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Wirksamkeit des Zugangs einer Mieterhöhungserklärung bei defektem Hausbriefkasten

AG Wedding, Az.: 18 C 380/15, Urteil vom 17.02.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die von ihr innegehaltene Wohnung im Gebäude … straße …, …. OG … in … Berlin, von bisher 171,86 € um 25,53 € auf insgesamt 197.39 € (zzgl. gleichbleibender Nebenkosten) zuzustimmen und zwar mit Wirkung zum 01.08.2015.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Wirksamkeit des Zugangs einer Mieterhöhungserklärung bei defektem Hausbriefkasten
Foto: Pixabay

Aufgrund mit den Rechtsvorgängern der Klägerin geschlossenen schriftlichen Mietvertrages vom 01.11.1999, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 4-15 der Akte Bezug genommen wird, sind die Klägerin Vermieterin, die Beklagte Mieterin einer im Hause … straße …, … Berlin, gelegenen, 60,87 qm großen Wohnung.

Die Klägerin begehrt auf Grund eines Mieterhöhungsverlangens vom 29.05.2015 die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 171,86 € auf 197,39 €, und zwar mit Wirkung ab dem August 2015. Wegen des vorbezeichneten Erhöhungsschreibens wird auf Blatt 16, 17 der Akte verwiesen.

Die Klägerin behauptet, der geforderte Betrag übersteige die ortsübliche Vergleichsmiete nicht, und bezieht sich auf das unstreitig einschlägige Mietspiegelfeld G 3 des Berliner Mietspiegels.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat zunächst gebeten, ihr die Mieterhöhung zuzustellen und verweist darauf, dass der für sie bestimmte Briefkasten im Hausflur seit geraumer Zeit keine Klappe aufweist. Wegen seines Zustandes wird auf die eingereichten Lichtbilder Blatt 35, 36 der Akte, Bezug genommen.

Sie vertritt die Auffassung, die Klägerin habe das Erhöhungsschreiben in diesen Briefkasten nicht einlegen dürfen.

Hinzu komme, so ihre Behauptung, dass die Haustür nicht verschließbar sei und jeder das Haus betreten könne. Sie hat diese Unzulänglichkeiten unter anderem mit anwaltlichen Schreiben vom 03.04.2014, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 33, 34 der Akte Bezug genommen wird, erfolglos gerügt.

Eine Mieterhöhung, so ihre Auffassung, komme daher frühestens mit Wirkung zum Februar 2016 in Betracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, weil ihr im Mai 2015 ein wirksames Verlangen der Klägerin zu einer Zustimmung der Beklagten zu einer Anhebung des Mietzinses vorausgegangen ist, §§ 558, 558b Abs. 2 BGB.

Es ist davon auszugehen, dass das Mieterhöhungsverlangen vom 29.05.2015 der Beklagten zugegangen ist.

Zugegangen ist eine Willenserklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch die von ihm zur Entgegennahme von Erklärungen bereitgehaltenen Einrichtungen wie ein Briefkasten (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Auflage, § 130, Rn 5).

Unstreitig hat die Klägerin das mit Erhöhungsschreiben durch den bei ihr beschäftigten Hauswart … in den Briefkasten der Beklagten eingelegt. Darauf, dass dieser Briefkasten über keine intakte Tür verfügte, kann sich die Beklagte nicht berufen, weil sie der Gefahr, dass eingelegte Briefe entwendet wurden, nicht durch geeignete Vorkehrungen begegnet ist. Denn auf Hindernisse aus seinem Bereich kann sich ein Empfänger er nicht berufen, wenn er diesen durch geeignete Vorkehrungen begegnen kann und muss (vgl. Palandt, a.a.O., § 130, Rn 5).

Wie das Schreiben ihres damaligen anwaltlichen Vertreters vom 03.04.2014 ersichtlich macht, fehlte die Klappe zum Briefkasten der Beklagten bereits April 2014. Dass die Beklagte sich über ein Jahr lang bis in den Mai 2015 nicht darum kümmerte, dass der Briefkasten ordnungsgemäß verschlossen werden konnte, geht zu ihren Lasten. Dabei kann dahinstehen, ob es letztlich Aufgabe des Vermieters war, im Rahmen der Gewährung eines ordnungsgemäßen Mietgebrauchs für das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Briefkastens zu sorgen. Denn wenn er dieser Pflicht nicht in angemessener Zeit nachkam, war es Aufgabe der Beklagten, sicherzustellen, dass sie Sendungen zuverlässig erreichten. Dies hätte sie jedenfalls im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 535 Abs. 1, 536, 536a Abs. 2 BGB vornehmen können. Keinesfalls konnte die Beklagte sich über Monate damit zufrieden geben, dass bei sämtlichen für sie bestimmten Sendungen die Gefahr bestand, dass diese sie nicht zuverlässig erreichten. Selbst noch im vorliegenden Verfahren hat der Postzusteller noch am 06.02.2016 eine gerichtliche Sendung nicht zugestellt, weil für ihn eine geeignete Vorrichtung fehlte (Vermerk: „Briefkasten unbeschriftet/defekt/überfüllt“).

Dass es unter den gegebenen Umständen ausreichte, den Brief in den offenen Briefkasten einzulegen, folgt auch daraus, dass dann, wenn ein Briefkasten fehlt, unter Umständen selbst eine Platzierung des Briefes im Hauseingangsbereich ausreichend sein kann (vgl. Palandt, a.a.O., § 130, Rn 6)

Die Klage ist auch begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf eine Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung auf 197,3 € (nettokalt) zu, §§ 535, 557 III, 558, 558 b ff. BGB.

Es ist davon auszugehen, dass die von der Klägerin verlangte neue Miete von 197,39 €, die einem Quadratmeterzins von 3,24 € entspricht, die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt.

Diese Vergleichsmiete war unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels für das Jahr 2015 zu bestimmen. Der Mietspiegel enthält die (widerlegliche) Vermutung, dass die in ihm angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben (für ältere Berliner Mietspiegel: LG Berlin, Mietermagazin 2003, 337 (ZK 65)).

Für die streitbefangene Wohnung weist der Mietspiegel in dem unstreitig einschlägigen Mietspiegelfeld G 3 einen Unterwert von 4,52 € auf. Die geforderte Miete von 3,24 € pro Quadratmeter liegt noch deutlich unter diesem Unterwert. Gründe, weshalb vorliegend eine selbst den Unterwert unterschreitende Miete nicht die ortsübliche Vergleichsmiete darstellt, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Dabei ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass behebbare Mängel der Mietsache es nicht rechtfertigen, die Zustimmung zur Anhebung des Mietzinses (für eine mangelfreie Wohnung) auf das ortsübliche Niveau zu verweigern oder die Ortsüblichkeit der Miete betraglich zu reduzieren. Denn bei der geschuldeten ortsüblichen Miete handelt es sich um eine solche für eine mangelfreie Mietsache.

Die neue Miete kann die Klägerin ab dem August 2015 verlangen. Denn es ist – wie oben ausgeführt – davon auszugehen, dass der Beklagten das Mieterhöhungsverlangen vom 29.05.2015 vor dem Ende des Mai 2015 zugegangen ist. Die zweimonatige Überlegungsfrist des § 558 b Abs. 2 Satz 1 BGB dauerte bis zum Ablauf des Juli 2015, so dass die Erhöhung zum darauf folgenden Monat, dem August 2015, eintrat, § 559 b Abs. 2 Satz 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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