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Wohnraummietvertrag – Mieteraustausch bei Mietermehrheit

LG Berlin – Az.: 65 S 176/19 – Urteil vom 17.04.2020

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 20.06.2019, Az. …, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Gegen das ihr am 26.06.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 22.07.2019 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, mit welcher sie die Abweisung der Klage begehrt.

Sie ist der Auffassung, dass die Kläger kein Recht auf Wechsel der Mieter ihr gegenüber hätten, weil bei Mietvertragsbeginn weder bekannt noch gewollt worden sei, dass die Mieterschaft während des Mietverhältnisses ausgewechselt werden könne.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und tragen vor, dass bei Mietvertragsbeginn besprochen worden sei, dass die ursprüngliche Mitmieterin H. ggf. beruflich bedingt aus dem Mietverhältnis ausscheiden müsse. Man sei deshalb überein gekommen, dass entweder ein Hauptmieterwechsel möglich sei, oder stattdessen ein Untermieter aufgenommen werden dürfe.

II.

Die gemäß §§ 51ff. BGB zulässige Berufung ist auch in der Sache erfolgreich, sie rechtfertigt eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zustimmung zum Ausscheiden des Klägers zu 2) aus dem Mietverhältnis und Aufnahme der Frau … als weitere Mieterin in das Mietverhältnis.

Die Änderung eines Vertrags bedarf der einvernehmlichen Regelung der Parteien. Mieten Lebenspartner, unabhängig von einer Eintragung ihrer Lebenspartnerschaft, Eheleute oder Eltern(teile) und (erwachsene) Kinder eine Wohnung gemeinsam an, bedarf es folglich einer übereinstimmenden Willensentscheidung beider Vertragsseiten, d. h. sowohl der Mieter als auch der Vermieter, wenn ein Mieter der Mietermehrheit ausscheiden und ggf. durch einen Dritten ersetzt werden soll. Das Grundprinzip der Vertragsfreiheit führt dazu, dass dem Vermieter außer im Falle der gesetzlich geregelten Folgen bei der Ehewohnung im Falle der Ehescheidung (§ 1568a Abs. 3 BGB) kein Mieter aufzuzwingen ist, ebenso wie er die Solvenz mehrerer gesamtschuldnerisch haftender Mieter nicht gegen seinen Willen verlieren darf. Allein eine Mehrheit von Mietern begründet deshalb keinen Anspruch gegenüber dem Vermieter, einem Austritt eines Mitmieters oder seines Austauschs durch einen Dritten zuzustimmen. Kann keine Einigung mit dem Vermieter hergestellt werden, so muss in der Regel das Mietverhältnis insgesamt beendet und ggf. auf neuer Basis neu begründet werden.

Ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung der Zusammensetzung der Mieterschaft gegenüber dem Vermieter, ein sogenanntes Wechselrecht der Mieter, besteht nur dann, wenn das eine Grundlage des Vertrags bildet, also die Möglichkeit und das Recht der Mieterschaft bestehen soll, ohne Beendigung des gesamten Mietverhältnisses einzeln aus dem Mietvertrag auszuscheiden und den bzw. die ausgeschiedenen Mieter durch einen oder mehrere Mieter zu ersetzen. Das wird durch die Rechtsprechung – auch der Kammer – angenommen, wenn es sich um eine nicht auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft der Mieter als Wohngemeinschaft in Form einer sogenannten BGB-Innengesellschaft handelt, weil dieses den Anspruch gegenüber dem Vermieter impliziert, einem Auswechseln der Mitglieder der Wohngemeinschaft auf Mieterseite grundsätzlich zuzustimmen (vgl. Urt. v. 09.02.2010 – 65 S 475/07, Grundeigentum 2012, 1379, Rn. 14, mwN, zit nach juris). Dagegen spricht regelmäßig auch noch nicht, dass die einzelnen Mieter in Person als Mieter im Vertrag aufgeführt worden sind, denn dann kann eine Wohngemeinschaft als BGB-Innengesellschaft vorliegen (vgl. Kammer, aaO; KG Beschluss v. 30.03.1992 – 2 W 1331/92, zit. nach juris). Die nicht auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft muss aber Grundlage des Zusammenlebens aller Mieter und der Anmietung der Wohnung sein oder später einvernehmlich mit dem Vermieter vereinbart werden. Dieses muss der Vermieter bei Mietvertragsabschluss oder in dessen Verlauf wissen und als vertragsimmanent (an)erkennen. Soweit dieses sich aus den vertraglichen Regelungen nicht eindeutig ergibt, kann sich das aus dem übereinstimmenden Handeln beider Vertragsseiten – Mietern und Vermieter – ebenso ergeben, etwa dann, wenn der Vermieter entsprechenden Wünschen der Mieterschaft mehrfach nachgekommen ist.

Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich.

Eine nicht auf Dauer angelegte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft der Mieter als Wohngemeinschaft in diesem Sinne wird häufig bei jüngeren Menschen ohne familiäre Bindung zueinander vorliegen, die sich regelmäßig in einer Ausbildungs- oder Berufsfindungsphase, auch in Praktika etc., befinden. In diesem Fall ergibt sich daraus eine von vornherein erkennbare zeitliche Beschränkung des gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens. Solches lässt sich dem hier gegebenen Sachverhalt nicht entnehmen.

Die Kläger tragen dazu ausschließlich für die frühere Mitmieterin H. vor, die dann auch knapp vier Jahre nach Mietvertragsabschluss einvernehmlich aus dem Mietverhältnis ausschied. Ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.03.2020 lässt sich nur in Bezug auf einen absehbaren Wechsel von Frau … eine Vereinbarung mit dem Vermieter entnehmen. Eine Wohngemeinschaft mit einem sogenannten Wechselrecht aller Mitglieder der Wohngemeinschaft gegenüber dem Vermieter erfordert eine entsprechende Übereinkunft für alle Mitglieder der Wohngemeinschaft. Eine Vereinbarung allein für Frau … reichte nicht aus, um den Charakter als nicht auf Dauer angelegter Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen. Für die übrigen Mitmieter, die Kläger zu 1) bis 3), die das 2011 begründete Mietverhältnis seit 2015 ohne Frau H. in ansonsten gleichbleibender Zusammensetzung fortführen, ist eine entsprechende Übereinkunft, weder im Zusammenhang mit der gemeinsamen Anmietung der Wohnung noch später nicht dargelegt; es ergibt sich folglich nicht, dass sich die Parteien des Mietvertrags einig darüber geworden wären, dass die Wohngemeinschaft insgesamt und alle Mitglieder betreffend von vorneherein nicht auf Dauer angelegt gewesen sein soll oder später eine dementsprechende Einigung mit der Vermieterin herbeigeführt worden wäre.

Auch andere Umstände, aus denen sich zwingend eine auf beiden Vertragsseiten vorhandene Einigkeit darüber entnehmen ließe, dass die Mitglieder der Wohngemeinschaft gegen andere – dem Vermieter zumutbare – Personen ausgetauscht werden dürften, ergeben sich hier für das Gericht nicht.

So lässt das Alter der Mitmieter bei Mietvertragsabschluss das nicht bereits offenkundig erkennen. Die Mitmieter waren nicht durchweg so jung, dass sie sich noch zwangsläufig in einer absehbar zeitlich beschränkten Ausbildungsphase befanden, die Anlass und Grund für die gemeinsame Anmietung der Wohnung gewesen wäre. Bei Mietvertragsabschluss war die frühere Mitmieterin H. 30 Jahre, die Klägerin zu 1) 26 Jahre alt, der Kläger zu 2) 27, der Kläger zu 3) 23 Jahre. Nur das Alter des Klägers zu 3) ließe es als naheliegend erscheinen, dass er sich noch in einer Berufsausbildung befunden haben könnte und er deshalb zeitlich beschränkt in der Wohnung in der Gemeinschaft mit den anderen Klägern und Frau H. zusammenlebte. Vortrag dazu gibt es indessen nicht.

Selbst bei verbreitet durchaus jahrelangen Ausbildungsphasen, zumal für ein Studium, hatten die Kläger bis 2018, als sie den Wunsch auf Austausch des inzwischen fast 36 Jahre alten Klägers zu 2) gegen Frau … begehrten, etwa 7 Jahre in derselben Zusammensetzung in der Wohnung gewohnt, sodass ein sachlicher und zeitlicher Bezug zu einer Ausbildungsphase der Kläger nicht offen liegt.

Ein von vorneherein zeitlich beschränkter Aufenthalt in Berlin aus anderen Gründen ist ebenso nicht erkennbar.

Schließlich spricht auch die nach Ausscheiden von Frau H. aus dem Mietverhältnis gelebte Praxis, nämlich die Untervermietung eines Zimmers an Dritte, gegen eine einvernehmliche, ggf. auch schlüssig erfolgte Einigung darüber, dass auch die anderen verbliebenen Mieter, die Kläger zu 1) bis 3), aus dem Mietverhältnis ausscheiden und für sie Dritte als Hauptmieter eintreten dürften, ohne Auswirkungen auf den Fortbestand des Mietverhältnisses.

Die im Jahr 2015 getroffene Ergänzung des Mietvertrags lässt ein Einverständnis mit dem Ausscheiden von Frau … erkennen, mehr aber nicht.

Soweit dem klägerischen Vorbringen im Schriftsatz vom 26.03.20 zu entnehmen sein sollte, dass es bei Ausscheiden der Frau H. eine Einigung dahingehend gegeben habe, dass jeweils insgesamt 4 Personen in der Wohnung wohnen und leben dürften, ergibt sich daraus lediglich ein Einverständnis mit einer teilweisen Untervermietung an Dritte, soweit die Anzahl der Mieter das erlaubt, wie das gegenwärtig der Fall ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Entscheidung auf der dem Tatrichter vorbehaltenen Würdigung der Umstände des Einzelfalls beruht.

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