KG – Az.: 1 W 1450/20 und 1 W 1451/20 – Beschuss vom 15.12.2020
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mitte vom 18. September 2020 wird nach einem Wert von 5.000 € mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Eintragungshindernis auch durch die Niederschrift über einen Zustimmungsbeschluss der Eigentümerversammlung oder Zustimmungserklärungen aller übrigen Wohnungseigentümer behoben werden kann. Insoweit wird eine weitere Frist von zwei Monaten gesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Veräußerung der im Beschlusseingang genannten Wohnungs- und Teileigentumsrechte bedarf der Zustimmung des Verwalters. In der als Inhalt des Sondereigentums gebuchten Gemeinschaftsordnung (Nr. III i.V.m. Nr. VI lit. b der UR-Nr. 206/2014 des Notars …) heißt es, die Tätigkeit des Verwalters nach WEG beginne mit der Eintragung der ersten Auflassungsvormerkung in einem der Wohnungsgrundbuchblätter (Bd I Bl. 36, 42 d.A. Blatt …). Unter Nr. IV der UR-Nr. 206/2014 – nicht von der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung erfasst – erklärte der teilende Eigentümer, er bestelle zum ersten Verwalter die … (im Folgenden: V) für die Dauer von drei Jahren, beginnend mit der Eintragung der ersten Auflassungsvormerkung in einem der Wohnungsgrundbuchblätter.
Die erste Auflassungsvormerkung wurde am 25. März 2015 in das Grundbuch eingetragen (Blatt … Abt. II lfd. Nr. 10). Die Beteiligten zu 1) und 2) sind seit dem 26. Juni 2020 als (Bruchteils-) Eigentümer der im Beschlusseingang genannten Rechte gebucht.
Im Juli 2020 haben die Beteiligten unter Bezugnahme auf die Auflassung vom 5. März 2020 (UR-Nr. 119/2020 des Notars …) u.a. beantragt, das Eigentum auf die Beteiligten zu 3) bis 5) umzuschreiben. Beigefügt war eine Zustimmungserklärung der V vom 27. April 2020 (UR-Nr. 242/2020 des Notars …). Mit der angefochtenen Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt den Beteiligten aufgegeben, die Verwalterstellung der V per 27. April 2020 nachzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten nebst Beiakten verwiesen, insbesondere auf Bl. 9/1 bis 9/37 d.A. Blatt … und Bd I Bl. 2 bis 67, 68 bis 92 und 173 bis 180 d.A. Blatt …
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO), jedoch nicht begründet. Die Zwischenverfügung ist gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst und nur um die weiteren in Betracht kommenden Beseitigungsmittel zu ergänzen (vgl. dazu Senat, FGPrax 2018, 101, 102).
Das aufgezeigte Eintragungshindernis besteht. Die dem Grundbuchamt nachzuweisende Auflassung (§ 20 GBO, § 925 BGB) bedarf für ihre Wirksamkeit gemäß § 12 Abs. 1 und 3 S. 1 WEG der Zustimmung des Verwalters. Hierzu muss auch nachgewiesen werden, dass V zum maßgeblichen Zeitpunkt am 27. April 2020 (vgl. BGH, NJW 2013, 299 f.) Verwalter war. Aus der Erklärung des teilenden Eigentümers unter Nr. IV der UR-Nr. 206/2014 ergibt sich das selbst dann nicht, wenn ihr sämtliche Sondernachfolger zugestimmt hätten (vgl. dazu Senat, Rpfleger 2012, 138). Denn die Bestellung der V endete spätestens am 25. März 2018.
V ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossen- schafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27. März 2020 (MG-GesR; BGBl. I, 569, 570) als Verwalter anzusehen. Es kann dahinstehen, ob § 6 Abs. 1 MG-GesR auch Verwalter erfasst, deren Amtszeit bei dem Inkrafttreten des Gesetzes am 28. März 2020 bereits abgelaufen war (vgl. OLG Hamm, MDR 2020, 1370; MünchKomm/Engelhardt, BGB, 8. Aufl., Aktual. 4. Mai 2020, § 26 WEG Rn. 23a ff.; Staudinger/Jakoby, BGB, Bearb. 2018, Aktual. 25. April 2020, § 26 WEG Rn. 114.2 ff.; DNotI-Report 2020, 84; Drasdo, NZM 2020, 426; Elzer, MietRB 2020, 334, der sogar eine Rückwirkung befürwortet). Das gilt jedenfalls nicht für Verwalter, deren Amtszeit schon im Jahr 2018 oder früher endete.
Nach seinem Wortlaut betrifft § 6 Abs. 1 MG-GesR nur Verwalter, die am 28. März 2020 im Amt waren. Unter „bleiben“ wird sowohl nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als auch rechtstechnisch regelmäßig das Beibehalten eines bestehenden Zustands verstanden – hier im Sinn einer Amtsverlängerung. Rechtsgeschäftlich kann eine Organstellung nicht rückwirkend begründet werden (zur Verwalterstellung OLG Hamm, Beschl. v. 19. April 1995 – 15 W 26/95). Allerdings heißt es in den Materialien, § 6 Abs. 1 MG-GesR gelte auch für den Fall, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen sei (BT-Drucks. 19/18110, S. 31). Es bedarf keiner Erörterung, ob der Wille des Gesetzgebers, die Verwalterstellung – ex nunc oder ex tunc (ab dem Ende der Amtszeit) – auch für eine bereits verwalterlose Gemeinschaft zu fingieren, hinreichend Ausdruck gefunden hat. Zumindest im Zusammenhang mit Veräußerungsbeschränkungen sind eindeutige Regelungen geboten, um unrichtige Grundbucheintragungen zu vermeiden (s. die Heilungsvorschrift § 61 WEG a.F. nach BGH, NJW 1991, 1613).
Eine teleologische Erweiterung (vgl. MünchKomm/Engelhardt, a.a.O., Rn. 23b) kommt nur für solche Verwalter in Betracht, deren Amtszeit nach 2018 endete. § 6 Abs. 1 MG-GesR soll die Handlungsmöglichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft erhalten, weil die Beschlussfassung über eine (Neu- oder Wieder-) Bestellung des Verwalters in einer Versammlung der Wohnungseigentümer (§§ 23, 26 WEG) wegen der pandemiebedingten Einschränkungen erschwert ist (vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 3, 5, 17, 20, 31). Lief der Bestellungszeitraum für das Verwalteramt aber bereits im Jahr 2018 ab, steht die „Führungslosigkeit“ in keinem ausreichenden Zusammenhang mit der Beschränkung der Versammlungsmöglichkeiten.
Die Versammlung der Wohnungseigentümer findet regelmäßig mindestens einmal im Jahr statt (§ 24 Abs. 1 WEG); auch die Gesetzesbegründung weist auf die in der Regel jährlich stattfindenden ordentlichen Versammlungen hin (BT-Drucks. 19/18110, S. 3). Die Wohnungseigentümer hatten im Jahr 2019 regelmäßig die (einschränkungslose) Möglichkeit, über die Bestellung eines Verwalters zu beschließen, so dass nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes kein Anlass für ein Wiederaufleben oder den rückwirkenden Fortbestand der erloschenen Amtsstellung besteht. Es ist unerheblich (differenzierend Staudinger/Jakoby, a.a.O., Rn. 114.4) und mit den Mitteln des Grundbuchverfahrens auch nicht festzustellen, aus welchen Gründen die Bestellung eines Verwalters unterblieb. Ebensowenig kommt es auf die Erklärung der V in der UR-Nr. 242/2020 an, sie sei als Verwalter nicht abberufen worden, habe das Amt nicht niedergelegt und nach ihrer Kenntnis sei auch kein anderer Verwalter bestellt worden.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3, § 61 GNotKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 GBO vor.