LG Berlin – Az.: 67 T 79/23 – Beschluss vom 19.10.2023
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 29. August 2023 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
✔ Das Wichtigste in Kürze
Der Beschluss des Landgerichts Berlin hebt den Beschluss des Amtsgerichts Mitte auf und verweist den Fall zur weiteren Behandlung zurück, mit Fokus auf die Notwendigkeit, die Anstrengungen der Beklagten bei der Wohnungssuche angemessen zu bewerten, insbesondere in einem angespannten Wohnungsmarkt wie Berlin.
- Der Landgerichtsbeschluss vom 19. Oktober 2023 (Az.: 67 T 79/23) hebt einen früheren Beschluss des Amtsgerichts Mitte vom 29. August 2023 aufgrund der sofortigen Beschwerde der Beklagten auf.
- Die sofortige Beschwerde der Beklagten war erfolgreich, da das Amtsgericht den Anspruch auf Verlängerung der Räumungsfrist verfahrensfehlerhaft verneint hat.
- Ein Anspruch auf Verlängerung der Räumungsfrist kann bestehen, wenn die Wohnungssuche trotz angemessener Bemühungen des Mieters erfolglos bleibt.
- Die Beklagten haben behauptet, ihre Bemühungen, Ersatzwohnraum zu finden, seien erfolglos geblieben, was das Amtsgericht unzureichend berücksichtigt hatte.
- Das Amtsgericht hatte zuvor die Verlängerung der Räumungsfrist abgelehnt, weil es die Bemühungen der Beklagten als unzureichend ansah.
- Die weitere Entscheidung des Amtsgerichts wird die Gesamtsituation der Beklagten und die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche in Berlin berücksichtigen müssen.
- Die Entscheidung des Landgerichts hebt die Bedeutung der angemessenen und intensiven Suche nach Ersatzwohnraum in einem schwierigen Markt wie Berlin hervor.
Gründe:
Die gemäß §§ 721 Abs. 6 Nr. 2, 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg.
Die Kammer hat von der Möglichkeit der Aufhebung und Zurückweisung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht, da das Amtsgericht den von den Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Verlängerung der im Urteil gewährten Räumungsfrist verfahrensfehlerhaft verneint hat.
Ein Anspruch auf Verlängerung einer gerichtlich gewährten Räumungsfrist kann gemäß § 721 Abs. 3 ZPO insbesondere dann bestehen, wenn die Suche nach Ersatzwohnraum während der gewährten Räumungsfrist – trotz hinreichender Bemühungen des Mieters – erfolgslos war (vgl. Kammer, Beschluss vom 5. April 2018 – 67 T 40/18, WuM 2018, 383). Diese Voraussetzungen sind nach dem bisherigen Vortrag der Beklagten erfüllt.
Die Beklagten haben behauptet, die von ihnen entfalteten Bemühungen zur Anmietung von Ersatzwohnraum seien bislang erfolglos geblieben, da sie trotz zahlreicher Bewerbungen auf dem stark angespannten Berliner Wohnungsmarkt innerhalb der Räumungsfrist keinen Ersatzwohnraum hätten anmieten können.
Das Amtsgericht hat eine Verlängerung der Räumungsfrist verneint, da sich die Beklagten nicht rechtzeitig und hinreichend intensiv um Ersatzwohnraum gekümmert hätten. Vierzig Bewerbungen seien „bei Weitem nicht ausreichend“. Damit allerdings hat es den jedenfalls konkludenten Vortrag der Beklagten nicht hinreichend zur Kenntnis genommen, ihrer Suche nach Ersatzwohnraum wäre bis zum Ablauf der gewährten Räumungsfrist selbst bei gesteigerten Anmietbemühungen der Erfolg versagt geblieben. Es kommt hinzu, dass im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens beklagtenseits weitere Anmietbemühungen behauptet worden sind. Auch diese hätten gemäß § 571 Abs. 2 ZPO Berücksichtigung finden müssen.
Bei der neuerlich im Rahmen des § 721 Abs. 3 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung wird das Amtsgericht den gesamten Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen und zu befinden haben, ob den Beklagten auch bei hinreichender Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis zum Ablauf der ursprünglichen Räumungsfrist möglich gewesen wäre. Dabei werden nicht nur die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu berücksichtigen sein. Es wird auch zu erwägen sein, ob den Beklagten mit Blick auf die zwischen den Parteien streitige Möglichkeit zur rechtzeitigen Beschaffung von Ersatzwohnraum nicht deshalb Beweiserleichterungen zu Gute kommen, weil die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in Berlin ausweislich der seit 2015 geltenden unterschiedlichen Mietenbegrenzungsverordnungen des Senats besonders gefährdet ist (vgl. Kammer, a.a.O.).
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestanden nicht, § 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wann ist eine Räumungsfristverlängerung möglich?
Eine Räumungsfristverlängerung in Deutschland kann unter bestimmten Bedingungen gewährt werden. Die wichtigsten Aspekte, die dabei zu beachten sind, umfassen die Gründe für die Verlängerung, die Antragsfrist und die Bedingungen, unter denen eine Verlängerung gewährt werden kann.
Gründe für eine Räumungsfristverlängerung
Die Suche nach einer Ersatzwohnung kann ein Grund für eine Räumungsfristverlängerung sein. Allerdings reicht der bloße Umstand des fehlenden Ersatzwohnraums nicht aus. Der Mieter muss während der gewährten Räumungsfrist intensiv und vergeblich nach Ersatzwohnraum gesucht haben. Die drohende Unterbringung einer Familie in einer Notunterkunft kann ebenfalls eine Verlängerung der Räumungsfrist rechtfertigen.
Antragsfrist
Der Antrag auf Verlängerung der Räumungsfrist muss spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist beim Prozessgericht schriftlich gestellt sein.
Bedingungen für eine Räumungsfristverlängerung
Ein Mieter sollte bereits nach Erhalt der Kündigung mit der Wohnungssuche beginnen, nicht erst nach einem rechtskräftigen Räumungsurteil. Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr betragen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass der Mieter sich intensiv um eine Ersatzwohnung bemühen muss. In einem Fall lehnte das Gericht eine Verlängerung der Räumungsfrist ab, weil der Mieter mit Familie sechs Wochen in Urlaub fahren wollte.
Es ist auch zu beachten, dass die Verlängerung der Räumungsfrist nicht davon abhängt, ob der Vermieter die Wohnung bereits weitervermietet hat.
Die rechtliche Landschaft rund um Räumungsfristverlängerungen kann herausfordernd sein, insbesondere in angespannten Wohnungsmärkten. Daher ist es ratsam, rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass alle Rechte und Pflichten als Mieter eingehalten werden.