist bestimmt, die Prüfbescheinigung spricht insoweit nur von einer unverzüglichen Behebung, die zu erfolgen habe. Die genannten Mängel – austretendes Getriebeöl, Hörbarkeit der Notrufklingel, unzureichend dimensionierte Fahrkorbschütze unterhalb der Fahrkorbschwelle – sind auch nicht hergestellt, dass eine Neuerrichtung der Aufzugsanlagen geboten ist. Diese sind nach dem Stand der mündlichen Verhandlung vom 03.03.2022 auch nicht mehr vorhanden. Denn dort wurde eine jüngere Prüfbescheinigung des TÜV Hessen präsentiert, die als Prüfungstag den 08.10.2021 ausweist und einen ordnungsgemäßen Zustand vermerkt, der den Betrieb der Aufzugsanlage bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung erlaubt (s. BI. 97 ff. der beigezogenen Akte 800 C 3797/21). Dies bedeutet, dass die noch im Jahre 2018 festgestellten geringfügigen Mängel für die Prüforganisation nicht mehr gegeben waren, ohne dass die alten Anlagen durch eine Neuerrichtung ersetzt worden wären.

Somit liegt entweder eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG a.F. oder eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG a.F. vor. Es bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung, in welcher der beiden Kategorien sich die Maßnahme befindet, die mit dem Beschlussantrag zum TOP 3.1 der Versammlung vom 21.10.2019 gemeint war. Denn in beiden Fällen hätte es qualifizierten Mehrheiten bedurft, die bei der Beschlussfassung nicht erreicht worden ist.

Im Hinblick auf die Kostentragungspflicht durch alle Miteigentümer und damit durch ihre Betroffenheit (Beeinträchtigung) im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. wäre die Maßnahme als bauliche Veränderung einstimmig zu beschließen gewesen, im anderen Fall als Modernisierung mit einer doppelt qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile. Ausweislich des Protokolls gab es Gegenstimmen (drei Köpfe bzw. 147,50/1000 MEA), so dass die Einstimmigkeit eindeutig nicht vorlag. Auch die doppelt qualifizierte Mehrheit war nicht erreicht, weil dafür die Zustimmung von wenigstens 750/1000 MEA oder 15 Köpfen der 19 Mitglieder der Eigentümergemeinschaft erforderlich gewesen wäre. Beides ist nicht der Fall gewesen.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass die Beschlussablehnung und entsprechende Verkündung gesetzeskonform erfolgten. Das Gericht kann somit nicht die im Hauptantrag begehrte Ungültigerklärung des Negativbeschlusses sowie die begehrte Feststellung aussprechen, der Beschluss sei gefasst worden.

Gleiches gilt im Ergebnis auch für den hilfsweise gestellten Beschlussersetzungsantrag. Unabhängig davon, dass für die gerichtliche Beschlussersetzung die zum Zeitpunkt Beschlusses der mündlichen Verhandlung geltende Gesetzeslage maßgeblich ist (mithin die seit dem 01.12.2020 geltende Fassung des WEG), kann das Gericht nur dann insoweit tätig werden, wenn die Eigentümergemeinschaft pflichtwidrig über eine notwendige bzw. erforderliche Verwaltungsmaßnahme nicht beschlossen hat. Dies ist hier aber der Fall, weil in derselben Versammlung vom 21.10.2019 die den Sachverhalt hinreichend regelnde Beschlüsse zu den TOP 3.2 und 3.3 gefasst wurden, die auch Bestand haben, wie nachfolgend auszuführen sein wird. Deswegen kommt es auch nicht mehr darauf an, ob dem Gericht eine Entscheidungskompetenz überhaupt zusteht, weil sich der Ermessensspielraum für die Wohnungseigentümer nicht auf „Null“ im Sinne der begehrten Beschlussersetzung reduziert hat, wie aus den eben genannten Beschlüssen unschwer zu entnehmen ist.

Die Anfechtung der Beschlüsse zu den TOP 3.2 und 3.3. bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Beschlüsse widersprechen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Die Klage richtet sich nicht gegen die Maßnahme der Neuerrichtung der beiden Fahrstuhlanlagen in den beiden Gebäuden der Eigentümergemeinschaft. Sie wendet sich lediglich dagegen, dass den insoweit antragstellenden mit Eigentümern die Mehrkosten dafür auferlegt werden, die durch die Ausführung in der nahezu barrierefreien Variante der Fahrstühle entstehen.

Ein solches Vorgehen – Auferlegung der Mehrkosten an diejenigen Eigentümer, die die Mehrkosten verursachenden Varianten der Ausführung einer Modernisierung bzw. baulichen Veränderung begehren – ist nicht zu beanstanden. Denn dadurch wird verhindert, dass mit Eigentümern mit Kosten belastet werden, die für sie und ihren Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nicht notwendig sind. Andererseits wird durch eine Beschlussfassung der vorliegenden Art dem Begehren der antragstellenden Eigentümer Rechnung getragen, indem die Gemeinschaft die Maßnahme antragsgemäß beschließt, durchführt und die Durchführung organisiert. Somit wird das beiderseitige Interesse (einerseits freihalten von übermäßigem Kostenbelastung, andererseits Erstellung eines den Antragstellern zuträglichen Zustandes) letztlich konform behandelt.

Auf diese Art und Weise haben die Eigentümer in den angefochtenen Beschlussfassungen die Intention des Gesetzgebers bei der Neufassung des WEG bereits vor dessen Inkrafttreten berücksichtigt. Denn nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG n.F. kann jeder Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient. Die Errichtung eines nahezu barrierefreien Fahrstuhles gehört zweifelsfrei dazu. Allerdings sieht die Neufassung des Gesetzes vor, dass insoweit die Kosten nur unter den engen Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 WEG n.F. der Gesamtheit der Wohnungseigentümer auferlegt werden können. Liegen diese nicht vor, so sind die Kosten entweder den antragstellenden Miteigentümern aufzuerlegen oder unter denjenigen Miteigentümern zu verteilen, die der baulichen Maßnahme zugestimmt haben. Auch vor dem Hintergrund dieser neuen Gesetzeslage vermag das Gericht nicht festzustellen, dass eine Kostentragungsregelung der hier angegriffenen Art den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung widerspräche. Das Gegenteil ist der Fall. Eine derartige dem Interessenausgleich dienende Kompromisslage, wie sie den beiden angegriffenen Beschlüssen innewohnt, ist eine taugliche und damit ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg gegen die genannten Beschlüsse mit dem Argument wehren, sie seien zu unbestimmt. So hat er schon nicht dargetan, woraus sich eine etwaige Unbestimmtheit der genannten Mehrkostensumme ergeben könnte. Bereits aus dem Beschlusstext ergibt sich, dass sich die darin genannten Beträge aus der Auswertung von Ausschreibungsunterlagen ergeben, wobei konkrete Maßnahmenvarianten genannt sind, die diese Mehrkosten verursachen. Folglich hätte es dem Kläger nach dem entsprechenden Hinweis der beklagten Partei oblegen, seinen Angriff im Rahmen der Beschlussanfechtung näher zu konkretisieren. Dies hatte jedoch nicht getan. Das Gericht vermag auch keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen, warum der Beschlusstext insoweit unbestimmt sein soll, da er konkretisierende Elemente enthält, die jedenfalls eine hinreichend eindeutige Auslegung des Beschlusses ermöglichen.

Da die Klage aufgrund der vorstehenden Erwägungen insgesamt erfolglos bleibt, kommt es auch nicht mehr auf eine Entscheidung über den beklagtenseits erhobenen Vorwurf an, der Kläger habe Teile der Antragstellung und Begründung seines Klagebegehrens außerhalb der Anfechtungs- bzw. Begründungsfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG a.F. nachgeschoben. Diese Frage kann dahingestellt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 111.300,00 Euro festgesetzt.

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