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Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung zugunsten der Eltern

AG Hamburg-Wandsbek, Az.: 711a C 262/14, Urteil vom 06.01.2016

1. Die Beklagten werden verurteilt, die Wohnung im Haus R. …, … H., Erdgeschoss links, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC sowie Kellerraum zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

2. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. August 2016 bewilligt.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

4. Das Urteil ist hinsichtlich des Räumungsausspruches vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Hinsichtlich des Kostenausspruchs ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung des Klägers in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 11.400,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung.

Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung einer Mietwohnung zugunsten der Eltern
Foto: AntonioGuillem/Bigstock

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung einer in seinem Eigentum stehenden Mietwohnung in der R. … in H. in Anspruch. Der Kläger bewohnt in diesem Haus eine Wohnung im Erdgeschoss, die Beklagten bewohnen mit ihren beiden 5 Jahre und 2 ½ Jahre alten kleinen Kindern die Erdgeschosswohnung links.

Der Kläger schloss mit dem Beklagten zu 1) ausweislich der Anlage K 1 einen Mietvertrag, beginnend zum 1.10.2013 über die streitgegenständliche Wohnung. Im Vorspann des Mietvertrages ist auch die Beklagte zu 2) als Mieterin genannt. Der Vertrag wurde lediglich von dem Beklagten zu 1) unterzeichnet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte zu 1) den Mietvertrag auch für die Beklagte zu 2) in Vollmacht unterzeichnet hat. In dem Mietvertrag wurde beginnend ab 1.10.2014 eine Staffelmiete vereinbart, wobei sich die Laufzeit der Staffelmiete bis zum 1.10.2018 erstreckt. Die monatliche Miete beträgt ab 1.10.2015 netto kalt 960,00 € zuzüglich Vorauszahlungen auf Betriebskosten und Heizkosten nach § 4 des Mietvertrages. Auf den Mietvertrag vom 29.6.2013 (Anlage K 1) wird Bezug genommen.

Zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) war vor dem Amtsgericht Hamburg-Wandsbek zum Aktenzeichen 711 a H 5/14 ein selbständiges Beweisverfahren anhängig, in dem der Beklagte zu 1) das Vorhandensein von Mängeln, insbesondere Schimmelpilz beanstandete. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) vom 14.8.2014 (Anlage B 3) war der Kläger unter Fristsetzung aufgefordert worden, bestimmte Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen und nach dem Vortrag der Beklagten bestehende Versprechen einzulösen. Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger mit Schreiben vom 26.8.2014.

Mit Schreiben vom gleichen Tag, dem 26.8.2014 (Anlage K 2, Bl. 34 und Bl. 19 d. Akte) erklärte der Kläger sowohl gegenüber dem Beklagten zu 1) wie auch gegenüber der Beklagten zu 2) die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30.11.2014. Die Kündigung wurde damit begründet, dass der Kläger Eigenbedarf an der Mietwohnung für seine Eltern erklärte. Zur Begründung wurde näher ausgeführt, dass der Vater des Klägers, Herr H. P. im Januar 2015 86 Jahre alt werde und seine Mutter, Frau U. P. im März 2016 76 Jahre alt werde. Der Kläger wies in dem Kündigungsschreiben darauf hin, dass seine Eltern derzeit eine 3-Zimmer Etagenwohnung in H.-N. bewohnen würden, die nur über 22 Treppenstufen erreichbar sei und sein Vater an einem vorgerückten Wirbelsäulenleiden leide, was seine Beweglichkeit stark einschränke. Ferner wies der Kläger in dem Kündigungsschreiben darauf hin, dass das Treppensteigen seinem Vater zunehmend schwerer falle und die Installation eines Treppenliftes in dem derzeitigen Wohnhaus im Treppenhaus nicht möglich sei. Seit etwa Ende 2013 sei sein Vater auf eine Gehhilfe angewiesen und seit einem ärztlichen Befund aus Mai 2014 habe sich gezeigt, dass die Beschwerden des Vaters des Klägers im Bereich der lumbalen und cervicalen Wirbelsäule in Verbindung mit einem chronisch degenerativen Rotatorenmanschettensyndrom dessen Beweglichkeit stark einschränken und eine Behandlung wenig erfolgversprechend sei. Der Kläger begründete seinen Wunsch, seinen Eltern die Wohnung der Beklagten zur Verfügung zu stellen damit, dass diese im EG links im Haus R. … die einzige sei, bei der man einen barrierefreien Zugang über die linke Grundstücksseite herstellen könne, und weil dort auch eine Dusche vorhanden sei, im Gegensatz zur derzeitigen Wohnung der Eltern, die nur über eine Badewanne verfüge. Auch wolle sich der Kläger zukünftig mehr um seine Eltern kümmern. Die genaue Anschrift der Eltern des Klägers wurde in den Kündigungsschreiben nicht genannt. Auf die Kündigungsschreiben vom 26.8.2014 wird Bezug genommen.

In der Klagschrift vom 11.11.2014 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass namens und in Vollmacht des Klägers die gegenüber den Beklagten erklärte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wiederholt werde und einer Fortsetzung durch stillschweigende Verlängerung nach § 545 BGB widersprochen werde. Gleichfalls wurde auf den Sozialwiderspruch nach § 574 b BGB hingewiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass nur der Beklagte zu 1) Mieter der streitgegenständlichen Wohnung sei, da der Mietvertrag nur von ihm unterschrieben worden sei. Vorsorglich sei aber mit Schreiben vom 26.8.2014 auch gegenüber der Beklagten zu 2) eine Eigenbedarfskündigung mit inhaltlich gleichem Schreiben ausgesprochen worden. Auch sei in der Klagschrift vom 11.11.2014 vorsorglich nochmals in Vollmacht des Klägers eine Eigenbedarfskündigung erklärt worden.

Der Kläger behauptet, die in den Kündigungsschreiben vom 26.8.2014 genannte Eigenbedarfssituation bestehe tatsächlich. Die Eltern des Klägers würden beabsichtigen, den geltend gemachten Eigenbedarf umzusetzen und in die noch von den Beklagten bewohnte Wohnung im Haus R. …, … H. so bald wie möglich einzuziehen. Die Eltern des Klägers würden zurzeit eine Etagenwohnung im Haus S. …, … H. bewohnen, die nur über 22 Treppenstufen erreichbar sei. Die gesundheitlichen Beschwerden des Vaters des Klägers würden sich aus dem Schreiben des Universitätsklinikums H.-E. vom 23.7.2014 (Anlage K 3) ergeben. Sein Vater leide danach seit vielen Jahren an Beschwerden im Bereich der lumbalen und cervicalen Wirbelsäule. Der Vater des Klägers sei jetzt 86 Jahre alt und habe im letzten Jahr gesundheitlich „sehr abgebaut“. Die Mutter des Klägers habe eine für den Februar 2015 bei ihr selbst geplante Operation im Krankenhaus mit zweiwöchigem Aufenthalt abgesagt, da sie den Vater des Klägers nicht habe allein lassen wollen in der Wohnung.

Die Wohnung der Beklagten sei aus den in den Kündigungsschreiben genannten Gründen am besten für die Eltern des Klägers geeignet. Im Vordergrund stehe auch der Wunsch des Klägers, seinen Eltern gerade in deren vorgerücktem Alter räumlich deutlich näher zu sein und diese noch häufiger zu sehen und zu betreuen. Bei Vermietung der Wohnung an die Beklagten sei auch nicht absehbar gewesen, wie sich der gesundheitliche Zustand der Eltern des Klägers verschlechtern werde und im Rahmen der beiderseitigen Fürsorge der Wunsch bestehen würde, dass der Kläger und seine Eltern wieder zusammenziehen.

Die Eltern des Klägers würden die streitgegenständliche Wohnung auch kennen, da sie während der Bauphase und der Fertigstellung des von dem Kläger selbst gebauten Hauses wiederholt in dem Haus und in der Wohnung gewesen seien. Darüber hinaus würden sie die Grundrisse und Besonderheiten kennen. Ferner beabsichtige der Kläger, den Zugang zur streitgegenständlichen Wohnung für seine Eltern baulich umzugestalten. Der Eingang solle über einen separaten Weg links vom Treppenhaus zur Terrasse erfolgen. Die Balkon-Türschwelle sei auch lediglich 3 cm hoch. Das Trocknen der Wäsche könne über einen Wäschetrockner und das Aufstellen eines Wäscheständers in der Wohnung erfolgen. Auch sei anlässlich des Ortstermins im selbständigen Beweisverfahren im Wohnzimmer kein Schimmel an den Wänden festgestellt worden. In Bezug auf den Schimmel im Schlafzimmer hätten die Beklagten eingeräumt, dass dieser sich erst vor ca. 4 Wochen gezeigt habe. Die Ursache des Schimmels sei aus Sicht des Klägers in dem Wohnverhalten der Beklagten gelegen.

Der Kläger meint, die vorstehenden Gründe würden die Eigenbedarfskündigung rechtfertigen. Es sei auch nicht erforderlich gewesen, die Wohnanschrift der Eltern im Kündigungsschreiben anzugeben. Dies sei zudem in der Klagschrift erfolgt, in der die Kündigung nochmals wiederholt worden sei.

Der Kläger ist ferner der Ansicht, angesichts des Umstandes, dass es in unmittelbarer Umgebung zahlreiche Neubauvorhaben gebe, könne es keine Schwierigkeit für die Beklagten darstellen, in diesem Bereich eine neue Wohnung zu finden. Dies werde auch durch die von dem Kläger erstellte Aufstellung über Wohnungen in vergleichbarer Größe und zu einem vergleichbaren Mietzins gemäß der Anlage K 5 belegt.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Haus R. …, … H., Erdgeschoss links, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, Bad, WC sowie Kellerraum zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen, hilfsweise den Beklagten eine Räumungsfrist zu gewähren.

Die Beklagten sind der Ansicht, das Kündigungsschreiben vom 26.8.2014 sei als Reaktion des Klägers gegen die Beklagten hinsichtlich ihrer Mängelrügen erfolgt.

Die Eigenbedarfskündigung genüge auch nicht den Mindestanforderungen hinsichtlich des nötigen Begründungsbedarfs und sei daher unwirksam. In der Kündigungserklärung fehle es insbesondere an der Benennung der bisherigen Wohnanschrift der Eltern des Klägers. Eine Überprüfung des Eigenbedarfsgrundes durch die Beklagten sei nicht möglich gewesen. Da die Begründung des Eigenbedarfs darauf abzielt, dass die streitgegenständliche Wohnung der Beklagten gegenüber der bisherigen Wohnung der Eltern besser geeignet sei, könnten die Beklagten ohne Bekanntgabe der derzeitigen Wohnanschrift der Eltern nicht überprüfen, ob tatsächlich diese Wohnung nur über 22 Treppenstufen erreichbar sei oder ob ein Treppenlift nicht im Treppenhaus eingebaut werden könne. Zudem könne aus dem Kündigungsschreiben nicht entnommen werden, dass ein konkreter Bedarf bestünde. Es werde nicht vorgetragen, dass die Eltern des Klägers in die streitgegenständliche Wohnung tatsächlich einziehen wollten. Aus der Kündigung vom 26.8.2014 sei vielmehr zu entnehmen, dass „auf Vorrat“ gekündigt werde, da angegeben werde, der Vater müsse aus Rücksicht auf seinen gesundheitlichen Zustand kurz- bis mittelfristig aus der derzeitigen Wohnung ausziehen. Diese zeitliche Einordnung genüge den Anforderrungen eines zeitlich engen Zusammenhangs zwischen Überlassungsabsicht und Kündigung gerade nicht. Die Nachholung der Gründe sei nicht möglich. In der Klagschrift werde zudem die streitgegenständliche Kündigung ausdrücklich nur „wiederholt“, was auch die seinerzeitigen Kündigungsfristen einschließe. Im Übrigen sei die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil sie nur dem Beklagten zu 1) und nicht der Beklagten zu 2) ausgesprochen worden sei, die ebenfalls Mieterin sei. Auch sie sei im Rubrum des Mietvertrages aufgeführt. Der Beklagte zu 1) habe den Mietvertrag auch für die Beklagte zu 2) in Vollmacht unterzeichnet. Hiermit sei der Kläger einverstanden gewesen (Beweis: Vernehmung der Parteien).

Bestritten werde, dass die derzeitige Wohnung der Eltern des Klägers tatsächlich über 22 Stufen erreichbar sei. Aus dem Befund des Universitätsklinikums Eppendorf gemäß Anlage K 3 sei auch nicht zu entnehmen, dass das Treppensteigen für den Vater des Klägers aus gesundheitlichen Gründen zu vermeiden sei. Bestritten werde ferner, dass die Eltern des Klägers überhaupt ein Interesse hätten, in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen. Hiergegen spreche, dass die Eltern des Klägers die Wohnung der Beklagten kein einziges Mal besichtigt hätten. Die Wohnung der Beklagten sei im Erdgeschoss, rsp. Hochparterre belegen und sei, wie das Foto gemäß Anlage B 1 belege, nur durch Überwindung von einigen Stufen zur Eingangstür zu erreichen, wobei ein Handlauf nicht zur Verfügung stehe. Schließlich sei die Wohnung auch so konstruiert, dass bei einem Austritt zum vorderen Balkon oder zur hinteren Terrasse eine hohe Stufe überwunden werden müsse, wie das Foto gemäß Anlage B 2 belege. Im Übrigen befinde sich in der Wohnung auch keine Möglichkeit, Wäsche zu trocknen. Hierzu müsse ein Gemeinschaftstrockenraum im Keller aufgesucht werden, der nur über Treppenstufen zu erreichen sei. Die streitgegenständliche Wohnung sei nicht barrierefrei oder seniorengerecht errichtet. Der Kläger habe bisher auch nicht begonnen, einen angeblichen Zugang von außen über den Balkon zu errichten. Im Übrigen habe sich im selbständigen Beweisverfahren anlässlich des Ortstermins am 6.1.2015 herausgestellt, dass im Schlaf- und Wohnzimmer Schimmelpilzbefall vorhanden sei. Bereits aus diesem Grunde werde der Kläger seinen Eltern die Wohnung nicht zur Verfügung stellen. Die Wohnung sei aus diesem Grunde auch nicht für Senioren mit angegriffener Gesundheit geeignet (Beweis: Sachverständigengutachten).

Selbst wenn ein Eigenbedarf bestünde, sei dieser vorhersehbar gewesen und habe schon bei Vermietung an die Beklagten im Oktober 2013 bestanden. Ausweislich des Befundes des Klinikums H.-E. (Anlage K 3) sei die Dekompressionsoperation des Vaters des Klägers bereits im Jahr 2007 erfolgt und habe nur eine geringe Linderung erreicht.

Die Inanspruchnahme der Beklagten auf Räumung wegen Eigenbedarfs sei auch rechtsmissbräuchlich. Der Kläger hätte die Beklagten bei Mietvertragsabschluss über die beabsichtigte oder zumindest in Absicht genommene Begrenzung der Mietdauer aufklären müssen. Das Krankheitsbild des Vaters sei dem Kläger ebenso bei Vermietung an die Beklagten im Oktober 2013 genauso wie die Anzahl der Stufen zur bisherigen Wohnung der Eltern bekannt gewesen. Der Vater des Klägers sei bereits vor zwei Jahren gesundheitlich derart angeschlagen, dass über eine Veränderung der Wohnsituation habe nachgedacht werden müssen, weil das Treppensteigen nicht mehr zu meistern gewesen sei. Die Erkrankung des Vaters des Klägers und die Erwägung, die Eltern in die streitgegenständliche Wohnung zu verbringen, seien danach mit dem Abschluss des Mietvertrages an die Beklagten zumindest gleich gelagert gewesen. Der Kläger habe die Beklagten hierüber nicht aufgeklärt, obwohl er gewusst habe, dass die Beklagten von auswärts aus W. nach H. zögen und nicht nur eine temporäre Bleibe gesucht hätten. Auch die zahlreichen Zusagen des Klägers über von ihm durchzuführende Instandsetzungsmaßnahmen, wie Schimmelbeseitigung im Schlafzimmer, Bad und Wohnzimmer, Beseitigung der Vergilbungen der Türen und Türrahmen durch Nikotin, Erneuerung des Heizkörpers und der Belüftung im Gäste WC, Einbau einer neuen Küche mit Marmor-Arbeitsplatte, Einbau einer Duschkabine, Kauf eines neuen Kühlschranks sowie einer Spülmaschine, hätten bei den Beklagten das Vertrauen geschaffen, dass es sich um eine längere Anmietung handeln würde und nicht um eine solche, die bereits nach einem halben Jahr gekündigt werde. Die versprochenen Instandsetzungen habe der Kläger zwar nur zum geringen Teil ausgeführt. Aufgrund der Zusagen hätten die Beklagten davon ausgehen können, dass auch der Kläger an einer langfristigen Vermietung interessiert gewesen sei, wie er bei der Besichtigung der Wohnung im 1. Obergeschoss auch ausdrücklich erklärt habe (Beweis: Vernehmung der Parteien). Hätten die Beklagten nur ahnen können, dass so kurzfristig gekündigt werde, hätten sie sich vielmehr um die leer stehende Wohnung im 1. Obergeschoss beworben. Die Kündigung sei auch deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie als Reaktion auf die Mängelanzeige der Beklagten erfolgt sei.

Die Beklagten sind der Ansicht, ihnen sei, für den Fall der Verurteilung, jedenfalls eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren. Sie seien Eltern zweier Kinder im Alter von mittlerweile 5 und 2 1/2 Jahren, die sich gerade im Wohnumfeld und im Kindergarten eingelebt hätten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich angehört. Ferner hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Eltern des Klägers, der Zeugen H.-G. P. und U. P. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.10.2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch in der Sache begründet.

I. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß § 546 Abs. 1 BGB die geräumte Herausgabe der streitgegenständlichen Mietwohnung verlangen. Das Mietverhältnis ist durch die ordentlichen Kündigungen des Klägers vom 26.8.2014 (Anlage K 2, Bl. 19 und Bl. 34 d. Akte) unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist gemäß § 573 c Abs. 1 BGB zum 30.11.2014 beendet worden.

1. Diese Kündigungen sind gemäß § 573 Abs. 1 BGB wirksam. Der Kläger hat sowohl gegenüber dem Beklagten zu 1) als auch gegenüber der Beklagten zu 2) inhaltlich gleichlautende Schreiben übermittelt, in denen die streitgegenständliche Mietwohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde. Damit kann letztendlich dahinstehen, ob auch die Beklagte zu 2) selbst Mieterin der Wohnung geworden ist, obwohl sie den Mietvertrag selbst zwar nicht unterzeichnet, im Vorspann des Mietvertrages aber als Mieterin ebenfalls genannt ist. Die Zustellung beider Kündigungsschreiben erfolgte durch Einwurfeinschreiben. Substantiierte Einwendungen, dass einer der beiden Beklagten die Kündigung nicht erhalten haben will, wurden nicht von den Beklagten vorgetragen. Vielmehr räumt der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 7.1.2015 ein, ihm würden zwei verschiedene Kündigungen vorliegen, einmal an den Beklagten zu 1) und einmal an die Beklagte zu 2).

2. Die Kündigungen sind nach § 573 Abs. 1 BGB wirksam.

Die Kündigungen vom 26.8.2014 entsprechen den Anforderungen an den Begründungszwang nach § 573 BGB. Gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB setzt die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung voraus, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 284/13 -, juris). Diesem Zweck wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann; bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2014 – VIII ZR 284/13 -, juris, m.w.N.; BGH, Urteil vom 17. März 2010 – VIII ZR 70/09, NZM 2010, 400 Rn. 8).

Der Kläger hat in den Kündigungsschreiben seine Eltern als Familienangehörige namentlich benannt, für die die streitgegenständliche Wohnung benötigt wird. Der Kläger hat auch konkret angegeben, aus welchem Grunde er wünsche, dass seine Eltern von H.-N. in die noch von den Beklagten bewohnte Wohnung einziehen sollten. Insbesondere hat der Kläger in seiner Begründung darauf verwiesen, dass sein Vater aufgrund seines vorgerückten Wirbelsäulenleidens in der Beweglichkeit stark beeinträchtigt sei, seit Ende 2013 auf eine Gehhilfe angewiesen sei und er die 22 Treppenstufen von der Haustür zu der jetzigen Wohnung zunehmend nicht mehr bewältigen könne und auch auf eine Dusche, die in der jetzigen Wohnung nicht vorhanden sei, angewiesen sei. Ferner hat der Kläger in der Begründung angegeben, dass er sich mehr um seine Eltern kümmern wolle und aufgrund der räumlichen Nähe beim Bezug der streitgegenständlichen Wohnung zu Hilfestellungen auch besser in der Lage sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger damit das bisherige Wohnumfeld seiner Eltern sowie den Kündigungsgrund für den geltend gemachten Eigenbedarf nach Ansicht des Gerichtes so konkret bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden und einer Prüfung durch die Beklagten zugänglich ist, ohne dass es der Nennung der konkreten Wohnanschrift bedurft hätte.

Im Übrigen hat der Kläger in der Klagschrift die Anschrift seiner Eltern konkret mitgeteilt, ohne dass sich an den angegebenen Kerntatsachen für die Begründung im Kündigungsschreiben etwas änderte. Insofern kann dahinstehen, ob die Wiederholung der Kündigungen in der Klagschrift als erneute Kündigungserklärungen gegenüber den Beklagten zu verstehen ist.

3. Die Voraussetzungen eines Kündigungsgrundes nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind vorliegend erfüllt.

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB unter anderem auch dann vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Hierbei verlangt die Rechtsprechung, dass der Vermieter vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2012, VIII ZR 330/11, Tz. 13 m.w.N., juris).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung des Klägers ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger die streitgegenständliche Wohnung tatsächlich für seine Eltern benötigt, die aufgrund der gesundheitlichen Situation des Vaters des Klägers die streitgegenständliche Wohnung im Haus, in dem auch der Kläger selbst lebt, beziehen wollen.

Zum Kreis der Familienangehörigen gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zählen insbesondere die Verwandten in gerader Linie, also die Eltern. Eigenbedarf für eine Erdgeschosswohnung ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein Familienangehöriger erkrankt ist und die herausverlangte Wohnung barrierefrei hergerichtet werden soll (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 14. Februar 2013 – 307 S 59/12 -, juris).

a) So liegen die Dinge auch im vorliegenden Fall. Der Kläger hat bei seiner Anhörung als Partei nachvollziehbar ausgeführt, dass er für seine Eltern auf die Nutzung der im Erdgeschoss belegenen Wohnung des Hauses R. … angewiesen ist. Der Vater des Klägers, der Zeuge H.-G. P., leidet ausweislich des als Anlage K3 von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Schreibens des Universitätsklinikums H.-E. vom 23.7.2014 seit vielen Jahren an Beschwerden im Bereich der lumbalen und cervicalen Wirbelsäule mit Ausstrahlungen der Schmerzen nach occipital und in die Beine. Der Zeuge P. kommt daher seit Jahren in die schmerztherapeutische Ambulanz des Universitätsklinikums H.-E. und stellte sich dort zuletzt am 23.7.2014 vor. Die Schmerzstärke wird ausweislich des ärztlichen Berichtes auf der numerischen Ratingskala (NRS, 0-10) mit derzeit NRS 8 in Ruhe und bei Aggravation mit einer NRS von 9 beschrieben. Der Vater des Klägers leidet trotz Einnahme von Medikamenten nach dem ärztlichen Bericht an chronischen Nacken- und Rückenschmerzen, wobei eine vollständige Schmerzfreiheit wohl nicht mehr zu erreichen sei. Die Beschwerden des Zeugen P. haben nach dem ärztlichen Bericht vom 23.7.2014 auch durch eine Dekompressionsoperation im Jahre 2007 bei bekannter Spinalkanalstenose nur eine geringe Linderung erfahren.

Der Kläger hat angegeben, dass er beabsichtige, seine Eltern aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden seines Vaters, dem das Treppensteigen zunehmend schwerer falle, die streitgegenständlich Wohnung zur Miete zur Verfügung zu stellen und den Zugang zu der Erdgeschosswohnung links vom Haus über die höher gelegene Terrasse durch eine Rampe zu ermöglichen und barrierefrei umzubauen. Mitte des Jahres 2014 hat der Kläger nach seinen eigenen Angaben seine Eltern von seiner Erwägung unterrichtet, diesen die Wohnung der Beklagten zum gleichen Mietpreis wie die alte Wohnung im S. … zu einem Mietpreis von ca. 700,00 € zur Verfügung zu stellen. Nach reiflicher Überlegung, insbesondere des Vaters des Klägers, wären beide Elternteile mit einem Auszug aus der von ihnen seit ca. 54 Jahren bewohnten Wohnung im S. und Umzug in die streitgegenständliche Wohnung einverstanden gewesen.

b) Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es die Absicht des Klägers und der Eltern des Klägers ist, dass diese die von den Beklagten angemietete Wohnung in der R. … in … H., beziehen.

Der 86 Jahre alte Zeuge H.-G. P. und die 76 Jahre alte Zeugin U. P. haben durch ihre Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 die Ernsthaftigkeit des Eigennutzungswunsches bestätigt. Die Zeugen haben detailliert und glaubwürdig ausgeführt, dass der Zeuge P. große Schwierigkeiten hat, die jetzige Wohnung, die im 1. Stock des Hauses S. … belegen und nur über ca. 20 Treppenstufen erreichbar sei, zu verlassen. Die Zeugin U. P. hat bekundet, dass sie ihrem Mann beim Herunter- und Hinaufgehen der Treppenstufen behilflich sein müsse und ihr Mann dies nicht mehr allein bewältigen könne. Beide Zeugen haben übereinstimmend bekundet, dass sie den Wunsch und die Absicht hätten, in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen. Die Zeugen haben zudem ausgesagt, dass ihnen zwar Schimmelpilz in dieser Wohnung nicht bekannt sei, dies einem Bezug der Wohnung aber nicht entgegenstehe. Auch haben beide Zeugen glaubhaft bekundet, dass ihnen die streitgegenständliche Wohnung aus der Zeit des Hausbaus bekannt sei und die Zeugin P. insbesondere über die Hilfe des im selben Haus wohnenden Klägers erleichtert sei, zumal sie mit ihrem Mann auch aufgrund des eigenen Alters von 76 Jahren überfordert sei. Auch würde ihr Mann nachts schnarchen und sie könne in der größeren streitgegenständlichen Wohnung einen eigenen Raum mit einem Sofa einrichten. Die Zeugen haben zwar eingeräumt, dass sie von dem Kläger über den genauen geplanten Umbau für einen barrierefreien Zugang nicht informiert worden seien. Sie hätten sich hierüber aber bereits eigene Gedanken gemacht und würden hierfür eine Lösung, ggf. durch ein Geländer an den wenigen Treppenstufen zum Eingangsbereich, zusammen mit ihrem Sohn finden.

Das Gericht hält die Bekundungen der Zeugen H.-G. und U. P. für glaubhaft. Die streitgegenständliche Wohnung der Beklagten ist im Erdgeschoss belegen. Aufgrund der Angaben des Klägers, der als Architekt das Haus selbst zum Teil erbaut hat, ist es ohne große Schwierigkeiten möglich, einen barrierefreien Zugang zu dieser Erdgeschosswohnung über die höher gelegene Terrasse mit einer Rampe herzustellen. Dieses wurde nach den Angaben der Zeugin U. P. bereits in der Vergangenheit für die Vormieter erwogen, die einen behinderten Sohn zu versorgen hatten. Es ist nachvollziehbar, wenn der Kläger die Absicht hat, dass seine Eltern in sein eigenes Haus, in dem er auch wohnhaft ist, einziehen sollen. Auch aus der Sicht der beiden Zeugen P. ist es glaubhaft, dass sie nach einiger Überlegung die bisherige Wohnung, in der sie seit ca. 1960 leben, aufgeben wollen und nunmehr wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Vaters des Klägers die zur Wohnung des Klägers benachbarte Wohnung beziehen wollen und damit aufgrund der räumlichen Nähe auch einfachere Unterstützung durch den Kläger erfahren können.

Der Nutzungswunsch der Zeugen ist auch nicht deshalb in Frage zu ziehen, weil sie die Wohnung der Beklagten selbst nicht besichtigt haben. Denn den Eltern des Klägers ist nach den glaubhaften Aussagen der Zuschnitt der Wohnung bereits seit dem Hausbau, den sie damals begleitet haben, bekannt. Ferner konnte der Zeuge P. den Grundriss der streitgegenständlichen Wohnung auch beschreiben. Zudem haben der Kläger und die Zeugen P. auch über die ungefähre Höhe des Mietzinses gesprochen. Hiermit waren die Zeugen nach ihren Aussagen einverstanden, da er dem Mietzins der bisherigen Wohnung im S. … entsprechen sollte.

c) Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es dem Wunsch des Klägers entspricht, die Wohnung seinen Eltern zu überlassen. Die Motivlage des Klägers deckt sich insoweit mit denjenigen der Zeugen, so dass insoweit auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden kann. Insbesondere will der Kläger seine Eltern in einem ihren gesundheitlichen Beschwerden und Bedürfnissen angepassten Lebens- und Wohnverhältnis versorgt wissen.

Der Wille, die Wohnung den Zeugen P. zu überlassen, begegnet auch nicht etwa deswegen durchgreifenden Zweifeln, weil zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) bereits aus den Unstimmigkeiten über Instandsetzungs- und Mängelbeseitigungsverpflichtungen und dem vorhergehenden gerichtlichen selbständigen Beweisverfahren anderweitig begründete Spannungen bestehen. Dass der Kläger ebenfalls das selbständige Beweisverfahren mit der Beklagtenseite bereits in der Klagschrift anführt, ist ein Indiz dafür, dass der Kläger nicht sachfremde Erwägungen vorschiebt. Wollte er den Eigenbedarf nur vortäuschen, dann hätte ihm nämlich eher daran gelegen sein müssen, diese Spannungen herunterzuspielen bzw. die bestehenden Probleme zu verschweigen.

Auch bei bestehenden Spannungen der Parteien ist die Entscheidung des Wohnungseigentümers über seinen Wohnbedarf grundsätzlich zu akzeptieren. Die Gerichte dürfen, abgesehen von Missbrauchsfällen, nicht ihre Vorstellungen über den Wohnbedarf an die Stelle der Interessen des Vermieters setzen, solange nur feststeht, dass der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich besteht (vgl. BVerfG WuM 1989,114).

Dass letzteres der Fall ist, steht aufgrund der Aussagen der Zeugen H.-G. und U. P. fest. Die Zeugen P. sind glaubwürdig. Dies folgt für das Gericht zunächst aus dem persönlichen Eindruck der Zeugen sowie dem Detailreichtum der Aussagen und der anschaulichen Schilderung der bestehenden Lebenssituation. Zwar haben die Zeugen P. an dem Ausgang des Rechtsstreits ein eigenes Interesse. Nach Überzeugung des Gerichts haben sich die Zeugen hiervon bei ihrer Aussage jedoch nicht leiten lassen. Sie haben offen und ohne erkennbare Nervosität ausgesagt. Im Rahmen ihrer Aussagen haben sie den Sachverhalt aus ihrer Wahrnehmung – in sich stimmig – schildern können. Auf Nachfragen haben sie auch eingeräumt, dass ihnen die genauen Umbaupläne ihres Sohnes zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs zur Erdgeschosswohnung nicht bekannt seien. Allein aus dem Umstand, dass sie selbst ein eigenes Interesse an dem Ausgang des Rechtsstreits haben, ergeben sich für das Gericht keine Zweifel an ihrer glaubhaften Aussage hinsichtlich des ernsthaften Nutzungswillens an der streitgegenständlichen Wohnung.

4. Soweit sich die Beklagten gegenüber der Eigenbedarfskündigung des Klägers darauf berufen wollen, der Kläger habe ihnen eine längerfristige Mietdauer zugesagt, und damit einen vertraglichen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung geltend machen wollen, können sie hiermit nicht durchdringen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf ein Verzicht des Vermieters auf das Recht, das Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, gemäß § 550 Satz 1 BGB der Schriftform, wenn der Verzicht für mehr als 1 Jahr gelten soll (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2007, VIII. ZR 223/06; LG Hamburg, Urteil vom 30.11.2010, ZMR 2001, 895). Die Schriftform ist vorliegend nicht eingehalten.

5. Die auf § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gestützte Kündigung ist auch nicht wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB unwirksam.

Zwar liegt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ein widersprüchliches rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 242 BGB vor, wenn der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen. Er darf in diesen Fällen dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt.

Kein Rechtsmissbrauch liegt dagegen vor, wenn das künftige Entstehen eines Eigenbedarfs für den Vermieter zwar im Rahmen einer – von Teilen der Instanzrechtsprechung erforderlich gehaltenen – „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, der Vermieter aber bei Mietvertragsabschluss weder entschlossen gewesen ist, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat (vgl. BGH Urteil vom 4.2.2015, Az. VIII ZR 154/14). Dieser Ansicht des Bundesgerichtshofs schließt sich das Gericht vorliegend an.

Denn bei verständiger und objektiver Betrachtung bringt ein Vermieter dadurch, dass er dem Mieter einen unbefristeten Mietvertrag anbietet und nicht von sich aus Angaben über den Stand und die mögliche Entwicklung seiner familiären und persönlichen Verhältnisse (etwa Heranwachsen von Kindern, drohende Trennung von Familienangehörigen, Erkrankung, berufliche Veränderungen) macht, regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines alsbaldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft hat und nach derzeitigem Erkenntnisstand ausschließen kann. Würde vom Vermieter bei Abschluss eines Mietvertrags eine solche – sich nach einer verbreiteten Auffassung auf bis zu fünf Jahre erstreckende – Lebensplanung verlangt werden, würde dessen verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit missachtet, über die Verwendung seines Eigentums nach Art. 14 GG innerhalb der gesetzlichen Grenzen frei zu bestimmen.

Für die Beurteilung, ob der Vermieter entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen oder ein solches Vorgehen ernsthaft in Betracht gezogen hat, darf zwar nicht allein auf seine Darstellung abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf eine Würdigung der Gesamtumstände an. Dabei kann auch auf objektive (äußere) Umstände zurückgegriffen werden, sofern diese tragfähige Anhaltspunkte für den Kenntnisstand des Vermieters bilden (vgl. BGH aaO.) Dass den Vermieter keine Verpflichtung zu einer „Bedarfsvorschau“ trifft, stellt den Mieter auch nicht schutzlos. Will er das Risiko künftiger Entwicklungen nicht auf sich nehmen, kann er für einen gewissen Zeitraum einen beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung oder einen einseitigen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung vereinbaren (vgl. BGH aaO.)

Das Gericht verkennt nicht, dass der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag wie die Eigenbedarfskündigungen vom 26.8.2014 zu den von den Beklagten gerügten Mängeln und der Aufforderung zur Instandsetzung des Mietobjektes Stellung genommen hat. Allein dieser Umstand führt nach Ansicht des Gerichts noch nicht dazu, die Eigenbedarfskündigungen als rechtsmissbräuchlich nach § 242 BGB anzusehen. Der Kläger hat erläutert, dass er die Eigenbedarfskündigungen erst zu einem Zeitpunkt ausgesprochen hatte, nachdem ihm die im Mietvertrag vereinbarte Kaution von den Beklagten, deren Zahlung verspätet erfolgte, vorlag.

Der Kläger hat in Übereinstimmung mit der Bekundung der Zeugin U. P. dargelegt, dass er Mitte des Jahres 2014 aufgrund der fortschreitenden Beschwerden seines Vaters und dessen Bewegungseinschränkung in Erwägung gezogen hat, seinen Eltern die in seinem Hause von den Beklagten bewohnte Erdgeschosswohnung anzubieten. Diese Angaben werden durch die glaubhafte Aussage der Zeugin P. bestätigt, die bekundete, dass ihr Sohn erst Mitte des Jahres 2014, frühestens im Mai 2014 an sie herangetreten sei und ihnen angeboten habe, in sein Haus in der R. … zu ziehen. Nach der Bekundung der Zeugin P. hätten die Eltern des Klägers zunächst noch überlegt, ob sie dieses Angebot annehmen wollten, sich dann aber dazu entschlossen und dies auch ihrem Sohn mitgeteilt. Erst hieran anschließend hat der Kläger die Eigenbedarfskündigungen vom 26.8.2014 ausgesprochen.

Die Beklagten haben auch nicht substantiiert vorgetragen, sie hätten den Kläger bei Mietvertragsabschluss befragt oder der Kläger hätte von sich aus anlässlich des Vertragsabschlusses vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 233/12, NJW 2013, 1596). Allein der Umstand, dass beide Parteien bei Vertragabschluss von einem unbefristeten, längerfristigen Mietvertrag, wie auch die Staffelmietvereinbarung bis 1.10.2008 belegt, ausgegangen sind, rechtfertigt nach Ansicht des Gerichts ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nicht.

6. Die Beklagten können von dem Kläger nicht die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 Abs. 1 BGB verlangen. Der Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses setzt voraus, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist.

Vorliegend haben die Beklagten unter Hinweis auf die Familiensituation mit zwei kleinen Kindern und das Fehlen von angemessenem Ersatzwohnraum ein Bestandsinteresse begründet.

Das Gericht verkennt nicht, dass für Familien mit kleinen Kindern, insbesondere auch bei einer nur kurzen Mietvertragsdauer und damit einer erneuten Umgewöhnung in einem neuen Wohnumfeld und Kindergarten, ein besonderes Interesse an dem Fortbestand des Mietverhältnisses begründet ist und die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte für die Beklagten bedeutet.

Bei einer Abwägung des Interesses des Klägers an der Erlangung seiner Wohnung und des Interesses der Beklagten an dem Fortbestand des Mietverhältnisses überwiegen vorliegend jedoch die Interessen des Klägers, so dass das Bestandsinteresse der Beklagten zurückstehen muss.

Die persönlichen Verhältnisse der Eltern des Klägers, für die der Kläger den Eigenbedarf geltend macht und die derzeit über keinen der gesundheitlichen Situation des Vaters des Klägers angemessenen Wohnraum verfügen, rechtfertigen die mit einer Härte für die Beklagten verbundene Beendigung des Mietverhältnisses.

Dabei hat das Gericht insbesondere berücksichtigt, dass der von dem Kläger und der Zeugen H.-G. und U. P. gewünschte Umzug in die streitgegenständliche Erdgeschosswohnung für die weiteren Lebensumstände der Eltern äußerst vorteilhaft ist.

Dagegen ist das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass ein Umzug den Beklagten und ihren Kindern und eine Eingewöhnung in eine neue Wohnumgebung nicht zugemutet werden könne.

Eine Vertragsfortsetzung nach § 574 BGB kommt auch nur in solchen Fällen in Betracht, in denen den Erhaltungsinteressen des Mieters nach Durchführung einer Interessenabwägung eindeutig der Vorrang gebührt. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass selbst in Fällen, wo die Interessen beider Parteien gleich schwer wiegen, dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorrang zu geben ist (vgl. hierzu etwa Schmidt-Futterer/Blank, 10. Aufl., § 574 BGB Rd. 64 m.w.N. in Fn. 129). Dass den Interessen der Beklagten gegenüber denjenigen des Klägers, auch auf die gesundheitliche Situation seiner Eltern Rücksicht zu nehmen und dadurch auch deren eigenes Wohnumfeld zu verbessern, Vorzug zu geben wäre, kann nicht angenommen werden. Danach können sich die Beklagten nicht auf eine Vertragsfortsetzung gemäß § 574 BGB berufen.

Nach alledem war der Räumungsklage stattzugeben.

7. Allerdings war den Beklagten gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist zu bewilligen. Dies ist, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, auch ohne Antrag von Amts wegen zu veranlassen. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen – dem Interesse des Klägers an einer Herausgabe der Wohnung einerseits und dem Interesse der Beklagten an der Ermöglichung der Suche nach einer geeigneten Wohnung andererseits – war eine Räumungsfrist bis zum 31.8.2016 für den Kläger noch zumutbar und für eine Wahrung der Interessen der Beklagten auch ausreichend.

Bei der Bemessung der Räumungsfrist hat das Gericht den Gesundheitszustand der Eltern des Klägers sowie die Tatsache berücksichtigt, dass die Beklagten mit ihren beiden kleinen Kindern in die Lage versetzt werden, sich neuen Wohnraum in ihrem bisherigen Wohnumfeld zu suchen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 7, Nr. 11, 709 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 39,41 Abs. 2 GKG.

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