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Zulässigkeit einer Saldoklage auf rückständige Miete – Verrechnung von Teilzahlungen

LG Kempten – Az.: 52 S 1311/17 – Urteil vom 06.12.2017

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 05.07.2017 (Az: 1 C 338/16) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 07.12.2016 (Az: 1 C 338/16) wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 120,06 € nebst Zinsen hieraus ab 01.04.2016 zu bezahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Davon ausgenommen sind die Mehrkosten der Säumnis, welche der Beklagte zu tragen hat.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die vollstreckende Partei vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen, soweit die Klage als unzulässig abgewiesen worden ist.

Gründe

Die Klägerin macht als Vermieterin Ansprüche auf Bezahlung von rückständiger Miete, Betriebskostennachforderungen für zwei Abrechnungsjahre sowie Nebenforderungen gegenüber dem Beklagten geltend.

Der Beklagte ist seit 01.12.2000 Mieter der von ihm bewohnten Wohnung im 1. OG. (Mitte) des Anwesens Mstraße … in … Kempten (Allgäu) mit einer Größe von 37,92 qm. Für den Inhalt des Mietvertrages wird Bezug genommen auf die Anlage K3.

Mit Schreiben vom 19.11.2014 rechnete die Klägerin die Betriebskosten für den Abrechnungszeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2013 ab. Für den Inhalt der Abrechnung wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Der Rechnungsendbetrag von 44,10 € wurde vom Beklagten bislang nicht bezahlt.

Mit Schreiben vom 13.10.2015 rechnete die Klägerin die Betriebskosten für den Abrechnungszeitraum 01.01.2014 bis 31.12.2014 ab. Für den Inhalt der Abrechnung wird auf die Anlage K2 Bezug genommen. Der Rechnungsendbetrag von 75,96 € wurde vom Beklagten bislang nicht bezahlt.

Der Zugang der Betriebskostenabrechnungen an den Beklagten innerhalb der jeweiligen Abrechnungsfrist steht nicht in Streit.

Die Klägerin behauptet, dass die Gesamtmiete im Zeitraum 12/2012 bis 11/2015 254,53 € betragen habe, und seit 12/2015 263,53 €. Die Betriebskostennachforderungen bezögen sich auch auf das streitgegenständliche Mietverhältnis.

Die Klägerin behauptet zudem, dass aus dem Zeitraum vom 01.12.2012 bis 01.01.2016 zudem Mietrückstände in Höhe von 1.332,18 € bestehen. Für die Darstellung des Mietrückstandes wird auf die Aufstellung auf Seite 1 f. der Anspruchsbegründung vom 11.03.2016 (= 10 f. d.A.) Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 30.05.2016 erläuterte die Klägerin diese Aufstellung. Die Betriebskostenabrechnung für 2012 ist als Anlage K4 vorgelegt worden.

Mit Schreiben vom 11.03.2013 und 20.03.2013 habe die Klägerin die ausstehenden Mietdifferenzen vom Beklagten angemahnt. Hierbei seien Mahnkosten in Höhe von 2 x 2,50 € angefallen.

Zudem macht die Klägerin vorgerichtliche Mahnkosten durch die … in Höhe von 155,30 € geltend, zu deren Begründung auf die Ausführungen auf Seite 3 f. der Anspruchsbegründung vom 11.03.2016 Bezug genommen wird. Das dazugehörige Aufforderungsschreiben der … vom 09.04.2013 ist als Anlage K5 (= Bl. 40 f. d.A.) vorgelegt worden.

Die Klägerin hat ihre Forderungen in Höhe von insgesamt 1.612,54 € zunächst im Mahnverfahren geltend gemacht, für dessen Ablauf auf Bl. 1 ff. d.A. Bezug genommen wird. Nach Abgabe der Sache an das Amtsgericht Kempten (Allgäu) hat die Klägerin in erster Instanz beantragt zunächst beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.457,24 € nebst weiteren vorgerichtlichen Mahnkosten in Höhe von 155,30 €, also insgesamt 1.612,54 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu bezahlen.

Mit Versäumnisurteil gegen den Beklagten vom 07.12.2016 (Bl. 73/76 d.A.) hat das Amtsgericht Kempten (Allgäu) der Klage stattgegeben. Gegen das am 13.12.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 15.12.2016 Einspruch eingelegt. Dieser Schriftsatz ist am selben Tag beim Amtsgericht Kempten (Allgäu) eingegangen:

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 07.12.2016 wird aufrechterhalten.

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt:

Das Versäumnisurteil vom 07.12.2016 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Mietrückstände in einer unzulässigen Saldoklage geltend gemacht worden seien.

Hinsichtlich der Miete Dezember 2012 erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.

Für den weiteren Parteivortrag in erster 1. Instanz wird im Übrigen Bezug genommen auf die bis zum Verhandlungstermin am 07.12.2016 eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Das Amtsgericht Kempten (Allgäu) hat im Verhandlungstermin am 05.07.2017 einen Hinweis erteilt, das die Klage als Saldoklage unzulässig sei, insbesondere da in der Aufstellung keine Differenzierung zwischen Nettomiete und Betriebskostenvorauszahlungen erfolgt sei. Dies sei schädlich, wenn die Mietrückstände auch für Zeiträume geltend gemacht werden, bei denen bereits Abrechnungsreife eingetreten sei. Eine Beweisaufnahme hat in erster Instanz nicht stattgefunden.

Noch im Verhandlungstermin am 05.07.2017 hat das Amtsgericht Kempten (Allgäu) folgendes Endurteil verkündet:

1. Das Versäumnisurteil vom 07.12.2016 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das vollständig begründete Endurteil, für dessen Inhalt auf Bl. 91/95 d.A. Bezug genommen wird, ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.07.2017 zugestellt worden.

Gegen dieses Endurteil vom 05.07.2017 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 21.08.2017, der per Telefax am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Auf Antrag des Klägervertreters vom 19.09.2017 hat der Vorsitzende der Berufungskammer die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 19.10.2017 verlängert. Die Berufung ist mit Schriftsatz vom 06.10.2017, der am selben Tag per Telefax bei Gericht eingegangen ist, begründet worden.

Die Klägerin wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, wonach eine unzulässige Saldoklage vorliege. Die Darstellung des geltend gemachten Mietrückstandes sei ausreichend.

Erstmals in der zweiten Instanz hat die Klägerin folgende weitere Ausführungen gemacht, die wörtlich aus der Berufungsbegründung vom 06.10.2017 zitiert werden:

„Aus der tabellarischen Aufstellung lässt sich ohnehin ohne weiteres entnehmen, dass die Klägerin die im Monat eingegangene Zahlung mit dem laufenden Monat verrechnet hat. Die Klägerin hat dann auch die sich ergebende Differenz angegeben. Wurde zu wenig gezahlt, ist aus der Tabelle genau ersichtlich, welche Mietunterzahlung für den jeweiligen Monat geltend gemacht wird. Wurde mehr gezahlt als monatlich geschuldet, hat die Klägerin nach § 366 Abs. 2 BGB mit den ältesten noch ausstehenden Forderungen aus dem eingeklagten Zeitraum verrechnet und aufgerechnet. Insoweit wiederholen wir vorsorglich die Aufrechnung.“

Die Klägerin beantragt daher in zweiter Instanz auf entsprechenden Hinweis der Kammer im Verhandlungstermin zuletzt:

Das am 05.07.2017 verkündete Endurteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) wird dahingehend abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 07.12.2016 aufrechterhalten wird.

Hilfsweise hat die Klägerin Zurückverweisung beantragt.

Zudem hat die Klägerin Zulassung der Revision beantragt.

Der Beklagte hat beantragt:

Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Beklagte verteidigt in der Berufungserwiderung vom 07.11.2017 im Wesentlichen die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, wonach eine unzulässige Saldoklage vorliege.

Für den weiteren Parteivortrag in zweiter Instanz wird Bezug genommen auf die bis zur Berufungsverhandlung am 06.12.2017 gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg.

1.

Die Berufung der Klägerin ist begründet, soweit das Amtsgericht die Klage auf Zahlung von Betriebskostennachforderungen in Höhe von 44,10 € bzw. 75,96 € als unzulässig abgewiesen hat.

Insoweit beruht das angefochtene Ersturteil auf einem Rechtsfehler, da diese Forderungspositionen nicht in der beanstandeten Aufstellung enthalten waren, sondern in der Anspruchsbegründung gesondert aufgelistet wurden. An der Zulässigkeit der Klage bestehen insoweit keine Bedenken.

Die Klage ist insoweit auch begründet. Die Betriebskostenabrechnungen sind formell und materiell nicht zu beanstanden. Eine Zuordnung zur streitgegenständlichen Wohnung ist über qm-Angabe möglich. Substantielle Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Nachforderungen sind vom Beklagten nicht erhoben worden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 187 I BGB analog.

Daher war insoweit das Versäumnisurteil vom 07.12.2016 aufrechtzuerhalten.

2.

Hinsichtlich der geltend gemachten Mahnkosten in Höhe von (2 x 2,50 € =) 5,00 € beruht das angefochtene Urteil nicht auf einem Rechtsfehler.

Zwar war auch insoweit die Klage zulässig, da diese Forderungspositionen nicht in der beanstandeten Aufstellung enthalten waren, sondern in der Anspruchsbegründung gesondert aufgelistet wurden. Die Klage war insoweit aber unbegründet.

Die beiden Mahnschreiben, für deren Fertigung und Versand die Kosten geltend gemacht werden, wurden von der Klägerin nicht vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, welche Forderungen den jeweiligen Mahnschreiben zugrunde lagen. Die Kammer hat in der Berufungsverhandlung am 06.12.2017 den Sachvortrag der Klägerin (auch) zu den Mahnkosten nach Grund und Höhe beanstandet. Eine Schriftsatzfrist ist von Klägerseite nicht beantragt worden.

3.

Hinsichtlich der geltend gemachten Mahnkosten der … Höhe von 155,30 € beruht das angefochtene Urteil ebenfalls nicht auf einem Rechtsfehler.

Zwar war auch insoweit die Klage zulässig, da diese Forderungspositionen nicht in der beanstandeten Aufstellung enthalten waren, sondern in der Anspruchsbegründung gesondert aufgelistet wurden. Die Klage war insoweit aber trotzdem unbegründet.

Zwar ist – im Unterschied zu oben – das Aufforderungsschreiben als Anlage K5 vorgelegt worden. Dennoch sind die geltend gemachten Kosten gemäß § 249 BGB nicht ersatzfähig, selbst wenn man davon ausginge, dass sich der Beklagte mit dem geltend gemachten Betrag in Zahlungsverzug (§ 286 BGB) befunden haben sollte.

Für die Kammer ist nicht ersichtlich, weshalb für die Versendung der Zahlungsaufforderung überhaupt die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich (§ 249 BGB) war. Abgesehen davon hat der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 21.11.2016 unwidersprochen vorgetragen, dass das Rechtsanwaltsbüro in die Inkassoabteilung der Klägerin integriert ist, dort die Schreiben formulartechnisch mit Anwaltssignatur gefertigt und von der Klägerin ohne Kenntnis des Anwaltsbüros in Auslauf gebracht worden seien.

4.

Soweit das Amtsgericht hinsichtlich der Mietrückstände in Höhe von 1.332,18 € die Klage als unzulässig abgewiesen hat, folgt die Kammer der Rechtsauffassung des Amtsgerichts, wonach insoweit eine unzulässige Saldoklage vorliegt, die den Anforderungen des § 253 II BGB nicht in hinreichender Weise entspricht.

Zwar verkennt die Kammer nicht, dass die Klägerin – im Unterschied zu früheren Fällen – einzelne Forderungspositionen (hier: Betriebskostennachforderungen, Mahnkosten, vorgerichtliche Anwaltskosten) aus der Forderungsaufstellung herausgenommen und in der Anspruchsbegründung gesondert dargestellt hat. Es stellt sich bei der streitgegenständlichen Forderungsaufstellung weiterhin das Problem, dass nicht zwischen Nettomiete und Betriebskostenvorauszahlungen differenziert worden ist, obwohl die Forderungsaufstellung zumindest teilweise Zeiträume betrifft, für welche bereits bei Einleitung des Mahnverfahrens längst Abrechnungsreife eingetreten ist.

Die Kammer schließt sich der bei Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 8. Auflage 2016, J Rn. 88 auf Seite 499 f nachfolgend dargestellten Rechtsauffassung an:

Es ist danach zu unterscheiden zwischen Nettomiete und Betriebskostenvorauszahlungen. Auch hierbei handelt es sich nicht um gleichartige Forderungen, was sich schon daraus ergibt, dass die Voraussetzungen im Rahmen des § 366 II BGB anders zu behandeln sind. Als Forderung mit geringerer Sicherheit, unter welche auch Ansprüche fallen, bzgl. derer eine Ausschlussfrist droht, sind unbestimmte Mietzahlungen vorrangig auf sie zu verrechnen. Denn der Klage können (wie hier) Abrechnungszeiträume unterfallen, bzgl. derer die Abrechnungsfrist bereits abgelaufen ist, bzw. über die abgerechnet wurde. Macht der Vermieter die Bruttomiete (und damit auch fehlende Vorauszahlungen) geltend, muss er darlegen, ob und wie er diese in der Abrechnung berücksichtigt hat, andernfalls ist die Klage nicht zulässig. Denn das Gericht muss in Kenntnis über den Anspruchsgrund sein (§ 253 II ZPO). Dafür muss es wissen, ob der Vermieter den Klageantrag auf die vertraglich geschuldete Vorauszahlung oder den Nachzahlungssaldo stützt.

Daran fehlt es hier, zumal die in den Betriebskostenabrechnungen (K1, K2) in Abzug gebrachten Vorauszahlungen bereits betragsmäßig nicht im Einklang zu bringen sind mit den Bruttomietbeträgen (einschließlich Vorauszahlungen), die in der klägerischen Aufstellung in der Anspruchsbegründung dargestellt sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 I 1, 92 II Nr. 1 ZPO, § 344 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

IV.

Die Revision wird auf Antrag der Klagepartei gemäß § 543 II 1 Nr. 2 ZPO zugelassen, soweit die Zahlungsklage als unzulässige Saldoklage abgewiesen worden ist (Ziffer II.4. der Entscheidungsgründe).

 

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