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Zinslosigkeit einer geleisteten Mietkaution – Unwirksamkeit der Vertragsklausel

LG Lübeck, Az.: 14 S 59/10, Urteil vom 22.07.2010

Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird das am 9. Februar 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Ahrensburg abgeändert und der Beklagte verurteilt, EUR 1.349,83 auf das für die Kläger angelegte Mietkautionskonto (Nr. … , …kasse H…) einzuzahlen.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Kläger verlangen vom Beklagten, dass Zinsen in Höhe der Klagforderung auf eine im Jahr 1972 gezahlte Kaution in Höhe von DM 2.000,- für die Zeit vom 1. Dezember 1972 bis 1. März 2009 auf das 2004 gebildete Kautionskonto eingezahlt werden. Die Kläger berechnen die Zinsen nach den unstreitigen seit 1972 gültigen Zinssätzen für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist bis 1. März 2009 unter Abzug der seit Anlage der Kaution auf dem Kautionskonto angefallenen Zinsen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit seinem am 9. Februar 2010 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das ihnen am 15. Februar 2010 zugestellt worden ist, haben die Kläger mit ihrem am 3. März 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 17. Mai 2010 (Bl. 111 d.A.) mit einem am 11. Mai 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholen das erstinstanzliche Vorbringen und meinen, das Urteil des Amtsgerichts sei rechtsfehlerhaft. Eine Verjährung sei noch nicht eingetreten. Die Verzinsungspflicht für die Kaution sei nach dem BGB eine Primärpflicht und keine Sekundärpflicht auf Schadenersatz. Verjährung sei deshalb noch nicht eingetreten, weil der Anspruch auf Auszahlung der Zinsen gar nicht fällig geworden sei.

Sie beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, EUR 1.349,83 Zinsen für die Zeit vom 1. Dezember 1972 bis 1. März 2009 auf das für die Kläger angelegte Mietkautionskonto (Nr. …, …kasse H…) einzuzahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, § 551 Abs 3 BGB sei auf das Mietverhältnis gem. Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche) gar nicht anwendbar. Das Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG), aus dem sich eine Unwirksamkeit des Ausschlusses der Verzinsung nur ergeben könne, sei erst zum 1. April 1977 in Kraft getreten. Das Amtsgericht habe die Frage der Verjährung zutreffend beurteilt.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Der Anspruch der Kläger auf die getrennte Anlage der um die Zinsen gewachsenen Kaution ergibt sich aus § 551 Abs. 3 BGB. Der Anspruch ist nicht verjährt.

(1)Die Vereinbarung nach § 25 Satz 2 des Mietvertrages, wonach die eingezahlte Kaution zinslos gewährt werden sollte, ist unwirksam.

Zinslosigkeit einer geleisteten Mietkaution – Unwirksamkeit der Vertragsklausel
Foto: Freer Law/Bigstock

Die Unwirksamkeit ergab sich nach Einführung des AGBG aus § 9 AGBG a.F., der gem. § 28 Abs. 2 AGBG a.F. auch auf Verträge zur Gebrauchsüberlassung von Sachen anwendbar war, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. April 1977 geschlossen worden waren (vgl. AG München NZM 1999, 1096).

Denn die Vereinbarung der Zinslosigkeit war zwar handschriftlich in den Formularvertrag eingefügt worden, aber nach der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2009 durch seine verstorbene Ehefrau in alle Mietverträge für seine 15 Wohnungen eingefügt worden. Es handelte sich also um eine vorformulierte Vertragsbedingung für eine Vielzahl von Verträgen, die der Beklagte und seine Ehefrau als Vertragspartner i.S.v. § 1 Abs. 1 AGBG a.F. gestellt haben.

Diese Vertragsbedingung benachteiligte die Kläger gemäß § 9 Abs. 1 AGBG a.F. nach Treu und Glauben. Denn Treu und Glauben erfordern nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 8. Juli 1982 – VIII ARZ 3/82 – BGHZ 84, 345-351 zit. nach juris Rn 12ff.) eine Verzinsung der Kaution. Der Mieter stellt dem Vermieter die Kaution nicht zur Erlangung von Einkünften, sondern nur als Sicherheit für die Erfüllung von dessen Ansprüchen zur Verfügung. Mit Rücksicht auf die fortschreitende Geldentwertung ist er daran interessiert, dass das Kautionsguthaben stetig durch Zinsgutschriften anwächst. Dieses Interesse ist deshalb berechtigt, weil er den Betrag, wenn er ihn zur eigenen Verfügung behalten hätte, weiterhin hätte nutzen, insbesondere auch zinsbringend anlegen können. Hinzu kommt, dass die Ansprüche des Vermieters, zu deren Sicherheit die Kaution dient, mit fortlaufender Vertragsdauer infolge der Geldentwertung im Nominalwert steigen, so etwa die Mietzinsforderungen und die Ansprüche auf Durchführung von Schönheitsreparaturen, zu deren Vornahme sich der Mieter im allgemeinen verpflichtet. Deshalb erwartet der Mieter, dass der Vermieter den übergebenen Betrag zu seinen Gunsten verzinst. Diesem Interesse des Mieters stehen die Belange des Vermieters nicht entgegen. Der Sicherungszweck der Kaution wird nicht beeinträchtigt, wenn der Vermieter sie seinerseits verzinslich anlegt.

Durch die Eingliederung des AGBG in das BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 ist die Übergangsvorschrift in § 28 Abs. 2 AGBG zwar aufgehoben worden, ohne dass die neue Übergangsvorschrift in Art. 229 § 5 EGBGB (Einführungsgesetz zum BGB) die Fortgeltung weiterhin anordnen würde. Diese Neuregelung verfolgte jedoch nicht den Zweck, mehr als 20 Jahre nichtige Vereinbarungen wieder in Kraft zu setzen.

(2) An die Stelle der nichtigen Regelung tritt im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend der bereits zitierten Entscheidung des BGH vom 8. Juli 1982 (a.a.O. zit. nach juris Rn 10ff., vgl. auch zur Gewerberaummiete, die ältere Entscheidung bestätigend BGHZ 127, 138-146) eine Pflicht zur Verzinsung, die ihren Rechtsgrund im Vertrag und nicht im Gesetz hat. Nach der Konzeption des BGH wachsen die Zinsen der Kaution zu und besteht der Anspruch unabhängig davon, ob die Kaution tatsächlich auf einem Sparbuch mit gesetzlicher Kündigungsfrist angelegt worden ist, mindestens in Höhe der bei dieser Anlageform zu erzielenden Zinsen als ein primärer Erfüllungsanspruch, der erst mit der Kaution insgesamt fällig wird und dessen Verjährung deshalb erst mit Fälligkeit der Kaution zu laufen beginnt.

Der Gesetzgeber hat kurz nach der Entscheidung des BGH durch das Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 mit Wirkung zum 1. Januar 1983 den § 550b BGB eingeführt, der den Vermieter zur insolvenzfesten und verzinslichen Anlage der Kaution verpflichtete. Diese neue Pflicht zur verzinslichen Anlage ist von der vom BGH entwickelten primären Verzinsungspflicht zu unterscheiden (zur Unterschiedlichkeit der Pflichten vgl. auch BGHZ 127, 138-146 zit. nach juris Rn 8). Die neue Pflicht kann den aus anderer Grundlage (nämlich Vertrag) entwickelten Verzinsungsanspruch nicht berühren. Aus den Übergangsvorschriften ergibt sich nichts anderes. Der Gesetzgeber hat eine Entscheidung zum Verhältnis der durch die Rechtsprechung begründeten Verzinsungspflicht zu der durch ihn begründeten Anlagepflicht vielmehr nicht getroffen und ist einer Regelung der Zinspflicht von Altverträgen ausgewichen (vgl Soergel/Heintzmann BGB, 12. Aufl. 1997, § 550b Rn 21).

(3) Auch durch die Einführung des neuen § 551 BGB hat sich daran nichts geändert. Aus dieser Regelung ergibt sich lediglich der mit dem Antrag geltende gemachte Anspruch auf getrennte Anlage. Denn § 551 BGB enthält nur eine Verpflichtung zu verzinslicher Anlage, die jedenfalls für den Altvertrag die Verpflichtung zur Verzinsung der Kaution aus ergänzender Vertragsauslegung nicht beseitigen kann. Das ist entgegen der Ansicht der Berufungserwiderung (vgl. auch Derleder, WuM 2002, 239) auch durch Art. 229 § 3 Abs. 8 EGBGB nicht geschehen. Durch diese Vorschrift werden nicht ehemals unwirksame Zinsausschlüsse wirksam, sondern es sollen nur wirksame Zinsausschlüsse Bestand haben (vgl. BT-Drucks. 14/4553, S. 77).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Bei dem 38 Jahre alten Mietvertrag handelt es sich um einen durch Zeitablauf seltenen Einzelfall, der über den Fall hinaus keine Bedeutung für die Allgemeinheit hat.

Die Revision war auch zur Fortbildung des Rechts gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es liegt kein typischer, verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalt vor, bei dem es einer Orientierungshilfe bedürfen würde.

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