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WEG – Zulässigkeit Feststellungsklage trotz vorrangig möglicher Leistungsklage

AG Hamburg-Blankenese – Az.: 539 C 24/11 – Urteil vom 04.04.2012

1. Das Teil-Versäumnisurteil vom 25.10.2011 wird aufgehoben.

2. Der Klagantrag 1 vom 22.9.2011/25.11.2011 wird abgewiesen.

3. Es wird festgestellt, dass die Rechte der (jetzigen) Beklagten durch die von der Klägerin an ihrer Garage … vorgenommenen Umbauten (Versetzen des Garagentors nach vom zur Straße hin) nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden; eine Zustimmung der jetzigen Beklagten im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 1 WEG ist entbehrlich.

4. a. Die Beklagten zu 1) und 2) tragen die Kosten ihrer Säumnis.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des ehemaligen Beklagten zu 3) (Claussen).

b. Von den übrigen Kosten tragen Gerichtskosten: Zu 40% die Klägerin, zu 60% die jetzigen Beklagten zu 1) – 3).

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese 25%, die jetzigen Beklagten zu 1) – 3) 75%.

Von den außergerichtlichen Kosten der (jetzigen) Beklagten zu 1) – 3) trägt die Klägerin 25%, die (jetzigen) Beklagten zu 1) – 3) 75%.

5. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

6. Streitwert: Euro 5.000.

Tatbestand

Die (jetzigen) Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft … .

Der jetzige Beklagte zu 3), …, ist anstelle des ursprünglichen Beklagten zu 3),… neuer Wohnungseigentümer.

Die Beklagten zu 1) und 2) sind die weiteren Eigentümer.

Wegen des Inhalts der Teilungserklärung wird auf die Anlage K1, BI. 5 ff d.A. verwiesen.

Verwaltet wird die Eigentümergemeinschaft von der Grundstücksverwaltung … (Beigeladene).

Die Verwalterin lud auf den 31.8.2011 zur Eigentümerversammlung ein.

Zu Top 3 wurde einstimmig folgender Beschlussantrag angenommen:

„Die Eigentümerin … wird aufgefordert, die vorgenommenen baulichen Veränderungen im Bereich der Garage zurück zu bauen. Sofern die Eigentümerin … dem Rückbau nicht nachkommt, soll gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden.“

Wegen des Versammlungsprotokolls wird auf die Anlage K2, Bl. 19 d.A. verwiesen.

Die durchgeführte bauliche Maßnahme ist fotografisch festgehalten. Insoweit wird verwiesen auf die Fotos Anlage K3 (Bl. 21 d.A.) sowie K4 (Bl. 42 d.A.).

Das Vorziehen des Garagentores erfolgte, da der Ehemann der Klägerin sich bei der Fa. … einen … gekaufte hatte, der entgegen den Prospektangaben Überlange aufwies. Daraufhin hatte sich … am 30.5.2011 (vgl. Anlage K5) verpflichtet, den Umbau des Garagentores kostenmäßig zu übernehmen und ca. Euro 3.500 hierfür zur Verfügung zu stellen. Mit Schreiben vom 11.1.2012 hat die Firma … bestätigt, dass bautechnisch das Garagentor kein tragendes bzw. statisches Bauteil sei, welches die Tragkraft der Decke oder der Wände in irgendeiner Weise verändere.

Mit Schreiben vom 3.2.2012 (K 9, Bl. 49 d.A.) hat die … ein Ingenieurbüro, diese Angaben bestätigt.

Im Übrigen seien im Zusammenhang mit den Umbauarbeiten keinerlei Arbeiten am Sturz oder an tragenden Wandteilen vorgenommen worden.

Wegen des Versuchs der Verlängerung der Nachbargarage wird auf die Fotos Anlage K7, Bl. 45 d.A. verwiesen.

Nach Erlass des Teil-Versäumnisurteils vom 25.10.2011 hat die Klägerin die Klage gegen den ursprünglichen Beklagten zu 3), …, zurückgenommen und stattdessen die Klage gegen den jetzigen Eigentümer und neuen Beklagten zu 3) gerichtet.

Die Klägerin beantragt,

1.

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 31.8.2011 zu Tagesordnungspunkt 3 („Die Eigentümerin … wird aufgefordert, die vorgenommenen baulichen Veränderungen im Bereich der Garage zurückzubauen“) für ungültig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 31.8.2011 zu Tagesordnungspunkt 3 („Die Eigentümerin … wird aufgefordert, die vorgenommenen baulichen Veränderungen im Bereich der Garage zurückzubauen“) nichtig ist;

2.

festzustellen, dass Rechte der Beklagten durch die von der Klägerin an ihrer Garage, …, vorgenommenen Umbauten (Versetzen des Garagentors nach vorn zur Straße hin) nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden; eine Zustimmung der Beklagten i.S.v, § 22 Abs. 1 S. 1 WEG daher entbehrlich ist.

Die Beklagten haben das gegen am 28.10.2011 zugestellte Versäumnisurteil per Fax am 11.11.2011 Einspruch eingelegt und beantragt,

1.

das Teil-Versäumnisurteil aufzuheben,

2.

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sehen in der durchgeführten Baumaßnahme, der Versetzung des Garagentors um 17 cm nach vorne aufgrund der fotografisch festgehaltenen Asymmetrie eine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung.

Außerdem sind sie der Auffassung, dass für den Feststellungsantrag das Rechtschutzinteresse fehle, ebenso wie für den Beschlussanfechtungsantrag.

Die Klägerin repliziert hierauf, dass bei Annahme einer baulichen Veränderung der optische Gesamteindruck der vom Haus isoliert liegenden Garagen allenfalls unwesentlich beeinträchtigt werde. Beim Blick von vorne sei überhaupt keine Beeinträchtigung erkennbar. Dies ergäbe sich schon aus den vorgelegten Fotos.

Außerdem sei kein tragendes oder statisches Bauteil angegriffen worden.

Der jetzige Beklagte zu 3) habe im Übrigen ebenfalls versucht – wenn auch in die andere Richtung – seine Garage zu verlängern.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

1.

Der Einspruch gegen das Teil-Versäumnisurteil ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht binnen 14 Tagen per Fax bei Gericht eingelegt worden.

2. Der Klagantrag 1 ist zulässig, jedoch unbegründet.

Dem Anfechtungsantrag fehlt insbesondere nicht das Rechtschutzinteresse. Die Klägerin konnte und durfte sich im Wege der Beschlussanfechtung nach § 43 Nr. 4 WEG gegen die Aufforderung zum Rückbau und gegen die Androhung gerichtlicher Maßnahmen mit fristgebundener Anfechtungsklage zur Wehr setzen.

Die Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet, weil die Eigentümergemeinschaft bei der Geltendmachung der gebündelten Individualansprüche der Beklagten ebenso wie bei gemeinschaftsbezogenen Ansprüchen ein weites Ermessen hat, ob derartige Ansprüche verfolgt werden sollen oder nicht (vgl. OLG München, ZMR 2011, 316). Außerdem waren die Beklagten berechtigt, auch bei nicht gerade hohen Erfolgsaussichten im Rahmen ihres Verwaltungsermessens ein entsprechende (bloße) Aufforderung mit Klagandrohung gegenüber der Klägerin auszusprechen.

So hat etwa das OLG München (ZMR 2010, 469) zutreffend festgestellt:

„Beschließen Wohnungseigentümer, einen Rechtsanwalt im Namen und auf Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Durchführung von gerichtlichen Maßnahmen gegen einen Wohnungseigentümer zu beauftragen, entspricht dies nicht nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn tatsächlich ein Anspruch besteht, sondern bereits, wenn die Eigentümerversammlung das Bestehen des Anspruchs für plausibel halten darf.“

Ein solcher Fall war im Zeitpunkt der Beschlussfassung – darauf kommt es hier an -, nämlich am 31.8.2011 zu bejahen. Bei der Beschlussanfechtung ist in der Regel auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen. Hellseherische Fähigkeiten können den Beklagten nicht angesonnen werden.

Zu diesem Zeitpunkt war den beschließenden Wohnungseigentümern lediglich die eigenmächtige bauliche Veränderung bekannt und das äußere Erscheinungsbild.

Von den Bestätigungen der Schlosserei … vom 11.1.2012 und der Ingenieure der … vom 3.2.2012 sowie dem Umfang der Arbeiten im Garageninneren war ihnen nichts bekannt.

Der Beschluss ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil er etwa konstitutiv einen derartigen Beseitigungs- oder Rückbauanspruch begründen wollte. Dies wäre entgegen der Rechtsprechung des OLG Hamburg (vgl. ZMR 2009, 307) nicht möglich (vgl. Riecke/Schmidt, ZMR 2005, 252, BGH ZMR 2010, 777).

Auch wenn es sich hier um Individualansprüche der einzelnen Beklagten handelte, war die Eigentümergemeinschaft berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss die Sache an sich zu ziehen (vgl. OLG Hamm, ZMR 2010, 389).

3. Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Im vorliegenden Fall sind ausnahmsweise keine Wertungswidersprüche im Verhältnis von Leistungs- zu Feststellungsklage zu besorgen. Eine Feststellungsklage kann trotz der grundsätzlich vorrangigen Möglichkeit Leistungsklage – hier auf Duldung oder Zustimmung im Rahmen eines Beschlusses gem. § 22 WEG – zu erheben dann zulässig sein, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH NJW 1978, 1.520, 1.521).

Diese Ansicht hat der BGH erst jüngst in der Entscheidung vom 17.1.2012, Az. XI ZR 254/10 bestätigt.

Im Übrigen ist hier zu berücksichtigen, dass eine Vorbefassung der Eigentümerversammlung bereits erfolgt ist und der hier mit Klagantrag 1 angegriffene Beschluss vom 31.8.2011 zulasten der Klägerin gefällt wurde, d.h. eine Zustimmung eindeutig versagt ist.

Im Übrigen ist auch das Verweisen auf eine Erzwingung einer Beschlussfassung zugunsten der Klägerin nicht unproblematisch. Will man die Klägerin auf dieses Verfahren verweisen, könnte sich zum Nachteil der Beklagten ergeben, dass diese anteilig mit Kosten belastet würden. Insoweit wird Bezug genommen auf das Urteil des BGH vom 11.11.2011, Az. V ZR 65/11, Dort heißt es:

„Stimmt ein Wohnungseigentümer einer baulichen Maßnahme gem. § 22 Abs. 1 WEG nicht zu, ist er gem. § 16 Abs. 6 S. 1 Halbsatz 2 WEG von den damit verbundenen Kosten befreit; es kommt nicht darauf an, ob seine Zustimmung gem. § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erforderlich war oder nicht.“

Dieses „Dilemma“ lässt sich vermeiden, indem man die Feststellungsklage als zulässig ansieht.

4. Die Feststellungsklage ist begründet.

Eine über das in § 14 Nr. 1 WEG festgelegte Maß hinausgehende Beeinträchtigung ist durch das Vorziehen des Garagentores um 17 cm nicht gegeben. Bereits die als Anlagen K3 (Bl. 21 d.A.) und K4 (Bl. 42 d.A.) vorgelegten Fotos zeigen, dass die Garagenoptik durch diese Maßnahme lediglich marginal betroffen ist.

Aufgrund des Schreibens des Ingenieurbüros … (Anlage K9, Bl. 49 d.A.) steht spätestens seit 3.2.2012 fest, dass die statischen Verhältnisse durch die Umbauarbeiten im Bereich der Garage nicht geändert/verschlechtert wurden. Der tragende Stahlbetonsturz und die Mauerauflager sind unverändert tragfähig.

Dies deckt sich im Übrigen mit der Bestätigung der Schlosserei … (Anlage K6) vom 11.1.2012, wonach kein tragendes Bauteil verändert worden sei im Rahmen der Umbauarbeiten.

Substantiierten Vortrag, der diese Einschätzung erschüttern könnte und zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zwänge, haben die Beklagten nicht geliefert.

Dass die Klägerin sogar einen Anspruch auf Duldung der von ihr eigenmächtig umgesetzten Baumaßnahme hat, ergibt sich im Übrigen auch aus der BGH-Rechtsprechung zum nachträglichen Einbau einer Videoanlage im Einzelinteresse eines Wohnungseigentümers (BGH ZMR 2011, 734). In diesem Verfahren hat der BGH die theoretische Möglichkeit einer manipulativen Veränderung der Anlage als Nachteil nicht anerkannt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 269, 344, 100, 92 ZPO.

6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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