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Wohnraummietvertrag: Widerruf einer Untervermieterlaubnis

LG Berlin, Az.: 65 S 285/16, Urteil vom 22.03.2017

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. Mai 2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg – 19 C 289/15 – wie folgt geändert und neu gefasst:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Wohnung im … 35, Vorderhaus, 3. OG rechts, … Berlin, mit einer Größe von ca. 129,24 qm, bestehend aus vier Zimmern, einer Kammer, einer Küche, einem Korridor, einer Toilette mit Bad/WC und einem Balkon, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 €, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wohnraummietvertrag: Widerruf einer Untervermieterlaubnis
Foto: stefanphoto/Bigstock

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gerichtete Klage mit Urteil vom 25.05.2016, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Mietverhältnis nicht durch die ordentliche Kündigung vom 22.09.2014 beendet worden sei. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor, weil eine Vertragsverletzung seitens der Beklagten aufgrund der unbefristet erteilten Untermieterlaubnis nicht feststellbar sei. Gründe für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) seien von der Klägerin zwar vorgetragen, nicht jedoch unter Beweis gestellt worden. Mangels vertraglicher Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts sei auch der unter dem 30.07.2014 erklärte Widerruf der Genehmigung zur Untervermietung nicht wirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

 

Die Klägerin hat gegen das ihr am 30.05.2016 zugestellte Urteil am 20.06.2016 Berufung eingelegt und diese am 29.07.2016 begründet. Sie meint, zum Widerruf der Untermieterlaubnis aus wichtigem Grund berechtigt gewesen zu sein. Es sei insofern nicht erforderlich, dass Gründe vorlägen, welche zugleich zur Kündigung des (Haupt-)Mietverhältnisses berechtigen würden. Denn der Widerruf der Untermieterlaubnis stelle ein „Minus“ dar, da dem Mieter der Mietgebrauch nicht insgesamt entzogen, sondern lediglich beschränkt werde. Die Erlaubniserteilung stehe in jedem Fall unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit; ein „Vorhalt“ der Wohnung für einen Mieter, der den Besitz an der Wohnung seit nunmehr 17 Jahren vollständig aufgegeben habe, sei dem Vermieter aber nicht (mehr) zuzumuten. Da insoweit kein Anspruch des Mieters auf Erlaubniserteilung bestehe, sei auch der Widerruf der Gestattung der Untervermietung zulässig.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 25. Mai 2016 – 19 C 289/15 – die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Wohnung im … 35, Vorderhaus, 3. OG rechts, … Berlin, mit einer Größe von ca. 129,24 qm, bestehend aus vier Zimmern, einer Kammer, einer Küche, einem Korridor, einer Toilette mit Bad/WC und einem Balkon, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Durch die Zustimmung der Beklagten zu der von der Klägerin mit Wirkung zum 01.12.2015 begehrten Mieterhöhung sei das Mietverhältnis jedenfalls einvernehmlich fortgesetzt worden. Darüber hinaus mangele es an einer ordnungsgemäßen Vertretung der Klägerin bei Widerruf der erteilten Erlaubnis, ebenso bei Ausspruch der Kündigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die ordentliche Kündigung vom 22.09.2014 beendet worden. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, da die Beklagten durch die fortgesetzte Untervermietung der streitgegenständlichen Wohnung trotz des Widerrufs der Untervermieterlaubnis ihre vertraglichen Pflichten nicht nur unerheblich verletzt haben, § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Dabei steht der Wirksamkeit der Kündigung – ebensowenig wie der des vorangegangenen Widerrufs der Untervermieterlaubnis am 30.07.2014 – ein Mangel der Vertretungsmacht seitens der Klägerin nicht entgegen. Diese wurde bei Abgabe der Erklärungen durch ihre (spätere) Prozessbevollmächtigte, welcher unter dem 30.05.2014 durch den Geschäftsführer (director) der Klägerin Gabriele M. Vollmacht für die außergerichtliche Tätigkeit erteilt worden war, ordnungsgemäß vertreten, §§ 164 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB. Die Bevollmächtigung (allein) durch nur einen Geschäftsführer (director) der Klägerin, deren Geschäftsführung aus einem sog. „board of directors“, d.h. drei Geschäftsführern besteht, war vorliegend wirksam. Besteht die Geschäftsführung einer englischen Limited – wie hier – aus mehreren Mitgliedern, so sind diese grundsätzlich gesamtvertretungsberechtigt; der einzelne „director“ hat keine Vertretungsmacht. Die Gesellschaft kann jedoch einzelne oder alle Befugnisse des „board of directors“ auf einzelne seiner Mitglieder übertragen, welche dann alleinvertretungsberechtigt sind (vgl. dazu: Gutachten des Deutschen Notarinstituts, DNotI-Report 1995, 76 m.w.N). Dies ist vorliegend geschehen. Die Klägerin hat durch Vorlage des Gesellschafterbeschlusses vom 29.04.2014 im Original den Nachweis geführt, dass die Klägerin, vertreten durch alle ihre Geschäftsführer, die Mandatierung ihrer (späteren) Prozessbevollmächtigten beschlossen (Ziff. 1.2) und dem Geschäftsführer (director) der Klägerin Gabriele M. Einzelvertretungsbefugnis im Rahmen der Mandatsabwicklung erteilt hat (Ziff. 1.3). Soweit die Beklagten den Inhalt des Beschlusses „vorsorglich“ bestritten haben, vermögen sie hiermit nicht durchzudringen. Der Inhalt des Beschlusses ergibt sich aus schlichter Lektüre desselben. Obwohl die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 GVG), kann die in englischer Sprache abgefasste Urkunde ohne deutsche Übersetzung berücksichtigt werden, wie sich aus § 142 Abs. 3 ZPO ergibt (BGH, Beschluss vom 02.03.1988 – IVb ZB 10/88, NJW 1989, 1433).

Die Kündigung ist auch materiell wirksam, weil die Beklagten ihre mietvertraglichen Pflichten in nicht nur unerheblichem Maß verletzt haben, § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, indem sie die Untervermietung der streitgegenständlichen Wohnung nach (wirksamem) Widerruf der entsprechenden Genehmigung durch die Klägerin fortsetzten.

Die unbefugte Gebrauchsüberlassung ist ein besonders geregelter Fall des vertragswidrigen Gebrauchs. Dies kann im Einzelfall nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 02.02.2011, VIII ZR 74/10, NJW 2011, 1065) eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtfertigen. Der Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Mieter eine unbefugte Gebrauchsüberlassung trotz Abmahnung nicht beendet bzw. eine zunächst zulässige Untervermietung bei Entfallen der entsprechenden Erlaubnis nicht beendet. Weiter ist es erforderlich, dass die unerlaubte Untervermietung als erhebliche Verletzung der Vermieterrechte bewertet werden kann (Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 12. Aufl., § 543 Rn 70). Kündigt der Vermieter wegen einer vertragswidrigen, nicht vom Wohngebrauch gedeckten Nutzung, so muss der Mieter beweisen, dass ein vom Vertragszweck abweichender Mietgebrauch gestattet ist. Deshalb muss der Mieter beweisen, dass ihm die Untervermietung gestattet wurde oder dass ihm ein Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis zusteht (Schmidt-Futterer/Blank, aaO., Rn 80a).

Vorliegend ist den Beklagten durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter dem 10.06.1999 eine unbefristete Untervermietung der gesamten Wohnung gestattet worden, wobei zwischen den Parteien Einigkeit besteht, dass die Beklagten keinen (Rechts-)Anspruch i.S.v. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB auf Erteilung einer solchen Untervermieterlaubnis hatten. Diese Gestattung wurde jedoch durch die Klägerin wirksam widerrufen; die Beklagten waren daher gehalten, für die Beendigung der bestehenden (Unter-)Untermietverhältnisse und den umgehenden Auszug der (Unter-)Untermieter zu sorgen (vgl. dazu auch BGH, Urteil v. 04.12.2013 – VIII ZR 5/13, NJW-RR 2014, 265). Dies haben sie pflichtwidrig nicht getan.

Ein Widerruf der Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte i.S.v. § 540 Abs. 1 BGB ist grundsätzlich möglich.

Durch die Erteilung der Erlaubnis wird der Mietvertrag hinsichtlich des Umfangs des vertragsgemäßen Gebrauchs erweitert. Diese Erweiterung kann einvernehmlich wieder rückgängig gemacht werden, § 311 Abs. 1 BGB. Auch ein einseitiger Widerruf durch den Vermieter kommt in Betracht, wenn ein entsprechender Vorbehalt vereinbart wurde oder ein wichtiger Grund zum Widerruf der Erlaubnis besteht (Schmidt-Futterer/Blank, a. a. O., § 540 Rn. 52).

Maßgeblich für die Möglichkeit eines Widerrufs aus wichtigem Grund spricht die Überlegung, dass der Vermieter das Mietverhältnis als solches nach § 543 BGB aus wichtigem Grund kündigen und dem Mieter dadurch den Gebrauch der Mietsache in vollem Umfang entziehen kann; es muss ihm daher bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erst recht möglich sein, den Gebrauch der Mietsache durch den Widerruf der Erlaubnis zur Untervermietung nur teilweise zu entziehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.1984 – VIII ZR 237/82, NJW 1984, 1031; LG München, Urteil vom 27.01.2016 – 14 S 11701/15, beck-online), ohne dass § 573b BGB berührt ist.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes zum Widerruf ist durch Abwägung der Interessen der Mietvertragsparteien festzustellen. Hierbei müssen zwar die Wertungen der § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 ,569 BGB Berücksichtigung finden, ein völliger Gleichlauf der Anforderungen ist jedoch – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht sachgerecht. Denn der zum Widerruf berechtigende wichtige Grund muss nicht so schwer wiegen, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses als solches unzumutbar wird. Vielmehr ist lediglich die erweiterte Nutzungsmöglichkeit Anknüpfungspunkt der Zumutbarkeitsprüfung (ebenso LG München aaO.). Daher ist für die Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, vor allem auf den Umfang der Erlaubnis abzustellen und zu fragen, ob das Nutzungsverhalten des Mieters von der Erlaubnis noch gedeckt ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.1984, aaO.).

Dies ist vorliegend nicht – mehr – der Fall.

Der Umfang der Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte ist im Wege der Auslegung nach den Auslegungsparametern der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Neben dem Wortlaut der Erklärung sind die Begleitumstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte, die Interessenlage und der mit der Erklärung verfolgte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen und für den Erklärungsempfänger erkennbar waren (vgl. Palandt/Ellenberger, 74. Aufl., § 133 Rn. 15-18; BGH, Urteil vom 19.1.2000 – VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002).

Die streitgegenständliche Gestattung wurde – ihrem Wortlaut nach – zu einer unbefristeten Untervermietung erteilt. Weder hinsichtlich der Dauer noch der Zahl etwaiger Untermietverhältnisse sind in dem Schreiben vom 10.06.1999 Einschränkungen formuliert. Gleichwohl konnten und durften die Beklagten redlicherweise nicht davon ausgehen, dass die Erlaubnis ihnen zeitlich gänzlich unbeschränkt, unabhängig von der tatsächlichen (zukünftigen) zeitlichen Dauer des Hauptmietverhältnisses erteilt werden sollte. Die interessengerechte, verständige Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ergibt vielmehr, dass die Gestattung der Untervermietung jedenfalls unter dem stillschweigenden Vorbehalt der Zumutbarkeit steht (Schmidt-Futterer/Blank, aaO, Rn 52). Dies entspricht auch der gesetzgeberischen Wertung der §§ 540, 553 Abs. 1 S. 2 BGB. Bereits mit der – insoweit § 553 Abs. 1 BGB entsprechenden – Regelung in § 549 Abs. 2 a.F. BGB sollte ein billiger Ausgleich zwischen den Interessen des Mieters und des Vermieters angestrebt werden (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drs IV/806). Der Gesetzeszweck, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, bestimmt dabei die Auslegung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ und sein Verhältnis zu dem in § 553 Abs. 1 S. 2 BGB genannten Zumutbarkeitserfordernis (BGH, Urteil vom 23.11.2005, VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200; BGH, Beschluss vom 03.10.1984 – VIII ARZ 2/84, NJW 1985, 130, zu § 549 a.F. BGB).

Danach war die Klägerin vorliegend aber zum Widerruf der Gestattung der Untervermietung aus wichtigem Grund berechtigt, weil die Beklagten (inzwischen) in einem Umfang von dieser Gebrauch machen, der von der Erlaubnis nicht – mehr – gedeckt ist.

Bei Ausspruch der Kündigung am 22.09.2014 hatten die Beklagten bereits seit 15 Jahren ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in der streitgegenständlichen Wohnung, sondern diese dauerhaft – an wechselnde Untermieter – untervermietet. Nach ihrem eigenen Vorbringen wollen sie sich so die „Möglichkeit offenhalten, die Wohnung erneut zu nutzen, wenn die Vorhaltung des jetzt von ihnen bewohnten Hauses für sich und ihre Kinder nicht mehr erforderlich ist“. Konkretere Rückkehrpläne oder -zeitfenster haben die Beklagten – auch auf Nachfrage der Kammer – nicht vorgetragen, obgleich seit Ausspruch der Kündigung inzwischen weitere mehr als zwei Jahre vergangen sind. Eine sich über einen derart langen Zeitraum erstreckende Untervermietung ohne hinreichend konkretisierbaren Rückkehrwillen war von der Erlaubnis nicht – mehr – gedeckt.

Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Erlaubnis zur Untervermietung gerade anlässlich des Auszuges der Beklagten aus der streitgegenständlichen Wohnung erteilt wurde. Ebensowenig wie es grundsätzlich nicht bereits dann an einem berechtigten Interesse des Mieters i.S.d. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB fehlt, wenn er Wohnraum untervermieten will, in dem er nicht seinen Lebensschwerpunkt hat (BGH, Urteil vom 23. 11. 2005 – VIII ZR 4/05,aaO.) kann es daher im hier vorliegenden Fall entscheidend darauf ankommen, dass die Beklagten die Wohnung zunächst nicht selbst (mit-)nutzen. Während im Anwendungsbereich des § 553 BGB jedenfalls die endgültige Aufgabe der Wohnung insgesamt zugunsten eines Dritten ein berechtigtes Interesse des Mieters ausschließt (Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 540 Rn 13; 553 Rn 6; Blank in: Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl. § 553 Rn 14), war die Aufgabe der unmittelbaren Sachherrschaft der Beklagten über die Wohnung hier gerade Anlass für die Erlaubniserteilung.

Auch in diesem Fall findet die Gestattung jedoch ihre Grenze dort, wo dem Vermieter ein Festhalten an dieser schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann. Dies ist nunmehr in Ansehung des Zeitablaufs der Fall. Zwar mag der – den Beklagten persönlich verbundene – Vorvermieter bei Erteilung der Erlaubnis im Jahre 1999 durchaus eine längere Laufzeit des Haupt- und (Unter-)Untermietverhältnisses in den Blick genommen haben. Nachdem Rückzugszeitpunkt und -absicht der Beklagten jedoch gänzlich ungewiss – und letztere in Ansehung von Lage und Größe der Wohnung auch nicht überwiegend wahrscheinlich erscheint -, überwiegt nach nunmehr 17 Jahren das Interesse des Vermieters am Erhalt der Verfügungsgewalt über sein Eigentum. Denn in der Sache geht das Interesse des Mieters hier nicht auf eine zeitliche Überbrückung, etwa um den Anforderungen an die in der heutigen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnende Mobilität und Flexibilität (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Mietrechtsreformgesetz, BT-Dr 14/4553, S. 38 f. zu den Kündigungsfristen) zu entsprechen, sondern auf eine „Vorratshaltung“, welche ein schützenswertes Interesse nicht – mehr – zu begründen vermag. Vielmehr wird die Wohnung über Jahre als Wirtschaftsgut in einem angespannten Wohnungsmarkt vorgehalten, ohne dass der Lebenszuschnitt des Mieters in absehbarer Zeit noch erkennbar auf eine mögliche Eigennutzung der Wohnung ausgerichtet ist.

Dies erscheint namentlich vor dem Hintergrund der gravierenden Änderungen am Berliner Wohnungsmarkt nicht interessengerecht. Bei Erteilung der Untervermieterlaubnis im Jahr 1999 war die Lage am Berliner Wohnungsmarkt entspannt. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die in Berlin von 1994 bis 2000 geltende Zweckentfremdungsverbot-Verordnung (2. ZwVbVO vom 15.03.1994, GVBl Bln, S. 91) nach den Beschlüssen des OVG Berlin (v. 13.06.2002, 5 B 19.01, GE 2002, 1128) und des Bundesverwaltungsgerichts (v. 13.03.2003 – BVerwG 5 B 253.02, NVwZ 2003, 1125) zum 1. September 2000 außer Kraft getreten sind. Bereits ab Mitte der 90er Jahre entstand ein sich stetig vergrößernder Angebotsüberhang an Wohnraum in Berlin (vgl. i.e. OVG Berlin, aaO.; Urteil v. 19. 2. 1998 – 5 B 68.96, NJW-RR 1998, 1087). Demgegenüber hat sich die Lage nunmehr nachhaltig geändert. Der Berliner Wohnungsmarkt ist gerichtsbekannt äußerst angespannt. Seit dem 01.05.2014 gilt aufgrund § 8 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 29. November 2013 (Zweckentfremdungsverbot-Gesetz – ZwVbG) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 4. März 2014 (Zweckentfremdungsverbot-Verordnung – ZwVbVO) das Zweckentfremdungsverbot (wieder) im gesamten Berliner Stadtgebiet.

Die Annahme eines Anspruchs des Mieters auf Erlaubnis der Gebrauchsüberlassung in dem hier streitgegenständlichen Ausmaß würde für den Vermieter letztlich den dauerhaften Entzug eines seinem Vermögen zugeordneten Wirtschaftsguts bedeuten, obwohl der dem Mietverhältnis zugrunde liegende Vertragszweck – die Nutzung als Wohnraum durch den Beklagten – in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen nicht mehr erreicht wird. Dieses würde auch nicht mehr dem gesetzlichen Leitbild des § 553 BGB entsprechen. Der Zweck des § 553 Abs. 1 S. 1 BGB besteht – wie ausgeführt – darin, dem Mieter die Wohnung zu erhalten und bestimmt auch das Verständnis des in § 553 Abs. 1 S. 2 BGB genannten Zumutbarkeitserfordernisses (BGH, Urteil vom 23.11.2005, VIII ZR 4/05,aaO; Beschluss vom 03.10.1984 – VIII ARZ 2/84, aaO.). Danach ist es dem Vermieter jedoch nicht zumutbar, an eine einmal – wie hier – ohne Rechtsgrund erteilte Untervermieterlaubnis auf gänzlich unbestimmte Zeit – letztlich auf Lebenszeit des Mieters – gebunden zu sein, ohne dass in der Person des Mieters (jemals) ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB bestanden hat bzw. dieses nachträglich entfallen ist (offen gelassen in BGH, Urteil v. 04.12.2013, VIII ZR 5/13, NJW-RR 2014, 265).

Die Klägerin ist auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert, das Mietverhältnis zu kündigen. Nachdem diese das streitgegenständliche Objekt im Jahr 2006 erworben hat, hat sie – vertreten durch ihre Hausverwaltung – bereits unter dem 06.07.2010 den Widerruf der Untervermieterlaubnis erklärt. Die hierauf gestützte Kündigung des Mietvertrages war Gegenstand des vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg zum Gz. 23 C 232/11 geführten Verfahrens. Von einer „langjährigen Duldung“ der Untervermietung durch die Klägerin kann daher keine Rede sein.

Die Kündigung ist auch nicht deshalb obsolet geworden, weil die Parteien sich auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses geeinigt haben. Einer Anwendung des § 545 BGB hat die Klägerin widersprochen. Durch das Zustimmungsverlangen zur Mieterhöhung nach § 558 BGB vom 07.09.2015 ist kein neues Mietverhältnis begründet worden. Das schriftliche, mit einer Begründung versehene Erhöhungsverlangen ist zwar eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mithin ein Antrag im Sinne des § 145 BGB, die auf den Abschluss eines Änderungsvertrages gerichtet ist. Die Zustimmung des Mieters, ebenfalls eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, ist ihrem Wesen nach die Annahme (§ 151 BGB) dieses Vertragsantrags (BayObLG, Rechtsentscheid vom 30.06.1989 – RE-Miet 4/88, WuM 1989, 484). Für den objektiven Erklärungsempfänger war jedoch ohne weiteres erkennbar, dass das Angebot der Klägerin nur für den – letztlich nicht eingetretenen – Fall der Unwirksamkeit der Kündigung Wirksamkeit entfalten sollte. Ob eine solche Bedingung zulässig ist, hat die Kammer vorliegend nicht zu entscheiden. Diesbezügliche Mängel wären nur für die Wirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens von Bedeutung (vgl. dazu auch LG Hamburg, Urteil v. 22.08.2013, 307 S 25/13, NJOZ 2014, 610; Urteil v. 19.12.2008, 311 S 88/08).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Vertragsauslegung hat stets anhand der Auslegungsparameter der §§ 133, 157 BGB nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen. Auch eine Interessenabwägung verschließt sich einer fallübergreifenden allgemeinverbindlichen Betrachtung.

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