AG Hamburg-Harburg, Az.: 647 C 544/16
Urteil vom 11.10.2017
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, das von ihnen innegehabte Einfamilienhaus im … bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, zwei Bäder/WC, Kellerraum, Balkon und Terrasse nebst Garage und Garten geräumt an den Kläger herauszugeben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die gegen sie gerichtete vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 14.400,- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger als Treuhänder im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vermieterin begehrt von den Beklagten als Mietern die Räumung und Herausgabe des vermieteten Einfamilienhauses.
Mit Vertrag vom 01.11.2008 vermietete … (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) an die Beklagte zu 1.) und den Beklagten zu 2.) ein Einfamilienhaus … für eine monatlich im Voraus zu zahlende Gesamtmiete in Höhe von 1.350,- EUR unbefristet ab dem 01.11.2008. Mit Vertrag vom 01.11.2010, der eine Ergänzung zum vorherigen Vertrag sein sollte, vereinbarten die Beklagte zu 1.) und die Gemeinschuldnerin die Vermietung des Hauses für eine monatlich im Voraus zu zahlende Gesamtmiete in Höhe von 1.350,- EUR befristet auf die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 01.11.2020 mit Verlängerungsoption. Mit erstem Nachtrag vom 15.06.2011 vereinbarten sie ferner, dass die Grundmiete in Höhe von 1.200,- EUR ab dem 01.07.2011 bis zum 01.07.2015 mit Renovierungskosten verrechnet werden soll. Mit zweitem Nachtrag vom 10.10.2011 vereinbarten sie eine Verlängerung des Verrechnungszeitraums bis zum 30.06.2018 und bezifferten die Renovierungskosten auf 100.800,- EUR. Mit Vertrag vom 14.10.2011 schlossen die Gemeinschuldnerin und die Beklagte zu 3.) einen Mietvertrag über einen Raum in dem Haus, der in Abstimmung mit den anderen Mietern zu ermitteln sein sollte, inkl. Mitbenutzung der Küche und der Sanitärräume für eine monatlich im Voraus zu zahlende Gesamtmiete in Höhe von 450,- EUR unbefristet ab sofort. In § 3 dieses Vertrags wurde ferner vereinbart, dass die Gesamtmiete für die Dauer des Mietverhältnisses mit Zinsen für ein von der Beklagten zu 3.) gewährtes Darlehen über 270.000,- EUR verrechnet werden soll. Mit drittem Nachtrag vom 14.10.2011 zum Vertrag vom 01.11.2010 vereinbarten die Gemeinschuldnerin und die Beklagte zu 1.), dass ein Raum des Hauses an die Beklagte zu 3.) überlassen wird in Absprache der Mieter untereinander, dass die Gesamtmiete im Übrigen nun 900,- EUR beträgt und diese für die Dauer des Mietverhältnisses vollständig mit Aufwendungen für die Instandhaltung, Sanierung und Renovierung des Hauses sowie die Gartenarbeiten, die bisher in Höhe von ca. 101.000,- EUR entstanden sind und noch entstehen werden, verrechnet werden soll.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 01.07.2014 zu … wurde das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin auf deren Antrag vom 19.06.2014 hin eröffnet und der Kläger zum Treuhänder bestellt.
Aufgrund der verschiedenen Verrechnungsabreden zahlten die Beklagten keine Miete für das Haus. Wegen der nicht gezahlten Mieten ab August 2014 – trotz Kenntnis der Beklagten vom Insolvenzverfahren und trotz Zahlungsaufforderung vom 15.07.2014 unter Benennung des Treuhandkontos – kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1.) mit Schreiben vom 15.06.2017, gegenüber dem Beklagten zu 2.) mit Schreiben vom 15.06.2017 und gegenüber der Beklagten zu 3.) mit Schreiben vom 20.06.2017 und vom 15.07.2017 fristlos.
Zwischen den Parteien ist u. a. streitig, ob die Verrechnungsabreden als Vorausverfügungen nach § 110 Abs. 1 InsO unwirksam sind oder nicht.
Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das von ihnen innegehabte Einfamilienhaus im … bestehend aus vier Zimmern, Küche, Flur, zwei Bäder/WC, Kellerraum, Balkon und Terrasse nebst Garage und Garten geräumt an den Kläger herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
Dem Kläger als Treuhänder über das Vermögen der Gemeinschuldnerin steht der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch aus §§ 546, 543 Abs. 1 und 2 S. 1 Nr. 3 BGB zu. Zwischen der Gemeinschuldnerin und den Beklagten bestanden in Bezug auf das streitgegenständliche Haus Mietverhältnisse, aus denen die Beklagten zur Zahlung von Mieten in Höhe von insgesamt 1.350,- EUR brutto warm monatlich verpflichtet waren. Dieses Mietverhältnis wurde wirksam durch die Kündigungen gegenüber der Beklagten zu 1.) mit Schreiben vom 15.06.2017, gegenüber dem Beklagten zu 2.) mit Schreiben vom 15.06.2017 und gegenüber der Beklagten zu 3.) mit Schreiben vom 20.06.2017 und vom 15.07.2017 beendet. Dem Kläger als Vertreterder Gemeinschuldnerin stand ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 und 2 S. 1 Nr. 3 BGB zu. Die Beklagten zahlten seit August 2014 durchgehend keine Mieten an die Gemeinschuldnerin oder an den Kläger als ihren Treuhänder. Hierzu waren sie indessen trotz der Verrechnungsvereinbarungen in den Verträgen bzw. in den Zusätzen zu den Verträgen verpflichtet, da diese Vereinbarungen Vorausverfügungen über die künftigen Mietforderungen der Gemeinschuldnerin enthielten, welche gemäß § 110 InsO lediglich bis zu dem Kalendermonat wirksam waren, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und also bis Juli 2014. Den Beklagten war unstreitig das Insolvenzverfahren auch bekannt. Ab August 2014 hatten die Beklagten folglich wieder der die vereinbarte Mietzahlungsverpflichtung, da die Vorausverfügungen nicht mehr galten, erfüllten diese indessen – trotz Aufforderung durch den Kläger als Treuhänder – nicht. Die Regelung des § 110 InsO ist klar und eindeutig sowie abschließend. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, aus Billigkeitsgründen von dieser bei Schaffung der InsO und Abschaffung der KO in die InsO aufgenommenen Regelung, die unzweideutig sämtliche Vorausverfügungen über Mieteforderungen über den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, hinaus ausnahmslos unwirksam sein lässt, abzuweichen. Selbst wenn – was die Beklagten nur unsubstantiiert vorgetragen haben und was vom Kläger bestritten worden ist – die zur Verrechnung in den vertraglichen Vereinbarungen gestellten Gegenforderungen (Sanierungskosten, Darlehen etc.) bestünden, wird auch im Lichte dessen die Unwirksamkeit der Vorausverfügungen nicht als unbillig erachtet. Es ist keineswegs so, dass eine „doppelte“ Zahlung seitens der Beklagten vorläge. Vielmehr lägen Mietezahlungen als Gegenleistung für den Mietgebrauch einerseits und Forderungen der Beklagten gegen die Gemeinschuldnerin andererseits, die zur Tabelle angemeldet werden könnten, vor. Es ist nicht ersichtlich, was daran unbillig sein sollte.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.