LG Hamburg – Az.: 318 S 119/11 – Urteil vom 15.02.2012
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 20.04.2011 (Geschäfts-Nr.: 883 C 8/10, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert: Die auf der Eigentümerversammlung vom 02.02.2010 zu TOP 6 a) und 7 gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
I.
Die Parteien bilden die WEG S. D. A, H. und streiten um die Gültigkeit der auf der Eigentümerversammlung vom 02.02.2010 zu TOP 6 a) (Erneuerung des gesamten Dachterrassengeländers), 7 (Verschließen der Abbruchöffnungen der alten Geländerkonstruktion) und 8 (Rückschnitt der Bäume in der Anlage) gefassten Beschlüsse sowie die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten Anfechtungsklage hinsichtlich des zu TOP 6 b) (Sonderumlage) gefassten Beschlusses. Die Klägerin ist die Ehefrau des Inhabers der bis zum 31.12.2009 bestellten WEG-Verwalterin Fa. M. & Co. Seit dem 01.01.2010 wird die Wohnungseigentumsanlage von der Fa. C. Hausverwaltung GmbH verwaltet.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO). Einen Tatbestandsberichtigungsantrag der Klägerin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 31.10.2011 zurückgewiesen.
Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.04.2011 abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigten Teils auferlegt. In den Entscheidungsgründen hat das Amtsgericht ausgeführt, dass hinsichtlich des zu TOP 6 a) gefassten Beschlusses die Darstellung entbehrlich gewesen sei, nach welchem Kostenverteilungsschlüssel die „Gesamtkosten der Sanierung“ verteilt werden sollten. Aus den Beschlüssen zu TOP 6 werde hinreichend klar, dass die Maßnahmen in Höhe von € 10.000,– über eine Sonderumlage und im Übrigen aus vorhandenen Rücklagen finanziert werden sollten. Nicht anders sei der Hinweis der Verwaltung im Rahmen der Erörterungen zu verstehen, dass von der Fa. M. am 26.01.2010 ein Betrag von € 32.619,– auf das neue Verwalterkonto überwiesen worden sei, aber gleichwohl eine Zwischenfinanzierung in Höhe von € 10.000,– per Sonderumlage für die zu TOP 6 a) zu beschließende Sanierung zu beschließen sei. Dass die zusätzliche Sonderumlage überhaupt beschlossen worden sei, unterliege keinen Bedenken.
Nach dem Vortrag der Parteien sei davon auszugehen, dass hinreichende Alternativangebote vorgelegen hätten. Die Klägerin habe ihr anfängliches Bestreiten nicht wieder aufgegriffen, nachdem die Beklagten substantiiert zur Vorgeschichte der Ausschreibung und Angebotseinholung unter Vorlage diverser Angebote vorgetragen hätten. Dass die Angebote der Klägerin vor der Eigentümerversammlung vom 02.02.2010 nicht übersandt worden seien, sie unerheblich, da die Klägerin nur 5 Minuten von der Verwaltung entfernt wohne und dort hätte Einsicht nehmen können.
Ohne Erfolg moniere die Klägerin, dass den Eigentümern neben den Angeboten zur beschlossenen Ausführungsvariante keine solchen über die Ausführung im Sinne der Vorverwaltung, d. h. durch Aufschrauben eines weiteren Geländerteils, vorgelegt worden sei. Die Beklagten seien dem Vortrag der Klägerin dezidiert entgegen getreten, dass diese Ausführungsvariante billiger sei. Zudem sei der Eigentümerversammlung ein erhebliches Ermessen eingeräumt, so dass nicht die kostengünstigste Variante gewählt werden müsse. Die Beklagten hätten vorgetragen und durch Lichtbilder belegt, wie instandsetzungsbedürftig das vorhandene Geländer sei. Bei der von der Klägerin favorisierten Variante sei ein hinreichender Überkletterungsschutz nicht gewährleistet. Dem sei die Klägerin nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten.
Es handele sich bei der Maßnahme um eine modernisierende Instandsetzung und nicht um eine bauliche Veränderung. Die Balkonanlage sei 20 Jahre alt. Bei einem derartigen Alter der Balkonanlage ergebe sich nach allgemeiner Erfahrung, dass die beschlossene umfassende Sanierung ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche. Auch die beschlossene Vergrößerung der Balkone stelle keine bauliche Veränderung dar.
Der zu TOP 7 gefasste Beschluss habe im Zusammenhang mit den Sanierungsbeschlüssen zu TOP 6 a) und b) gestanden. Die Einholung mehrerer Alternativangebote, die hier nicht erfolgt sei, sei zwar grundsätzlich erforderlich, aber hier aufgrund des relativ geringen finanziellen Umfangs der Maßnahme von € 2.400,– überflüssig gewesen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass die dem Angebot der Fa. G. zugrunde liegenden Preise nicht angemessen seien. Aus dem Kontext sei zu entnehmen, dass die Maßnahme entsprechend TOP 6 aus der durch die Sonderumlage von € 10.000,– aufgestockten Rücklage habe finanziert werden sollen.
Der Beschluss zu TOP 8 beinhalte keine unzulässige Kompetenzverlagerung, da nach diesem Beschluss der Gartenausschuss oder die Verwaltung nicht berechtigt sei, Bäume in der Wohnanlage selbst zurückzuschneiden oder aber einen solchen Rückschnitt bei einem Dritten in Auftrag zu geben. Der Gartenausschuss solle lediglich den Baumbestand prüfen und mit der Verwaltung ein Konzept erarbeiten und das weitere Vorgehen abstimmen.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Anfechtung des zu TOP 6 b) gefassten Beschlusses übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, habe ebenfalls die Klägerin die Kosten zu tragen. Ein Einberufungsmangel habe nicht vorgelegen. Die Ankündigung habe auch die Beschlussfassung über die Finanzierung mit umfasst. Die Finanzierung durch eine Sonderumlage habe ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen. Der Beschluss sei bestimmt genug, da sich der auf die einzelnen Eigentümer entfallende Betrag ohne weiteres errechnen lasse. Die Verteilung „nach Quadratmetern gemäß Teilungserklärung“ entspreche trotz der Neuberechnung der Wohnflächen im Jahre 1982 ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Wohnungseigentümer den Kostenverteilungsschlüssel nicht formal abgeändert hätten. Dass die neu ermittelten Wohnflächen in den Folgejahren der Abrechnung zugrunde gelegt worden seien, stelle keine Änderung der Teilungserklärung dar. Zudem sei die Abweichung, die für die Klägerin 0,6 % betrage, letztlich unerheblich. Der beschlossene Kostenverteilungsschlüssel sei eindeutig. Da der Sonderumlagenbeschluss lediglich eine Ergänzung des Wirtschaftsplanes darstelle und es sich um eine Prognoseentscheidung handele, seien in bestimmten Konstellationen auch Unschärfen bei der Auswahl des Kostenverteilungsschlüssels hinzunehmen. Der Eigentümer sei dadurch nicht schutzlos gestellt, da die endgültige Kostenverteilung in der Jahresabrechnung zu erfolgen habe.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27.04.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 27.05.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.07.2011 aufgrund des am 22.06.2011 eingegangenen Antrags mit einem am 26.07.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Klägerin trägt vor, dass es hinsichtlich der Erneuerung des Balkongeländers an einer ordnungsgemäßen Finanzierungsregelung fehle. Aus dem Beschluss ergebe sich nicht, dass die Maßnahme in Höhe von € 10.000,– aus einer Sonderumlage und im Übrigen aus dem von der Vorverwaltung überwiesenen Guthaben von € 32.619,– habe finanziert werden sollen. Insbesondere sei unklar gewesen, ob es sich bei dem Betrag um den Rücklagenbestand oder rücklagenfreies Verwaltungsvermögen oder die Summe aus beidem gehandelt habe. Nach der Wohngeldabrechnung 2009 habe der Rücklagenbestand lediglich € 13.259,08 betragen. Die Kosten der zu TOP 6 a) und 7 beschlossenen Maßnahmen hätten sich demgegenüber auf € 31.000,– belaufen. Die Beschlussfassung sei intransparent, da Vergleichsangebote den Eigentümern nicht rechtzeitig vor der Versammlung vorgelegen hätten. Sie habe ihr Bestreiten entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts nach Vorlage der Angebote durch die Beklagten (Schriftsatz vom 10.11.2010) mit ihrem Schriftsatz vom 17.11.2010 nicht etwa aufgegeben, sondern ausdrücklich aufrecht erhalten. Sofern das Amtsgericht dies habe anders verstehen wollen, hätte es eines Hinweises (§ 139 ZPO) bedurft. Die Angebote seien nicht von der Vorverwaltung bereits im Jahre 2009 eingeholt worden, sondern an den Architekten N. andressiert gewesen und nicht in den Besitz der Vorverwaltung bzw. ihres Ehemannes gelangt. Der Architekt N. habe auf Grundlage der Angebote lediglich einen Preisspiegel erstellt.
Sie habe nicht nur damit argumentiert, dass die von ihr bevorzugte Ausführungsvariante kostengünstiger sei, sondern auch damit, dass diese technisch gleichwertig mit der beschlossenen Maßnahme sei. Ihr Sanierungsvorschlag, der Kosten von nur € 8.500,– beinhalte, nehme auf die Sanierungsbedürftigkeit des Dachterrassengeländers (auf die Balkongeländer beziehe sich die Beschlussfassung nicht) Rücksicht.
Bezüglich der Anfechtung des zu TOP 7 gefassten Beschlusses verweise sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie die in der Berufung zur Beschlussfassung zu TOP 6 a) gefassten Rügen.
Im Hinblick auf TOP 8 liege eine unzulässige Kompetenzverlagerung vor. Der Beschluss sei so zu verstehen, dass zunächst ein Gutachten über den Baumrückschnitt habe erstellt werden sollen und dann der Baumrückschnitt in Abstimmung mit den Mitgliedern des Gartenausschusses vorgenommen werde. Jedenfalls habe sie nach dem Wortlaut des Beschlusses davon ausgehen dürfen.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Anfechtung des Sonderumlagenbeschlusses zu TOP 6 b) übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, hätte das Amtsgericht den Beklagten die Kosten auferlegen müssen. Durch die Aufhebung des Beschlusses hätten sich die Beklagten freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben. Es gebe keine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum am 02.02.2010 nicht der im Zweitbeschluss genannte Kostenverteilungsschlüssel habe genannt werden können und sich der Beschluss dazu habe verhalten können, ob die Sonderumlage der Auffüllung der Rücklage diene oder nicht. Es sei nicht einzusehen, warum ihr eine höhere Liquidität abgefordert worden sei als geschuldet. Dies ergebe sich im Übrigen auch nicht aus dem Zweitbeschluss. Aufgrund der Unklarheit der Zuordnung der Rücklage habe auch keine Heilungsmöglichkeit durch die Jahresabrechnung bestanden.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 20.04.2011 (Geschäfts-Nr.: 883 C 8/10) abzuändern und die auf der Eigentümerversammlung vom 02.02.2010 zu TOP 6 a), 7 und 8 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, dass die Maßnahme aus der vorhandenen Liquidität der Gemeinschaft habe finanziert werden können, aber eine Sonderumlage von € 10.000,– beschlossen worden sei, um die Liquidität nicht vollständig aufzuzehren. Es habe in dem Beschluss keine Zuordnung zu einem bestimmten „Topf“ bedurft. Die endgültige Abrechnung erfolge durch die Jahresabrechnung. Die Alternativangebote hätten auf der Versammlung vom 02.02.2010 vorgelegen. Diese seien bereits im Jahre 2009 durch den Ehemann der Klägerin eingeholt worden. Muster der beiden Ausführungsvarianten seien gemäß dem Rundschreiben vom 25.01.2010 (Anl. B 2 a) bei der Verwaltung ausgestellt gewesen. Das weitere Bestreiten der Angebotseinholung und -vorlage durch die Klägerin sei unerheblich gewesen, da die Klägerin die von ihr in der Klagerwiderung hierzu behaupteten Tatsachen nicht ausdrücklich bestritten habe. Sämtliche Ausführungen der Klägerin zum Entscheidungsermessen seien außerhalb der Klagebegründungsfrist erfolgt und daher materiell-rechtlich ausgeschlossen. Zudem habe die Eigentümerversammlung ihr Ermessen auch fehlerfrei ausgeübt, da es sich um eine Maßnahme der modernisierenden Instandsetzung gehandelt habe.
Hinsichtlich der Anfechtung des zu TOP 7 gefassten Beschlusses habe das Amtsgericht zu Recht ausgeführt, dass die Einholung von Alternativangeboten angesichts des geringen Leistungsumfangs kein Selbstzweck sei. Dass die Kosten unangemessen hoch seien, mache die Klägerin auch in der Berufungsbegründung nicht geltend.
Der zu TOP 8 gefasste Beschluss sei so auszulegen, dass lediglich die Meinungsbildungs- und nicht die Ausführungsebene habe erfasst werden sollen. Ansonsten wäre beschlossen worden, wer mit den Baumrückschnittarbeiten beauftragt werde, und zudem ein Kostenrahmen beschlossen worden.
Soweit die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Anfechtung des zu TOP 6 b) gefassten Beschlusses übereinstimmend für erledigt erklärt hätten, hätten sie sich durch den Zweitbeschluss nicht freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben. Der Wohnungseigentümergemeinschaft stehe es frei, einen angefochtenen Beschluss aus Gründen der Rechtssicherheit noch einmal zu fassen. Zudem sei die Abweichung zwischen der tatsächlichen und der in der Teilungserklärung vorgegebenen Fläche der Klägerin mit 0,6 % äußerst gering.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Die auf der Eigentümerversammlung vom 02.02.2010 zu TOP 6 a) und 7 gefassten Beschlüsse sind für ungültig zu erklären, da sie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) widersprechen. Dies gilt jedoch nicht für den zu TOP 8 gefassten Beschluss. Insoweit ist die Berufung unbegründet. Soweit die Parteien erstinstanzlich den Rechtsstreit hinsichtlich der Anfechtung des zu TOP 6 b) gefassten Beschlusses übereinstimmend für erledigt erklärt haben, sind die Kosten von den Beklagten zu tragen.
1.
Der zu TOP 6 a) gefassten Beschluss entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Verwalterin der Klägerin trotz deren vor der Eigentümerversammlung geäußerten Anfrage nicht darüber informiert hat, dass Vergleichsangebote eingeholt worden seien, und die Vergleichsangebote nicht in Kopie an die Klägerin übermittelt hat bzw. sie auf die Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen verwiesen hat.
Die Kammer hat nur die Einwände der Klägerin zu berücksichtigen, die sie – jedenfalls im wesentlichen Kern (BGH NJW 2009, 999) – innerhalb der Klagebegründungsfrist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 WEG) vorgetragen hat. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin die fehlende Einholung von Vergleichsangeboten gerügt und damit im wesentlichen Kern, dass ihr diese vor der Beschlussfassung auf der Eigentümerversammlung vom 02.02.2010, auf der sie sich vertreten ließ, nicht bekannt waren.
a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin den zu TOP 6 a) getroffenen Sanierungsbeschluss mit Erfolg mit dem Argument hätte angreifen können, dass die Finanzierung der beschlossenen Maßnahme nicht ordnungsgemäß geregelt sei, obwohl die Finanzierung Gegenstand einer gesonderten Beschlussfassung war (TOP 6 b)). Denn die Wohnungseigentümer haben den zu TOP 6 b) gefassten Beschluss auf der Eigentümerversammlung vom 15.06.2010 zu TOP 8 ausdrücklich aufgehoben, einen Zweitbeschluss über die Finanzierung gefasst und den hiesigen Rechtsstreit hinsichtlich der Anfechtung des zu TOP 6 b) gefassten Beschlusses übereinstimmend für erledigt erklärt. Zwar sind die Beschlüsse über den Austausch des Dachterrassengeländers und die Finanzierung der Maßnahme inhaltlich untrennbar miteinander verknüpft. Jedenfalls bei einer größeren Instandsetzungsmaßnahme müssen die Eigentümer mit über die Finanzierung beschließen (OLG München, ZMR 2008, 233; Bärmann-Merle, WEG, 11. Auflage, § 21 Rdnr. 90; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Auflage, § 21 Rdnr. 77). Fehlt ein solcher Beschluss ganz oder ist er auf Anfechtung für ungültig zu erklären, widerspricht auch der Sanierungsbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung, weil dieser nicht ohne Finanzierungsregelung alleine stehen bleiben kann. Vorliegend ist der Zweitbeschluss vom 15.06.2010 über die Finanzierung der Maßnahme jedoch – wie sich aus dem Hinweis des Amtsgerichts im Termin vom 13.10.2010 (Protokoll Seite 2) ergibt – nicht angefochten worden und daher bestandskräftig geworden. Eine inzidente Prüfung, ob der bestandskräftige Zweitbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, hat im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht stattzufinden.
b) Der zu TOP 6 a) gefasste Beschluss ist jedoch für ungültig zu erklären, weil jedenfalls der Klägerin nicht – wie dies erforderlich gewesen wäre – zum Zeitpunkt der Beschlussfassung mehrere Vergleichsangebote vorlagen. Die Klägerin hat ihr diesbezügliches Bestreiten nicht aufgegeben, sondern mit Schriftsatz vom 17.11.2010 ausdrücklich auf ihre Anfrage an die Verwalterin mit E-Mail vom 24.01.2010 (Anl. K 19) hinsichtlich der Übersendung von Vergleichsangeboten hingewiesen und erklärt, dass es bei ihrem bisherigen Vortrag bleibe.
Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die Vergabe eines Auftrags zur Durchführung von größeren Instandsetzungsarbeiten ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht, wenn der Verwalter nicht mehrere Konkurrenzangebote eingeholt hat (BayObLG, ZMR 2002, 689; Bärmann-Merle, § 21 Rdnr. 28; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 21 Rdnr. 69). Zwar ist nicht zu verkennen, dass der angefochtene Beschluss zu TOP 6 a) nach seinem Wortlaut (noch) nicht die Auftragsvergabe an eine bestimmtes Unternehmen enthielt, auch wenn die Durchführung einer bestimmten Sanierungsmaßnahme beschlossen wurde. Allerdings sieht der angefochtene Beschluss einen Kostenrahmen für die Sanierungsmaßnahme vor (ca. € 28.000,-) und um diesen bestimmen zu können, bedurfte es der Einholung von Angeboten. Um ihr Ermessen als Wohnungseigentümerin ausüben zu können, musste die Klägerin vor der Beschlussfassung zumindest die Möglichkeit haben, Kenntnis vom Inhalt der Vergleichsangebote zu nehmen. Die Klägerin hat die Verwaltung mit E-Mail vom 24.01.2010 (Anl. K 19) um die Übersendung von Angebotskopien gebeten „soweit vorhanden“. Aus dem Schweigen der Verwalterin durfte die Klägerin den Schluss ziehen, dass keine Vergleichsangebote zu den Beschlussgegenständen zu TOP 6, 7 und 8 existierten. Bittet ein Wohnungseigentümer den WEG-Verwalter vor einer Eigentümerversammlung um die Übersendung von Kopien eingeholter Vergleichsangebote, soweit solche vorhanden seien, darf der Verwalter die Anfrage nicht unbeantwortet lassen. Auf die Frage, ob die Klägerin gegenüber der Verwalterin einen Rechtsanspruch auf Übersendung von Angebotskopien gehabt hätte oder sich auf eine Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen hätte verweisen lassen müssen, kommt es nicht an, wenn wie hier aufgrund der Formulierung der Anfrage („soweit vorhanden“) und des Schweigens des Verwalters darauf der Eindruck bei der Klägerin entstehen konnte, es seien keine Vergleichsangebote vorhanden. Daher hatte die Klägerin auch keinen Anlass, die nahe ihrem Wohnsitz gelegenen Geschäftsräume der Verwalterin aufzusuchen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei der Klägerin um die Ehefrau des Inhabers der bis zum 31.12.2009 amtierenden WEG-Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft handelte. Selbst wenn die vormalige WEG-Verwalterin bereits die Vergleichsangeboten teilweise eingeholt haben sollte (was aus deren Adressierung nicht erkennbar ist), folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die Klägerin Kenntnis von der Existenz und dem Inhalt der Vergleichsangebote hatte. Ob die Vergleichsangebote zur Einsicht bei den Verwaltungsbeiräten bereit gelegen hätte, wie die Beklagten behaupten, kann dahinstehen, da die Klägerin davon keine Kenntnis gehabt hätte, da die Verwaltung ihr dies auf ihre Anfrage hin nicht mitgeteilt hat und sich dies auch nicht aus der Einladung vom 18.01.2010 zur Eigentümerversammlung vom 02.02.2010 ergab (Anl. K 3).
2.
Der zu TOP 7 gefasste Beschluss widerspricht schon deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung, weil der zu TOP 6 a) gefassten Sanierungsbeschluss für ungültig erklärt worden ist. Das Verschließen der Abbruchöffnungen der alten Geländerkonstruktion erscheint nur sinnvoll, wenn die alte Geländerkonstruktion auch wirklich abgebrochen wird. Da der dies vorsehende Beschluss für ungültig zu erklären ist, widerspricht der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung.
Im Übrigen folgt die Kammer dem Amtsgericht nicht darin, dass der Beschluss die Finanzierung der Maßnahme nicht mit regeln musste. Der Betrag von € 3.000,– erscheint nicht so niedrig, dass es sich um eine Bagatellreparatur handelte, die ohne weiteres aus dem Verwaltungsvermögen bestritten werden konnte. Eine Bezugnahme auf die Finanzierungsregelung für die zu TOP 6 a) beschlossene Instandsetzungsmaßnahme ist dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 06.02.2010 nicht zu entnehmen.
Zudem fehlt es an der Einholung von Alternativangeboten. Da die Verwaltung ohnehin wegen des Austauschs des Balkongeländers mehrere Vergleichsangebote einholten musste, ist kein Grund dafür ersichtlich, warum dies nicht auch für das Verschließen der Abbruchöffnungen des alten Geländers geltend sollte. Jedenfalls bei der Anfechtung des Beschlusses vor Durchführung der Arbeiten bedarf es nicht der Darlegung durch den Kläger, dass das (einzige) Angebot, das Gegenstand der Beschlussfassung war, überhöht sei. Dies ist lediglich für einen etwaigen Schadensersatzanspruch gegen die WEG-Verwaltung relevant.
3.
Der zu TOP 8 gefasste Beschluss über die Einsetzung eines Gartenausschusses bezüglich des Rückschnitts der Bäume in der Anlage entspricht dagegen ordnungsgemäßer Verwaltung.
Der Beschluss ist auszulegen, ob dieser lediglich die nicht zu beanstandende Gründung eines Gartenausschusses als Hilfsgremium der Verwaltung vorsah, der die Bäume begutachten und zusammen mit der Verwaltung ein Konzept ermitteln sollte, dass den Wohnungseigentümern zur Beschlussfassung vorzulegen war, oder ob der Beschluss die unzulässige Übertragung der Entscheidungskompetenz über den Baumrückschnitt von der Eigentümerversammlung auf einen Gartenausschluss und die Verwaltung beinhaltete (vgl. zur unzulässigen Kompetenzübertragung auf den Verwaltungsbeirat oder einen Ausschuss Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, § 21 Rdnr. 66).
Die Kammer legt den Beschluss im erstgenannten Sinne aus. Beschlüsse sind „aus sich heraus“ objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten ankommt. Maßgebend sind dabei der Wortlaut und die Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses, wenn sie nach den Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH NJW 1998, 3713, 3714; HansOLG, ZMR 2008, 225; Bärmann-Merle, § 23 Rdnr. 53).
Nach dem Wortlaut des Beschlusses („die weitere Vorgehensweise mit diesen abstimmen“) hatten Verwalter und Gartenausschuss nicht ausdrücklich die Befugnis, den Umfang des Baumrückschnitts eigenverantwortlich festzulegen und die Arbeiten auf Kosten der Gemeinschaft zu beauftragen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift „Beschluss über den Rückschnitt der Bäume der Anlage“. Hätte der Beschluss die Entscheidungskompetenz über den Rückschnitt der Bäume auf den Gartenausschuss und die Verwalterin verlagern wollen, wäre ein Kostenrahmen für die Beauftragung und die Finanzierung mitgeregelt worden. Da weder dies erfolgt ist, noch das zu beauftragende Unternehmen vorgegeben wurde, handelt es sich bei der nach Vorlage des Konzepts mit der Verwaltung abzustimmenden Vorgehensweise lediglich um die Vorbereitung eines Beschlussantrages für die Eigentümerversammlung ggfs. nach Einholung von Vergleichsangeboten durch die Verwaltung.
Aufgrund dessen bedarf keiner Entscheidung, ob sich der auf der Eigentümerversammlung vom 09.06.2011 zu TOP 10 gefasste Beschluss hinsichtlich der Anfrage der Nachbargemeinschaft für den Rückschnitt der Bäume an der Grundstücksgrenze auf den angefochtenen Beschluss bezog.
4.
Die anteiligen, auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil der Klage entfallenden Kosten haben gem. § 91 a ZPO nach billigem Ermessen die Beklagten zu tragen. Bei streitiger Fortsetzung wäre der zu TOP 6 b) gefasste Finanzierungsbeschluss für ungültig zu erklären gewesen, da der zu TOP 6 a) gefasste Sanierungsbeschluss – wie bereits oben ausgeführt – ordnungsgemäßer Verwaltung widersprach. Der Beschluss über Finanzierung einer Maßnahme entspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn auch ein Beschluss über die Durchführung der Sanierungsmaßnahme gefasst wird und dieser Beschluss nicht zugleich mit der Entscheidung über die Anfechtung des Finanzierungsbeschlusses für ungültig erklärt wird.
Bedenken an der Ordnungsmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen zudem, weil nicht klargestellt ist, ob die Kosten aus der Instandhaltungsrücklage oder dem rücklagenfreien Gemeinschaftsvermögen gedeckt werden sollen. Die Gemeinschaft durfte nicht lediglich beschließen, die Kosten aus dem Betrag von € 32.619,– zu bestreiten, die von der Vorverwaltung und die Verwalterin überwiesen worden waren. Denn zur ordnungsgemäßen Verbuchung der Ausgabe sowie zur Erstellung der Jahresabrechnung musste die Verwalterin wissen, in welcher Höhe die Instandhaltungsrücklage für die Auswechslung des Dachterrassengeländers in Anspruch genommen werden sollte und in welcher Höhe die Kosten aus rücklagenfreiem Gemeinschaftsvermögen bestritten werden sollten. Dies lässt die Beschlussfassung jedoch offen. Daran ändert sich auch nichts, wenn man den Beschlusswortlaut zu Gunsten der Beklagten so ausgelegt, dass die Sanierungskosten in Höhe von € 10.000,– aus der beschlossenen Sonderumlage bezahlt werden sollten, obwohl diese nur „eine Zwischenfinanzierung“ darstellen sollte. Die Entscheidung darüber, ob die Kosten primär aus der Instandhaltungsrücklage oder primär aus dem rücklagenfreien Verwaltungsvermögen oder zu gleichen Anteilen aus beiden „Töpfen“ entnommen werden sollten, konnte die Eigentümerversammlung nur selbst treffen und nicht wirksam der Verwaltung überlassen.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Der Unterliegensanteil der Klägerin ist mit 4 % relativ geringfügig. Durch die Anfechtung auch des zu TOP 8 gefassten Beschlusses wurden keine besonderen Kosten ausgelöst.
Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da die Kammer die Revision gegen dieses Urteil nicht zulässt und die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 62 Abs. 2 WEG ausgeschlossen ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.