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Wohnraummietvertrag – unabhängig isoliert kündbares Mietverhältnis über Kfz-Stellplatz

LG Berlin – Az.: 67 S 192/19 (2) – Urteil vom 27.02.2020

Die Berufung der Kläger gegen das am 8. Juli 2019 verkündete Urteil des Amtsgerichts Spandau – 6 C 222/19 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung eines Kfz-Stellplatzes, den die Kläger von der Beklagten angemietet haben und der sich auf demselben Grundstück wie die von den Klägern bei der Beklagten angemieteten Wohnung befindet.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens sowie der gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil vom 8. Juli 2019 Bezug genommen, das den Klägern am 11. Juli 2019 zugestellt worden ist und gegen das sie am 25. Juli 2019 eine am 11. September 2019 begründete Berufung eingelegt haben.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Parteien vorliegend durch kein einheitliches, Wohnraum und Stellplatz umfassendes Mietverhältnis verbunden seien, sondern es sich um zwei selbständige und voneinander unabhängige Verträge gehandelt habe. Allein der Umstand, dass sich Stellplatz und Wohnung auf einem Grundstück befänden, reiche vorliegend nicht aus, um trotz zweier separat abgeschlossener Verträge über die Anmietung der Wohnung und des Stellplatzes eine rechtliche Einheit anzunehmen. Denn die Parteien hätten für den Stellplatz abweichend von den für den Wohnraum geltenden Vorschriften besondere Kündigungsregelungen getroffen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die weiter der Auffassung sind, es handele sich bei dem Mietvertrag über die Wohnung und dem über den Stellplatz um ein einheitliches Vertragsverhältnis.

Die Kläger beantragen, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Spandau festzustellen, dass die Kündigung des Stellplatz-Mietvertrages Nr. X vom 22. Februar 2019 unwirksam ist und das Stellplatz-Mietverhältnis über den Stellplatz Nr. 59 auf dem Grundstück Y- Straße über den 31. Mai 2019 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Wohnraummietvertrag - unabhängig isoliert kündbares Mietverhältnis über Kfz-Stellplatz
(Symbolfoto: Von l i g h t p o e t/Shutterstock.com)

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da sie die erforderliche Beschwer gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreicht. Denn der Wert der Beschwer bei einer Streitigkeit über den Bestand eines Mietvertrags beläuft sich nach §§ 8, 9 ZPO auf den 3 ½-fachen Jahreswert der Nettomiete, wenn es sich um ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit handelt und sich deshalb die „streitige“ Zeit nicht bestimmen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 02. Mai 2007 – XII ZB 205/06 –, Rn. 6, juris), hier also 966,- EUR (42 x 23,- EUR).

Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen:

Der Feststellungsantrag ist in der gestellten Form zulässig, auch wenn mit ihm u.a. die Feststellung begehrt wird, dass die Kündigung vom 22. Februar 2019 unwirksam ist. Zwar kann die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO sein, weil es sich hierbei lediglich um eine Vorfrage über den Bestand eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses handelt (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1999 – XII ZR 313/98, WM 2000, 539, 541, und vom 20. Februar 2008 – VIII ZR 139/07, NJW 2008, 1303 Rn. 9). Streitgegenstand einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist damit in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden grundsätzlich der Fortbestand des von den Parteien geschlossenen Mietvertrages. Soweit deshalb – wie hier – neben einem Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des im Streit befindlichen Rechtsverhältnisses auch begehrt wird, die Unwirksamkeit einer Kündigung festzustellen, kommt letzterem keine selbständige Bedeutung zu. Begehrt ein Kläger lediglich isoliert die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung, wird ein derartiger Klageantrag in der Regel dahin auszulegen sein, dass der Fortbestand des Vertragsverhältnisses festgestellt werden soll (vgl. Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 256 Rn. 81 f.). Vor diesem Hintergrund sind die gestellten Feststellungsanträge der Kläger als einheitlicher Klageantrag anzusehen, mit dem sie die Feststellung des Fortbestandes des Mietvertrags über den 31. Mai 2019 hinaus begehren. Trotz der Bezugnahme auf die Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2019 ist das Klagebegehren der Kläger dahin zu verstehen, dass Streitgegenstand der Feststellungsklage allein der Fortbestand der mit der Beklagten geschlossenen Verträge ist (BGH, Urteil vom 01. August 2017 – XI ZR 469/16 –, Rn. 13 – 14, juris).

Jedoch ist der Klageantrag nicht begründet. Dabei kann dahinstehen, welche Auswirkungen es hat, dass nur der Kläger zu 2) den Mietvertrag über den Kfz-Stellplatz unterzeichnet hat. Denn zumindest hat die Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2019 das Mietverhältnis der Regelung im Stellplatzmietvertrag unter § 2 Nr. 2 entsprechend mit Wirkung zum 31. Mai 2019 beendet. Entgegen der Auffassung der Kläger handelt es sich bei dem Stellplatzmietvertrag und dem Wohnungsmietvertrag nämlich um zwei selbständige, separat kündbare Verträge.

Nach der von der Kammer insoweit geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs spricht bei einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag und einem separat abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbständigkeit der beiden Vereinbarungen. Es bedarf dann der Widerlegung der Vermutung durch besondere Umstände, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Mietverhältnisse über die Wohnung und die Garage nach dem Willen der Beteiligten eine rechtliche Einheit bilden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2011 – VIII ZR 251/10, Beschluss vom 09. April 2013 – VIII ZR 245/12 –, Rn. 3, juris).

Solche Umstände liegen hier nicht vor. Allein die Tatsache, dass sich der Stellplatz auf dem Parkplatz vor dem Wohngrundstück Y-Straße befindet, reicht hierfür nicht aus, weil sich aus anderen Umständen ergibt, dass ein separater Vertrag geschlossen werden sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 09. April 2013 – VIII ZR 245/12 –, Rn. 5, juris; BGH, Beschluss vom 04. Juni 2013 – VIII ZR 422/12 –, juris; BGH, Beschluss vom 03. September 2013 – VIII ZR 165/13 –, juris)

Zwar hat der Bundesgerichtshof im genannten Urteil vom 12. Oktober 2011 die im Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 30. März 1983 – 3 REMiet 1/83 vertretene Auffassung für zutreffend erachtet, dass ein enger rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Wohnung und Garage, der es auch bei einer nachträglich angemieteten Garage im Regelfall rechtfertigt, eine Einbeziehung der Garage in den Wohnraummietvertrag anzunehmen, nur für den Fall bejaht werden kann, dass die Garage zu demselben Anwesen gehört, auf dem sich auch die Wohnung befindet. Jedoch hat der Bundesgerichtshof damit nicht entschieden, dass in jedem Fall, in dem nachträglich eine Garage auf demselben Grundstück angemietet wird, ein einheitlicher Vertrag vorliegt. Denn schon aus dem in dem Urteil zitierten Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe ergibt sich ferner, dass es der Grundsatz der Vertragsfreiheit Mieter und Vermieter ermögliche, in eindeutiger Weise einen selbständigen Vertrag über die Garage zu schließen, wenn sie deren Einbeziehung in den Wohnungsmietvertrag nicht wollten. Fehle es an solchen zweifelsfreien Erklärungen, sei es gleichwohl gerechtfertigt, einen eigenständigen Vertrag anzunehmen, sofern besondere Umstände auf einen entsprechenden, erkennbar gewordenen Willen schließen ließen. Diese könnten beispielsweise darin liegen, dass die Parteien eine besondere Kündigungsvereinbarung über die Garage getroffen hätten (OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 30. März 1983 – 3 REMiet 1/83 –, Rn. 10, juris).

Hier haben die Kläger mit dem Eigentümer des Grundstücks im Jahr 2005 einen separaten „Mietvertrag über Kfz-Stellplatz“ geschlossen, in dem an keiner Stelle auf den Wohnungsmietvertrag Bezug genommen wird. In diesem Vertrag findet sich unter § 2 Nr. 2 eine Kündigungsregelung, die vom Wohnungsmietvertrag abweicht. Zwar sind die Kündigungsfristen für den Mieter die gleichen wie bei der Wohnung (vgl. § 5 MV i.V.m. Nr. 9 der Allg. Vertragsbedingungen). Für den Vermieter unterscheiden sie sich demgegenüber erheblich. Denn in Nr. 10 der AVB ist für den Wohnungsmietvertrag eine ordentliche Kündigung ohne wichtigen Grund für den Vermieter ausgeschlossen, während der Stellplatzmietvertrag eine ordentliche Kündigung erlaubt. Dies lässt auf den Willen der Parteien schließen, dass es sich bei dem Mietvertrag über den Stellplatz um ein separates Mietverhältnis handeln sollte, das für beide Parteien unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. § 573 BGB) kündbar sein sollte (BGH, Beschluss vom 09. April 2013 – VIII ZR 245/12 –, Rn. 4, juris).

Auch der Umstand, dass die Kläger nach Nr. 26 der AVB des Wohnungsmietvertrags bereits vor Abschluss des Stellplatzmietvertrags ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz abstellen durften, führt zu keiner anderen Wertung. Denn aus dieser Klausel ergab sich – wie vom Amtsgericht zutreffend festgestellt – kein vertraglicher Anspruch auf Überlassung eines Stellplatzes. Vielmehr handelte es sich um eine unverbindliche Erlaubnis zum Abstellen des Fahrzeugs auf irgendeinem freien Parkplatz auf dem Grundstück. Spätestens im Jahr 2005 wurde diese Erlaubnis widerrufen und eine Schranke angebracht. Damit hatten die Kläger – ohne Abschluss eines gesonderten Vertrags – kein Recht und keine Möglichkeit mehr, ihr Fahrzeug auf dem Parkplatz abzustellen. Denn in der Folge konnten – unabhängig davon, ob sie Mieter im Haus waren oder nicht – nur noch Personen, die einen Kfz-Stellplatz gemietet haben, auf den Parkplatz fahren, weil nur sie einen Schlüssel für die Schranke erhalten haben. Auch daraus ist zu ersehen, dass es sich bei dem Stellplatz-Mietvertrag um einen gesonderten Vertrag handelt. Denn nicht jeder Mieter einer Wohnung war verpflichtet, einen solchen Vertrag abzuschließen. Außerdem konnten auch Personen einen Stellplatz anmieten, die nicht in der Wohnanlage leben.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des § 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zulasten des Verwenders gehen. Bei sämtlichen in Frage stehenden vertraglichen Vereinbarungen handelt es sich zwar bereits prima facie um vermieterseits gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Voraussetzung für ein den Klägern gemäß § 305c Abs. 2 BGB günstigeres Auslegungsergebnis wäre jedoch, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bliebe und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar wären (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16 –, juris, Rn. 12). Daran fehlt es. Denn vorliegend ist die Auslegung des „Mietvertrags über Kfz-Abstellplatz“ dahin, dass er keinen eigenständigen Vertrag darstellt, sondern als Ergänzung zum Wohnungsmietvertrag anzusehen ist, aus obigen Erwägungen unter Zugrundelegung der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB nicht vertretbar. Vielmehr ergibt sich eindeutig der Abschluss einer gesonderten – und unabhängig vom Bestand des zwischen den Parteien bestehenden Wohnraumietvertrages kündbaren – Vereinbarung.

Die Entscheidung zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Kammer hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da in den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB für die Frage der Auslegung von Stellplatzverträgen keine Rolle gespielt hat und die Beantwortung der damit in Zusammenhang stehenden abstrakten Rechtsfragen für eine unbestimmte Vielzahl von Vertragsverhältnissen von Bedeutung ist.

 

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