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Wohnungskündigung durch Vermieter wegen Verfälschung von Betriebskostenabrechnung

Ein Mieter soll seine Betriebskostenabrechnung gefälscht haben, um sich einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Die Vermieterin fühlt sich hintergangen und kündigt fristlos. Nun muss der Mieter die Wohnung räumen – das Gericht sah das Vertrauensverhältnis als zerstört an.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 17 C 141/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Vermieter kündigte die Wohnung wegen Verfälschung der Betriebskostenabrechnung durch den Mieter.
  • Der Mieter hatte beim Jobcenter eine gefälschte Nebenkostenabrechnung mit erhöhten Beträgen eingereicht.
  • Der Vermieter verlor das Vertrauen in den Mieter und kündigte das Mietverhältnis fristlos.
  • Das Amtsgericht Neukölln bestätigte die fristlose Kündigung und verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung.
  • Der Mieter legte Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein, dieser wurde jedoch abgewiesen.
  • Der Mieter wurde zu den Kosten des Rechtsstreits und einer Sicherheitsleistung verurteilt.
  • Der Mieter erhielt eine Räumungsfrist bis zum 15. Februar 2023.
  • Das Gericht entschied, dass der Vertrauensbruch durch die gefälschte Abrechnung einen wichtigen Kündigungsgrund darstellt.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf das Vertrauen zwischen Mieter und Vermieter und betont die Bedeutung wahrheitsgemäßer Angaben in Nebenkostenabrechnungen.
  • Mieter sollten sich bewusst sein, dass Fälschungen von Abrechnungen schwerwiegende rechtliche Konsequenzen haben können.

Vermieterin kündigt wegen manipulierter Betriebskosten

Das Mietrecht ist ein komplexes Thema, das viele Menschen vor Herausforderungen stellt. Eine der häufigsten Streitpunkte zwischen Mietern und Vermietern sind Betriebskostenabrechnungen. Oft ist es schwierig, die rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen im Einzelfall zu verstehen.

Grundsätzlich haben Vermieter das Recht, Mietverträge zu kündigen, wenn Mieter ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommen. Dazu zählt auch die Vorlage korrekter Betriebskostenabrechnungen. Allerdings gibt es hierbei einige Besonderheiten zu beachten.

Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall vorgestellt, der die Thematik anschaulich veranschaulicht. Dabei werden die relevanten rechtlichen Aspekte verständlich erläutert, um Mietern und Vermietern eine Orientierung in dieser komplexen Materie zu bieten.

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✔ Der Fall vor dem Amtsgericht Neukölln


Verfälschte Betriebskostenabrechnung führt zu Kündigung

Fälschung von Betriebskostenabrechnung
Vermieter kann Mietvertrag aufgrund manipulierter Betriebskostenabrechnung fristlos kündigen. (Symbolfoto: Yevhen Prozhyrko /Shutterstock.com)

In diesem Fall geht es um eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch die Vermieterin aufgrund eines schwerwiegenden Vertrauensbruchs durch den Mieter. Konkret wirft die Vermieterin dem Mieter vor, eine von ihr erstellte Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2020 manipuliert zu haben, bevor er diese beim Jobcenter einreichte. Die Vermieterin wurde durch die Polizei über die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Sozialleistungsbetrug informiert.

Abweichende Beträge in der gefälschten Abrechnung

Die Vermieterin hatte dem Mieter eine Betriebskostenabrechnung übersandt, in der Wasserkosten von 375,35 EUR und eine Nachforderung von 130,25 EUR ausgewiesen waren. In der vom Mieter beim Jobcenter eingereichten Version standen bei den Wasserkosten hingegen 575,35 EUR und die Nachforderung belief sich auf 330,25 EUR. Auf Nachfrage der Polizei bestätigte die Vermieterin, dass sie nur eine einzige Abrechnung mit den niedrigeren Beträgen erstellt und dem Mieter zugesandt hatte.

Fristlose Kündigung wegen Vertrauensbruchs

Aufgrund der mutmaßlichen Manipulation der Betriebskostenabrechnung durch den Mieter kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos wegen Vertrauensbruchs. Sie argumentierte, dass der Mieter mit diesem Verhalten seine Vertragspflichten erheblich verletzt und das Vertrauensverhältnis zerstört habe. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses sei ihr daher nicht mehr zumutbar. Eine Abmahnung hielt sie aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung für entbehrlich.

Räumungsurteil trotz Bestreiten des Mieters

Das Gericht gab der Räumungsklage statt, obwohl der Mieter die Vorwürfe bestritt. Es sah den wichtigen Grund für die fristlose Kündigung als gegeben an. Entscheidend war, dass der Mieter keine schlüssige Erklärung liefern konnte, wie es zu den Abweichungen zwischen Original und der von ihm eingereichten Version kam. Auch zeigte er keinerlei Unrechtsbewusstsein. Das Gericht wertete dies als schwerwiegende Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht, die das Vertrauensverhältnis zerrüttet hat. Dem Mieter wurde eine Räumungsfrist bis zum 15.02.2023 eingeräumt.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Verfälschung einer Betriebskostenabrechnung durch den Mieter stellt eine schwerwiegende Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar. Sie rechtfertigt eine fristlose Kündigung durch den Vermieter wegen Zerstörung der Vertrauensgrundlage, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedarf. Entscheidend sind dabei nicht die strafrechtlichen Aspekte, sondern die Pflichtverletzung im Mietverhältnis selbst. Das Urteil zeigt, dass Mieter Vertragsdokumente des Vermieters nicht eigenmächtig abändern dürfen und welch gravierende Folgen dies haben kann.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Fälschung von Betriebskostenabrechnung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche rechtlichen Folgen hat es, wenn ich als Mieter eine Betriebskostenabrechnung verfälsche?

Die Verfälschung einer Betriebskostenabrechnung durch den Mieter kann schwerwiegende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein solches Vorgehen erfüllt in der Regel den Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB. Der Mieter täuscht hierbei über die tatsächlich angefallenen Betriebskosten, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Wird der Betrug aufgedeckt, droht dem Mieter eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu zehn Jahre betragen. Bereits der Versuch ist strafbar.

Neben den strafrechtlichen Konsequenzen hat die Fälschung der Betriebskostenabrechnung in aller Regel auch die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter zur Folge. Indem der Mieter die Abrechnung manipuliert, zerstört er die Vertrauensgrundlage, die für die Fortsetzung des Mietverhältnisses unerlässlich ist. Der Vermieter muss sich darauf verlassen können, dass der Mieter Vertragsdokumente nicht eigenmächtig abändert. Eine vorherige Abmahnung ist in einem solchen Fall entbehrlich.

Selbst wenn die Fälschung nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt, ist die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Entscheidend ist, dass der Mieter eine vom Vermieter erstellte Abrechnung verfälscht oder zumindest eine Verfälschung ermöglicht hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Mieter selbst oder ein Dritter die Manipulation vorgenommen hat.

Als Beispiel dient ein Fall, in dem ein Mieter eine Betriebskostenabrechnung beim Jobcenter einreichte, die einen höheren Nachzahlungsbetrag auswies als die Originalabrechnung des Vermieters. Nachdem dies aufgedeckt wurde, kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos wegen Vertrauensbruchs. Zu Recht, wie das Amtsgericht Neukölln entschied.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten Eine vom Mieter gefälschte Betriebskostenabrechnung rechtfertigt nicht nur die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, sondern kann auch eine Strafbarkeit wegen Betrugs begründen. Mieter sollten daher unbedingt davon absehen, Abrechnungen eigenmächtig zu ihren Gunsten zu ändern.


Kann mir der Vermieter kündigen, wenn er vermutet, dass ich die Betriebskostenabrechnung gefälscht habe, es aber nicht beweisen kann?

Der bloße Verdacht einer Verfälschung der Betriebskostenabrechnung durch den Mieter reicht für eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter in der Regel nicht aus. Vielmehr muss der Vermieter konkrete Anhaltspunkte oder Beweise für eine tatsächliche Manipulation vorlegen können, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Entscheidend ist, dass der Vermieter nachweisen kann, dass der Mieter vorsätzlich eine falsche Abrechnung erstellt oder eine Fälschung zumindest ermöglicht hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Mieter selbst oder ein Dritter die Verfälschung vorgenommen hat. Maßgeblich ist allein, dass der Mieter durch sein Verhalten die Vertrauensgrundlage des Mietverhältnisses zerstört hat.

Ein Beispiel aus der Rechtsprechung verdeutlicht dies. Ein Mieter hatte beim Jobcenter eine Betriebskostenabrechnung eingereicht, die einen höheren Nachzahlungsbetrag auswies als die Originalabrechnung des Vermieters. Als dies aufgedeckt wurde, kündigte der Vermieter fristlos. Zu Recht, wie das Amtsgericht Neukölln entschied. Denn der Mieter hatte nicht aufgeklärt, wie es zu der Diskrepanz kam.

Kann der Vermieter eine Verfälschung durch den Mieter jedoch nicht beweisen und stützt sich die Kündigung allein auf einen vagen Verdacht, ist sie unwirksam. Der Mieter muss dann keine Konsequenzen fürchten. Denn eine fristlose Kündigung bedarf stets eines wichtigen Grundes, der die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertigt. Ein bloßer Verdacht genügt hierfür nicht.

Mieter sollten daher bei einer Kündigung wegen angeblicher Fälschung der Betriebskostenabrechnung genau prüfen, worauf der Vermieter seinen Vorwurf stützt. Fehlen stichhaltige Beweise, können sie die Kündigung zurückweisen und notfalls gerichtlich gegen sie vorgehen. Nur wenn der Vermieter eine vorsätzliche Manipulation durch den Mieter nachweisen kann, muss dieser mit dem Verlust der Wohnung rechnen.


Was kann ich tun, wenn ich eine Betriebskostenabrechnung erhalten habe, die ich für falsch halte?

Hält der Mieter die vom Vermieter erstellte Betriebskostenabrechnung für fehlerhaft, sollte er zunächst prüfen, ob es sich um formelle oder inhaltliche Fehler handelt. Bei formellen Fehlern wie einem falschen Abrechnungszeitraum oder fehlenden Angaben ist die Abrechnung insgesamt unwirksam. Der Mieter muss dann keine Nachzahlung leisten und kann die Erstellung einer korrekten Abrechnung verlangen.

Liegen dagegen nur inhaltliche Unstimmigkeiten vor, etwa bei der Höhe einzelner Positionen oder der Umlage der Kosten, bleibt die Abrechnung grundsätzlich wirksam. Der Mieter muss in diesem Fall fristgerecht schriftlich Widerspruch gegen die Abrechnung einlegen und seine Einwände konkret begründen. Dafür hat er ab Zugang der Abrechnung zwölf Monate Zeit.

Um keine Nachteile zu erleiden, sollte der Mieter eine Nachzahlung zunächst unter Vorbehalt innerhalb der Zahlungsfrist von 30 Tagen begleichen. Andernfalls riskiert er eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs. Stellt sich später die Unrichtigkeit der Abrechnung heraus, kann der Mieter die überzahlten Beträge zurückfordern.

Reagiert der Vermieter nicht auf den Widerspruch, kann der Mieter die Vorauszahlungen für die Zukunft kürzen, bis eine korrekte Abrechnung vorliegt. Als Beispiel dient ein Fall, in dem der Bundesgerichtshof eine fristlose Kündigung durch den Mieter für gerechtfertigt hielt, weil der Vermieter beharrlich an einer falschen Abrechnung festhielt.

Zur Durchsetzung seiner Rechte kann der Mieter auch anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Die Kosten muss der Vermieter erstatten, wenn die Beauftragung eines Anwalts wegen einer komplizierten Sach- und Rechtslage erforderlich war. Eine außergerichtliche Einigung ist aber in vielen Fällen der bessere Weg.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 543 Abs. 1 BGB: Erlaubt die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses aus wichtigem Grund. Im vorliegenden Fall begründet durch den Vertrauensbruch des Mieters, der die Betriebskostenabrechnung manipulierte.
  • § 546 Abs. 1 BGB: Verpflichtet den Mieter zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses. Hier angewendet aufgrund der fristlosen Kündigung durch den Vermieter.
  • § 985 BGB: Eigentümer kann die Herausgabe einer Sache verlangen. Die Vermieterin fordert die Rückgabe der Wohnung, da das Mietverhältnis beendet wurde.
  • § 342 ZPO: Regelt den Einspruch gegen Versäumnisurteile. Der Beklagte legte Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein, dieser wurde jedoch zurückgewiesen.
  • § 343 S. 1 ZPO: Bestimmt die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils, wenn der Einspruch unbegründet ist. Das Gericht bestätigte das Urteil gegen den Mieter.
  • § 186 StGB: Üble Nachrede. Der Mieter wies die Vorwürfe der Vermieterin zurück und verwies darauf, dass eine strafbare Handlung erst durch das Strafgericht entschieden wird.
  • Mietvertragsrecht allgemein: Regelt die Pflichten und Rechte aus dem Mietverhältnis, insbesondere die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Abrechnung von Betriebskosten und die Konsequenzen bei Verstößen. Die Verfälschung der Nebenkostenabrechnung ist ein schwerwiegender Verstoß.
  • Vertrauensgrundlage im Mietverhältnis: Essentiell für das Fortbestehen eines Mietverhältnisses. Die Zerstörung des Vertrauens durch Manipulation der Abrechnung führte zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Neukölln

AG Neukölln – Az.: 17 C 141/22 – Urteil vom 18.10.2022

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Neukölln vom 25.07.2022 wird aufrechterhalten.

2. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 15.02.2023 gewährt.

3. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin aus diesem Urteil und aus dem Versäumnisurteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.700,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, Eigentümerin und vormalige Vermieterin der im Tenor zu 1. genannten Wohnung, nimmt den Beklagten, vormaligen Mieter, auf Räumung und Herausgabe der Wohnung nach vorausgegangener Kündigung wegen Vertrauensbruches in Anspruch.

Mit Mietvertrag vom 20.04.2012 mietete der Beklagte die Wohnung zum Mietbeginn 15.05.2012 von der Klägerin an (vgl. K1, Mietvertrag, Bl. 4ff dA).

Unter dem 23.03.2021 rechnete die Klägerin über die Betriebskosten für 2020 ab. Hieraus ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 130,25 EUR und Wasserkosten in Höhe von 375,35 EUR (vgl. K3, Bl. 13f dA). Den Nachzahlungsbetrag hat der Beklagte der Klägerin gezahlt.

Mit Schreiben der Polizei Berlin (LKA) vom 04.04.2022 erhielt die Klägerin einen Anhörungsbogen, in welchem ihr mitgeteilt wurde, dass gegen den Beklagten wegen des Verdachts des Sozialleistungsbetruges ermittelt wird. Sie wurde aufgefordert, den Fragebogen auszufüllen (vgl. K5, Bl. 17f dA).

Sie wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beklagte eine Nebenkostenabrechnung für die streitgegenständliche Mietwohnung für 2020 bei dem Jobcenter eingereicht hat, welche von der Nebenkostenabrechnung für 2020, welche die Klägerin bei dem Jobcenter zwecks Prüfung von Mietrückständen eingereicht hatte, bei den Wasserkosten und dem Nachzahlungsbetrag abweicht. In der von dem Beklagten eingereichten Nebenkostenabrechnung heißt es bei Wasserkosten: 575,35 EUR und bei der Nachzahlung: 330,25 EUR (vgl. K4, Bl. 15f dA). In der von der Klägerin eingereichten Nebenkostenabrechnung heißt es bei Wasserkosten: 375,35 EUR und bei der Nachzahlung: 130,25 EUR (s. K3).

Die Klägerin wurde dazu aufgefordert, anzugeben, ob sie zwei unterschiedliche Nebenkostenabrechnungen erstellt habe.

Die Klägerin antwortete auf dem Fragebogen, dass sie nur eine Abrechnung erstellt und dem Beklagten übersandt habe – diejenige mit dem Nachzahlungsbetrag 130,25 EUR.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.05.2022 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses mit der Begründung, dass sie aufgrund des vom LKA mitgeteilten Sozialleistungsbetruges das erforderliche Vertrauen in die rechtskonforme Haltung des Beklagten verloren habe (vgl. K2, Bl. 10f dA).

Der Beklagte wies die Kündigung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.05.2022 zurück und wies die Behauptungen zurück. Ob ein strafbares Verhalten vorliegt, entscheide das Strafgericht. Vor diesem Hintergrund solle die Klägerin – unter Berücksichtigung von § 186 StGB (üble Nachrede) vorsichtig mit belastenden Äußerungen umgehen (vgl. K6, Bl. 19f dA).

In der Klageschrift vom 03.06.2022 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, eine weitere fristlose und hilfsweise fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses erklärt, da der Beklagte in dem vorgenannten Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 24.05.2022 der Klägerin implizit mit einer Strafanzeige wegen vermeintlich übler Nachrede gedroht habe.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe – wie vom LKA mitgeteilt – in der von ihr erstellten Nebenkostenabrechnung für 2020 die Position Wasserkosten von 375,35 Euro auf 575,35 Euro geändert und so eine Nachzahlung von 330,25 Euro statt der tatsächlichen Nachzahlungshöhe von 130,25 Euro zur Erstattung beim Jobcenter vorgelegt.

Schon zuvor habe der Beklagte sie für rechtswidrige Vorgänge verwendet oder verwenden wollen. Am 22.05.2013 um 15.30 Uhr habe er telefonisch gefragt, ob man für einen Freund von ihm einen Mietvertrag fingieren könne, um Leistungen des Jobcenters zu beziehen. Er habe vorgeschlagen, dass sie auch einen Anteil der Einkünfte abbekomme. Sie habe das abgelehnt.

Im Jahr 2014 zog die Freundin des Beklagten bei diesem ein. Der Beklagte habe die Klägerin gefragt, ob man seine Freundin offiziell bei der Nachbarin als Untermieterin anmelden könne, um die Zahlungen des Jobcenters „zu optimieren“. Die Klägerin habe dies abgelehnt.

Am 26.07.2017 um 13.08 Uhr habe der Beklagte der Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass es in Anbetracht der Wohnungslage in Berlin doch „schade sei“, dass Wohnungen im Haus noch immer leer stünden. Er habe sich überlegt, diese tage- oder wochenweise an Touristen zu vermieten. Sie habe darauf hingewiesen, dass das eine Zweckentfremdung sei, woraufhin der Beklagte vorgeschlagen habe, dass er die Wohnung ja von der Klägerin anmieten könne, um sie „etwas herzurichten und zu möblieren“ und dann könne er die Wohnung ja weitervermieten. Bei ihm würden ja keine Steuern oder so anfallen, da das kein Gewerbe wäre und er nur „privat“ vermieten würde. Die Klägerin habe auch dies abgelehnt.

Im Jahr 2020 habe der Beklagte eine unerlaubte Untervermietung begonnen.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die von ihm innegehaltenen Wohnräume …., Vorderhaus 2. OG Mitte (Wohnung …), bestehend aus 2 Zimmern, Küche, Flur und Bad mit einer Wohnfläche von ca. 54 qm sowie 1 Kellerraum zu räumen und an sie herauszugeben.

Mit Versäumnisurteil vom 25.07.2022, dem Beklagten, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, zugestellt an demselben Tage, wurde der Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Hiergegen hat der Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.07.2022, eingegangen bei Gericht an demselben Tage, Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt nunmehr noch, das Versäumnisurteil vom 25.07.2022 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Vorsorglich beantragt er, ihm eine großzügige Räumungsfrist einzuräumen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens werden die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2022 (Bl. 57 und 57R dA) in Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Auf den zulässigen, insbesondere statthaften und fristgerechten Einspruch des Beklagten hin war das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten. Denn die Klage ist zulässig und begründet, §§ 342, 343 S. 1 ZPO.

I. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gemäß §§ 546 Abs. 1, 985 BGB.

Denn das Mietverhältnis wurde wirksam durch die fristlose Kündigung vom 18.05.2022 beendet.

1. Der Klägerin stand insoweit ein Kündigungsgrund gemäß § 543 Abs. 1 BGB zur Seite.

Hiernach kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, wobei ein wichtiger Grund vorliegt, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegt dann vor, wenn die Durchführung des Vertrags durch Zerstörung der das Schuldverhältnis tragenden Vertrauensgrundlage durch das Verhalten eines Vertragsteils derart gefährdet ist, dass sie dem Kündigenden auch bei strenger Prüfung nicht mehr zuzumuten ist (Blank/Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Auflage 2020, § 543 BGB, Rn. 9; BGH LM Nr. 62 zu § 535 BGB; LM Nr. 2 zu § 242 BGB (Ba)).

§ 543 Abs. 1 BGB setzt einen schwerwiegenden Vertrauensbruch bzw. ein Zerrüttungsverhältnis zwischen den Parteien voraus, der es einer der Beteiligten unzumutbar macht, das Mietverhältnis fortzusetzen. Die endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter kann eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 543 Abs. 1 BGB begründen (vgl. Weidenkaff in Grüneberg, BGB, 81. Aufl., 2022, § 543, Rn 35).

Der Mieter verletzt seine Vertragspflichten etwa dann erheblich, wenn sein Verhalten Anlass zu Polizeieinsätzen gibt und dies in Zusammenhang mit der Mietsache steht (vgl. Wiederhold in BeckOK BGB, Hau/Poseck, 63. Edition, Stand: 01.08.2022, § 543 BGB, Rn. 58).

Vorliegend wurde die Klägerin als Zeugin zu einem (versuchten) Leistungsbetrug durch den Beklagten befragt.

Maßgeblich ist insoweit der gegen den Beklagten erhobene Vorwurf, er habe von der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermieterin gefertigte Dokumente verfälscht. Insoweit ist ein unmittelbarer Bezug zu dem Mietverhältnis gegeben.

Es kann letztlich offen bleiben, ob der Beklagte wegen eines (versuchten) Leistungsbetruges schuldig gesprochen wird. Aus diesem Grunde war das Verfahren auch nicht wegen des bevorstehenden Strafverfahrens auszusetzen. Denn in Bezug auf das hier in Frage stehende Mietverhältnis liegt der Vorwurf nicht darin, dass der Beklagte ggf. einen (versuchten) Leistungsbetrug zulasten der Steuerzahler begangen hat, sondern darin, dass er ein von der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermieterin der streitgegenständlichen Wohnung erstelltes und ausgestelltes Dokument – die Betriebskostenabrechnung für 2020 – selbst verfälscht oder zumindest eine Verfälschung des Dokuments ermöglicht hat.

Zwar hat der Beklagte bestritten, einen Sozialleistungsbetrug begangen zu haben. Er hat indes auf den konkreten Vortrag der Klägerin schlicht nichts Konkretes erwidert. Dies wäre indes erforderlich gewesen, nachdem die Klägerin im Einzelnen unter Einreichung des Anhörungsbogens des LKA, der Original-Betriebskostenabrechnung und der beklagtenseits eingereichten Betriebskostenabrechnung dazu vorgetragen hat, dass der Beklagte die Abrechnung geändert hat, um eine höhere Nachforderung bei dem Jobcenter geltend zu machen.

Es wäre an dem Beklagten gewesen, konkret darzulegen, was genau er im Einzelnen zwischen Erhalt der Betriebskostenabrechnung und Einreichung derselben bei dem Jobcenter gemacht hat und wie genau der Ablauf war.

Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass zwischen den Parteien außer Streit steht, dass die Klägerin dem Beklagten keine Betriebskostenabrechnung übersandt hat, welche bei Wasserkosten den Betrag von 575,35 EUR und eine Nachforderung von 330,25 EUR nennt. Zwar hat der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung etwas dahingehend vorgetragen, dass er gar nicht sagen könne, von wem gewisse Dokumente stammten, da die Schreiben der Klägerin stets ohne Briefumschlag in seinen Briefkasten gesteckt würden. Damit hat er aber gerade nicht behauptet, dass die Abrechnung, die er von der Klägerin erhalten hat, schon den Inhalt hatte, wie die bei dem Jobcenter von ihm eingereichte. So spricht er selbst davon, dass die Abrechnung manipuliert wurde. Ferner steht zwischen den Parteien außer Streit, dass der Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eine Kopie der Betriebskostenabrechnung bei der Klägerin angefordert hat, welche diese dem Beklagten auch übersandt hat. Diese erneut übersandte Abrechnung hatte denselben Inhalt wie die zuvor übersandte. Hiernach wäre es an dem Beklagten gewesen, im Einzelnen dazu vorgetragen, was er mit der erhaltenen Abrechnung gemacht hat. Dies ist indes nicht erfolgt. In der Einspruchsschrift hat der Beklagte sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt. Auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat – davon abgesehen, dass er betont hat, sich selbst als Opfer zu sehen – keinerlei konkreten Vortrag zu dem Ablauf aus seiner Sicht erbracht. Der pauschale Verweis darauf, dass er zwei Vermutungen habe, wer hinter der Manipulation stehen könne, er dies mangels Beweisen aber nicht näher ausführen könne, reicht hierfür gerade nicht, sondern erscheint als bloße Schutzbehauptung.

Zwar ist es zunächst Sache des Vermieters, diejenigen Tatsachen substantiiert vorzutragen, auf die das Kündigungsrecht gestützt wird. Dies hat die Klägerin hier getan (s.o.). Bei dieser Sachlage muss der Beklagte diejenigen Umstände vortragen, aus denen sich ergibt, dass zu Unrecht ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet und die Anklage zugelassen wurde. Hierzu ist der Beklagte auch in der Lage, da er wissen muss und nur er wissen kann, wie genau die veränderte Betriebskostenabrechnung zum Jobcenter gelangt ist (vgl. zu der Darlegungslast auch LG Mannheim, Urteil vom 20.10.1993 – 4 S 113/93).

Hiernach hat der Beklagte mithin nicht ansatzweise darlegen können, wie es dazu kommen konnte, dass er bei dem Jobcenter eine Betriebskostenabrechnung eingereicht hat, die in zwei Punkten von der Original-Betriebskostenabrechnung, welcher die Klägerin erstellt und dem Beklagten übersandt hat, abwich.

Die Klägerin ist damit aufgrund des Verhaltens des Beklagten zur Zeugin in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geworden und muss befürchten, ihr hafte der Makel an, sie selbst handele bei der Erstellung von Betriebskostenabrechnungen nicht rechtmäßig. Dieses Verhalten des Beklagten ist geeignet, das Vertrauen in eine redliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses zu erschüttern.

Der Beklagte hat damit das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig zerrüttet, da er seine aus dem Mietverhältnis resultierende Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt hat. Bei einem Mietverhältnis handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, welches jeden Beteiligten zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Mit dem Begriff der Rücksichtspflichten umschreibt das Gesetz die anerkannten Pflichten, die das Integritätsinteresse der am Schuldverhältnis Beteiligten sichern sollen (vgl. Grüneberg in derselbe, a.a.O., § 241, Rn. 6). Indem er die Klägerin durch sein Verhalten in die Situation gebracht hat, dass sie sich gegenüber Behörden dahingehend entlasten muss, dass es nicht sie war, die zwei voneinander abweichende Betriebskostenabrechnungen unter einem Datum erstellt hat, hat der Beklagte seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Klägerin erheblich verletzt. Insbesondere aufgrund des Umstands, dass er nicht ansatzweise dargelegt hat, wie es dazu kommen konnte, dass er bei dem Jobcenter eine Betriebskostenabrechnung eingereicht hat, die in zwei Punkten von der Original-Betriebskostenabrechnung abweicht, konnte die Klägerin zu Recht ihr Vertrauen in ein rechtskonformes Verhalten des Beklagten in dem Mietverhältnis verlieren.

Hierdurch ist das Vertrauensverhältnis nach einem objektiven Maßstab so gestört, dass eine gedeihliche oder auch nur erträgliche Vertragsfortsetzung ausgeschlossen und eine sofortige Vertragsbeendigung angemessen erscheint (vgl. zu dieser Anforderung Streyl in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2021, § 543 BGB, Rn. 13).

Ob – ausnahmsweise – auch das Institut der Verdachtskündigung anwendbar sein könnte und hiernach ein wichtiger Grund, der zur Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB berechtigt, besteht (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Urteil vom 31. März 2021 – 2 U 13/20 -, juris; LG Itzehoe, ZMR 2019, 829; AG Wedding, Urteil vom 22. Juni 2022 – 7 C 92/22 -, juris = WuM 2022, 535), kann danach offen bleiben. Voraussetzungen für eine solche Verdachtskündigung sind (1) das Vorliegen einer Straftat, (2) der Verdacht muss durch objektive Umstände belegt sein, (3) der Verdacht muss dringend und die Verdachtsmomente müssen geeignet sein, das für die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören (vgl. LG Itzehoe, a. a. O.).

Vorliegend liegt der Schwerpunkt des Vorwurfs jedoch nicht darin, ob ein Straftatbestand verwirklicht wurde, sondern darin, dass der Beklagte ein ihm übersandtes Vertragsdokument, welches von der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermieterin der Wohnung unterschrieben wurde, entweder selbst nachträglich verfälscht hat oder zumindest eine solche Verfälschung ermöglicht bzw. zumindest nicht dafür Sorge getragen hat, dass mit von der Klägerin ausgestellten Dokumenten ein rechtmäßiger Umgang sichergestellt ist. Er hat zu den klägerseits dargelegten Kerntatsachen keinen anderen Geschehensablauf dargelegt und in keiner Form aufgeklärt, wie es dazu kam, dass eine verfälschte Abrechnung beim Jobcenter durch ihn eingereicht wurde.

Hierdurch wird das Vertrauensverhältnis so nachhaltig erschüttert, dass ein Kündigungsgrund gegeben ist. Ein Vermieter muss blind darauf vertrauen dürfen, dass der Mieter Vertragsdokumente nicht verfälscht und auch so in den Rechtsverkehr bringt, dass keine Verfälschung durch andere möglich ist.

Der Kündigungsgrund wiegt auch so wichtig (schwer) i.S.v. § 543 Abs. 1 BGB, dass der Klägerin eine Vertragsfortsetzung unzumutbar ist.

Die zu dieser Feststellung erforderliche Würdigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls führt zu einer höheren Gewichtung der Vermieterinteressen.

Abzuwägen ist das Interesse des Kündigenden an einer (sofortigen) Beendigung des Vertrages gegen das Interesse des Kündigungsempfängers an dessen Bestand. In diese Abwägung ist alles einzubeziehen, was die Schwere des Kündigungsgrundes ausmacht, also Erschwerendes und Entlastendes von Seiten des Kündigenden und des Kündigungsgegners. Dazu gehören insbesondere Art und Ausmaß einer Pflichtverletzung, deren Folgen und insbesondere das Maß des Verschuldens. Die gegenläufigen Einflussgrößen sind dann gegeneinander abzuwägen. Bei der anzustellenden Zukunftsprognose sind die Auswirkungen der Pflichtverletzung auf das Verhältnis der Parteien zu berücksichtigen (vgl. Streyl in Schmidt-Futterer, a.a.o., Rn. 19).

Die Abwägung hat insbesondere unter Berücksichtigung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG sowie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG zu erfolgen, welche dem Eigentumsschutz aus Art. 14 GG gegenüberzustellen sind (vgl. Mehle in beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: H. Schmidt, Stand: 01.10.2022, § 543 BGB, Rn. 28).

Auf Seiten des Beklagten war die Dauer des Mietverhältnisses von 10 Jahren zu berücksichtigen. Über das stets gegebene Interesse eines jeden Mieters, der nicht ausziehen möchte, die eigene Wohnung nicht zu verlieren (Bestandsinteresse) hinaus, sind keine weiteren besonderen Umstände dargelegt, welche das Abwägungsergebnis in Richtung des Beklagten verlagern würden. Das Erlangungsinteresse der Klägerin wird hier durch den nicht konkret bestrittenen Vorwurf der Verfälschung der Betriebskostenabrechnung verstärkt.

Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass – unabhängig davon, dass er den Vorwurf bestreitet – der Beklagte keinerlei Bewusstsein dahingehend hat, mit dem vorgeworfenen Verhalten könnten Rechte und Interessen der Klägerin tangiert sein. Er betonte, dass das Jobcenter den Betrag ja nicht gezahlt habe und dass er nicht verstehen könne, warum dadurch (den Vorwurf als wahr unterstellt) das Vertrauen der Klägerin in Bezug auf das Mietverhältnis zerstört sein könnte.

Die schon grundsätzlich fehlende Einsicht des Beklagten, dass sehr wohl die Rechte der Klägerin als Vermieterin tangiert werden, wenn von ihr erstellte Unterlagen verfälscht und dann bei Behörden / Ämtern eingereicht werden, führt zu einer Verfestigung der Zerrüttung. Die Klägerin kann nicht davon ausgehen, dass es bei dem Vorfall bleibt. Zu berücksichtigen ist auch, dass es sich um eine Privatvermieterin handelt, so dass das persönliche Verhältnis auch nicht von untergeordneter Bedeutung ist.

2. Eine Abmahnung war nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich.

Bei einer Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB ist eine Abmahnung gem. § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, wenn die Pflichtverletzung, wegen derer gekündigt wird, so schwerwiegend ist, dass die Vertrauensgrundlage auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden könnte (sog. Zerrüttungskündigung; vgl. Streyl, Schmidt-Futterer, a.a.O., Rn. 227). Das ist hier der Fall, da das Vertrauen in rechtskonformes Verhalten des Beklagten bereits unwiederbringlich zerstört wurde.

II. Dem Beklagten war auf seinen Antrag hin eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, § 721 Abs. 1, S. 1 ZPO. Das Mietverhältnis dauert schon seit über zehn Jahren an und der Beklagte zahlt stets pünktlich die Miete / Nutzungsentschädigung (zumindest wurde nichts Gegenteiliges vorgetragen). Zu berücksichtigen sind ferner die aktuell schwierigen Krisenzeiten (Energiekrise; auch dürften im Spätherbst wieder Verschärfungen aufgrund der Coronakrise zu befürchten stehen), welche es für Mieter noch schwieriger machen, angemessenen Wohnraum zu leistbaren Konditionen zu erlangen. Auf der anderen Seite ist das Interesse der Klägerin an der Wiedererlangung der Wohnung zu berücksichtigen. Nach Abwägung dieser Umstände erscheint eine Räumungsfrist bis zum 15.02.2023 angemessen, aber auch ausreichend.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.

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