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Zugang Betriebskostenabrechnung bei Briefkasteneinwurf am Silvesternachmittag

AG Lüdenscheid – Az.: 93 C 21/11 – Urteil vom 23.09.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger war Vermieter einer den Beklagten überlassenen Wohnung gemäß schriftlichem Vertrag vom 01.04.2002. Das Mietverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Beklagten zum 31.03.2010. Am 31.12.2010 warf der Kläger seine Abrechnung vom 30.12.2010 betreffend die Betriebskosten für den Zeitraum 01.01. bis 31.12.2009 in den Briefkasten der Beklagten.

Diese verließen am Silvestertag gegen 16:00 Uhr das Haus und sahen zu diesem Zeitpunkt noch einmal in den Briefkasten, wo jedoch noch kein Schreiben lag. Die Abrechnung fanden sie dort vielmehr erst nach ihrer Rückkehr gegen 3:00 Uhr am 01.01.2011 vor.

Der Kläger behauptet, die Abrechnung gegen 17:00 Uhr eingeworfen zu haben und ist der Ansicht, damit sei sie den Beklagten an diesem Tag zugegangen und folglich rechtzeitig im Sinne des Gesetzes.

Er beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner 929,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszins seit 11.02.2011 an ihn zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Abrechnung habe auch gegen 18:00 Uhr noch nicht in ihrem Briefkasten gelegen, weil zu diesem Zeitpunkt ihr Sohn nachgesehen und nichts vorgefunden hätte. Ihrer Meinung nach ist die Abrechnung verspätet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten aufgrund des Mietvertrages in Verbindung mit der Abrechnung vom 30.12.2010 kein Anspruch auf die damit ermittelte Nachzahlung von 929,03 EUR zu. Denn die Abrechnung ist den Beklagten nicht rechtzeitig am 31.12.2010, sondern erst am 01.01.2011 und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist zugegangen. Erst zu diesem Zeitpunkt war den Beklagten die Kenntnisnahme möglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten.

Zugang Betriebskostenabrechnung bei Briefkasteneinwurf am Silvesternachmittag
Symbolfoto: Von Rawpixel.com/Shutterstock.com

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Abrechnung als solche ordnungsgemäß ist und einen fälligen Nachforderungsanspruch begründen kann. Jedenfalls ist hier gem. § 556 Abs. 3 S. 3 i. V. m. S. 2 BGB die Geltendmachung der Nachforderung durch den Kläger ausgeschlossen. Nach der letztgenannten Norm ist die Abrechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Da hier der Abrechnungszeitraum am 31.12.2009 endete, war Fristablauf 31.12.2010 (ein Freitag), § 188 Abs. 2 BGB.

Innerhalb dieser Frist muss dem Mieter die Abrechnung zugegangen sein. Die rechtzeitige Absendung der Abrechnung genügt zur Fristwahrung nicht (BGH NJW 2009, 2197, 2198 mit weiteren Nachweisen).

Zugegangen ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (BGH NJW 1998, 976, 977). Dabei kommt es darauf an, ob im Zeitpunkt des Einwurfes des Briefes in den Briefkasten nach der Verkehrsanschauung ohne Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Empfängers noch mit einer Leerung am selben Tag zu rechnen ist (BGH NJW 2008, 843; siehe auch BAG, 2 AZR 337/82, Urteil vom 08.12.1983 und OLG Hamm NJW-RR 1995, 1188).

Diese Grundsätze gelten auch für die Abrechnung gem. § 556 BGB (LG Waldshut-Tiengen, 1 S 19/09, Urteil vom 09.07.2009; Ellenberger in: Palandt, 70. Auflage, § 130 BGB Randnummer 3), obwohl diese keine Willenserklärung, sondern lediglich eine Wissenserklärung ist (BGH, VIII ZR 263/09, Urteil vom 28.04.2010).

Entscheidend ist also nicht die tatsächliche Kenntnisnahme der Willenserklärung durch den Empfänger, sondern der gewöhnliche – nicht zufällige – Zeitpunkt der Möglichkeit der Kenntnisnahme (BGH, XII ZR 214/00, Urteil vom 21.01.2004; Reichold in: jurisPK § 130 BGB Randnummer 12). Üblicherweise ist nicht mehr mit der Zustellung von Post gegen 17:00 Uhr – dem vom Kläger behaupteten Einwurfzeitpunkt – zu rechnen (vergleiche BAG a. a. O.; OLG Hamm NJW-RR 1995, 1188; LG Waldshut-Tiengen a. a. O.; Palm in: Erman, 11. Auflage, § 130 BGB Randnummer 8 mit weiteren Nachweisen). Die Zustellung erfolgte damit schon unter Zugrundelegung des Vortrages des Klägers erst am 01.01.2011.

Entgegen der Ansicht des Klägers hatten die Beklagten auch nicht wegen der besonderen Verhältnisse im vorliegenden Fall Veranlassung, gerade am 31.12.2010 bis in den – späten – Nachmittag hinein mit einer Mitteilung durch ihn zu rechnen. Daran ändert auch die Praxis der vergangenen Jahre nicht, in denen der Kläger ebenfalls am 31.12. abgerechnet hatte, wobei er allerdings nicht die Uhrzeit genannt hat.

Zum einen ändert der Umstand, dass – einige – Hausverwaltungen Schreiben üblicherweise unmittelbar in Briefkästen einwerfen mögen, nichts daran, dass diese Art der Übermittlung eher ungewöhnlich und damit nach der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise unerheblich ist (vgl. LG Waldshut-Tiengen a. a. O.). Zum anderen mussten die Beklagten gerade weil ihnen der Kläger in den vergangenen Jahren die Abrechnungen persönlich übergeben hatte und dies in dem streitgegenständlichen Fall eben nicht geschehen war, nicht mehr mit einem Einwurf der Abrechnung in den Briefkasten zum genannten Zeitpunkt rechnen. Insbesondere geht keine Verkehrsanschauung dahin, dass an Tagen, an denen letztmalig die Abrechnung abgegeben werden kann, auch nach der Zeit der normalen Postzustellung der Briefkasten auf Eingänge überprüft werden muss. Vielmehr obliegt es demjenigen, der die Fristen so weitgehend ausschöpfen will, für die rechtzeitige Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger und den damit eintretenden Zugang zu sorgen (vergleiche OLG Hamm a. a. O. für die Kündigung).

Das gilt umso mehr an einem besonderen Tag wie Silvester. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen gesetzlichen Feiertag im Sinne des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage von Nordrhein-Westfalen. Gleichwohl bestehen an diesem Vorfeiertag Besonderheiten, wie sie etwa im Hinblick auf die weitgehend eingeschränkten oder vergütungsrechtlich besonders geregelten Arbeits- und Geschäftszeiten in zahlreichen tarifvertraglichen Bestimmungen zum Ausdruck kommen (vgl. etwa BAG, 3 AZR 676/94, Urteil vom 07.11.1995, für das Bankwesen; BAG, 6 AZR 641/04, Urteil vom 22.09.2005 für die Deutsche Bahn). Zum Teil wird daher Silvester – wie Heiligabend (für den indessen gem. § 4 Abs. 1 S. 2 LÖG NRW eine spezielle gesetzliche Regelung vorhanden ist) – als Tag angesehen, an dem „nicht gearbeitet wird“ (vergleiche Dittert jurisPR-MietR 11/2008 Anmerkung 1), zumindest nachmittags nicht (vgl. Börstinghaus in: MietPrax-AK § 130 BGB Anm. 1). Jedenfalls ist aber davon auszugehen, dass sich die Bevölkerung an diesem Tag frühzeitig auf die dann üblichen Feierlichkeiten vorbereitet (vergleiche BAG, 6 AZR 641/04, Urteil vom 22.09.2005). Die Besonderheiten dieses Werktages im Vergleich zu den anderen Werktagen kommt etwa auch darin zum Ausdruck, dass tarifvertragliche Feiertagszuschläge für den 31.12. ab 14:00 Uhr steuerfrei belassen werden können (vergleiche VV DEU BMF 1985-05-06 IV B 6-S 2343 – 8/85 vom 06.05.1985, Bundessteuerblatt I 1985, 215).

Es kann dahinstehen, ob üblicherweise damit gerechnet werden mag, dass ein Arbeitnehmer oder sonst Berufstätiger ab 16:00 Uhr an gewöhnlichen Werktagen nach Hause kommt und diese Rückkehr zum Anlass nehmen mag, in den Briefkasten zu schauen, und ob es den gewöhnlichen Verhältnissen entspricht, auf die Berufstätigen mit dieser Arbeitszeit abzustellen; jedenfalls besteht dazu an Silvester zu dem vom Kläger behaupteten Einwurfzeitpunkt keine Veranlassung mehr. Auf die Frage, ob dieser Zeitpunkt zutrifft oder – entsprechend der Behauptung der Beklagten – das Schreiben um 18:00 Uhr noch nicht eingeworfen war, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass in Halver zu Silvester Post – von allen in Betracht kommenden Dienstleistern – noch bis ca. 17.00 Uhr ausgetragen wird, so dass nach der Verkehrsübung dann noch mit Posteinwurf gerechnet werden musste.

Der Kläger ist in dieser Hinsicht auch nicht schutzbedürftig. Denn er hatte zuvor Wochen Zeit, den Beklagten die Abrechnung zukommen zu lassen. Wenn es insoweit zu Verzögerungen in seiner Sphäre gekommen ist, kann das nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob die Erklärung mit dem Anschreiben Familie P. Reinhard beziehungsweise der Adresse in der Heizkostenabrechnung „Reinhard, Peter“ überhaupt an die Beklagte zu 1. gerichtet gewesen ist und ihr damit hat zugehen können (vergleiche zur Problematik: Langenberg in: Schmidt-Futterer, 11. Auflage, § 556 BGB Randnummer 422).

Die prozessualen Nebenendscheidungen beruhen auf § 91, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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