LG Freiburg (Breisgau) – Az.: 3 S 98/11 – Urteil vom 04.08.2011
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg i. Br. vom 11. Februar 2011 – 4 C 1747/10 – aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf € 1.534,80.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Kammer ist – anders als das Amtsgericht – der Auffassung, dass die Beklagte nach der im Rahmen des § 554 Abs. 2 BGB durchzuführenden Abwägung nicht verpflichtet war, die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen zur Energieeinsparung zu dulden. Dementsprechend kann der Kläger die Miete wegen dieser Modernisierungsmaßnahmen auch nicht nach § 559 Abs. 1 BGB erhöhen.
Eine Duldungspflicht besteht nach § 554 Abs. 2 S. 2 BGB nicht, wenn die betreffende Modernisierungsmaßnahme für den Mieter eine Härte bedeutet, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter im Gebäude nicht zu rechtfertigen wäre. Dabei sind insbesondere die vorzunehmenden Arbeiten, die baulichen Folgen, vorausgegangene Aufwendungen des Mieters und die zu erwartende Mieterhöhung zu berücksichtigen (Satz 3). Eine Härte scheidet von vornherein aus, wenn die Mietsache lediglich in einen Zustand versetzt wird, wie er allgemein üblich ist (Satz 4). Letzteres ist im vorliegenden Falle allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich.
Bei der danach vorzunehmenden Abwägung hat die Kammer zunächst berücksichtigt, dass der Kläger ein legitimes Interesse daran hatte, das Anwesen … 16 in M. mit Hilfe der durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen in einen energetisch günstigeren Zustand zu versetzen. Dass diese Maßnahme Erfolg hatte, steht außer Frage; insofern kann auf das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten des Herrn … Bezug genommen werden. Des Weiteren sieht die Kammer, dass die durchgeführten Sanierungsmaßnahmen auch sämtlichen Mietern in dem Hause zu Gute kommen, einschließlich der Beklagten. Dass die Energieeinsparungsmaßnahmen zu deutlich niedrigeren Nebenkosten jedenfalls der Mieter in ihrer Gesamtheit führen, ergibt sich aus dem Sachverständigengutachten; dass die Beklagte auch persönlich davon profitiert, ist nach dem Sachverständigengutachten wahrscheinlich und wird auch durch die Abrechnung der Firma … bestätigt, welche der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Juli 2011 vorgelegt hat. Die Kammer sieht jedoch auch ein erhebliches Interesse der Beklagten daran, nicht mit den vom Kläger verlangen monatlichen Mehrkosten auf die Miete von gut € 100,00 belastet zu werden. Die Beklagte hat in erster Instanz substantiiert dargelegt, über ein monatliches Einkommen von ca. € 850,00 zu verfügen. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten, er hat keinerlei Anhaltspunkte aufgezeigt, die dafür sprechen könnten, dass der Beklagten tatsächlich ein höheres Einkommen zur Verfügung steht. Der Kläger hat insofern auch keine konkreten Behauptungen aufgestellt. Die Kammer hat keinen Anlass, an den Angaben der Beklagten zu zweifeln. Angesichts dieser Einkommensverhältnisse stellt bereits – wie auch das Amtsgericht gesehen hat – die nunmehr bezahlte Miete von € 615,01 im Monat für die Beklagte eine erhebliche und aller Wahrscheinlichkeit nach nur mühsam zu tragende Belastung dar. Allerdings sieht die Kammer keine Anhaltspunkte, dass die Beklagte auch auf Dauer nicht in der Lage sein könnte, die Belastung in dieser (bisherigen) Höhe zu tragen. Die Kammer muss vielmehr davon ausgehen, dass die Beklagte nunmehr über 3 ½ Jahre lang ihre Miete, die auch vor April 2010 nur unwesentlich unter der jetzigen lag, stets pünktlich bezahlt hat. Dies hat das Amtsgericht – für die Berufungskammer bindend – festgestellt. Einwände hiergegen hat der Kläger im Übrigen im Rahmen des Berufungsverfahrens lediglich angedeutet und zu keinem Zeitpunkt konkret ausgeführt. Die Kammer sieht danach keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die den Schluss des Amtsgerichts rechtfertigen könnten, die Beklagte werde in Zukunft zur Finanzierung ihrer Wohnung auch ohne Erhöhung nicht mehr in der Lage sein. Gleichwohl bedarf es keiner weiteren Begründung, dass bei den dargestellten Verhältnissen eine Mieterhöhung um rund € 100,00 für die Beklagte eine enorme Härte bedeuten würde, die den Verlust der Wohnung aus finanziellen Gründen jedenfalls ausgesprochen wahrscheinlich machen würde. Daran ändert sich auch nichts Wesentliches, wenn man auf der Grundlage der vorgelegten Abrechnung der Firma … davon ausgeht, dass die Beklagte jährlich Nebenkosten in Höhe von ca. € 220,00 aufgrund der Modernisierung einsparen kann.
Bei Würdigung aller Umstände ist die Kammer der Auffassung, dass die in der Mieterhöhung liegende Härte für die Beklagte mit den angesprochenen Folgen im vorliegenden Fall auch unter Würdigung der berechtigten entgegenstehenden Interessen nicht zu rechtfertigen ist. Insofern kann die Kammer auch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass der Kläger es vorgezogen hat, die Modernisierung ohne vorherige Erhebung einer Duldungsklage durchzuführen. Damit hat er, was die Durchsetzbarkeit der Mieterhöhung angeht, in gewisser Weise auf eigenes Risiko gehandelt. Die Möglichkeit, dem Kläger eine Mieterhöhung in nur eingeschränktem Umfang zuzusprechen – was vielleicht am ehesten der Interessenlage entsprechen würde -, hat die Kammer im jetzigen Verfahren nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2 GKG. Wegen der Berechnung unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 5 GKG wird auf die Ausführungen im letzten Absatz der Klageschrift vom 8. Juni 2010 Bezug genommen.