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Wirksamkeit Eigenbedarfskündigung durch Erwerber einer vermieteten Wohnung

AG Charlottenburg – Az.: 230 C 45/19 – Urteil vom 05.09.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagten bewohnen aufgrund Mietvertrages vom 23. August / 1. September 2017 seit dem 1. Oktober 2017 eine ca. 145 Quadratmeter große Eigentumswohnung (Dachgeschoss) im Haus … Berlin…. Die Miete beträgt EUR 1.750,00 nettokalt monatlich.

Die Klägerin wohnt mit ihrem Ehemann, dem Zeugen … (Jahrgang 1942), in einer Wohnung im Haus … Berlin, Nähe Autobahndreieck Funkturm. Dortiger alleiniger Mieter ist der Zeuge …. Der Mietvertrag ist bis 31. März 2020 befristet. Der Zeuge … verwirkt aufgrund einer Abrede von Ende 2016, die er persönlich und als Geschäftsführer einer an der Vereinbarung mit Dritten beteiligten GmbH schloss, eine Vertragsstrafe von EUR 50.000,00, wenn er die Wohnung im … nicht bis 31. März 2020 räumt (Anlage K 8, Bl. 96 ff.).

Die Klägerin erwarb nach Auflassung vom 10. Januar 2019 aufgrund Grundbucheintragung vom 21. März 2019 die von den Beklagten gemietete Wohnung, um die Wohnung für sich und ihren Ehemann selbst als Wohnung zu nutzen, wobei der Eigennutzungswille bestritten ist. Mit Schreiben vom 26. März 2019, den Beklagten zugegangen am 26. März 2019 (Anlage K 3, Bl. 36 ff. d.A.), und erneut in der Klageschrift vom 14. Mai 2019 sowie im Schriftsatz vom 7. August 2019 erklärte die Klägerin, den Mietvertrag mit den Beklagten wegen Eigenbedarfs zu kündigen.

Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann sei 2018 mehrfach operiert worden, habe neurologische Beschwerden und benötige eine bessere Umgebung (die Beklagten bestreiten dies mit Nichtwissen), wie sie die von den Beklagten bewohnte Wohnung aufweise. Sie und ihr Mann wollten in die von den Beklagten gemietete Wohnung einziehen (die Beklagten bestreiten auch das mit Nichtwissen).

Die Klägerin beantragt,

1) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Mietwohnung … … Berlin, Dachgeschoss – bestehend als drei Zimmern mit offener Küche, Diele, Bad, Gäste-WC mit einer Fläche von ca. 145 Quadratmetern sowie dem dazugehörigen Kellerraum Nr. 2 und den zur Wohnung gehörenden Tiefgaragenstellplätzen Nrn. 8 und 11 – zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben;

hilfsweise, die Beklagten als Gesamtschuldner entsprechend dem Klageantrag zu 1) zu verurteilen mit der Maßgabe, dass die Räumung und Herausgabe zum 31. August 2019 zu erfolgen hat;

höchst hilfsweise, die Beklagten als Gesamtschuldner entsprechend dem Klageantrag zu 1) zu verurteilen mit der Maßgabe, dass die Räumung und Herausgabe zum 30. November 2019 zu erfolgen hat.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren, teilweise streitigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes (insbesondere hinsichtlich der Umgebungssituation der Wohnung … und der Wohnung ……, der Umstände der Übernahme von Voreinbauten des Vormieters durch die Beklagten und der Kosten dafür, der Mitteilungen des Voreigentümers an die Beklagten hinsichtlich des potentiellen Erwerbers (nur Investor/Kapitalanleger), des Widerspruchs gegen die Kündigung gemäß § 574 BGB, der weiteren Eigentumswohnung der Klägerin in …XX) sei auf die Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2019 und die weiteren Unterlagen in der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die in allen Anträgen zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Räumung oder künftige Räumung der von den Beklagten gemieteten Wohnung zu.

I.

Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen für das Räumungsbegehren der Klägerin, §§ 546 Abs. 1, 985 BGB, sind nicht erfüllt.

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien, in das die Klägerin gemäß § 566 Abs. 1 BGB durch Erwerb der von den Beklagten gemieteten Eigentumswohnung am 21. März 2019 als Vermieterin eintrat und das den Besitz der Beklagten an der Wohnung …, Dachgeschoss, legitimiert, ist durch die Kündigungserklärungen der Klägerin im Schreiben vom 26. März 2019, in der Klageschrift vom 14. Mai 2019 und im Schriftsatz vom 7. August 2019 nicht beendet worden. Es endet wegen dieser Kündigungserklärungen auch nicht demnächst.

Es fehlt an einem wirksam geltend gemachten Kündigungsgrund. Als solcher kommt allein ein berechtigtes Interesse der Klägerin aufgrund Eigenbedarfs gemäß § 573 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Der Wirksamkeit der Kündigungen steht § 242 BGB entgegen.

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin und ihr Mann die von den Beklagten gemietete Wohnung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB benötigen.

Die Kündigungen der Klägerin vom 26. März, 14. Mai und 7. August 2019 sind jedenfalls rechtsmissbräuchlich. Ihnen steht die von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung aus § 242 BGB entgegen.

Das ergibt sich aus Folgendem:

1.

Schließt ein Vermieter mit einem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag in dem Wissen, die Wohnung demnächst wegen Eigenbedarfs zu kündigen, steht der Kündigung der Einwand aus § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Vermieters entgegen (BVerfG, Urt. v. 14. Februar 1989 – 1 BvR 308/88, 1 BvR 336/88, 1 BvR 356/88, WuM 1989, 114 juris-Rn. 43, 46 BGH, Urt. v. 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14, NJW 2015, 1087, Tz. 37 ff. Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 573 Rn. 137). Baut ein Eigentümer sein Haus in Kenntnis oder Erwartung der sodann geltend gemachten Eigenbedarfssituation um, kann die demgemäß erfolgte Eigenbedarfskündigung rechtsmissbräuchlich sein (BVerfG, Beschl. v. 17. Juli 1992 – 1 BvR 179/92, NJW 1992, 3032, 3033).

2.

Bezogen auf den hier vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die Kündigungen der Klägerin rechtsmissbräuchlich und deswegen unbeachtlich sind, § 242 BGB.

Für den Mieter einer später an einen zur Eigennutzung entschlossenen Erwerber veräußerten Eigentumswohnung kann nichts anderes gelten als für den Mieter, der originär einen Mietvertrag mit einem Vermieter schließt, der die Wohnung fest selbst nutzen will.

a)

Zwar kommt hier nicht zum Tragen, dass die Klägerin den Mietvertrag mit den Beklagten originär abgeschlossen hätte in dem Wissen, ihn alsbald wegen Eigenbedarfs kündigen zu wollen. Sie trat indes kraft eigener Entscheidung gemäß § 566 Abs. 1 BGB in den bestehenden Mietvertrag ein, indem sie die Wohnung erwarb, die der Mietvertrag mit den Beklagten betraf. Zugleich hatten die Beklagten nicht die Chance, sich dergestalt um ihre Belange zu kümmern, dass sie eine Eigenbedarfskündigung durch entsprechende Vereinbarung mit der Klägerin als Vermieterin hätten ausschließen können (vgl. dazu BGH, Urt. v. 4. Februar 2015 – VIII ZR 154/14, NJW 2015, 1087, Tz. 43, 46). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagten Anlass gehabt hätten, mit dem Voreigentümer eine Eigenbedarfskündigung auszuschließen. Ein Vermieter ist nicht gehalten, seine künftigen Lebensgestaltungs- und -entwicklungsmöglichkeiten durchzuplanen und offen zu legen, um dem späteren Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens vorzubeugen. Ebenso wenig ist es aber Sache eines Mieters, im Hinblick auf die für ihn noch weniger ersichtlichen künftigen Lebensgestaltungs- und -entwicklungsmöglichkeiten des jetzigen und gar etwaiger späterer Vermieter Vorsorge zu treffen und eine Eigenbedarfskündigung im Mietvertrag auszuschließen.

Soweit die Klägerin ihren Eigenbedarf darauf stützt, dass sie und ihr Mann die von ihnen gegenwärtig bewohnte Wohnung … bis Ende März 2020 räumen müssen und der Zeuge … bei Nichtauszug EUR 50.000,00 Strafe verwirkt, steht der Berufung auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Blick auf die genannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992 entgegen. Wer die Not im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB selbst schafft, kann sich nicht auf sie berufen, wenn er sie denjenigen treffen lassen will, der – ja zufällig – Mieter derjenigen Wohnung ist, die der Kündigende nach Schaffung der Not aussucht, weil sie ihm für seine Zwecke am besten geeignet erscheint.

Derselbe Gedanke muss für den Eigenbedarf aufgrund Alters und aufgrund einer streitigen Erkrankung des Zeugen … gelten. Auch insoweit erscheint es dem Unterzeichner rechtsmissbräuchlich, die Not nach ihrem Offenbarwerden durchs Land zu tragen und sie denjenigen treffen zu lassen, der die beste Wohnung zur Behebung der Not gemietet hat.

Es hätte der Klägerin freigestanden, eine unvermietete Wohnung zu erwerben. Dass eine solche, den Zwecken der Klägerin und ihres Mannes genügende Wohnung nicht verfügbar sei, ist nicht dargelegt und auch nicht sonst erkennbar.

Schließlich ergibt sich in einem Fall wie hier die Unzulässigkeit der Eigenbedarfskündigung bei mitgebrachtem Eigenbedarf ergänzend aus einem verständigen Blick auf § 577a Abs. 1 u. 1a BGB. Nach § 577a Abs. 1 BGB dieser Vorschrift kann ein Vermieter u.a. Eigenbedarf erst drei Jahre nach seinem Erwerb der Eigentumswohnung geltend machen, wenn die Wohnung an den Mieter vor der Bildung von Wohnungseigentum überlassen worden war und sie nach dieser Eigentumsbildung veräußert wurde. Regelungsintention des Gesetzgebers war, die Praxis in Großstädten, Wohnungen in Mehrfamilienhäusern in Eigentumswohnungen umzuwandeln und diese an Erwerber zur verkaufen, die sodann Eigenbedarf geltend machten, einzudämmen (s. Jauernig/Teichmann BGB, 17. Aufl. 2018, § 577a Rn. 1). 2013 kam § 577a Abs. 1a BGB hinzu, der den Schutz des Mieters von Eigentumswohnungen weiter ausbauen sollte etwa auf Fälle, die sich zur Umgehung des § 577a Abs. 1 BGB etabliert hatten, in denen etwa eine GbR das Haus erwirbt und die Wohnungsmietverträge zur Nutzung durch ihre Gesellschafter kündigt (vgl. BGH, Urt. v. 21. März 2018 – VIII ZR 104/17 –, BGHZ 218, 162 Tz. 12, 27, 33 ff.). Eine abschließende Regelung zu Lasten von Fällen wie dem hiesigen ist darin nicht zu erkennen. Vielmehr spricht mehr dafür, dass in einem Fall wie hier der Erwerber ebenfalls erst drei Jahre nach Erwerb die Kündigung wegen mitgebrachten Eigenbedarfs mit Aussicht auf Erfolg erklären kann. Das liegt entlang der Regelungsintention des Gesetzgebers der Mieterschutzbestimmungen in § 577a BGB.

b)

aa) Den gegenteiligen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, dass also in einem Fall wie hier eine rechtsmissbräuchliche Kündigung nicht vorliege (s. u.a. BayObLG, Rechtsentscheid v. 14. Juli 1981 – Allg Reg 32/81, NJW 1981, 2197 zu III.; Staudinger/Rolfs BGB (Stand 03.05.2019) § 537 Rn. 113, 136 ff. – dort differenzierend u. m.w.N.) kann sich der Unterzeichner zum einen aus den vorgenannten Gründen nicht anschließen.

Zum anderen erschließt sich dem Unterzeichner nicht, wie die steuerliche Förderung von Eigentumswohnungen die Kündigung bei „gekauftem“, besser vielleicht: „mitgebrachtem“, Eigenbedarf dahin prägen können sollte, dass sie dem Vorwurf missbräuchlichen Verhaltens nicht ausgesetzt sei, wie es in der von der Klägerin besonders herangezogenen Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes von 1981 (s. soeben) heißt.

Auch Verweisungen darauf, dass der Mieter einer Eigentumswohnung nicht besonders privilegiert sei und sich deswegen nicht gegen mitgebrachten Eigenbedarf unter Berufung auf § 242 BGB solle wehren können, verfangen nicht. Es geht hier vielmehr um eine Schlechterstellung des Wohnungseigentumsmieters, dessen Mietsache an einen neuen Eigentümer veräußert wird, gegenüber dem Mieter, der einen neuen Mietvertrag abschließt.

bb) Auf den Wertungswiderspruch zwischen der Situation eines einen unbefristeten Mietvertrag mit einem von vornherein eigennutzungswilligen Vermieter abschließenden Mieters, der bei anschließender Eigenbedarfskündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens des Vermieters über § 242 BGB geschützt ist, und der abweichenden Behandlung eines Mieters, der die Kündigung des eigennutzungswilligen Erwerbers der Mietwohnung hinzunehmen habe, ist der BGH in der Entscheidung vom 22. Mai 2019 (Urt. zum Geschäftszeichen VIII ZR 180/18, WuM 2019, 385) nicht eingegangen. Dort – anders als hier – scheint sich der Wille des Erwerbers, die fragliche Wohnung zu kündigen, auch erst nach dem Erwerb gefestigt zu haben (vgl. dort Tz. 23; s.a. die Berufungsentscheidung des LG Berlin, Urt. v. 09. Mai 2018 – 64 S 176/17, juris-Rn.19: Eigenbedarf war bei Erwerb der Wohnung absehbar). Soweit der BGH in der Entscheidung vom 22. Mai 2019 (dort zu Tz. 16) darauf verweist, ein Erwerb einer Eigentumswohnung mit Eigennutzungswillen stehe einer Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht entgegen, wie der BGH bereits 1988 entschieden habe (vgl. BGH, Rechtsentscheid vom 20. Januar 1988 – VIII ARZ 4/87 –, BGHZ 103, 91, juris-Rn. 24), ist anzumerken, dass es in dem Fall von 1988 nicht um eine solche Situation ging und es sich lediglich um ein obiter dictum handelte. Im Übrigen erläutert der BGH in der Entscheidung vom 22. Mai 2019 an der genannten Stelle, dass es dem Vermieter freistehe, den Eigenbedarf durch den Erwerb erst herbeizuführen, während im vorliegenden Fall entscheidend ist, dass der Vermieter den Eigenbedarf bei dem Erwerb zielgerichtet mitbrachte.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 u. 2 ZPO.

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