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Zulässigkeit Eigenbedarfskündigung wegen pflegebedürftiger Eltern

AG Recklinghausen, Az.: 12 C 299/15, Urteil vom 03.02.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

Zulässigkeit Eigenbedarfskündigung wegen pflegebedürftiger Eltern Die Klägerin begehrt die Räumung einer an die Beklagten vermieteten Wohnung. Die Beklagten mieteten mit Mietvertrag vom 17.07.2012 von der Klägerin eine Wohnung, die unter der Anschrift M-Str. in 45659 Recklinghausen im Dachgeschoss gelegen ist. Die Erdgeschosswohnung in der streitgegenständlichen Immobilie ist an die Eltern der Klägerin vermietet, der Vater der Klägerin ist 92 Jahre, die Mutter 78 Jahre alt. Die Mutter der Klägerin kocht und versorgt den Vater der Klägerin nach Kräften. Ein Pflegedienst oder Essen auf Rädern ist indes nicht beauftragt. Der Vater der Klägerin fuhr noch im Jahr 2015 Pkw, im Sommer 2015 traf die Beklagte zu 1) die Eltern der Klägerin beim Einkaufen. Mit Schreiben vom 27.05.2015 (Bl. 5 der Gerichtsakte) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zum 31.08.2015. In der Kündigung heißt es, dass die Wohnung aufgrund des hohen Alters der Eltern der Klägerin zum Zwecke der Gewährleistung der Betreuung benötigt wird. Mit Schreiben vom 31.08.2015 widersprachen die Beklagten der Kündigung. In der Zeit vom 20.11.2015 bis zum 26.11.2015 befand sich die Mutter der Klägerin in stationärer Krankenhausbehandlung. Während dieser Zeit hielt sich die Klägerin durchgehend bei ihrem Vater auf und betreute diesen.

Die Klägerin behauptet, sie beabsichtige, gemeinsam mit ihrem Sohn in die von den Beklagten bewohnte Wohnung einzuziehen, um sich um ihre Eltern zu kümmern. Sie fahre auch jetzt schon fast jeden Tag zu ihren Eltern, um mit ihnen gängige Termine wie z.B. Arztbesuche, Friseurbesuche, Einkauf oder Friedhofsbesuche wahrzunehmen. Seit zweieinhalb Jahren habe sie unbezahlten Urlaub und seitdem ohnehin jeden Montag und Donnerstag ihre Eltern besucht oder sie zu sich geholt, um mit ihnen Ausflüge zu machen.

Ihr Vater könne nicht mehr alleine gelassen werden, da sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe. Auf die Arztberichte des Herrn N. vom 28.11.2013 (Bl. 51 f. der Gerichtsakte) und 04.01.2016 (Bl. 5 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die von ihnen im Dachgeschoss des Hauses M-Str. in 45659 Recklinghausen innegehaltene Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Korridor, einem Bad und einem Bodenraum zu räumen und geräumt an sie herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich und behaupten dazu, dass in dem streitgegenständlichen Haus eine weitere Wohnung leer stehe, welche als Alternativwohnung in Betracht komme.

Die Klägerin bestreitet die Möglichkeit, Räumlichkeiten im Souterrain als Wohnung nutzen zu können. Es handele sich vielmehr um zwei ehemals von ihrem Großvater als Büro genutzte Räume, die keine volle Geschosshöhe aufweisen. Vorgelagert vor den Büroräumen gebe es eine Toilette, ein komplett eingerichtetes Badezimmer existiere indes ebenso wenig wie eine Küche.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.12.2015 (Blatt 54 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Räumung der streitgegenständlichen Wohnung gegen die Beklagten aus § 546 BGB, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht durch eine Kündigung der Klägerin vom 27.05.2015 erloschen ist.

Die Klägerin hat keine hinreichenden Umstände dargelegt, aus welchen sich ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergibt. Sie hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, die Wohnung für sich oder ihren Sohn zu benötigen. Im Rahmen einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist ein konkreter Sachverhalt anzugeben, auf den das Interesse der Person zur Erlangung der Wohnung gestützt wird und das den Mieter erkennen lässt, ob vernünftige und nachvollziehbare Gründe vorliegen (Hannappel in BeckOK, BGB, § 573 Rn. 129). Solche Gründe hat die Klägerin – auch auf den gerichtlichen Hinweis vom 16.12.2015 hin – nicht vorgetragen.

Die Klägerin hat insbesondere nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, die Wohnung für sich oder ihren Sohn zu benötigen. Soweit sie behauptet, ihr Vater sei auf Hilfe anderer angewiesen, so ergibt sich daraus nicht ohne weiteres die Notwendigkeit des Einzugs der Klägerin in die streitgegenständliche Wohnung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2015 erklärt hat, dass ihre Mutter jeden Tag koche und ihren Vater nach Kräften versorge. Weiter spricht die Tatsache, dass weder Pflegedienst noch Essen auf Rädern als Unterstützung der Mutter installiert ist gegen die Annahme, dass die Klägerin die Wohnung zur Unterstützung ihrer Eltern benötigt. Auch aus den in Bezug genommenen Arztberichten ergibt sich die pauschal behauptete Erforderlichkeit der Betreuung ihrer Eltern durch die Klägerin nicht. Die Klägerin hat weder Umstände vorgetragen, welche aktuell zu begründen vermögen, dass über die Unterstützung durch ihre Mutter hinaus ihre Anwesenheit im Haus geboten ist noch dargestellt, welcher Art die beabsichtigte Unterstützung sein soll. Sofern sie erklärt hat, Arztbesuche und Friseurtermine sowie Einkäufe mit ihren Eltern gemeinsam wahrzunehmen oder mit diesen Ausflüge zu machen, so reicht dies nicht aus. Das gilt umso mehr, als die Klägerin im selben Postleitzahlengebiet wohnt wie ihre Eltern.

Darüber hinaus fehlt es an der Darlegung eines zeitlich engen Zusammenhangs der Absicht zur Selbstnutzung mit der Kündigung. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die Betreuungsgewährleistung insbesondere für den Fall erforderlich sei, dass ihre Mutter noch einmal ausfalle und ein Krankenhausaufenthalt erforderlich werde. Dass dies unmittelbar bevorstehend oder absehbar sei, behauptet sie indes nicht. Auch aus dem eingereichten Arztbericht ergibt sich lediglich, dass langfristig die häusliche Umgebung an die Erkrankungen der Eltern der Klägerin angepasst werden müsse. Die Absicht zur Selbstnutzung oder Überlassung muss jedoch in einem zeitlich engen Zusammenhang mit der Kündigung stehen (Blank in Schmidt-Futterer § 573 Rn. 65), ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen weiteren Nutzung reicht nicht aus. Vielmehr muss sich der Nutzungswunsch soweit verdichtet haben, dass ein konkretes Interesse einer alsbaldigen Eigennutzung besteht (BGH, Urteil vom 23.9. 2015, VIII ZR 297/14). Sogenannte „Vorratskündigungen“ sind indes unzulässig (Blank a.a.O.).

Zudem ergibt sich auch aus dem Vorbringen der Klägerin selbst, dass der behauptete Grund für diesen Eigenbedarf bereits zum Zeitpunkt der Vermietung vorgelegen hat bzw. vorhersehbar war. Zwar steht dies der Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht grundsätzlich entgegen, jedoch muss ein Vermieter bei der Anmietung den Mieter über diese Umstände aufklären (Weidenkaff in Palandt, § 573 Rn. 30). Dies ist unstreitig nicht erfolgt. Dem Vortrag der Beklagten, dass seit dem Einzug der Beklagten keine Veränderungen des Gesundheitszustandes der Eltern der Klägerin eingetreten seien, ist die Klägerin nicht entgegengetreten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 3.831,48 EUR festgesetzt.

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