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Zufahrt zum Mietobjekt – Anspruch auf Benutzung eines Privatwegs

LG Hamburg – Az.: 316 S 59/12 – Urteil vom 18.12.2012

1. Das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 07.06.2012 (Az. 40 a C 84/11) wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten € 345,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils auf € 57,50 ab. 4.11.2010, 06.12.2010, 06.01.2011, 04.02.2011, 04.03.2011 sowie 05.04.2011 zu zahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Gewährung der ungehinderten Zufahrt zu einer Privatstraße neben dem Haus, in der sich die von ihr angemietete Wohnung befindet, sowie Minderung der Miete in Höhe von10 % aufgrund Nichtgewährung der Zufahrt. Der Beklagte verlangt widerklagend die Zahlung von aus seiner Sicht zu Unrecht geminderter Miete.

Zufahrt zum Mietobjekt – Anspruch auf Benutzung eines Privatwegs
Symbolfoto: Von Karen Kaspar /Shutterstock.com

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Gestattung der ungehinderten Nutzung des streitgegenständlichen Privatwegs zur Be- und Entladung sowie – auf der Grundlage eines Minderungsrechts von 5 % – zur Zahlung von € 152,77 sowie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat es die Klägerin zur Zahlung der einbehaltenen, über ein Minderungsrecht von 5 % hinausgehenden Miete verurteilt und die Widerklage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt: Der Klägerin stehe ein Anspruch auf ungehinderte Zufahrt zu der Privatstraße aus § 535 BGB zu, da es zur vertragsgemäßen Benutzung der Mietwohnung gehöre, zum Zwecke des Be- und Entladens so weit wie möglich an das Haus heranzufahren. Es beinträchtige den Mietgebrauch, wenn Einkäufe und andere Gegenstände über einen Weg von 50 m Länge vom Mittelweg zum Hauseingang transportiert werden müssen. Dem Beklagten stehe kein Recht zur Hinderung der Zufahrt zu. Die Durchfahrt für Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge werde nicht behindert, da die Klägerin ihren Pkw im Falle einer Notsituation sofort von der Privatstraße entfernen würde, um eine Zufahrt für Rettungsfahrzeuge zu ermöglichen.

Die Nichtgewährung der Zufahrt rechtfertige ein Minderungsrechts der Klägerin von 5 %, so dass sie in dieser Höhe zu viel gezahlte Miete zurückverlangen könne. Aufgrund dieses Minderungsrechts stehe dem Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der von der Klägerin darüber hinaus einbehaltenen Miete zu.

Der Beklagte vertritt in der Berufungsbegründung die Auffassung, es gehöre nicht zur vertragsgemäßen Benutzung einer Mietwohnung, so nah wie möglich an das Haus, in dem sich die Mietwohnung befinde, heranfahren zu können. Zudem sei die Feuerwehrzufahrt sei gemäß § 5 Abs. 5 HBauO freizuhalten. Eine den Mietern bewilligte, ungehinderte Zufahrt zu dem Privatweg behindere die Zufahrt von Rettungsfahrzeugen. Es sei nicht gewährleistet, dass dort abgestellte Fahrzeuge dort nur wenige Minuten parkten. Vielmehr bestehe bei 70 Anwohnern die Gefahr des Missbrauchs der Haltegelegenheit.

Darüber hinaus sei ein Anspruch auf Zufahrtgewährung jedenfalls verjährt, da die Klägerin bereits 1999 bemängelt habe, dass die Nutzung des Privatweges eingeschränkt oder aufgehoben werde; jedenfalls seit 2001 sei eine Zufahrt nicht mehr gestattet gewesen. Seither sei die Zufahrt mit einem Kipppfosten mit Schloss versehen, zu welchem nur der Hausmeister einen Schlüssel habe.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

1. die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 07.06.2012 zum Az.: 40a C 84/11 abzuweisen;

2. die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten über bereits titulierte € 173,82 hinaus, weitere €171,18 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten auf jeweils € 28,53 ab 04.11., 06.12.2010 und ab 06.01., 04.02., 04.03. sowie 05.04.2011 zu zahlen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin über die erstinstanzlich ausgeurteilten € 152,77 hinaus weitere € 152,77 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 287,50 ab dem 16.02.2012 und auf € 16,56 ab dem 16.02.2012 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Bruttomiete für die von der Klägerin im Hause des Beklagten, M., Haus …, EG r. bewohnte Wohnung ab November 2012 über erstinstanzlich zuerkannte 5 % um weitere 5 % , insgesamt also um 10 %, und zwar vom 1.11.2010 bis 31.05.2011 über erstinstanzlich zu erkannte €28,53 hinaus um insgesamt € 57,50 monatlich und seit dem 01.06.2011 über erstinstanzlich anerkannte € 33,53 monatlich um insgesamt € 67,05 monatlich gemindert ist, bis die ungehinderte Nutzung des Privatwegs gemäß Klageantrag zu 2) der Klägerin ermöglicht worden ist;

4. den Beklagten zu verurteilen, vorgerichtliche Anwaltskosten der Klägerin über erstinstanzlich ausgeurteilte €124,36 hinaus in Höhe von € 359,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 04.04.2011 zu zahlen.

Im Rahmen der Berufungserwiderung und Anschlussberufung äußert die Klägerin die Auffassung, es bestehe die Verpflichtung des Vermieters, freien Zugang zum Mietobjekt zu gewährleisten; davon umfasst sei auch die Zufahrt mit dem Kfz zum Be- und Entladen in zumutbarer Weise. Es habe vor und nach Abschluss des Mietvertrags mit der Klägerin eine jahrzehntelange Übung der Gewährung ungehinderter Zufahrt zur Privatstraße gegeben, die vermieterseitig toleriert und teilweise auch gefördert worden sei. Diese habe nunmehr Vertragsqualität und könne nicht einseitig widerrufen werden.

Feuerpolizeiliche Gründe könnten der Nutzung nicht entgegenstehen, da der Beklagte auch das Abstellen eines Bauschuttcontainers über mehrere Wochen und das Parken von Handwerkern gestattet habe. Im Übrigen sei es in den vergangenen Jahrzehnten im Hinblick auf die Eigenschaft der Privatstraße als Rettungsweg zu keiner auch nur annähernd problematischen Situation gekommen; die Feuerwehr selbst habe gegen die Nutzung wie der beantragten keine Einwände.

Aufgrund der Nichtgewährung der Zufahrt sei eine Minderung von 10 % gerechtfertigt, da die Klägerin durch die Versagung der Zufahrt aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme erheblich beeinträchtigt sei.

Zudem führt sie in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Stellungnahme, welche dem Schriftsatz der Klägerseite vom 11.12.2012 beigefügt war, aus, dass die HBauO auf das streitgegenständliche Mietobjekt aufgrund seiner Erbauung im Jahr 1875 gemäß § 83 HBauO nicht anwendbar sei. Dass ein behördlicher Bescheid gemäß § 76 Abs. 3 HBauO vorliege, der den Privatweg zur Feuerwehrzufahrt erkläre und die Einhaltung von § 5 Abs. 5 BauO gebiete, habe der Beklagte nicht vorgetragen.

Entscheidungsgründe

Auf die Berufung ist das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben, da die Klage zulässig, aber unbegründet ist. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Gewährung von Zufahrt zu der Privatstraße nicht zu. Aufgrund dessen fehlt es auch an einem Minderungsrecht der Klägerin.

A)

Ein Anspruch auf Zufahrtsgewährung folgt nicht aus § 535 S. 2 BGB.

Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass der Vermieter verpflichtet ist, den Zugang zum Mietobjekt zu gewährleisten (Schmidt-Futterer, MietR, 10. Aufl., § 535 Rn. 26). Diese Pflicht erstreckt sich auch darauf, dem Mieter die Zufahrt über einen Zuweg zum Wohnhaus zum Zwecke des Be- und Entladens zu ermöglichen, soweit der Zuweg zum Befahren mit Kraftfahrzeugen bestimmt und geeignet ist (LG Lübeck, NJW-RR 1990, 1353, AG Hamburg, WM 1996, 534). Dies trifft auf den streitgegenständlichen Privatweg zu, wie die Fotos, Anlage B 2, Bl 35 -37, zeigen. Eine Pflicht zur Zufahrtsgewährung scheitert im vorliegenden Fall aber daran, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Privatweg um eine Feuerwehrzufahrt handelt. Denn die Pflicht des Vermieters zur Zugangsgewährung besteht nur im Rahmen der geltenden Gesetze. Gemäß § 5 Abs. 5 HBauO sind „Zu- und Durchfahrten, Aufstellflächen und Bewegungsflächen für die Feuerwehrfahrzeuge als solche zu kennzeichnen und ständig freizuhalten“. Aufgrund dieser Vorschrift trifft den Beklagten als Miteigentümer der Privatstraße die Pflicht zur Freihaltung derselben. Im Falle eines Verstoßes gegen diese Vorschrift durch einen Mieter und eine dadurch bedingt verspätete Durchfahrt eines Rettungsfahrzeugs mit negativen Folgen für den Rettungsbedürftigen hätte der Beklagte gemäß § 823 Abs. 2 iVm § 5 HBauO für den entstandenen Schaden einzustehen. Das Gericht geht davon aus, dass der Privatweg durch behördliche Anordnung zur Feuerwehrzufahrt bestimmt wurde. Soweit die Beklagte dies im Rahmen ihrer dem Schriftsatz vom 11.12.2012 beigefügten Stellungnahme bestreitet, handelt es sich um ein verspätetes Angriffsmittel gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Denn ein Bestreiten wäre ohne weiteres im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens möglich gewesen. Als Indizien für eine entsprechende behördliche Widmung sprechen zudem aber auch das Anbringen des Feuerwehrzufahrt-Schildes sowie das von der Klägerin als Anlage K 3 vorgelegte Schreiben vom 26.04.2010, in welchem von einer behördlichen Anordnung als Feuerwehrzufahrt die Rede ist.

Dass der Beklagte möglicherweise das Parken von Handwerksfahrzeugen oder das Abstellen von Bauschuttcontainern erlaubt, steht der Widmung als Feuerwehrzufahrt und einer entsprechenden Freihalteverpflichtung des Beklagten nicht entgegen, sondern erfolgt auf eigenes Risiko.

Der Vortrag der Klägerin, die Feuerwehr selbst habe gegen ein Parken auf dem Privatweg keine Einwände, ist unsubstantiiert. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, aus welchen Gründen ein Abstellen von Fahrzeugen auf dem Privatweg für die Nutzung desselben als Feuerwehrzufahrt unproblematisch sein soll. Es fehlt an Vortrag dazu, wie die Zufahrt von Feuerwehrfahrzeugen in einem solchen Fall möglich sein soll. Eine Zufahrt von der anderen Seite, der H. Straße, scheidet aufgrund des dort befindlichen niedrigen Torbogens (Anlage B 2, Foto 5) jedenfalls unstreitig aus.

Aufgrund dessen besteht im vorliegenden Fall keine mietvertragliche Pflicht des Beklagten zur Zufahrtsgewährung.

B)

Ein entsprechender Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus Gewohnheitsrecht oder dem aus § 242 BGB folgenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, dass ihr bis zum Anbringen des neuen Schlosses im Jahr 2010 eine uneingeschränkte Nutzung der Zufahrt gestattet war. Diesbezüglich müsste sie darlegen und beweisen, dass ihr Schlüssel zum Öffnen der Schranke bzw. des Kipppfosten von Seiten der Hausverwaltung überlassen worden sind. Dies wäre erforderlich, um einen vom Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestand zu begründen. Dass den Mietern ein Befahren rein faktisch möglich war -möglicherweise durch Öffnen der Schranke mit nachgemachten Schlüsseln -dürfte zur Begründung eines Vertrauenstatbestandes nicht ausreichen. Das Schreiben des Beklagten vom 10.08.1999 an seinen damaligen Bevollmächtigten (Anlage B 6, Bl. 87 dA) deutet darauf hin, dass sich die Mieter von dem Schlüssel des Hausmeisters unberechtigterweise Kopien erstellt haben.

Selbst wenn der Klägerin Schlüssel überlassen worden wären, erscheint die Begründung eines Vertrauenstatbestands zweifelhaft. Denn aus dem von der Klägerin selbst vorgelegten Rundschreiben des Beklagten vom 13.07.1999 (Anlage K 9, Bl. 76 dA) folgt, dass es eine -wie auch immer geartete – Zufahrtmöglichkeit für die Mieter zwar einmal gegeben hat, aber ausdrücklich klargestellt wird, „daß grundsätzlich kein Anspruch hierauf besteht, auch nicht für eine Be- und Entladung“.

Einen Anspruch auf Gewährung uneingeschränkter Zufahrt besteht daher nicht. Eingeschränkte Zufahrtsmöglichkeiten sind für die Mieter dagegen gegeben. Es besteht die Möglichkeit, einen Ausnahmeantrag (Vordruck gemäß Anlage B 3, Bl. 38 d.A.) zu stellen und für den Fall einer „größeren Anlieferung/Abtransports/Umzugs“ die Feuerwehrzufahrt zu nutzen.

C)

Ein Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete scheidet mangels Minderungsrechts aus.

D)

Dem Beklagten steht dagegen mangels Minderungsrechts der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der vollständigen Miete aus § 535 S. 2 BGB zu. Aufgrund dessen ist die Klägerin zur Zahlung der für die Monate November 2010 bis April 2011 zu Unrecht einbehaltenen Miete verpflichtet.

E)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10.

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