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Wohnflächenberechnung – Balkone sind mit einem Viertel der Grundfläche anzusetzen

AG Hamburg – Az.: 49 C 263/18 – Urteil vom 14.08.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, so nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Beschluss: Der Streitwert wird festgesetzt auf 728.52 Euro.

Tatbestand

Mit der Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung.

Wohnflächenberechnung - Balkone sind mit einem Viertel der Grundfläche anzusetzen
Symbolfoto: Von tsyhun /Shutterstock.com

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten Mieter einer Wohnung in der ### im Erdgeschoss rechts in ###. Der Mietvertrag wurde zum 01.07.2009 geschlossen. Die von den Beklagten angemietete Wohnung ist zwischen 1948 und 1960 erbaut worden. Sie ist vermieterseits mit Bad und Sammelheizung ausgestattet. Die Wohnung verfügt über einen etwa 12 qm großen Balkon zu einem begrünten Innenhof. Im Übrigen ist das Haus unmittelbar in der Nähe der Alster belegen. Die zuletzt geschuldete und seit 01.07.2014 unveränderte Nettokaltmiete betrug 970,00 Euro.

Mit Schreiben vom 24.01.2018 begehrte die Klägerin die Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 145,50 Euro auf 1.115,50 Euro. Die Beklagten stimmten der Erhöhung auf 1.054,79 Euro nettokalt zu.

Die Klägerin behauptet, dass die Wohnfläche 92,77 qm betrage. Sie ist insoweit der Meinung, dass der Balkon mit der Hälfte seiner Grundfläche auf die Wohnfläche anzurechnen sei, da er zu einem begrünten Hinterhof gehe und zudem einen terrassenartigen Zuschnitt habe. Daher sei die Wohnung auch in das Rasterfeld H 8 des Hamburger Mietenspiegels 2017 einzuordnen. Unter Ansatz dieser von der Klägerin angenommenen Wohnungsgröße sei ein Mietzins von bis zu 12,43 netto/kalt pro qm berechtigt, wobei die Klägerin nur 12,02 Euro pro qm fordert.

Die Klägerin stellt den Antrag, die Beklagten zu verurteilen, einer Erhöhung der Netto-Kalt-Miete für die Wohnung ### auf 1.115,50 Euro ab dem 01.04.2018 zuzustimmen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass die Wohnung lediglich eine Größe von 89,72 qm habe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Balkon nur mit einem Viertel seiner Grundfläche anzurechnen sei. Zudem behaupten die Beklagten, dass das Haus extrem hellhörig sei, insbesondere sei die unter dem Hause gelegene Garage laut wahrnehmbar. Auch sind die Beklagten der Auffassung, dass ein innen liegendes Badezimmer wohnwertmindernd zu berücksichtigen sei. Entsprechendes gelte für das Fehlen eines Fahrradabstellraumes und einer Waschküche. Hinsichtlich des Wohnumfeldes ist nach Auffassung der Beklagten zu berücksichtigen, dass es auch ein gewerbliches Umfeld, wie etwa eine unmittelbar angrenzende Versicherung, gebe.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18.12.2018 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens auf Antrag der Beklagten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen ### vom 08.05.2019 (BI. 73 ff d. A.).

Im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung der Beklagten nach den §§ 558 ff. BGB.

Von den Beklagten ist jedenfalls nach Erklärung der Teilzustimmung ein Nettokaltmietzins geschuldet, der keinesfalls unterhalb des ortsüblichen Vergleichsmietzinses liegt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass die Wohnung mit einer Wohnfläche von 90,33 qm dem Rasterfeld H 7 des Hamburger Mietenspiegels 2017 zuzuordnen ist.

Der Begriff der „Wohnfläche“ ist im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Bestimmungen auszulegen (BGH WuM 2019, 319 m.w.N.). Eine hiervon abweichende Berechnung erfolgt unter anderem dann, wenn ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich ist. Eine solche maßgebende Verkehrssitte setzt voraus, dass abweichend von den sonst anwendbaren Bestimmungen – vorliegend der Wohnflächenverordnung – ein anderes Regelwerk, mithin die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 insgesamt angewendet wird (BGH WuM 2019, 319). Dies ist in Hamburg nicht der Fall (vgl. etwa AG Hamburg, Urteil vom 20. August 2014 zum Az. 49 C 174/13).

Das Gericht stützt die Überzeugung auf die vom Sachverständigen nach der Wohnflächenverordnung vorgenommene Wohnflächenberechnung, bei der sämtliche Wohnräume voll angerechnet worden sind und der Balkon zu einem Viertel, d. h. letztere Fläche ist mit 3,01 qm angesetzt worden. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Zeichnung des Sachverständigen (BI. 76 d. A.). Aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses vom 19.05.2009 geltenden Wohnflächenverordnung in der Fassung vom 25.11.2003 berechnet sich die Wohnfläche des Balkons mit einem Viertel der Grundfläche. Im Übrigen kommt es auf den Mietvertragsabschluss letztlich nicht entscheidend an, da nach der neueren Rechtsprechung des BGH für die Mieterhöhung die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich ist (vgl. BGH NZM 2016, 42).

Aus § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung ergibt sich, dass Balkonflächen im Regelfall nur mit einem Viertel ihrer Fläche in Ansatz zu bringen sind (vgl. so ausdrücklich LG Hamburg, Urteil v. 25.01.2019 zum Az.: 307 S 75/17; LG Berlin GE 2018, 256). Insoweit unterscheidet sich die Wohnflächenverordnung von der vorherigen Berechnung nach der Berechnungsverordnung. Grund für die seinerzeitige Schaffung eines Wahlrechtes in der II. Berechnungsverordnung war die Tatsache, dass es nach früherem Recht Forderungsarten gab, bei denen es im Hinblick auf die Forderungshöhe günstiger zu sein vermochte, den Balkon voll anzurechnen, ein anderes Mal hingegen ihn gar nicht anzurechnen. Durch das Wahlrecht sollte insoweit dem Bauherren ein Anreiz zum erwünschten Anbau von Balkonen gegeben werden (vgl. Grundmann. WW 2003, 3745, 3748). Nach dem Wegfall dieser förderrechtlichen Besonderheiten fehlte dem bisherigen Wahlrecht seine Berechtigung, so dass mit der Neuregelung in § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung die Wohnflächenanrechnung klarstellend neu geregelt worden ist. Dabei hat sich der Gesetzgeber nicht für eine zunächst erwogene einheitliche und ausnahmslose Anrechnung der Balkonflächen zu einem Viertel entschieden, da er Akzeptanz- und Gleichbehandlungsprobleme in einzelnen Mietverhältnissen fürchtete, sofern bei einem Teil der Wohnungen die Balkone mit der Hälfte und einem anderen Teil nur zu einem Viertel berücksichtigt wurden.

Die Regelanrechnung zu einem Viertel berücksichtigt insoweit allerdings, dass ein Balkon aufgrund seiner witterungsabhängigen Nutzbarkeit einen deutlich geringeren Wohnwert hat als beispielsweise ein Wintergarten oder ein Zimmer der Wohnung. Ebenso wird berücksichtigt, dass der Wohnwert von Balkonen durchaus unterschiedlich zu sein vermag. Etwas anderes mag bei Wintergärten gelten oder sich aus besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ergeben (vgl. Grundmann a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, wonach im vorliegenden Fall von diesem Regelfall abzuweichen wäre, sind hier nicht ersichtlich. Rechtliche Besonderheiten im Hinblick auf etwaige Akzeptanz- und Gleichbehandlungsgesichtspunkte sind nicht erkennbar (vgl. Grundmann a.a.O.; AG Flensburg, Urteil v. 31.08.2011 zum Az.: 64 C 174/10; AG Hamburg-Altona WuM 2010; 160).

Ebenso wenig weist der hier vorhandene Balkon im Vergleich zu „normalen“ Balkonen einen besonders hohen Wohnwert auf. Es handelt sich insoweit um einen in Norddeutschland belegenen Balkon im Erdgeschoss. Insoweit ist er aufgrund der üblichen Witterungsbedingungen in dieser Region naturgemäß nur eingeschränkt nutzbar. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Balkon zu einem begrünten Innenhof geht, vermag dies keinen besonderen Wohnwert im Vergleich zu anderen Durchschnittsbalkonen begründen, da Balkone nicht üblicherweise nur an größeren Straßen belegen sind, sondern regelhaft auf der Hinterseite von Häusern und häufig auch zu begrünten Innenhöfen. Es handelt sich insoweit keinesfalls um eine Ausnahmeerscheinung, sondern vielmehr um einen in Hamburg tausendfach verbreiteten allgemein durchaus üblichen Zustand.

Eine außergewöhnliche Aussicht oder eine aus anderen Gründen besonders gut gegebene Nutzbarkeit des Balkons ist vorliegend nicht ersichtlich. Ein terrassenartiger Zuschnitt, sollte dieser gegeben sein, vermag eine andere Bewertung schon deswegen nicht zu rechtfertigen, da die Regelung des § 4 Nr. 4 der Wohnflächenverordnung in gleicher Weise für Balkone und Terrassen gilt.

Im Übrigen ist die von der Klägerin begehrte Miete unter Zugrundelegung des Rasterfeldes H 7 des Mietenspiegels der Freien und Hansestadt. Hamburg für das Jahr 2017 nicht gerechtfertigt, da wohnwerterhöhend innerhalb der guten Wohnlagen vorrangig die besondere Lage aufgrund der Alsternähe zu berücksichtigen ist. Dies vermag jedoch in Ermangelung weiterer wohnwerterhöhender Faktoren keinesfalls einen Mietzins zu rechtfertigen, der oberhalb dessen liegt, der schon jetzt von den Beklagten nach der Teilzustimmung gezahlt wird. Insoweit verweisen die Beklagten zu Recht auf das Fehlen eines Fahrradkellers, einer Waschküche oder auch eines Fensters im Bad. Es fehlen mithin schlichtweg weitere den Wohnwert erheblich erhöhende Faktoren, mit denen eine Einordnung im obersten Bereich des Rasterfeldes H 7 ggf. begründet werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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