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Wohnungsrenovierung – Wann ist sie umfassend renoviert?

LG Berlin, Az.: 65 S 25/18, Urteil vom 23.05.2019

In dem Rechtsstreit hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 65 – aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2019 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 20. Dezember 2017 – 9 C 284/17 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die höchst zulässige Nettokaltmiete für die von den Klägern gemietete Wohnung in (…) Berlin, (…)straße (…), (…), bestehend aus drei Zimmern nebst Balkon, Bad/Dusche sowie Küche 1.052,48 Euro beträgt.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.132,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 5. Januar 2017 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 2.642,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 506,22 Euro seit dem 05.01.2017, 06.02.2017, 06.03.2017, 06.04.2017, 05.05.2017, 07.06.2017 sowie 06.07.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Kläger zu 42% und der Beklagte zu 58%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wohnungsrenovierung - Wann ist sie umfassend renoviert?
Symbolfoto: Von hanohiki /Shutterstock.com

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen:

Die Kläger mieteten mit Mietvertrag vom 4. Mai 2016 zum 1. August 2016 die aus drei Zimmern, einem Bad/Dusche, einem Balkon und einer Küche bestehende Wohnung mit einer Größe von 130 m2 vom Beklagten. Im Mietvertrag ist eine monatliche Nettokaltmiete von 1.430 Euro vereinbart.

Mit Anwaltsschreiben vom 14. Dezember 2016 rügten die Kläger die Miethöhe und verlangten Auskunft über Art, Umfang und Kosten aufgewendeter Modernisierungsmaßnahmen sowie die Höhe der vom Vormieter gezahlten Nettokaltmiete.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 teilte der Beklagte mit, dass die Wohnung für eine Gesamtsumme von 108.759,08 Euro saniert worden sei. Die Nettokaltmiete des Vormieters habe 373,44 Euro betragen. Der Vormieter habe die Wohnung von 1971 bis 2014 bewohnt es sei nie renoviert worden. Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 berief der Beklagte sich auf § 556f BGB.

Das Amtsgericht ist von einer umfassenden Modernisierung der Wohnung ausgegangen und hat die Klage abgewiesen. Die Kläger haben gegen das ihnen am 27. Dezember 2017 zugestellte Urteil am 25. Januar 2017 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung innerhalb der verlängerten Frist am 27. März 2018 begründet.

Sie beanstanden, dass das Amtsgericht ohne Beweisaufnahme Neubaukosten in Höhe von 1750 Euro pro Quadratmeter zugrunde gelegt habe, obwohl die Kläger unter Bezugnahme auf Angaben des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU konkret Neubaukosten von 2930 Euro pro Quadratmeter behauptet hatten. Sie beanstanden weiter, dass das Amtsgericht ebenfalls ohne Beweisaufnahme einen vom Beklagten behaupteten, von den Klägern bestrittenen Kostenaufwand von 69.853,39 Euro zugrunde gelegt und die Arbeiten darauf basierend als umfassende Modernisierung bewertet habe.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil des Amtsgerichts abzuändern und

1. festzustellen, dass die höchstzulässige Nettokaltmiete für die von den Klägern angemietete Wohnung in (…) Berlin, (…), bestehend aus 3 Zimmern nebst Balkon, Bad/Dusche sowie Küche 776,10 Euro beträgt;

2. an die Kläger als Gesamtgläubiger 1.961,70 Euro nebst Zinsen seit dem 5. Januar 2017 zu zahlen;

3. an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 4.577,30 Euro nebst Zinsen auf jeweils 653,90 Euro seit dem 05.01.2017, 06.02.2017, 06.03.2017, 06.04.2017, 05.05.2017, 07.06.2017 sowie 06.07.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 26. September 2018 eine amtliche Auskunft beim Amt für Statistik Berlin-Brandenburg eingeholt. Sie hat gemäß Beschluss vom 17. April 2019 ferner Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeug(inn) en (…), (…) und (…). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Mitteilung des Amtes für Statistik vom 23. Oktober 2018 (Bd. 2 Blatt 11. Akten) und das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 17. April 2019 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist teilweise begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

1. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Nettokaltmiete für die hier gegenständliche Wohnung 1.052,48 Euro beträgt, §§ 256 Abs. 1 ZPO, 556d Abs. 1, 2 BGB iVm der Mietenbegrenzungsverordnung Berlin (MietBegrV Berlin). Soweit die zwischen den Parteien im Mietvertrag getroffene Vereinbarung über die Miethöhe diesen Betrag überschreitet, ist sie unwirksam, § 556g Abs. 1 Satz 1, 2 BGB. Ein weitergehender Feststellungsanspruch besteht nicht.

a) Die Anwendung des § 556d BGB ist nicht nach § 556f Satz 2 BGB ausgeschlossen. Eine Erstvermietung nach umfassender Modernisierung liegt nicht vor.

Der Begriff der Modernisierung in § 556f Satz 2 BGB knüpft nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich an § 555b BGB an; die Wiederherstellung eines ehemals bestehenden Zustands (Instandsetzung) wird nicht erfasst (vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 32). Umfassend ist eine Modernisierung dann, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint. Der Gesetzgeber nimmt zur Auslegung des Begriffs Bezug auf § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG (BT-Drs. 18/3121, S. 32). Danach ist Wohnungsbau als Schaffen von Wohnraum (auch) die Änderung von Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand zur Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse. Den Begriff des wesentlichen Bauaufwandes hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit den Vorgängerregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG dahin konkretisiert, dass die Investition mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen (Kosten-)Aufwandes erreichen muss (vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 32 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 10.08.2010 – VIII ZR 316/09, WuM 2010, 679; BVerwG, Urt. v. 26.08.1971 – VIII C 42.70, ZMR 1972, 87). Der Begriff „umfassend“ bezeichnet jedoch nicht nur ein quantitatives (Kosten-)Element, sondern gleichberechtigt ein qualitatives Kriterium. Zu berücksichtigen sind die qualitativen Auswirkungen der Maßnahmen auf die Gesamtwohnung; sie muss in mehreren wesentlichen Bereichen (insbesondere Sanitär, Heizung, Fenster, Fußboden, Elektroinstallation bzw. energetischen Eigenschaften) verbessert worden sein (vgl. BT-Drs. 18/3121, S. 32; vgl. zu alledem auch Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 556f Rn. 20; BeckOGK/Fleindl 1.4.2019, BGB § 556f Rn. 23 f.; MüKoBGB/Artz, 7. Aufl. 2016, BGB § 556f Rn. 6f; Flatow, WuM 2015, 191, [201]).

Ein großer Teil des vom Beklagten behaupteten Investitionsaufwandes in Höhe von insgesamt 108.759,08 Euro sind Kosten, die darauf zurückzuführen sind, dass die Wohnung – so der Vortrag des Beklagten – „kernsaniert“ werden musste, weil die Wohnung von Juli 1971 bis zum 31. November 2014 durchgängig durch einen Mieter bewohnt wurde, der (ebenso wie im Übrigen der Beklagte) nie Renovierungen oder andere Instandsetzungen vorgenommen hat.

Reine Instandsetzungsmaßnahmen, die nicht die Anforderungen des § 555b BGB erfüllen, können jedoch schon begrifflich nicht unter § 556f Satz 2 BGB fallen.

Um Instandsetzungs-, nicht Modernisierungsmaßnahmen handelt es sich bei der Instandsetzung bzw. dem Gang- und Schließbarmachen der Balkontürelemente, der Zimmertüren und der Wohnungstür, der Erneuerung von Glasscheiben, von Wassernasen und eines Fensterbrettes. Ein großer Teil der Kosten für Malerarbeiten sowie die Kosten für die Fußbodenarbeiten sind aus eben diesem Grund ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Ebenso verhält es sich hier mit den Kosten für die Erneuerung der Zu- und Abflussstränge in Höhe von 5.509,18 Euro (Anlage B3, Rechnung vom 29.03.2016). Es handelte sich – so auch die Bezeichnung der Arbeiten durch den Beklagten – um eine „Erneuerung“ sie ging mit keiner Wohnwertverbesserung einher. Die Wohnung war bereits an Wasser- und Abwasserleitungen angeschlossen; die Maßnahmen beschränkten sich auf einen Ersatz der mindestens seit 35 Jahren nicht instandgesetzten Rohre (vgl. zur Abgrenzung Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 555a Rn. 9f; § 555b Rn. 139). Eine Erweiterung der Kapazität bzw. der Versorgung trägt der Beklagte nicht vor (anders der Sachverhalt, der der in Bezug genommenen Entscheidung v. 14.01.2015 – 65 S 267/14, zugrunde lag; es wurden u.a. erstmals Warmwasserleitungen hergestellt) entsprechende Verbesserungen lassen sich auch nicht der in Bezug genommenen Rechnung entnehmen. Anders zu bewerten sind lediglich die Positionen der Rechnung vom 16.04.2016 (ebenfalls Anlage B3), mit Ausnahme (jedenfalls) der Positionen 1 sowie 3 bis 6.

Als Modernisierung im Sinne des § 555b BGB zu berücksichtigen sind demgegenüber die Erneuerung der Elektroinstallation (Verstärkung, Sicherheit, Verlegung unter Putz, 24.239,37 Euro), der Ersatz der alten Gasetagenheizung durch ein modernes Gerät (4.416,35 Euro, 303,24 Euro), Trockenbau-, Fliesen- und Malerarbeiten im Zusammenhang mit den Grundrissänderungen zur Schaffung eines modernen Bades und einer größeren Küche einschließlich der Neugestaltung des Zimmers 1 (Lageplan BB2), der Einbau von Energiesparfenstern in einem der (nunmehr) drei Zimmer sowie im Bad (3.742,69 Euro) und die moderne Ausstattung des Bades (1.012,64 Euro).

Soweit der Beklagte im Zusammenhang mit der Erneuerung von Glasscheiben (Rechnung als Anlage B4) behauptet hat, die inneren Fensterscheiben der Kastendoppelfenster seien durch Energiesparglas ersetzt worden, lässt sich das weder mit seinem Vortrag in der Klageerwiderung noch der Rechnung in Übereinstimmung bringen. Danach sind die Glasscheiben schlicht erneuert worden.

Für die Trockenbau-, Fliesen- und Malerarbeiten im Zusammenhang mit den Grundrissänderungen zur Schaffung eines modernen Bades und einer größeren Küche einschließlich der Neugestaltung des Zimmers 1 werden die entsprechenden (Brutto-)Kosten der Rechnung in der Anlage B6 in Ansatz gebracht (insgesamt 24.874,24 Euro).

Anders als der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7. Mai 2019 geltend macht, sind Arbeiten, die im Eingangsflur und in den anderen Zimmern ausgeführt wurden, nicht zu berücksichtigen; die Arbeiten stellen sich – mangels entsprechenden Vortrags – als Renovierung dar; der Beklagte selbst hat vorgetragen, dass die Wohnung über fast 35 Jahre nicht renoviert worden ist. Von Grundrissänderungen waren der Eingangsflur und die weiteren Zimmer nicht betroffen. In der Rechnung werden die entsprechenden Positionen als Renovierungsarbeiten dargestellt (Entfernen von Tapeten, Grundierungen, Streichen, Abschleifen von Türen- und Rahmenoberflächen, Entfernen usw. der Holzfußleisten, Ausbesserung des Dielen- oder Parkettbodens).

Selbst wenn zugunsten des Beklagten Abriss und Entsorgung der Öfen berücksichtigt werden, erreichen die Investitionskosten nicht ein Drittel der für einen vergleichbaren Neubau aufzuwendenden Kosten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen (…) und (…) sowie des Zeugen (…) können die Schornsteinarbeiten nach Abriss der Öfen nicht der an die Kläger vermieteten Wohnung zugeordnet werden. Kein Zeuge konnte die Behauptung des Beklagten bestätigen. Der Zeuge (…) gab auf Vorhalt der Rechnung vom 07.04.2016 (Anlage B8, Bl. 79 d.A.) an, dass er sagen würde, sie beziehe sich nicht nur auf eine Wohnung; sie hätte dann anders ausgesehen. Er führte dies auf die Angabe zum Schornsteinaufsatz zurück und vermutete, dass an den Schornstein mehrere Wohnungen angeschlossen waren. Die Zeuginnen (…) und (…) konnten dazu keine weitergehenden Angaben machen. Da der Beklagte für den wohnungsbezogenen Aufwand der in Ansatz gebrachten Kosten die Darlegungs- und Beweislast trägt, geht insbesondere die Unsicherheit des Zeugen (…) zu seinen Lasten. Hinzu kommt, dass die Wohnung nach Aussage der Zeugin (…) bereits vom Vormieter über die vorhandene Gasetagenheizung beheizt wurde; die Öfen waren schon vorher nicht mehr in Betrieb, dieser vielmehr untersagt. Damit stellt sich die Feststellung des Amtsgerichts, dass die Wohnung durch die in 2016 ausgeführten Arbeiten von der Beheizung mit Öfen auf die Beheizung mit Gas umgestellt worden sei, als unzutreffend dar. Vor diesem Hintergrund ist auch zweifelhaft, ob die Entfernung der noch vorhandenen, aber funktionslosen zwei Öfen überhaupt als Modernisierung anzusehen ist, was im Ergebnis jedoch dahinstehen kann. Jedenfalls die Kosten aus der Rechnung vom 07.04.2016 in Höhe von 10.037,53 Euro können nicht als Investition in die an die Kläger vermietete Wohnung berücksichtigt werden.

Nachdem die Kammer eine amtliche Auskunft des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg eingeholt hat, steht fest, dass die Neubaukosten im Jahr 2016 bei 1.523 Euro/m2 lagen. Als Kosten für den Neubau der Wohnung mit einer Größe von 130 m2 ergeben sich 197.990 Euro ein Drittel davon – als Mindesthöhe des Kostenaufwandes – sind 65.996,67 Euro. Ohne Berücksichtigung des Abrisses und der Entsorgung der Öfen ergäbe sich hier ein Betrag von ca. 58.600 Euro auch mit Berücksichtigung der vorgenannten Arbeiten (357,00 Euro, 2.309,79 Euro) würde der Betrag von einem Drittel der Neubaukosten nicht nur nicht erreicht, sondern erst recht nicht überschritten.

Auch die qualitativen Auswirkungen der Baumaßnahmen auf die Wohnung rechtfertigen in der Gesamtschau nicht die Annahme einer umfassenden Modernisierung.

Zuzugeben ist dem Beklagten, dass im Sanitärbereich und der Elektroinstallation eine Anpassung an moderne Wohnbedürfnisse stattgefunden hat. Fenster wurden demgegenüber lediglich im Bad und einem Zimmer durch moderne Fenster ersetzt, im Übrigen wurde die auch dem Beklagten in der Vergangenheit obliegende (über fast 35 Jahre unterlassene) Instandsetzung nachgeholt. Der Austausch von Fenstern in zwei von sechs Räumen wirkt sich auf die Gesamtwohnung qualitativ nur begrenzt aus. Auch die Aufarbeitung des (Parkett- und Dielen-)Fußbodens stellt sich als ein dem Verantwortungsbereich des Beklagten zuzuordnendes Nachholen längst geschuldeter Instandsetzungen dar, denn entsprechende Arbeiten wären formularvertraglich nicht wirksam auf den Vormieter übertragbar gewesen (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.01.2010 – VIII ZR 48/09).

Da die Wohnung – anders als das Amtsgericht angenommen hat – auch vom Vormieter über eine Gasetagenheizung beheizt wurde, fand keine Umstellung auf eine moderne Beheizung statt, sondern eine Erneuerung der Gasetagenheizung, die sich sowohl hinsichtlich des Kostenaufwandes als auch mit Blick auf das qualitative Kriterium der Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse weniger auf die Wohnung auswirkt. Die neue Gasetagenheizung mag komfortabler und effizienter arbeiten, § 555b Nr. 1, 2 BGB; eine darüber hinausgehende Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 4 WoFG wird mit dem Austausch nicht bewirkt. Letzteres wäre anzunehmen, wenn die (entfernten) Öfen noch die Beheizung der jeweiligen Zimmer sichergestellt hätten.

b) Der Betrag von 1.052,48 Euro entspricht der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10%, § 556d Abs. 1 BGB.

Die Wohnung ist (unstreitig) in das Mietspiegelfeld J1 des Berliner Mietspiegels 2015 einzuordnen, das eine Mietzinsspanne von 4,13 Euro/m2 bis 7,42 Euro/m2 und einen Mittelwert von 5,43 Euro/m2 ausweist.

Das Mietverhältnis begann ausweislich des Mietvertrages vom 4. Mai 2016 am 1. August 2016; der Erhebungsstichtag für die Daten zum Berliner Mietspiegel 2015 war der 1. September 2016.

Anders als die Kläger meinen, ist nicht der Mittelwert von 5,43 Euro/m2 der Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete zugrunde zu legen.

Unter Berücksichtigung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung zum Berliner Mietspiegel 2015 ist die Ausstattung nach den in der Merkmalgruppe 1 (Bad) und Merkmalgruppe 3 (Wohnung) genannten Ausstattungsmerkmalen überwiegend wohnwerterhöhend zu berücksichtigen. Das Bad ist ausweislich des (insoweit unbestrittenen) Vortrags des Beklagten im Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 verlegt und vergrößert worden; es hatte bei Mietvertragsbeginn eine Größe von 11,55 m2 und war damit größer als 8 m2. Ob weitere – neben den Sondermerkmalen berücksichtigungsfähige – wohnwerterhöhende Merkmale vorliegen, kann offenbleiben, weil jedenfalls keine wohnwertmindernden Merkmale von den Klägern vorgetragen werden. Die Wohnung verfügt zudem (unstreitig) über einen großen geräumigen Balkon und nach den vorgelegten Fotos über eine aufwändige Deckenverkleidung (Stuck) jedenfalls in zwei von drei Wohnräumen.

Die Beschaffenheit des Gebäudes (Merkmalgruppe 4) wirkt wohnwertmindernd, weil die Kläger unbestritten (unter anderem) das Fehlen einer Fahrradabstellmöglichkeit vorgetragen haben, ohne dass der Beklagte wohnwerterhöhende Merkmale vorgetragen hätte.

Die Ausstattung der Küche (Merkmalgruppe 2) und das Wohnumfeld (Merkmalgruppe 5) waren entgegen der Auffassung der Kläger nicht wohnwertmindernd zu berücksichtigen. Dem geltend gemachten Fehlen einer Spüle und einer Kochmöglichkeit stehen die Größe der Küche (15,21 m2) und der hochwertige Bodenbelag (Fotos) wohnwerterhöhend gegenüber. Das wohnwertmindernde Merkmal einer offenen, ungepflegten Müllstandfläche haben die Kläger nicht konkret und einlassungsfähig vorgetragen. Auf welche Umstände und Tatsachen sie insbesondere ihre Bewertung der Müllstandfläche als ungepflegt stützen, ergibt sich nicht einmal andeutungsweise. Angesichts des Umstandes, dass das Gebäude, in dem sich die von den Klägern inne gehaltene Wohnung befindet, nicht an die K1. M. Straße angrenzt, sich der – nach ihrem Vortrag – an der E. K2. Straße befindliche Fischladen demnach weder im Gebäude und unmittelbar angrenzend befindet, kann mangels konkretisierender Angaben nicht von erheblichen, regelmäßigen Beeinträchtigungen durch Gerüche ausgegangen werden; es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beeinträchtigungen über das übliche Maß hinausgehen, das in Innenstadtlagen mit nahe gelegenen Restaurants und Lebensmittelgeschäften anzutreffen ist.

Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Fotos, mit denen die Kläger sich insoweit nicht auseinandergesetzt haben, ist vom Vorliegen des Sondermerkmals hochwertiges Parkett in der überwiegenden Anzahl der Wohnräume auszugehen (Zuschlag von 0,56 Euro/m2), außerdem von einer von der Badewanne getrennten Dusche (Zuschlag: 0,63 Euro/m2) und einem modernen Bad (Zuschlag: 0,34 Euro/m2).

Eine überwiegende Isolierverglasung ergibt sich nach dem Vortrag des Beklagten zu den von ihm geltend gemachten Investitionen (vgl. oben) nicht. Von einer modernen Küchenausstattung kann nach den vom Beklagten in anderem Zusammenhang selbst vorgelegten Fotos ebenfalls nicht ausgegangen werden. Die Küche ist nach den Fotos wohl leer vermietet worden. Insoweit bedurfte es – gegebenenfalls – weitergehenden Vortrags.

Danach ergibt sich eine ortsübliche Nettokaltmiete von 956,80 Euro (7,36 Euro/m2 x 130 m2). Sie errechnet sich aus der Berücksichtigung eines Zuschlages von 20% der Differenz zwischen dem Mittelwert und dem Spannenoberwert (=0,40 Euro/m2), da in nur einer Merkmalgruppe die wohnwertmindernden, demgegenüber in zwei Merkmalgruppen die wohnwerterhöhenden Merkmale überwiegen, während die verbleibenden Merkmalgruppen neutral wirken zu dem errechneten Wert von 5,83 Euro/m2 sind die o. g. Zuschläge für das Vorhandensein der Sondermerkmale zu addieren.

2. Aus den Feststellungen zu Ziff. 1 b) folgt der Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Rückzahlung der anteiligen Mietsicherheit in Höhe von insgesamt 1.132,56 Euro aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 556d Abs. 1, 556g Abs. 1 Satz 2, 551 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 9 des Mietvertrages vom 4. Mai 2016. Die Mietsicherheit ist gemäß § 551 Abs. 4 auf drei Monatsmieten begrenzt.

3. Aus den Feststellungen zu Ziff. 1 b) folgt schließlich der Anspruch der Kläger gegen den Beklagten auf Rückzahlung überzahlter Miete seit dem in § 556g Abs. 2 BGB bezeichneten Zeitpunkt, hier in Höhe von 2.642,64 Euro für den geltend gemachten Zeitraum von sieben Monaten (Januar bis Juli 2017).

Die qualifizierte Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB ist dem Beklagten unstreitig im Dezember 2016 zugegangen.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB. Einer Mahnung bedurfte nach Zugang des Schreibens vom 14. Dezember 2016 nicht mehr.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO iVm § 26 Nr. 8 EGZPO.

2. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Die Entscheidung beruht auf tatrichterlich zu treffenden Feststellungen und Würdigungen.

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