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WEG – Widerrufs- und Unterlassungsanspruch wegen Verwalteranschuldigungen

AG Saarbrücken, Az.: 42 C 182/16, 42 C 182/16 (10), Urteil vom 02.12.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Beklagte ist bei der Firma … beschäftigt, die unter andrem die WEG … verwaltet. Am 17.02.2016 fand im Gasthaus … eine Eigentümerversammlung der WEG statt, die vom Beklagten im Auftrag und in Vollmacht der … geleitet wurde. Die Klägerin ist keine Eigentümerin, sie nahm in Vollmacht zweier Miteigentümer an der Versammlung teil.

Im Vorfeld der Eigentümerversammlung nahm die Beklagte jedenfalls zweimal bei der Verwaltung Einsicht in die Abrechnungsunterlagen.

Gegenstand der Eigentümerversammlung war u.a. die Genehmigung der von der Verwalterin erstellten Gesamt- und Einzelabrechnung 2014. Die Klägerin äußerte hierzu Zweifel daran, dass ein Teil der vom Hausmeister Herr … in Rechnung gestellten Ausgabenpositionen tatsächlich für die Gemeinschaft und nicht für eigene Zwecke des Hausmeister angefallen sind, nämlich eine Benzinrechnung vom 03.01.2014 über 29,84 €, eine Rechnung vom 02.01.2014 über eine Neon-Deckenleute für 29,95 € sowie die Position „Druckpatrone für Computer“ in Höhe von 13,99 € sowie weitere Positionen aus der Handkasse des Hausmeisters.

In dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 17.02.2016 wurde unter TOP 3 folgendes protokolliert:

„Frau … hat mehrfach Einsicht in die Buchhaltungs- und Abrechnungsunterlagen genommen und ist der Auffassung, dass der ehemalige Hausmeister, …, in seiner Handgeldabrechnung private Anschaffungen abgerechnet habe. Der Verwalter verbittet sich solche Unterstellungen, der Hausmeister hat nur Dinge abgerechnet, die auch für das Anwesen waren. Alle anderslautende Behauptungen sind gelogen und entbehren jeder Grundlage.“

Die Klägerin ist der Auffassung, der Vorwurf der Lüge sei geeignet, sie in ihrer Ehre herabzusetzen, da er impliziere, dass sie bewusst wahrheitswidrig falsche Behauptungen bezüglich des Hausmeisters aufstellt.

Ein von den Prozessbevollmächtigen der Klägerin beantragtes Schlichtungsverfahren blieb erfolglos.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, im Protokoll über die nächste Versammlung der Eigentümer des Anwesens … die im Protokoll der Versammlung vom 17.02.2016 unter TOP 3 aufgestellte Behauptung, die von der Klägerin geäußerte Auffassung, der ehemalige Hausmeister, …, hätte in seiner Handgeldabrechnung private Anschaffungen abgerechnet, sei gelogen, zu widerrufen und an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 291,55 € zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten;

hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, im nächsten Protokoll über die Versammlung der Eigentümer des Anwesens … zu erklären, dass er die im Protokoll der Versammlung vom 17.02.2016 unter TOP 3 aufgestellte Behauptung, die von der Klägerin geäußerte Auffassung, der ehemalige Hausmeister, …, hätte in seiner Handgeldabrechnung private Anschaffungen abgerechnet, sei gelogen, nicht mehr aufrecht erhalte und an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 291,55 € zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten;

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, das Benzin sei für die Gemeinschaft gekauft worden. Es befinde sich in zwei Kanistern im Keller. Auch die weiteren Anschaffungen seien für die Eigentümergemeinschaft erfolgt und seien noch vorhanden.

Obwohl die Klägerin nach Erläuterung und Belegeinsicht gewusst habe, wofür die Gelder verwandt wurden und wo sich die gekauften Materialien befanden, wiederholte sie in der Eigentümerversammlung ihre Anschuldigungen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Bezeichnung als Lügner sei im Rahmen der freien Meinungsäußerung zulässig.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine Anspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB auf Widerruf oder Unterlassung der streitgegenständlichen im Protokoll der Eigentümerversammlung protokollierten Äußerungen des Beklagten.

Grundsätzlich ist die Bezeichnung als „Lügner/in“ geeignet in das allgemein Persönlichkeitsrecht in der Form einer Ehrverletzung einzugreifen.

Hier ist der behauptete Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin aber schon deswegen fraglich, weil die protokollierte Äußerung nicht eine Bezeichnung der Klägerin als „Lügnerin“ beinhaltet. Vielmehr hat der Beklagte in dem Protokoll niedergeschrieben, dass „der Hausmeister nur Dinge abgerechnet hat, die auch für das Anwesen waren. Aller anderslautenden Behauptungen sind gelogen und entbehren jeder Grundlage“.

Richtig ist, dass dieser Äußerung des Beklagten die Behauptungen der Klägerin vorausgegangen sind, so dass sich die Reaktion des Beklagten jedenfalls auch auf die Äußerungen der Klägerin bezog. Allerdings ist die Äußerung hier als Gegendarstellung zu den Behauptungen der Klägerin zu sehen, mit dem Inhalt, dass nach dem Dafürhalten des Beklagten die Angaben der Klägerin falsch sind. Durch die Bezeichnung „gelogen“ wird dies überspitz zum Ausdruck gebracht.

Jedenfalls ist die protokolliert Äußerung aber nicht rechtswidrig.

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. EGMR, Urteil vom 7. Februar 2012 – 39954/08, EGMR, K & R 2012, 187 Rn. 89 ff. – Axel Springer AG gegen Deutschland; BGH, GRUR 2013, 94 Rn. 10). Abzuwägen sind danach das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit.

(OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. Januar 2015 – 6 U 156/14 -, Rn. 65, juris)

Die Gerichte haben die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Die sich gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalles in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt. Von Bedeutung ist für die insoweit gebotene Abwägung unter anderem, ob die Äußerung lediglich eine private Auseinandersetzung zur Verfolgung von Eigeninteressen betrifft oder ob von der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage Gebrauch gemacht wird. Handelt es sich bei der umstrittenen Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, so spricht eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>). Allerdings beschränkt sich die Meinungsfreiheit nicht allein auf die Gewährleistung eines geistigen Meinungskampfs in öffentlichen Angelegenheiten und kann Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht auf ein rein funktionales Verständnis zur Förderung einer öffentlichen Debatte mit Gemeinbezug reduziert werden. Vielmehr ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung als subjektive Freiheit des unmittelbaren Ausdrucks der menschlichen Persönlichkeit ein grundlegendes Menschenrecht (vgl. BVerfGE 7, 198 <208>). Die Meinungsfreiheit ist als individuelles Freiheitsrecht folglich auch um ihrer Privatnützigkeit willen gewährleistet und umfasst nicht zuletzt die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität in die Welt zu tragen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass grundsätzlich auch die überspitzte Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f>). Dabei kann insbesondere bei Vorliegen eines unmittelbar vorangegangenen Angriffs auf die Ehre eine diesem Angriff entsprechende, ähnlich wirkende Erwiderung gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 24, 278 <286>). Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, muss eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert (vgl. BVerfGE 12, 113 <131>; 24, 278 <286>; 54, 129 <138>).

(BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. März 2016 – 1 BvR 2844/13 -, Rn. 25, juris).

Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze war hier von einem berechtigten Interesse des Beklagten auszugehen. Seiner Äußerung war die wiederholte Behauptung der Klägerin vorausgegangen, es sei zu Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung des Hausmeisters gekommen. Ungeachtet der Frage, ob das den Tatsachen entspricht, durfte der Beklagte, der selbst behauptet, die Abrechnung sei korrekt, dem Angriff der Klägerin auf die Abrechnung mit einer entgegengesetzten Behauptung begegnen. Hierbei musste die Klägerin aufgrund der Besonderheit der Diskussion im Rahmen einer Eigentümerversammlung, welche gelegentlich durch hohe Emotionalität geprägt sein kann, auch in Kauf nehmen, dass der Beklagte die Behauptungen der Klägerin nicht nur als „falsch“, sondern als „gelogen“ bezeichnet.

Das Protokoll der Eigentümerversammlung gibt hier die sich entgegenstehenden Auffassungen zur Frage, ob die Hausmeisterabrechnung korrekt ist, wieder. Die Klägerin und der Beklagte äußerten sich im Rahmen der Eigentümerversammlung hierzu als Vertreterin zweier Eigentümer und als Vertreter der Verwaltung im Rahmen der Diskussion im Vorfeld zur Abstimmung über die Jahresabrechnung. Dass es hierbei zu einer überspitzen Formulierung seitens des Beklagten gekommen ist, muss die Klägerin ihm Rahmen einer Eigentümerversammlung als Reaktion auf ihre Äußerungen hinnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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