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Wirksamkeit Mietvertragskündigung wegen Nichtnutzung und Vermüllung Wohnung

AG Schöneberg – Az.: 107 C 224/19 – Urteil vom 05.12.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 % abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte ist Mieterin der streitgegenständlichen Wohnung aufgrund eines Mietvertrags vom 30. November 1993 ab dem 1. Oktober 1993 Bl. 46ff d.A., die die Beklagte vom Vormieter übernahm und nach Einzug renovierte. Die derzeitige Bruttokaltmiete beträgt monatlich 177,33 €. Die Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 16. März 1997 an die Hausverwaltung, in dem sie die Wohnung als „unsere“ bezeichnete und Modernisierungsmaßnahmen verlangte.

In der Wohnung befindet sich ein Kachelofen, der seit 2010 nicht mehr beheizbar ist. Der Schornstein wurde aus sicherheitstechnischen Gründen entfernt, der Geschäftsführer der Klägerin bemühte sich um Kontaktaufnahme zur Beklagten, um den Kachelofen stilllegen zu lassen. Die Bauleitung kündigte dies durch ein Schreiben an, welches durch den Türschlitz gesteckt wurde. Die Klägerin ließ durch einen Schlüsseldienst die Wohnung öffnen und den Kachelofen stilllegen. In der Wohnung befinden sich ein Heizlüfter der Klägerin und einer der Beklagten.

Die Beklagte teilte der Klägerin spätestens 2010 mit, dass sie zu ihrer Tochter nach H. verzogen sei, die Klägerin richtete Schreiben vom 26. November 2010 und 12. Dezember 2013 an die Beklagte unter einer H. Anschrift. Die Beklagte wohnt in H..

Die Beklagte erwirkte gegen die Klägerin ein Urteil des Amtsgerichts Schöneberg 6 C 472/16, in dem die Klägerin zur Beseitigung von Mängeln verurteilt wurde.

Bei einem Treffen der Parteien, welches für die Beklagte deren Tochter wahrnahm, am 24. Januar 2018 in der Wohnung gab die Tochter an, die Wohnung werde seit 2009 nicht mehr bewohnt. Die Innenklinke der Wohnungstür fehlte, der Türschnapper war von innen mit einem Nagel fixiert. In der Küche war eine Steckdose mit Klebeband überklebt. Wasserschenkel und Innenfenster sowie die Balkontür wiesen abgeblätterte Farbe auf. die Wasserhähne waren verkalkt und schwergängig. Auf dem Fensterbrett lagen tote Fliegen. Es gab keinen Kleiderschrank. Die Klägerin beanstandete bei diesem Treffen sowie mit Schreiben vom 24. Januar 2018 und 12. Februar 2018 den Zustand der Wohnung.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 26. Juli 2018 Bl. 12ff d.A. die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Juli 2019, die Beklagte widersprach mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Oktober 2018.

Wirksamkeit Mietvertragskündigung wegen Nichtnutzung und Vermüllung Wohnung
(Symbolfoto: Von Syda Productions/Shutterstock.com)

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe von Anfang an die Wohnung angemietet, um sie mit ihrer Tochter zu gelegentlichen Besuchen zu nutzen, und dies verschwiegen. Die Wohnung stehe damit seit 1993 mehr oder weniger leer. Die Wohnung sei in einem vermüllten und ungepflegten Zustand. Die Klägerin sei bereit, die Beheizbarkeit herzustellen. Die Beklagte habe unnötig gegen die Klägerin Klage auf Mängelbeseitigung erhoben, wodurch das Mietverhältnis zerrüttet sei. Die Klägerin ist der Ansicht, das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg 6 C 472/16 weise Verfahrensfehler auf, welche in der Berufungsinstanz vom Landgericht Berlin ignoriert worden seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen. Die Wohnung werde zweckentfremdet.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Verhalten des Beklagtenvertreters, dessen Schriftsätze sich durch widerliche Polemik auszeichneten, und dessen Äußerungen in der Verhandlung hätten mit zur Zerrüttung des Mietverhältnisses geführt. Die Klägerin beabsichtige, die Wohnung erneut als Wohnung zu vermieten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung im Haus G. Straße, … B., Vorderhaus, 3. Obergeschoß Mitte, bestehend aus 1 Zimmer, 1 Kammer, 1 Küche, 1 Flur und 1 WC mit Dusche und Bad, ab dem 01.08.19 zu räumen und vertragsgemäß an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Gewährung einer Räumungsfrist.

Die Beklagte behauptet, sie habe 1993 die Wohnung für sich angemietet und sei von E.-F. mit ihrer damals minderjährigen Tochter nach B. gezogen. Nach einer Erkrankung sei sie von B. nach H. zu ihrer Tochter gezogen. Es sei zu vermuten, dass die Klägerin Angaben über ihre Motivation nur vorschieben würde und die Wohnung gewerblich vermietet werden solle.

Die Klägerin hat Schriftsatznachlass beantragt, um die von ihr vertretene Ansicht zur Nichtanwendbarkeit des § 573 BGB dem Gericht näher darzulegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht aus § 546 Abs. 1 BGB gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung zu. Unstreitig verbindet die Parteien der unter dem 30. November 1993 geschlossene Mietvertrag.

Das Mietverhältnis ist nicht beendet. Denn nach § 573 Abs. 1 BGB darf ein Vermieter von Wohnraum nur kündigen, wenn er hieran ein berechtigtes Interesse hat. Bei den gemieteten Räumlichkeiten handelt es sich um eine Wohnung. Die Vorschrift des § 573 BGB ist anwendbar, denn die Anwendbarkeit ist nicht durch § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Dies wäre der Fall, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist. Dies ergibt sich indes aus dem Mietvertrag nicht, denn nach dessen Inhalt wurden die Räume als Wohnung und auf unbestimmte Zeit vermietet. Zudem belegt auch das Schreiben vom 28. November 2010 Bl. 42 f d.A.,, dass die Parteien von einem Wohnmietverhältnis ausgegangen sind, denn die Klägerin verlangte hiermit die Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558 BGB und richtete dies an eine H. Anschrift. Es kann dahin stehen, ob die Beklagte noch oder jemals in der Wohnung wohnt oder nicht. Denn einseitiges Handeln ändert nichts an dem beiderseits vereinbarten Mietvertrag. Auf die klägerseits in der Verhandlung vom 21. November 2019 zitierten Ansichten (Aufsatz von Bernd-Gunnar Haake und Urteil des Amtsgericht Viechtach vom 28.10.1986) kommt es nicht an. Der Klägerin war hierzu auch nicht der beantragte Schriftsatznachlass nach § 139 ZPO zu gewähren, denn diese Rechtsfrage war nicht überraschend, zumal die Klägerin diese auch bereits erkannt hat, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass sie hierzu Zitate mitteilte.

Kündigungsgründe liegen nicht vor. Nach § 573 Abs. 3 BGB sind die Kündigungsgründe anzugeben und andere Gründe nur zu berücksichtigen, soweit sie nachträglich entstanden sind. Gründe, die nach dem 26. Juli 2018 entstanden sind, liegen nicht vor. Soweit die Klägerin den Vortrag der Gegenseite als widerliche Polemik bewertet, finden sich in den eingereichten Schriftsätzen der Beklagten keine Beleidigungen. Das Bestreiten der vorgetragenen Absicht der Klägerin, die Wohnung wieder dem Wohnungsmarkt zuführen zu wollen, stellt keine Beleidigung dar, sondern ist prozessual nach § 138 ZPO erlaubt, denn die Beklagte kann nicht wissen, ob die angegebenen Intentionen der Klägerin zutreffen oder nicht. Es sind mithin nur die im Schreiben vom 26. Juli 2018 angegebenen Gründe zu berücksichtigen.

Die unter 1) bis 3) dieses Schreibens angegebenen Gründe berechtigen die Klägerin nicht zur Vertragsbeendigung. Denn die Beklagte ist nach dem Inhalt des Mietvertrags berechtigt, indes nicht gegenüber der Klägerin verpflichtet, die Wohnung zu nutzen. Eine Gebrauchspflicht besteht nicht (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage, § 535 Rz. 253). Hinzu kommt, dass der Klägerin die Nichtnutzung der Wohnung offenbar bereits seit Jahren bekannt war.

Die unter 4) und 5) angeführten Gründe rechtfertigen gleichfalls keine Beendigung des Mietverhältnisses. Der Umstand, dass die Beklagte die Klägerin – offenbar zumindest teilweise erfolgreich – auf Mängelbeseitigung verklagt hat, rechtfertigt keine Kündigung, zumal die Klägerin offenbar die Klage nicht anerkannt hat, sondern sich gegen eine Verurteilung auf Mängelbeseitigung verteidigte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in schikanöser Weise Terminsverlegungen im Vorprozess beantragt hätte.

Auch die unter 6) des Kündigungsschreibens mitgeteilten Gründe rechtfertigen keine Beendigung des Mietverhältnisses. Denn die im Mietvertrag vorgesehene Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf die Beklagte als Mieterin war unwirksam, denn sie hat die Wohnung unrenoviert angemietet (vgl. BGH WuM 2015, 338). Mithin hätte es der Klägerin oblegen, die Schönheitsreparaturen auszuführen und auch die Fenster und Balkontür zu streichen. Wenn sie dies unterlässt und auch nicht vornimmt, nachdem sie von dem Zustand der Wohnung Kenntnis erlangt hat, ist dies kein vertragswidriges Verhalten der Beklagten. Die Klägerin hat 2010, ohne sich hierzu vorab einen Gerichtstitel zu verschaffen, die Wohnung öffnen lassen und den Kachelofen still legen lassen. Ein Heizlüfter, der entsprechend Strom verbraucht und nicht die Heizkraft eines Kachelofens aufweist, ist hierfür kein Ersatz. Die Klägerin hat die Bewohnbarkeit der Wohnung eingeschränkt und kann sich schon deswegen nicht als Kündigungsgrund darauf berufen, dass die Beklagte die Wohnung nicht nutzen würde.

Der unter 7) geltend gemachte Kündigungsgrund berechtigt die Klägerin nicht zur Kündigung. Die Beklagte ist nach § 13 des Mietvertrags nicht dazu verpflichtet, der Klägerin Wohnungsschlüssel zu überlassen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut nicht. Die Beklagte ist nur im vertraglichen Umfang verpflichtet, Zugang zu gewähren, dies bedeutet nicht, dass sie der Klägerin die Schlüssel aushändigen und damit jederzeitigen Zugang gewähren müsste.

Soweit die Klägerin vorträgt, die Wohnung sei vermüllt und ungepflegt, lässt sich den eingereichten Fotos und dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen, dass Schäden an der Bausubstanz zu befürchten wären. Tote Fliegen auf der Fensterbank sind ohne drohende Schäden zu beseitigen. Dass die Beklagte Gegenstände lagern würde, die verderben und Geruch verbreiten würden, ist nicht dargelegt worden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 7, 711 ZPO.

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