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Wohnraummietvertrag: ordentliche Kündigung bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung

AG Pankow-Weißensee, Az.: 6 C 167/16, Urteil vom 12.05.2017

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Wohnraummietvertrag: ordentliche Kündigung bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung
Foto: fizkes/ Bigstock

Die Klägerin begehrt mit der im Dezember 2016 bei Gericht eingegangenen Klage die Räumung der vom Beklagten genutzten Wohnung mit einer im Vertrag genannten Wohnfläche von 35,55 qm im Hause … Berlin. Die Nutzung der vorgenannten Wohnung beruht auf einem zwischen den Parteien im Mai 2010 abgeschlossenen Mietvertrag, wegen dessen konkreten Inhalts auf die Anlage 1 zur Klage (Bl.6ff der Akte) verwiesen wird.

Der monatlich geschuldete Mietzins beträgt seit Beginn des Mietverhältnisses 330,- €, wovon 55,- € auf den Vorschuss für Betriebskosten und 40,- € auf den Vorschuss für Heizung und Warmwasser entfallen. Im August 2016 war der Beklagte mit einem Gesamtbetrag von 1.672,22 € in Rückstand geraten, der unter anderem in den vollständigen Raten für Juli und August 2016 und anteileigen Rückständen von 60,- € für Juni und 180,- € für Mai 2016 bestand. Die Klägerin, vertreten durch ihre Hausverwaltung, erklärte dem Beklagten mit einem Schreiben vom 22.8.2016 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, “hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt”, wegen des konkreten Wortlauts dieser Erklärung wird auf die Anlage 2 zur Klage (Bl.14 der Akte) Bezug genommen. Mit einer Zahlung vom 31.8.2016 glich der Beklagte den vorgenannten Rückstand vollständig aus.

Weitere fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigungen erklärte die Klägerin mit einem Schreiben vom 1.12.2016 (Anlage 5 zum klägerischen Schriftsatz vom 25.1.2017, Bl. 29 der Akte) sowie mit der Klage vom 22.12.2016 und dem Schriftsatz vom 25.1.2017. Die Monatsraten seit einschließlich September 2016 bis März 2017 wurden bezahlt, wobei die Zahlungen regelmäßig nicht rechtzeitig erfolgten; wegen des widerstreitenden Vorbringens der Parteien zu den konkreten Zahlungszeitpunkten wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 13.3.2017, S.2, sowie die klägerische Erwiderung aus dem Schriftsatz vom 3.4.2017, S.2, verwiesen. Ferner mahnte die Klägerin den Beklagten mit dem vorgenannten Schriftsatz wegen regelmäßig unpünktlicher Mietzahlung ab.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Hause………, bestehend aus 2,5 Zimmern, einer Essküche, einem Wannenbad, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht mit Recht gemäß § 546 Abs.I BGB die Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnung verlangen, weil eine wirksame, das Mietverhältnis beendende Kündigung weder als fristlose Kündigung nach § 543 Abs. I, II S.2 Nr.3 BGB noch als ordentliche Kündigung nach § 573 Abs.I S.1, II Nr.1 BGB gegeben ist.

Unstreitig bestand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein die fristlose Kündigung rechtfertigender Grund nicht. Da der Beklagte nicht eingewandt hat, dass die klägerische Kündigung vom 22.8.2016 ihm erst nach seiner Ausgleichung des zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rückstands am 31.8.2016 zugegangen sei, hat diese Zahlung zwar nicht gemäß § 543 Abs.II S.2 BGB den Ausschluss der Kündigung zur Folge gehabt. Jedoch ist die fristlose Kündigung gemäß § 569 Abs.III Nr.2 S.1 BGB unwirksam geworden, weil der Beklagte bereits vor Anhängigkeit der Räumungsklage und damit zwanglos rechtzeitig im Sinne der vorgenannten Norm den gesamten Rückstand sowie alle bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Mietzinsraten beglichen hatte.

Ein Zahlungsverzug im Sinne des § 543 Abs.II S.1 Nr. 3 Buchst. a) oder b) BGB lag – gleichfalls unstreitig – auch zu keinem Zeitpunkt aller nachfolgend von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen vor. Auf den Kündigungsgrund einer ständig unpünktlichen Mietzahlung stützt die Klägerin ihr Räumungsbegehren hier mit Recht nicht.

Ein Anspruch aus § 546 Abs.I BGB steht der Klägerin auch nicht wegen der mit dem Schreiben vom 22.8.2016 gleichfalls erklärten ordentlichen Kündigung zu, weil auch diese das Mietverhältnis der Parteien nicht beendet hat. Denn die Zahlung innerhalb der durch § 569 Abs.III Nr. S.1 BGB bestimmten Schonfrist führt nicht allein zur Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung, sondern auch einer nach § 573 Abs.I S. 1 BGB erklärten Kündigung. Der Rechtsprechung des BGH zu dieser Rechtsfrage (WuM 2005, 250; nachfolgend mehrfach bestätigt, u.a. NJW 2013, 160; vgl. Pal.-Weidenkaff § 569 Rdnr. 17) vermag sich das Gericht nicht anzuschließen.

Es kommt mithin nicht entscheidungserheblich darauf an, zu welchem Ergebnis – basierend auf der vorgenannten Rechtsprechung des BGH – die Prüfung führen würde, in wie viel milderem Licht die Zahlung des Beklagten sein für § 573 Abs.II Nr. 1 BGB erforderliches Verschulden erscheinen ließe. Allerdings ist der vorliegende Fall in besonderem Maße geeignet, die durch die vorgenannte Rechtsprechung des BGH heraufbeschworene Rechtsunsicherheit zu verdeutlichen. Denn bei der danach letztlich vorzunehmenden Abwägung, ob das Verschulden des Mieters, hier also des Beklagten, die Kündigung rechtfertigt, wäre hier zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass er den vormals eingetretenen Zahlungsrückstand innerhalb von weniger als zehn Tagen nach Zugang der Kündigung und im übrigen ferner nahezu vier volle Monate vor Anhängigkeit der Räumungsklage vollständig beglichen hat. Lassen diese beiden, nach aller Erfahrung des Gerichts durchaus besonderen und zu Gunsten des Beklagten zu berücksichtigenden Umstände sein Verschulden als recht gering erscheinen, müsste, ungeachtet dogmatischer Bedenken zur Berücksichtigung eines dem Kündigungszugang nachfolgenden Mieterverhaltens, demgegenüber die fortgesetzte Unpünktlichkeit der nachfolgenden Zahlungen des Beklagten als gewichtiger Grund zu seinem Nachteil berücksichtigt werden. Schon nach seinem Vorbringen hat er die jeweils im voraus bis zum dritten Werktag eines Monats zu leistenden Zahlungen für die sechs Monate von einschließlich September 2016 bis Februar 2017 am 23.9.; 3.11.; 24.11. und 22.12.- jeweils 2016 – und in 2017 am 24.1. und 21.2. erbracht.

Dass in Fällen wie zuvor dargestellt sich die Bemessung des Verschuldens eines Mieters jeder Objektivierung entzieht, kann vorliegend jedoch dahingestellt bleiben.

Maßgeblich ist vielmehr, dass die Heilungswirkung einer Schonfristzahlung auch eine ordentliche Kündigung erfasst. Die gegenteilige Auffassung des BGH erscheint dem erkennenden Gericht als zu stark allein dem Wortlaut des Gesetzes verpflichtet.

Eine am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung spricht aus verschiedenen Gründen nicht für die hier abgelehnte Auffassung.

Dass wegen der Untätigkeit des Gesetzgebers angenommen werden muss, die genannte Rechtsprechung des BGH entspreche dem gesetzgeberischen Willen, erscheint dem hier erkennenden Gericht nicht zwingend. Denn ein Handlungsbedarf des Gesetzgebers im Nachgang zu den Rechtsentscheiden des OLG Stuttgart und des OLG Karlsruhe aus den Jahren 1991 und 1992 hätte nur dann bestanden, wenn diese eine Relevanz für die gerichtliche Praxis erlangt hätten. Eine bundesweite, belastbare Datenlage ist dem Gericht in diesem Punkt nicht zugänglich, jedoch wird die Annahme einer praktischen Auswirkung der genannten Rechtsentscheide durch die über mehrere Jahrzehnte überwiegend im Bereich der zivilen Amtsgerichte gewonnene Erfahrung des Gerichts widerlegt. Bis zu der Entscheidung des BGH vom 10.10.2012 ist dem hiesigen Gericht, auch im jeweiligen Kollegenkreis, nicht ein Verfahren bekannt geworden, in dem ein Vermieter auch nur versucht hätte, den Räumungsanspruch im Falle einer Schonfristzahlung auf eine ordentliche Kündigung zu stützen. Vielmehr bestand bei sämtlichen Vermietern, unabhängig von ihrer rechtlichen Basis und insbesondere auch bei ansonsten dienstbekannt an einer Gewinnmaximierung orientierten Vermietern das einhellige Vorverständnis, dass eine rechtzeitige Schonfristzahlung den Räumungsrechtstreit unabdingbar insgesamt erledigt.

Der den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Wille des Gesetzgebers, den Mieter vor Obdachlosigkeit bewahren zu wollen, kann sowohl als zeitlicher Aufschub durch die für eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 c BGB bestehenden Fristen wie aber auch als Ausdruck der Absicht, eine endgültige Klärung zu Gunsten des Mieters bestimmt haben zu wollen, verstanden werden. Für die letztgenannten Auffassung spricht zunächst der tatsächliche Umstand, dass in einem entspannten Wohnungsmarkt ein Mieter regelmäßig bald anderweitigen Wohnraum finden kann, er also lediglich eines Aufschubs nicht bedarf, in einem angespannten oder hoch belasteten Wohnungsmarkt ein zeitlicher Aufschub demgegenüber einem Mieter häufig nicht entscheidend helfen wird, sondern er Schutz vor Obdachlosigkeit lediglich durch die Fortsetzung seines bislang bestehenden Mietverhältnisses erlangen wird.

Zu beachten ist ferner, dass ein zeitlich befristeter Schutz des Mieters gerade für die Suche nach Ersatzwohnraum der ausdrückliche Regelungsgehalt des § 721 ZPO ist (vgl. Zöller-Stöber § 721 Rdnr. 1). Zwar mag es der Absicht des Gesetzgebers entsprechen, identische Ziele in verschiedenen Normen zum Ausdruck zu bringen, naheliegender erscheint aber, dass er nicht in verschiedenen Normen sich wiederholende Ziele bestimmt hat, sondern in § 721 ZPO eine Regelung über den befristeten Mieterschutz für die Ersatzwohnraumsuche und in § 569 Abs. III Nr. 2 BGB einen – vorbehaltlich zukünftiger oder anderweitiger Kündigungsgründe – abschließenden Schutz für einen Mieter schaffen wollte.

Am gewichtigsten und letztlich für das Gericht entscheidend ist jedoch das Stufenverhältnis zwischen einer fristlosen und einer ordentlichen Kündigung (vgl. Schmidt-Futterer/ Blank § 535 Rdnr. 13). Regelmäßiger Beendigungsgrund für ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis ist die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung. Für Wohnraummietverhältnisse stellt § 573 BGB die im Kern maßgebliche Regelung über die Möglichkeiten zur Beendigung solcher Verträge durch eine ordentlichen Kündigung dar. Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Wohnungsmietern kann danach ein Vermieter mit Recht nur unter den dort genannten, eingeschränkten Voraussetzungen eine ordentliche Kündigung erklären, die – ihre Berechtigung unterstellt – zu einer Beendigung des Mietverhältnisses erst nach Ablauf der in § 573 c Abs. I BGB bestimmten Kündigungsfristen führt.

Gleichwohl eröffnet das Gesetz für Wohnraummietverhältnisse einem Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen auch das weitergehende Recht, den Vertrag mit einem Mieter umgehend und ohne Rücksicht auf Kündigungsfristen beenden zu können. Ein solches Kündigungsrecht besteht, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. I BGB gegeben ist. § 543 Abs. II S.1 Nr. 3 BGB konkretisiert den erforderlichen wichtigen Grund für einen bestimmten Lebenssachverhalt, indem er bestimmt, ab welcher Intensitätsstufe eine Verletzung der Hauptpflicht eines Mieters, nämlich die fehlende Entrichtung der fälligen Miete, als wichtiger Grund im Sinne dieser Norm anzusehen ist. Bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen ist die Pflichtverletzung des Mieters nach dem Gesetz als so schwerwiegend anzusehen, dass sie die weitreichendste mögliche Reaktion des Vermieters, nämlich die fristlose Kündigung, rechtfertigt. Durch die Benennung von Mindestvoraussetzungen für den Umfang des erforderlichen Zahlungsverzuges schafft das Gesetz für den damit geregelten Lebenssachverhalt eine abschließende Bestimmung.

In § 569 BGB konkretisiert das Gesetz zum einen für weitere Lebenssachverhalte die Voraussetzungen für einen wichtigen Grund. Zum anderen enthält die Norm in ihrem Abs. III Nr.2 S. 1 eine ausdrückliche Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen das Gesetz trotz der zu Lasten des Vermieters eingetretenen Pflichtverletzung dem Erhaltungsinteresse des Mieters an der Wohnung Vorrang einräumt. Ist es damit aber die gesetzliche Wertung, dass selbst bei einer schwerwiegenden und eine fristlose Kündigung rechtfertigenden Pflichtverletzung des Mieters er diese Pflichtverletzung heilen kann, ist es nach der Auffassung des hier erkennenden Gerichts mit dem Sinn und Zweck dieser Regelung nicht zu vereinbaren, dass er sich auf diese Möglichkeiten bei demgegenüber leichteren Pflichtverletzungen nicht erst recht soll berufen können (im Ergebnis ebenso MünchKomm-Häublein § 573 Rdnr.60ff).

Der in gleicher Weise auch den Interessen eines Vermieters zuwider laufende, fehlende Anreiz für einen Mieter, sich zeitnah um die Ausgleichung der eingetretenen Rückstände bekümmern zu wollen, wenn er dennoch auf einen Verlust der Wohnung eingerichtet sein muss, kommt hinzu (MünchKomm-Häublein § 573 Rdnr. 61). Neben dem praktischen Regelfall, dass die Sozialleistungsträger die ihnen zugewiesenen Mittel lediglich für einen Zweck einsetzen werden, der gleichzeitig auch verlässlich der Erfüllung der von ihnen zu verfolgenden Ziele dient, gilt dies nach der Erfahrung des Gerichts auch für nicht nur vernachlässigbare Einzelfälle, in denen ein Mieter zur Überbrückung einer temporären Zahlungsschwäche aus dem Familien- oder Freundeskreis Geld zur Verfügung gestellt bekommt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. I, 708 Nr. 7, 711 ZPO.

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