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Wirksamkeit Eigenbedarfskündigung – fahrlässige Verletzung des Postgeheimnisses durch Mieter

AG München – Az.: 461 C 24378/17 – Urteil vom 01.03.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 14.400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt als Wohnungsvermieter die Räumung und Herausgabe der Wohnung nach Kündigung wegen Eigenbedarfs und wegen verhaltensbedingter Kündigung.

In dem Anwesen … in … befinden sich 3 Wohnungen. Ferner gibt es im Keller einen Hobbyraum.

Der Kläger ist Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung im Erdgeschoss und der Wohnung im Dachgeschoss. Die Wohnung im 1. Stock gehört der Schwester des Klägers. Der Hobbyraum im Keller gehört dem Kläger zu 2/3 und der Schwester des Klägers zu 1/3.

Der Kläger und die Beklagten waren früher miteinander verheiratet und wurden im November 2005 geschieden. Sie haben einen gemeinsamen neunzehnjährigen Sohn …, der geistig behindert ist und dauerhaft nicht allein leben kann.

Der Sohn steht unter Betreuung, Betreuerin ist die Beklagte (Bl. 36).

Der Kläger wohnt in der obersten Wohnung im Dachgeschoss zusammen mit seiner Lebensgefährtin …. Die Wohnung hat drei Zimmer, ein Bad und eine Küche.

In der Wohnung im ersten Obergeschoss wohnt die Mutter des Klägers. Die Mutter des Klägers ist 86 Jahre alt. Die Wohnung verfügt über drei Zimmer, eine Küche, ein Bad und ein separates WC.

Die Beklagte wohnt in der Wohnung im Erdgeschoss zusammen mit ihren zwei Kindern aus einer späteren Beziehung, die 9 und 11 Jahre alt sind, darunter der Sohn …. Diese Wohnung hat drei Zimmer, ein Bad, ein separates WC und eine Küche.

Der Kläger hat die streitgegenständliche Wohnung mit schriftlichem Mietvertrag vor ca. 8 Jahren vermietet. Die Beklagte bezahlt eine Pauschalmiete inklusive aller Betriebskosten in Höhe von 1.200,00 €.

Mit Schreiben vom 10.09.2017 kündigte der Kläger das Mietverhältnis. Die Kündigung ist mit Eigenbedarf begründet. Zum näheren Inhalt des Schreibens wird auf die Anlage K1 verwiesen (Bl. 5).

Mit Schreiben vom 26.04.2018 erhob die Beklagte Kündigungswiderspruch und berief sich auf Härtegründe (K2, Bl. 31).

Mit Schreiben vom 21.06.2018 erklärte der Kläger erneut die fristlose Kündigung. Die Kündigung ist damit begründet, dass die Beklagte am 16.06.2018 ein Paket der Zeugin … geöffnet und diese beleidigt habe. Zum näheren Inhalt des Schreibens wird auf die Anlage K2 (Bl. 72) verwiesen.

Der Kläger trägt vor,

1. er benötige die Wohnung der Beklagten für sich selbst, seine Lebensgefährtin und seinen Sohn ….

In der Wohnung im Dachgeschoss stehe für den Sohn nur lediglich ein Zimmer mit einer Größe von nur 10 qm zur Verfügung, das erhebliche Dachschrägen aufweise und für eine adäquate Unterbringung des Sohnes nicht geeignet sei.

Die Unterbringung des Sohnes in der Wohnung der Mutter des Klägers, in der der Sohn wohne, sei nur provisorisch.

Die Zimmer in der Wohnung im Dachgeschoss seien wesentlich kleiner als die Zimmer in der Wohnung im Erdgeschoss. Zudem gäbe es dort Dachschrägen. Ein Zimmer der Wohnung im Erdgeschoss verfüge zudem über einen separaten Eingang.

Da die Mutter des Klägers nunmehr 87 Jahre alt werde, werde es immer schwieriger, dass sie sich um den Sohn des Klägers kümmern könne.

2. Die Beklagte habe am 16.06.2018 ein Paket für die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin … entgegengenommen. Die Zeugin hat … habe zwei Kleider bei der Firma … bestellt. Die Bestellung sei in einem Kunststoffbeutel geliefert worden. Auf dem Beutel habe sich ein separater Umschlag mit der Rechnung befunden, auf dem auch die Anschrift der Zeugin als Empfängerin angegeben gewesen sei. Als sich einige Zeit nach der Auslieferung des Pakets die Zeugin … mit einer Freundin im Garten des Anwesens befunden habe, habe der Sohn … der Beklagten das Paket gebracht. Dieser habe ausrichten lassen, dass die Beklagte das Paket geöffnet habe. Es tue ihr leid. Die Zeugin habe festgestellt, dass das Paket und die Rechnung aufgerissen worden sei. Auch die Tüten, in denen die Kleider noch einmal separat verpackt worden waren, seien aufgerissen gewesen.

Es sei bereits der 4. Vorfall gewesen, dass die Beklagte ein Paket der Zeugin … geöffnet habe.

Die Zeugin sei über den Vorfall verärgert gewesen. Dies habe die Beklagte offenbar mitbekommen und die Zeugin angeschrien, diese solle aufhören, über sie zu lästern. Sodann habe sie die Zeugin als asozial bezeichnet.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung vom 21.06.2018 sei wirksam. Die Beklagte habe das Mietverhältnis verletzt. Die Äußerung, die Zeugin sei asozial, sei eine Beleidigung.

Der Kläger hat beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens …, … Garching, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, WC, Flur nebst Kellerabteil bis spätestens zum 30.06.2018 geräumt und im vertragsgemäßen Zustand mit sämtlichen Schlüsseln an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

1. Der Eigenbedarf werde bestritten. Die Beklagte vermute, dass der Grund für die Eigenbedarfskündigung sei, dass die neue Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin …, und die Beklagte sich nicht verstünden. Die Zeugin … verstehe sich auch mit dem Sohn … nicht. Der Sohn … wolle nicht beim Vater leben. Er verstehe sich mit der Lebensgefährtin des Klägers überhaupt nicht. Die Zeugin … habe zum Sohn … gesagt, er wohne in einem Jahr sowieso nicht mehr in dem Haus.

Der Sohn … stehe unter Betreuung. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht liege bei der Betreuerin, der Beklagten. Die Beklagte sei nicht damit einverstanden, dass der Beklagte zum Kläger ziehe.

Der Sohn … übernachte im 1. Stock bei der Großmutter, wohne aber im gesamten Haus.

2. Der Sohn … habe am 16.06.2018 vom Postboten zwei Pakete entgegengenommen. Beide Pakete seien von der Firma … gewesen. Der Sohn habe beide Pakete in das Wohnzimmer gelegt. Sie habe das erste Paket geöffnet, das eine Badehose für den Sohn … enthielt. Dann habe sie das zweite Paket geöffnet, weil sie auf eine zweite Bestellung gewartet habe. Sie habe nicht auf den Adressaten gesehen.

Die Beklagte habe die Zeugin nicht beleidigt. Sie habe gehört, dass die Zeugin gegenüber Freundinnen behauptet habe, dass sie das Paket absichtlich geöffnet habe. Sie habe daraufhin die Zeugin … zur Rede gestellt. Die Zeugin … habe zur Beklagten geschrien, sie solle ihre blöde Fresse halten. Dieses Verhalten habe die Beklagte als asozial bezeichnet.

Die Badehose sei nachgeliefert worden. Auch die bestellten Kleider hätten bei der ersten Lieferung im Mai gefehlt. Darauf habe die Beklagte warten müssen. … sei bei Lieferungen nicht sehr zuverlässig. … habe am 11.05.2018 Rechnung gestellt (B4, Bl. 90).

3. Die Beklagte beruft sich zudem auf Härtegründe (Beklagtenschriftsatz vom 05.06.2018, Bl. 47).

Dem Sohn Marko sei ein Umzug nicht möglich. Er sei geistig schwer behindert.

Zum näheren Inhalt des Vorbringens und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der Verhandlungen vom 06.03.2018 (Bl. 17), vom 17.05.2018 (Bl. 39) und vom 15.01.2019 (Bl. 112) verwiesen.

Das Gericht hat Beweis durch Zeugenvernehmung erhoben. Insoweit wird auf die Ladungsverfügungen vom 27.08.2018 (Bl. 84) und auf das Protokoll der Verhandlung vom 15.01.2019 (Bl. 112) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif. Auf die Einvernahme des Sohnes der Beklagten zur Frage, ob er das Paket am 16.06.2018 entgegengenommen habe, kommt es nicht an.

Die zulässige Klage war abzuweisen, da sie unbegründet ist.

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine im Bezirk des Amtsgerichts München gelegene Wohnung entspringt, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.

B. Die Klage war aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB oder auf Herausgabe gemäß § 985 BGB, da keine der Kündigungen das Mietverhältnis beendet hat.

I. Die Kündigung vom 10.09.2017 wegen Eigenbedarfs hat das Mietverhältnis nicht beendet.

Nach § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermieter einen Wohnraummietvertrag nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt nach § 573 Abs. 2 S. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Der behauptete Eigenbedarf war hier durch die Beklagte bestritten worden.

Für den Eigenbedarf ist dabei der Vermieter beweispflichtig. Darauf hatte das Gericht mit Verfügung vom 20.06.2018 (Bl. 66) auch hingewiesen.

Der Kläger ist hier beweisfällig geblieben, er hat keinen Beweis angeboten, auch nicht Parteivernahme oder Anhörung seiner selbst.

Der behauptete Eigenbedarf ist für das Gericht auch zweifelhaft.

Es liegt für das Gericht nahe und ist durch den Kläger nicht widerlegt, dass der gemeinsame Sohn … vor allem bei seiner Mutter, der Beklagten leben will. Die vom Kläger vorgetragene Nutzung zum Eigenbedarf, dass der Kläger mit seiner Lebensgefährtin und dem Sohn … in der streitgegenständlichen Wohnung leben will, ist damit nach Auffassung des Gerichts schon nicht umsetzbar. Insofern benötigt der Kläger die Wohnung nicht zu dem Zweck, dort mit seinem Sohn leben zu können. Denn bei einem Auszug der Beklagten würde eben der gemeinsame Sohn … ebenfalls ausziehen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass es einen vernünftigen Grund gibt, warum die Wohnung, die der Kläger bisher mit seiner Lebensgefährtin bewohnt, nicht ausreicht.

Das Gericht kann zudem nicht ausschließen, dass der Kläger vor allem den Auszug der Beklagten zur Beseitigung eines Unruheherdes erstrebt, es für ihn aber nicht auf die Nutzung der streitgegenständlichen Wohnung für sich selbst ankommt.

II. Auch die fristlose Kündigung vom 21.06.2018 (K2, Bl. 74) hat das Mietverhältnis nicht beendet.

Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt dabei nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB ist die Kündigung, wenn der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag besteht, erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nach § 543 Abs. 3 S. 2 BGB nicht, wenn eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Nr. 1) oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist (Nr. 2).

1. Das Öffnen des Paketes stellt bei der vorzunehmenden Abwägung nach § 543 Abs. 1 BGB keinen Kündigungsgrund dar, da der Klagepartei der Nachweis nicht gelungen ist, dass die Beklagte vorsätzlich handelte, und die Beklagte sich sofort von sich aus entschuldigte. Soweit der Beklagten unzweifelhaft Fahrlässigkeit zur Last fällt, fehlt es zudem an der erforderlichen Abmahnung, die bei fahrlässigen Handeln jedenfalls nicht nach § 543 Abs. 3 entbehrlich ist.

a) Die Beklagte hat selbst zugegeben, das Paket geöffnet zu haben. Dass dies vorsätzlich geschah, und damit auch eine Straftat gemäß § 202 StGB vorlag, hat der Kläger nicht zu beweisen vermocht.

Die Prüfung, ob die Post für einen selbst bestimmt ist, erfolgt in der Regel nicht bei Öffnen, sondern bei der Entgegennahme, während die Öffnung selbst in der Regel ein automatisierter Vorgang ist. Dass man dann die Pakete vollständig öffnet und die Adressierung erst am Ende überprüft, ist für das Gericht nachvollziehbar, da man zunächst nicht damit rechnet, dass das Paket nicht für einen selbst bestimmt ist.

Die Einlassung der Beklagten, sie habe die Pakete in der Wohnung vorgefunden und nicht selbst vom Paketboten entgegengenommen, ist nicht widerlegt. Die von der Klagepartei vorgelegte Auskunft von … über email ist nicht ausreichend ergiebig. Für einen Paketboten ist es nach allgemeiner Lebenserfahrung von untergeordneter Bedeutung, die tatsächliche Empfangsperson richtig zu erfassen. Er will vor allem das Paket abgeben. Unklar ist zudem, welche genauen Informationen dem Fertiger der email vom 08.10.2018 vorlagen. So ist es ohne weiteres denkbar, dass der Paketbote bei Übergabe an den minderjährigen … den Namen der Mutter erfasste.

Es ist davon auszugehen, dass die Beklagte auch selbst bei der Firma … bestellt, denn sie hat eine entsprechende Rechnung vom 11.05.2018 vorgelegt (B4, Bl. 90). Dies hat die Klagepartei auch nicht bestritten, sondern nur, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dieser Rechnung eine Lieferung auch am 16.06.2018 erhielt.

b) Die erforderliche Abmahnung war hier nicht entbehrlich, auch wenn unstreitig die Beklagte bereits einmal ein Paket der Zeugin … geöffnet hatte. Denn auch insoweit lag der Beklagten nicht mehr als Fahrlässigkeit zur Last.

Zudem kann bei der nach § 543 Abs. 1 BGB vorzunehmende Abwägung nicht verkannt werden, dass, wie schon in der Kündigung dargelegt ist, die Beklagte von selbst durch ihren Sohn Cam gegenüber Zeugin … das Öffnen des Paketes offenlegte, das Paket überbrachte und zugleich eine Entschuldigung übermitteln ließ.

2. Auch die Beleidigung der Lebensgefährtin des Klägers als asozial stellt hier noch keinen Kündigungsgrund dar.

Grundsätzlich kann eine Beleidigung einen Kündigungsgrund darstellen.

Beleidigungen gegenüber dem Vermieter, der Hausverwaltung oder anderen Hausbewohnern können einen wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB darstellen. Während bloße Unhöflichkeiten und andere missliebige Verhaltensweisen ohne ehrverletzenden Charakter eine Kündigung nicht rechtfertigen, sind insbesondere Formalbeleidigungen grundsätzlich geeignet, dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar zu machen. Bei der Abwägung, ob dem Kündigenden aufgrund einer Beleidigung die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar ist, sind stets die Begleitumstände der Äußerungen zu berücksichtigen. Eine Beleidigung stellt sich als weniger verletzend dar, wenn sie aus einer Provokation heraus oder im Zusammenhang einer bereits vorgegebenen streitigen Atmosphäre erfolgt oder wenn sie als eine momentane und vereinzelt gebliebene Unbeherrschtheit zu bewerten ist. Demgegenüber haben manche Beleidigungen ein solches Gewicht, dass die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung auf der Hand liegt (vgl. LG München I vom 27.09.2017, 14 S 288/17, ZMR 2018, 47).

Grundsätzlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Keinesfalls lässt sich ein genereller Rechtssatz aufstellen, dass eine Straftat immer auch einen Kündigungsgrund darstellt. Dagegen spricht schon, dass die Kündigung eines Mietverhältnisses für den Mieter einen erheblich größeren Einschnitt in das Leben darstellen kann als etwa die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Zum anderen sind bei der Frage, ob ein Verhalten eine Kündigung rechtfertigt, auch die Person und die Interessen des Vermieters sowie das Mietverhältnis in den Blick zu nehmen.

a) Das Gericht ist zwar davon überzeugt, dass die Beklagte die Lebensgefährtin des Klägers, also des Vermieters, die zugleich in demselben Haus wohnt, am 16.06.2018 als asozial bezeichnet und damit beleidigt hat.

Davon ist das Gericht aufgrund der Aussage der Zeugin … in der Verhandlung vom 15.01.2019 überzeugt.

Die Zeugin hat bekundet, dass die Beklagte sie als asozial bezeichnete.

Die Zeugin war glaubwürdig, ihre Aussage glaubhaft.

Die Zeugin steht zwar im Lager des Klägers. Doch war ihre Aussage detailreich und plausibel. Die Zeugin wirkte auf das Gericht so, dass sie die Wahrheit sagen wollte.

Die Zeugin tätigte auch ihr nachteilige Aussagen. So gab sie an, sie habe selbst sehr geschimpft und habe auch erwidert, die Beklagte solle selber die Fresse halten. Sie sei richtig wütend gewesen und habe richtig geschimpft. Die Zeugin verschwieg auch nicht, dass die Beklagte sich selbst entschuldigt habe, als sie ein früheres Paket geöffnet hatte. Die Zeugin dramatisierte auch das Verhältnis zur Beklagten nicht, sondern gab an, dass man sich gegenseitig grüße, wenn man sich im Haus begegne.

Die Überzeugung des Gerichts wird durch die Angaben der Beklagten und die anderen Zeugenaussagen nicht erschüttert.

Die Einlassung der Beklagten, sie habe nur die Äußerung der Zeugen als asozial bezeichnet, ist von der Aussage der Zeugen nicht weit entfernt. Das Gericht hält es für unwahrscheinlich, dass in einer solchen Erregungssituation Beteiligten zu derart gewählten Formulierungen greifen, wie die Beklagte sie getroffen haben will.

Die Angaben der Zeugen der Beklagtenpartei stehen der Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der Angaben der Zeugin … nicht entgegen.

So war die Aussage der Zeugin … für das Gericht nicht überzeugend. Die Aussage widersprach den Angaben der anderen Zeugen. Während die Zeugin … angab, sie sei auch auf die Veranda hinausgegangen, der Zeuge … sei auch herausgegangen, sagte der Zeuge …, er sei nicht herausgegangen. Aus den Schilderung des Zeugen … ergab sich für das Gericht auch, dass die Zeugin … nicht hinausgegangen sein kann, weil der Zeuge … zwischen ihr und der Verandatür saß und der Zeuge hätte mitbekommen müssen, dass die Zeugin … rausging.

Der Zeuge … war erkennbar nervös, während die Aussage der Zeugin … zum eigentlichen Geschehensbereich sehr reduziert war und die Zeugin angab, sie höre nicht gut.

b) Durch diese Beleidigung liegt aber hier im konkreten Einzelfall noch kein Kündigungsgrund vor.

Die Beleidigung als asozial bezog sich hier auf ein konkretes Verhalten der Zeugin …, so dass das Gericht sie im konkreten Einzelfall für weniger schwerwiegend hält, als wenn das Wort asozial beleidigend die Person als solche oder deren Lebensführung meint. Indem das Wort sich konkret auf selbst wiederum die Beklagte kritisierende Äußerungen der Zeugin bezog, ist ferner die grundrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit zu sehen, dass die Beklagte das Rechte hatte, sich kritisch zum Verhalten der Zeugin zu äußern, auch wenn sie dies nicht in beleidigender Weise hätte tun sollen.

Die Äußerung der Beklagten erfolgte hier in einem Streit, zu dem die Zeugin … selbst schilderte, sie habe richtig geschimpft und sei richtig wütend gewesen. Sie habe gesagt, das wäre wohl das letzte und die Beklagte solle selbst (ihre blöde Fresse) halten. Auch nach dem Gedanken des § 199 StGB muss sich dies mildernd für die Beklagte auswirken.

3. Auch in der Gesamtschau liegt kein Kündigungsgrund vor, da es die Missachtung des Postgeheimnisses nur fahrlässig geschah und die Beleidigung einen einmaligen Vorfall innerhalb eines Streites, bei dem es auch zu wechselseitigen Beleidigungen kam, darstellt. Zudem lag keine Abmahnung vor.

C. Der Streitwert der Räumungsklage war auf das Zwölffache der Monatsnettomiete (12 x 1.200,00 €) festzusetzen, § 41 Abs. 2 GKG, und zwar einschließlich der Betriebskosten, die als Pauschale gezahlt werden, § 41 Abs. 1 S. 2 GKG.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat als im Rechtsstreit Unterlegener die Kosten zu tragen.

E. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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