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WEG – Zulässigkeit abstrakter Kostenregelungen für künftige Maßnahmen

AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 38/19 – Urteil vom 15.05.2020

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 3a) über die Genehmigung der Einzelabrechnung des Wirtschaftsjahres 2018 (Druckdatum 24.07.2019) wird insoweit für ungültig erklärt, als darin der auf die Eigentümer entfallende Anteil für die Instandhaltungsrücklage nach Gesamt- und Einzelmiteigentumsanteilen umgelegt worden ist.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 5) über die Kostentragung der Balkonbelagsarbeiten wird insoweit für ungültig erklärt, als er lautet: „Die übrigen Eigentümer tragen die Kosten ihrer jeweiligen Balkone zukünftig ebenfalls selbst.“

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags geleistet hat.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse einer Eigentümerversammlung.

Der Kläger – dem nach der notariellen Teilungserklärung vom 18.04.2000 (Anlage K4) ein Miteigentumsanteil für seine Wohnung von 911/10.000stel zusteht – und die Beklagten sind Mitglieder der …. In der Eigentümerversammlung vom 24.09.2018 wurde zu TOP 2 (vgl. Protokoll, Anlage B1) bestandskräftig beschlossen, dass eine Oberbelagserneuerung an den Balkonen von zwei Wohnungen im Objekt in der Holzvariante durchgeführt wird. Dazu heißt es: „(…) Die Verwaltung erhält Auftrag und Vollmacht in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat Angebote einzuholen und den Auftrag unter Berücksichtigung der statischen Unbedenklichkeit bis max. brutto 13.000,- € zu erteilen. Zur Finanzierung wird eine Sonderumlage in Höhe von 13.000,- € verteilt nach Quadratmetern, welche nur von den Balkoneigentümern zu tragen sind, mit Fälligkeit zum 01.11.2018 erhoben. (…)“ In der in Rede stehenden Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst (vgl. Protokoll, Anlage K2):

– zu TOP 3a) wurde die Gesamt- und Einzelabrechnung des Wirtschaftsjahres 2018 (mit Druckdatum vom 24.07.2019) genehmigt. Die Einzelabrechnung betreffend die Einheit des Klägers (vgl. Anlage K3) sieht für die „Rücklagenbildung“ einen Anteil des Klägers von 911/10.000stel Miteigentumsanteile auf den Betrag von 20.000,00 € „Zuführung zur inst. Rückl. Gebäu“ (1.822,00 €) vor.

– zu TOP 3c) wurde die Entlastung der Verwaltung für das Wirtschaftsjahr 2018 beschlossen.

– zu TOP 5) – „Diskussion und Beschlussfassung die Kostentragung für die anstehenden Balkonbelagsarbeiten den jeweiligen Balkoneigentümern aufzuerlegen unter Einhaltung der Statik und Bauvorschriften und Sorgfaltspflicht“ – heißt es im Protokoll:

„Hierzu hatte die Gemeinschaft bereits einen Beschluss gefasst, dass die Balkonbeläge der Miteigentümer (…) auf Kosten der Gemeinschaft bis max. 13.000,- € instandgesetzt werden.

Die Eigentümer wollen eine grundsätzliche Kostentragung auf die Balkon-Eigentümer für die Balkonbelagsarbeiten festlegen. Die … weist auf die Ausführungen des … und die möglicherweise fehlende Beschlusskompetenz der Gemeinschaft hin. Inwieweit ein solcher Beschluss rechtskräftig gefasst werden kann ist unklar. Dennoch wünscht die Gemeinschaft folgende Abstimmung:

Antrag:

Der Beschluss zur Tagesordnungspunkt 2 der Eigentümerversammlung vom 24.09.2018 wird aufgehoben. Die Beauftragung und Kostentragung der aktuellen Balkonbelagsarbeiten liegt bei den entsprechenden Eigentümern (…). Die übrigen Eigentümer tragen die Kosten ihrer jeweiligen Balkone zukünftig ebenfalls selbst. Bei der Instandsetzung ist die Statik unbedingt zu berücksichtigen. Die Metallkonstruktion der Balkone ist hiervon nicht betroffen, sondern weiterhin von der Gemeinschaft instand zu halten.

Mit seiner am 02.10.2019 bei Gericht eingegangenen, den Beklagten am 15.10.2019 zugestellten und mit Schriftsatz vom Montag, d. 04.11.2019 – Eingang bei Gericht am selben Tag per Fax – begründeten Anfechtungsklage macht der Kläger geltend, dass er die Feststellung der Ungültigkeit der beiden Beschlüsse zu TOP 3a) und 5 begehre. Der für die Verteilung der Rücklagenbildung verwendete Schlüssel in seiner Einzelabrechnung (TOP 3a) entspreche nicht den Vorgaben der Teilungserklärung vom 18.04.2004 (Anlage K4), welche – was unstreitig ist – in § 12 Ziff. 2a) vorsehen, dass die Bewirtschaftungskosten (wozu auch die Kosten der Instandhaltung und -setzung gemäß § 7 Abs. 3 gehörten) unter den Eigentümern nach der Wohn-/Nutzfläche gemäß Anlage 1 zu verteilen seien. Die relevante Gesamtfläche in der WEG betrage nach einer Neuvermessung nunmehr 2.010,22 m2 und die Fläche seiner Einheit 158,86 m2 (vgl. Anlage K5). Daraus ergebe sich ein auf die Instandhaltungsrückstellung zu leistender Anteil von lediglich 1.580,66 €. Der Beschluss zu TOP 5 widerspreche – teilweise – den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da er entgegen den Vorgaben in § 16 Abs. 4 WEG eine vom Gesetz abweichende Regelung auch für die Zukunft enthalte. Dafür fehle der Eigentümerversammlung die nötige Beschlusskompetenz.

Mit weiterem Schriftsatz vom 09.01.2020 bringt der Kläger vor, dass der Beschluss zu TOP 5 jedenfalls mangels hinreichender Bestimmtheit für ungültig zu erklären wäre. Dieser regele den Inhalt der Beauftragung nicht; eine Bezugnahme auf ein konkretes Angebot fehle. Es sei auch nicht geregelt, ob nur Ausbesserungs-/Reparaturmaßnahmen davon erfasst sein sollen oder eine vollständige Ersatzbeschaffung. Mit diesem Beschluss könne auch „jeder machen was er wolle“.

Ursprünglich hat der Kläger mit seinem Klageantrag zu 1) begehrt, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 3a) über die Genehmigung der Einzelabrechnung des Wirtschaftsjahres 2018 (Druckdatum 24.07.2019) insoweit für ungültig zu erklären, als darin der auf ihn entfallende Anteil für die Instandhaltungsrücklage nach Gesamt- und Einzelmiteigentumsanteilen umgelegt worden ist. Auf den Hinweis des Gerichts gemäß Beschluss vom 09.04.2020, dass der Antrag nur dann zulässig wäre, wenn der Kläger seine Klage gegen alle Einzelabrechnungen richtet, hat der Kläger seinen Klageantrag mit Schriftsatz vom 23.04.2020 „klargestellt“.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 3a) über die Genehmigung der Einzelabrechnung des Wirtschaftsjahres 2018 (Druckdatum 24.07.2019) insoweit für ungültig zu erklären, als darin der auf die jeweiligen Miteigentümer entfallende Anteil für die Instandhaltungsrücklage nach Gesamt- und Einzelmiteigentumsanteilen umgelegt worden ist;

2. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 5) über die Beauftragung und Kostentragung der Balkonbelagsarbeiten insoweit für ungültig zu erklären, als den Eigentümern die zukünftigen Instandsetzungskosten ihrer Balkonbelagsarbeiten selbst auferlegt werden;

3. den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 3c) über die Entlastung des Verwalters für das Wirtschaftsjahr 2018 insoweit für ungültig zu erklären, als in der Einzelabrechnung des Wirtschaftsjahres 2018 (Druckdatum 24.07.2019) der auf den Kläger entfallende Anteil für die Instandhaltungsrücklage nach Gesamt- und Einzelmiteigentumsanteilen umgelegt worden ist.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie machen geltend, dass der Beschluss zu TOP 5 lediglich um eine abweichende Kostenverteilungsregelung im Einzelfall regele, die die „aktuellen“ Balkonbelagsarbeiten betreffe; das sei den Eigentümern auch bekannt gewesen. Eine Regelung für die Zukunft sei nicht getroffen worden und die laufenden Maßnahmen – Austausch der Holzbohlen – seien jeweils absolut gleichwertig. Zudem seien die Bodenbeläge auf den Balkonen dem Sondereigentum zugewiesen. Im Übrigen nehme der Beschluss zu TOP 5 auch Bezug auf den Beschluss vom 24.09.2019 zu TOP 2. Der Beschluss zu TOP 3a) sei nicht zu beanstanden. Etwaig veränderte Flächen seien weder durch Beschluss festgestellt noch dinglich umgesetzt worden; die Teilungserklärung sei unverändert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Verlauf des Rechtsstreits zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1. Soweit der Kläger mit seinem Klageantrag zu 2) begehrt, den Beschluss vom 03.09.2019 zu TOP 5 – lediglich – für ungültig erklären zu lassen, als damit den Eigentümern die zukünftigen Instandsetzungskosten ihrer Balkonbelagsarbeiten selbst auferlegt werden, ist die Anfechtungsklage zulässig. Zwar richtet sich diese nur gegen einen Teil des Beschlusses, dieser ist aber selbständig und abtrennbar. Die Eigentümer haben damit zwar nicht nur über die zukünftige Verteilung der Instandsetzungskosten der Balkonbelagsarbeiten Beschluss gefasst, sondern etwa auch über die Aufhebung des Beschlusses vom 24.09.2018 und die Beauftragung und Kostentragung der aktuellen Balkonbelagsarbeiten. Dabei handelt es sich aber um abtrennbare Teile im Lichte von § 139 BGB (vgl. zur Anwendbarkeit BGH, NZM 2012, 566, 567, Tz. 10 und 18). Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, ein teilweise nichtiges Rechtsgeschäft nach Möglichkeit im Übrigen aufrechtzuerhalten, wenn dies dem tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen entspricht (BGH, a.a.O., Tz. 13). Das setzt im wohnungseigentumsrechtlichen Kontext die Teilbarkeit des angefochtenen Beschlusses voraus, die hier gegeben ist. Die Eigentümer haben ersichtlich sowohl über bereits in der Vergangenheit liegende Sachverhalte entschieden (Aufhebung des Beschlusses vom 24.09.2018) als auch über solche, die andauern („aktuelle“ Balkonbelagsarbeiten) oder in der Zukunft liegen („zukünftige“ Verteilung der Kosten für solche Arbeiten). Der unbeanstandet gebliebene Teil kann allein sinnvollerweise Bestand haben und es ist anzunehmen ist, dass ihn die Wohnungseigentümer auch allein so beschlossen hätten (s. BGH, a.a.O., Tz. 15).

Die Sachurteilsvoraussetzungen sind auch betreffend den Klageantrag zu 1) mittlerweile gegeben. Soweit der Kläger ursprünglich beantragt hatte, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 3a) nur insoweit für ungültig zu erklären, als darin der auf ihn entfallende Anteil für die Instandhaltungsrücklage nach Gesamt- und Einzelmiteigentumsanteilen umgelegt worden ist, hat er diesen Antrag mit seinem Schriftsatz vom 23.04.2020 „klargestellt“ und richtet seine Klage nunmehr gegen sämtliche Einzelabrechnungen. Insoweit handelt es sich entgegen der Meinung der Beklagten nicht um eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern um eine klarstellende Präzisierung des prozessualen Begehrens. Ursprünglich war der Klageantrag zu 1) unzulässig, weil sich die Anfechtung eines Beschlusses über eine Jahresabrechnung nur gegen alle Einzelabrechnungen, nicht aber nur gegen eine Einzelabrechnung richten darf (vgl. dazu etwa BGH, NJW-RR 2017, 263, 264, Tz. 7; NJW 2011, 1346, 1347, Tz. 10; KG, NJW-RR 1996, 844, 846; AG Saarbrücken, ZMR 2012, 489; Jennißen, in: Jennißen, WEG, 6. Aufl. 2019, § 28 WEG, Rn. 152a; Jennißen, Die Verwalterabrechnung nach dem WEG, 7. Aufl. 2013, Rz. 986; Engelhardt, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, WEG, § 28, Rn. 90; Spielbauer, in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl. 2017, § 28, Rn. 85; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 28, Rn. 139; Riecke/Schmid, WEG, 5. Auflage 2019, § 28 WEG, Rn. 164, § 46, Rn. 41). Das prozessuale Begehren des Klägers ist der Auslegung zugänglich. Infolge des mit Beschluss des Gerichts vom 09.04.2020 erteilten Hinweises – und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung – hat der Kläger seinen Klageantrag zu 1) „klargestellt“ und damit deutlich gemacht, dass es seinem tatsächlichen Willen entspricht, sämtliche Einzelabrechnungen (teilweise) für ungültig erklären zu lassen. Das führt nicht zu einer Änderung der Klage; es bleibt beim ursprünglich angekündigten Antrag,

2. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 03.09.2019 zu TOP 3a) widerspricht, soweit er vom Kläger – zulässigerweise – nur in Bezug auf die Ausweisung der Instandhaltungsrücklage in sämtlichen Einzelabrechnungen angefochten worden ist, den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Kläger hat innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WEG den – zutreffenden – Einwand erhoben, dass die Verteilung der auf die Instandhaltungsrückstellung entfallenden Beträge in den Einzelabrechnungen nach Miteigentumsanteilen nicht dem geltenden bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel entspricht. Zwar sieht § 7 Ziff. 4 S. 1 TE lediglich vor, dass die Eigentümer zur Ansammlung einer Instandhaltungsrückstellung verpflichtet sind, deren Höhe durch Beschluss bestimmt wird. Allerdings regelt § 12 Ziff. 2a) TE, dass die Bewirtschaftskosten – darunter auch die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung – unter den Eigentümern entsprechend der ausgewiesenen Größe ihrer Einheiten (qm-Wohn-/Nutzfläche) verteilt werden. Daraus folgt, dass auch Zahlungen der Eigentümer auf die Instandhaltungsrückstellung im Verhältnis der Wohn-/Nutzfläche in den Einzelabrechnungen auszuweisen ist. Auf die tatsächliche Größe der Einheiten kommt es vorliegend entgegen der Meinung der Beklagten nicht an, weil die – offenbar irrtümliche – Verteilung nach Miteigentumsanteilen jedenfalls fehlerhaft ist.

3. Auch der Beschluss vom 03.09.2019 zu TOP 5 ist – im Umfang seiner Anfechtung – für ungültig zu erklären. Der Beschluss ist insoweit nichtig. Den Eigentümern fehlt die Kompetenz, die Verteilung der Kosten für zukünftige Balkonbelagsarbeiten per Mehrheitsbeschluss zu regeln. Entgegen der Meinung der Beklagten regelt dieser Beschluss(-teil) nicht nur die Kostenverteilung in Bezug auf die „aktuellen“ Arbeiten. Eine solche Regelung ist bei einer objektiv-normativen Auslegung des Beschlusses „aus sich heraus“, also ausgehend vom protokollierten Wortlaut und dem nächstliegenden Sinn der Bedeutung (BGH, NZM 2016, 387, 388, Tz. 20), auszulegen. Sowohl der Wortlaut des Beschlusses selbst („Die übrigen Eigentümer tragen die Kosten ihrer jeweiligen Balkone zukünftig ebenfalls selbst.“) also auch der Inhalt des Versammlungsprotokolls zu TOP 5 („Die Eigentümer wollen eine grundsätzliche Kostentragung auf die Balkon-Eigentümer für die Balkonbelagsarbeiten festlegen.“) sprechen nach dem nächstliegenden Sinn der Bedeutung dafür, dass die Eigentümer nicht nur eine Verteilung der Kosten für laufende bzw. beauftragte Balkonbelagsarbeiten beschlossen haben, sondern auch für solche, die noch anstehen bzw. beauftragt werden. Objektiv-normativ sollte damit eine generelle Kostenverteilungsregelung für Balkonbelagsarbeiten geschaffen werden. Auf die Regelung in § 16 Abs. 4 S. 1 WEG konnten sich die Eigentümer bei dieser Beschlussfassung aber – wie die Verwaltung bereits anlässlich der Abstimmung über den Beschlussantrag zu TOP 5 zu bedenken gegeben hat – nicht berufen. Danach können die Wohnungseigentümer zwar im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung im Sinne des § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG durch Beschluss die Kostenverteilung abweichend von § 16 Abs. 2 WEG regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Wohnungseigentümer Rechnung trägt. Im Streitfall fehlt es aber schon an einem „Einzelfall“ im Sinne dieser Norm. „Einzelfall“ ist eine konkret benannte, jedenfalls dem Umfang nach feststehende bauliche Veränderung oder Instandhaltung oder Instandsetzung (vgl. dazu Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl. 2018, § 16, Rn. 104). Unerheblich ist, ob die Maßnahme in ein Abrechnungsjahr fällt oder sich über mehrere Jahre hinzieht. Entscheidend ist auch nicht, ob es sich zahlenmäßig um einen Beschluss handelt. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich um eine Einzahl oder Vielzahl von Beschlussgegenständen handelt und vor allem, ob sich die Bewirtschaftung der Anlage einfach oder mehrfach auf den Beschluss stützen soll (Riecke/Schmid, WEG, 5. Auflage 2019, § 16 WEG, Rn. 98). Unzulässig sind daher abstrakte Kostenregelungen für künftige Maßnahmen (BGH, NJW 2013, 65, 66, Tz. 19 = ZMR 2013, 210), also solche Beschlüsse, die nicht nur eine einzelne Maßnahme regeln und sich nicht lediglich in deren Vollzug erschöpfen (BGH, NJW 2010, 2654, 2655, Tz. 15 = ZMR 2010, 775). Einen solchen Regelungsgegenstand beinhaltet allerdings der in Rede stehende Beschluss, soweit er angefochten worden ist. Damit wird für die Zukunft verbindlich festgelegt, dass jeder „Balkoneigentümer“ die Kosten für Arbeiten am Belag seines Balkons selbst tragen muss, ohne dass auf eine konkrete, bereits laufende Maßnahme, die lediglich noch vollzogen werden muss, Bezug genommen wird. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung waren auch erst in zwei Einheiten Instandsetzungen „in Arbeit“. Beauftragungen für weitere Balkone gab es seinerzeit nicht, ebenso wenig eine Gesamtmaßnahme.

4. Die Klage ist allerdings unbegründet, soweit der Kläger den Beschluss vom 03.09.2019 zu TOP 3c) betreffend die Entlastung der Verwaltung – teilweise – angefochten hat. Der Kläger hat insoweit die Klagebegründungsfrist nach § 46 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WEG nicht eingehalten. Innerhalb von zwei Monaten nach der Beschlussfassung ist die Anfechtungsklage zu begründen. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat innerhalb dieses Zeitraums lediglich seinen Klageantrag zu 3) formuliert, ansonsten aber keine weiteren Ausführungen dazu gemacht, warum der von ihm angefochtene Beschlüsse seiner Auffassung nach nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Das ist nicht ausreichend gewesen (vgl. dazu LG Hamburg, ZMR 2008, 414; Riecke/Schmid, WEG, 5. Auflage 2019, § 46 WEG, Rn. 22 m.w.N.). Zwar ließe sich aus der Gesamtschau des Klageantrages zu 3) mit dem Klageantrag zu 1) schlussfolgern, dass der Kläger die beschlossene Entlastung der Verwaltung für das Wirtschaftsjahr 2018 deswegen teilweise angreift, weil die Jahres(einzel-)abrechnung(en) fehlerhaft sind. Insoweit ist auch von Rechts wegen anerkannt, dass die Vorlage einer fehlerhaften Abrechnung der Gültigkeit eines Beschlusses über die Entlastung der Verwaltung entgegen steht (so etwa BGH, ZWE 2010, 170, 172 = ZMR 2010, 300). Das hat den Anfechtungskläger aber gleichwohl nicht von dem Erfordernis befreit, in (s)einer Klagebegründung den konkreten Lebenssachverhalt, auf den sich die Anfechtung stützt, mindestens seinem wesentlichen Kern nach darzulegen. Vorliegend kommt noch ergänzend hinzu, dass der Kläger in seinem Schriftsatz vom 04.11.2019, mit dem er seine Anfechtungsklage begründet hat, ausgeführt hat, dass er „die Feststellung der Ungültigkeit beider Beschlüsse“ begehre, und anschließend dargelegt hat, weswegen die Beschlüsse zu TOP 3a) und TOP 5 für ungültig zu erklären seien. Das spricht dafür, dass er zum Beschluss zu TOP 3c) nichts weiter ausführen wollte.

5. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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