Skip to content
Menü

Wohnungsräumung bei Selbstmordabsichten des Mieters

LG Berlin, Az.: 51 T 700/16, Beschluss vom 21.09.2016

1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 20.9.2016 wird die für den 22.9.2016 durch die Gerichtsvollzieherin … zu DR II … anberaumte Räumung der Wohnung des Schuldners in der … 99 in … Berlin gemäß § 570 Abs. III ZPO einstweilen ausgesetzt.

2. Es soll ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und/oder Psychiatrie zu der Behauptung des Schuldners eingeholt werden, die beabsichtigte Räumung sei für ihn mit einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben verbunden, da eine ernsthafte suizidale Handlung – im Falle einer Räumung – drohe.

Gründe

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners war die Räumungsvollstreckung wie tenoriert auszusetzen. Es kann nach derzeitigem Sachstand nicht ausgeschlossen werden, dass bei dem Schuldner im Falle der Räumung ernsthafte Selbsttötungsabsichten einsetzen. Die Gläubiger haben dies mit Nichtwissen bestritten (Antragserwiderung vom 12.9.2016, S. 20). Der Schuldner wiederum hat genügende Anhaltspunkte für seine Behauptung vorgebracht; mehr als hinreichende Anhaltspunkte sind nicht erforderlich, um das Vollstreckungsgericht zur Einholung eines Gutachtens zu veranlassen (vgl. instruktiv BGH Beschluss vom 2.12.2010, V ZB 124/10, LS zu 2. und 3. sowie Tz.14 ff.; zit. n. juris). Der Arztbrief des … Klinikum … vom 23.7.2016 attestiert dem Schuldner eine erhebliche Destabilisierung mit depressiven bis hin zu suizidalen Krisen und schließt auch eine psychotische Entgleisung nicht aus. Diese im Falle einer Räumung zu erwartende Krise hat nach der Stellungnahme des sozialpsychiatrischen Dienstes des Bezirksamtes … von Berlin vom 18.8.2016 „suizidale Qualität“. Letztlich ist nach dem Attest des Arztes C L vom 15.9.2016 eine ernsthafte suizidale Handlung des Schuldners nicht auszuschließen.

Die Berufung auf diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedenfalls ausreichenden Anhaltspunkte ist dem Schuldner nicht verwehrt, weil er sich in dem Räumungsvergleich vom 3.8.2016 verpflichtet hatte, (auch) das Erdgeschoß der zu räumenden Einheit am 20.9.2016 zurückzugeben und er das Attest vom 23.7.2016 zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses schon kannte bzw. kennen musste. Zwar beherrscht der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch das Zwangsvollstreckungsverfahren und ist insoweit ein Verstoß des Schuldners gegen diesen Grundsatz unter dem genannten Aspekt festzustellen. Gleichwohl muss dem Schutz von Leib und Leben des Schuldners hier der Vorrang eingeräumt werden. Geht es um den Schutz hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit, muss im Einzelfällen der Einwand des Rechtsmißbrauches durch den Gläubiger zurücktreten, gegenteiligenfalls ein wirksamer Schutz der genannten Rechtsgüter nicht gegeben wäre.

Räumungsschutz nach § 765 a) ZPO ungeachtet dessen zu gewähren, weil der Schuldner zum 1.5.2017 neue Räume beziehen kann, kommt nach Auffassung des Beschwerdegerichts nicht in Betracht. Zwar kann es als unbillige Härte anzusehen sein, dass der Schuldner in kurzer Zeit mehrmals umziehen müsste (Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., Rdnr. 12 zu § 765 a) ZPO). Im vorliegenden Fall jedoch datiert das Räumungsurteil vom 26.2.2015. Dem Schuldner wurde gerade im Hinblick auf seine Behinderung eine großzügig bemessene Räumungsfrist bis zum 31.12.2015 gewährt. Seitdem sind bereits wieder 9 Monate verstrichen. Den Gläubigern, die – ob mit oder ohne Zutun des Schuldners kann dahinstehen – von so genannten Kiezbewohnern unter erheblichen Druck gesetzt werden, ist es nicht zuzumuten, nochmals sieben Monate mit der Räumung zuzuwarten.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!