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Wohnraummietvertrag – angemessene Räumungsfrist bei schulpflichtigem Kind des Mieters

AG Paderborn – Az.: 55 C 44/19 – Urteil vom 23.07.2019

Die Beklagten werden verurteilt, die Wohnung im ersten Obergeschoss im Objekt H bestehend aus drei Zimmern, einem Flur, einem Bad mit Dusche, einem Raum mit Wasserklosett, einer Küche, einem Balkon sowie einem Kellerraum und einer Garage, geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 23.10.2019 gewährt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Räumung und Herausgabe der mit Mietvertrag vom 20.03.2018 vermieteten Wohnung.

Die Beklagten zogen zum 15.05.2018 in die Wohnung ein und bewohnen diese gemeinsam mit ihrem dreizehn Jahre alten Kind, welches zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die 5. Klasse besucht. Die monatliche Kaltmiete beträgt 540,00 EUR (zzgl. 40,00 EUR für die Garage). Gemäß § 5 des Mietvertrages vom 20.03.2018 (Anlage K 1, Bl. 3 ff. d. A.) ist die Miete samt Nebenkosten monatlich im Voraus, spätestens zum 15. des Monats an den Vermieter zu überweisen. Die erste Miete für den Zeitraum vom 15.05.2018 bis 14.06.2018 zahlten die Beklagten rechtzeitig. Die weiteren Mietzahlungen im Zeitraum Juni 2018 bis einschließlich Mai 2019 erfolgten jeweils verspätet. Im Zeitraum Juni 2018 bis Mai 2019 stellte die Klägerin folgende Zahlungseingänge fest:

03.07.2018 (Miete für Juni 2018), 06.08.2018 (Miete für Juli 2018), 05.09.2018 (Miete für August 2018), 01.10.2018 (Miete für September 2018), 14.11.2018 (Miete für Oktober 2018), 10.12.2018 (Miete für November 2018), 03.01.2019 (Miete für Dezember 2018), 31.01.2019 (Miete für Januar 2019), 04.03.2019 (Miete für Februar 2019), 29.03.2019 (Miete für März 2019), 02.05.2019 (Miete für April 2019).

Am 13.11.2018 richtete die Klägerin folgendes Schreiben an die Beklagten:

„Sehr geehrte Frau E, sehr geehrter Herr T,

lt. Ihres Mietvertrages vom 15.03.2018 haben Sie sich verpflichtet, den Mietzins zum 15. eines jeden Monats zu zahlen. Dieser Verpflichtung sind Sie sehr schleppend bis gar nicht nachgekommen. Ihr Mietbeginn war der 15.05.2018.

1. Zahlung vom 15.05.-14.06.18 gez. am 15.05.18

2. Zahlung vom 15.06.-14.07.18 gez. am 03.07.18

3. Zahlung vom 15.07.-14.08.18 gez. am 06.08.18

4. Zahlung vom 15.08.- 14.09.18 gez. am 05.09.18

5. Zahlung vom 15.09.-14.10.18 gez. am 01.10.18

Da ich bis gestern keinen weiteren Mieteingang festgestellt habe, setze ich Ihnen eine Frist zu zahlen bis zum 19.11.18 für den letzten Monat ab 15.10.-14.11.18 Außerdem ist der Nachfolgezins zum 15.11. auch bereits fällig. Kommen Sie dieser Fristsetzung nicht nach, werde ich mir bei fortgesetzter Pflichtverletzung die daraus entstehenden Konsequenzen vorbehalten. (…)“

Auf den weiteren Inhalt des Schreibens vom 13.11.2018 (Anlage K 3, Bl. 25 d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.01.2019 forderte die Klägerin die Beklagte zur Entfernung von Müll aus dem Treppenhaus auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.03.2019 (Anlage K 2, Bl. 12/13 d. A.) erklärte die Klägerin die außerordentliche Kündigung aufgrund verspäteter Mietzahlung sowie Lagerung von Müll im Treppenhaus und forderte die Beklagten zur Räumung der Wohnung bis zum 29.03.2019 auf. Zugleich erklärte sie hilfsweise die fristgemäße Kündigung zum 30.06.2019. Insoweit berief sich die Klägerin auf die noch teilweise ausstehende Kautionszahlung. Mit der Klageschrift vom 29.03.2019 erklärte die Klägerin erneut die außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Termin. Mit Schriftsatz vom 02.05.2019 kündigte die Klägerin ein weiteres Mal außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin.

Die Klägerin behauptet, sie habe mit Schreiben vom 21.01.2019 und 13.03.2019 jeweils eine weitere Abmahnung ausgesprochen. Ihr Vertrauen in eine pünktliche Mietzahlung seitens der Beklagten sei nachhaltig zerstört.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im ersten Obergeschoss im Objekt H bestehend aus drei Zimmern, einem Flur, einem Bad mit Dusche, einem Raum mit Wasserklosett, einer Küche, einem Balkon sowie einem Kellerraum und einer Garage, geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise beantragen die Beklagten, die Räumung bis zum Ende des kommenden Schulhalbjahres, also bis Februar 2020 auszusetzen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin sei nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt. Eine nachhaltig unpünktliche Mietzahlung liege seitens der Beklagten nicht vor, da der Abmahnung der Klägerin lediglich vier unpünktlich gezahlte Mieten zugrunde gelegen haben.

Die Beklagten behaupten, die weiteren Abmahnschreiben seien ihnen nicht zugegangen. Der im Treppenhaus gelagerte Müll stamme nicht von ihnen. Im Übrigen habe die Klägerin die insolvenzfeste Anlage der Kaution nicht gegenüber den Beklagten nachgewiesen.

Die Klägerin rügt die Verspätung des in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2019 gestellten Antrages auf Bewilligung einer Räumungsfrist seitens der Beklagten.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietwohnung gemäß §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu.

Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist mit der außerordentlichen Kündigung der Klägerin vom 20.03.2019 gemäß § 543 Abs. 1 BGB wirksam beendet worden.

1.

Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen.

Ein wichtiger Grund liegt gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Beruft sich der Vermieter für eine derartige Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses auf verspätete Mietzahlungen seitens des Mieters, ist erforderlich, dass der Kündigung eine nachhaltige und trotz erfolgter Abmahnung fortdauernde unpünktliche Mietzahlung zugrunde liegt. (Vgl. BGH NJW 2006, 1585 mwN).

2.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Beklagten haben entgegen ihrer mietvertraglichen Verpflichtung die Miete ab Juni 2018 nicht zum 15. des Monates, sondern für Juni bis Oktober 2018, mithin viermal in Folge frühestens Anfang des nachfolgenden Monats gezahlt.

Die Klägerin hat das Zahlungsverhalten mit Schreiben vom 13.11.2018 gemäß § 543 Abs. 3 BGB in dem erforderlichen Umfang abgemahnt.

Insoweit genügt es, wenn sich aus der Abmahnung mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der Vermieter auf pünktliche Mietzahlung Wert legt; die ausdrückliche Androhung einer Kündigung ist hingegen nicht erforderlich (Vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 13. Auflage 2017, BGB § 543 Rn. 179 mwN).

Durch den Hinweis auf die mietvertragliche Verpflichtung der Beklagten, Auflistung der bisherigen Zahlungseingänge sowie Fristsetzung zur Zahlung der bereits fälligen Miete für Oktober 2018 hat die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, dass das bisherige Zahlungsverhalten der Beklagten nicht vertragsgemäß ist. Durch Ankündigung von Konsequenzen bei fortgesetzter Pflichtverletzung machte sie zudem deutlich, dass sie dieses Verhalten zukünftig nicht folgenlos akzeptieren wird.

Auf die zwischen den Parteien im Streit stehende Frage, ob den Beklagten weitere Abmahnungen der Klägerin zugegangen sind, kam es vorliegend nicht an. Insbesondere nach fortdauernd unpünktlichen Mietzahlungen muss das Verhalten des Mieters nach einer Abmahnung geeignet sein, das Vertrauen des Vermieters in eine pünktliche Mietzahlung wiederherzustellen (Vgl. BGH, aaO).

Vorliegend erfuhr das Zahlungsverhalten der Beklagten durch die Abmahnung der Klägerin keine Änderung, sondern wurde vielmehr bis einschließlich Mai 2019 und mithin für weitere sieben Monate trotz Ausspruch der Kündigung im März 2019 und Erhebung der Räumungsklage im April 2019 unverändert fortgesetzt. Eine weitere Abmahnung des Zahlungsverhaltens war jedenfalls vor diesem Hintergrund entbehrlich.

3.

Aufgrund der wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 20.03.2019 kam es auf die Wirksamkeit der im weiteren Verlauf ausgesprochenen, weiteren Kündigungen nicht mehr an.

Insbesondere konnte dahin stehen, ob weitere Pflichtverletzungen seitens der Beklagten hinsichtlich der Kautionszahlung und Lagerung von Müll im Treppenhaus vorlagen und die Klägerin zur Kündigung berechtigt hätten.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 7, 711 ZPO.

III.

Den Beklagten war gemäß § 721 Abs. ZPO eine den Umständen nach angemessene Frist zur Räumung der streitgegenständlichen Wohnung zu gewähren.

1.

Soweit die Klägerin sich bezüglich des Antrages auf Gewährung einer Frist zur Räumung auf Verspätung berufen hat, konnte dem nicht gefolgt werden.

Gemäß § 721 Abs. 1 S. 2 ZPO ist der Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht. Im Übrigen kann das Gericht auch von Amts wegen eine Räumungsfrist gewähren.

2.

Die Bewilligung einer Räumungsfrist und die Bestimmung ihrer Dauer stehen dabei im Ermessen des Gerichts; dieses hat die Interessen der beiden Parteien gegeneinander abzuwägen (Vgl. Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 721 ZPO, Rn. 6 mwN).

Bei der Bemessung der Frist wurde zunächst von der Erfahrungstatsache ausgegangen, dass es auf dem Wohnungsmarkt der Stadt Q bei Entfaltung angemessener Bemühungen möglich ist, in etwa drei Monaten eine andere vergleichbare Wohnung anzumieten.

Soweit sich die Beklagten zur Begründung ihres Antrages auf Gewährung einer Räumungsfrist für die Dauer des erst Ende August beginnenden Schulhalbjahres bis Februar 2020 auf die Tatsache berufen haben, dass von der Räumung der Wohnung auch das dreizehn Jahre alte, schulpflichtige Kind betroffen sein wird, konnte dies bei der Bemessung der Frist nur eingeschränkt Berücksichtigung finden.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass sowohl ein Umzug in eine neue Wohnung als auch ein gegebenenfalls dadurch erforderlich werdender Wechsel der Schule für ein schulpflichtiges Kind Belastungen darstellen können, die im laufenden Schuljahr nach Möglichkeit vermieden werden sollten.

Ob dies bei dem Kind der Beklagten, welches bereits dreizehn Jahre alt ist, ebenfalls angenommen werden darf, ist bereits in Zweifel zu ziehen. Die Gewährung einer Räumungsfrist für mehr als drei Monate kam jedenfalls unter Berücksichtigung des Erlangungsinteresses der Klägerin nach Ausspruch der Kündigung bereits im März 2019 nicht in Betracht. Den Beklagten bleibt dabei unbenommen, vor Beginn des neuen Schuljahres aus der streitgegenständlichen Wohnung auszuziehen.

Der Streitwert wird auf 6.960,00 EUR festgesetzt.

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