LG Berlin – Az.: 51 T 567/17 – Beschluss vom 19.12.2017
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 19.09.2017 geändert.
Auf die Erinnerung der Schuldnerin wird festgestellt, dass der Schuldnerin der Betrag aus dem Erlös der Zwangsversteigerung vom 04.08.2017 von insgesamt 2.180,00 EUR von dem Gerichtsvollzieher für die Schuldnerin zu hinterlegen ist. Dieser Betrag ist der Schuldnerin auszuzahlen.
Im übrigen werden die Erinnerung und die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.
Gerichtskosten werden gemäß § 21 Abs. 1 GKG nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerin die Räumung zur Erzwingung von Wohn- und Kellerräumen betrieben.
Bei der am 02.06.2017 begonnenen und am 07.06.2017 beendeten Räumung wurde das Räumungsgut der Schuldnerin auf Kosten der Schuldnerin in die Pfandkammer Neukölln verbracht, nachdem von der Gläubigerin ein weiterer Vorschuss von 10.000,00 EUR abverlangt, von dieser zugesagt und später eingezahlt worden war.
Die Schuldnerin bat u. a. mit Email vom 06.06.2017 den Gerichtsvollzieher um Aushändigung des Räumungsguts.
Am 14.06.2017 unterzeichnete die Schuldnerin eine Empfangsbestätigung über aus dem Räumungsgut erhaltene 9 Kisten Papiere. Diese beinhalteten persönliche Unterlagen sowie Medikamente und Brillen.
Hinsichtlich des unpfändbaren und unverwertbaren Räumungsgutes (Kleidung und Hausrat) teilte der Gerichtsvollzieher ihr mit Email vom 22.06.2017 mit, dass diese nur im Wege einer einmaligen Abholung ausgehändigt werden könnten, da der beauftragten Spediteurfirma durch die Bereitstellung jedes mal Kosten entstehen würden.
Mit Schreiben vom 18.07.2017 verwies der Gerichtsvollzieher die Schuldnerin wegen deren Herausgabeverlangen auf eine Kostenaufstellung der beauftragen Speditionsfirma vom 18.07.2017 als Bedingung für die Abholung bzw. Auslösung des (pfändbaren) Räumungsgutes und verwies sie für weitere Details betreffend den Aufbau des Räumungsgutes für die angesetzte Versteigerung direkt an die Speditionsfirma. In dem mit „Kostenvoranschlag“ überschriebenen Anschreiben der Speditionsfirma vom 18.07.2017 wird die Abholung des gesamten Räumungsguts von der Begleichung einer Auslagerungsgebühr in Höhe von 566,44 EUR sowie einer Kaution von 1.000,00 EUR zur Kostenabdeckung für gegebenenfalls nicht vollständig abgeholte und zu entsorgenden Gegenstände abhängig gemacht.
Am 04.08.2017 wurde das Räumungsgut zu einem Gebot von 2.180,00 EUR versteigert. Der Gerichtsvollzieher erstelle hierzu ein Versteigerungsprotokoll vom 04.08.2017, in dem das Räumungsurteil als Schuldtitel aufgeführt wird. Das verwendete Formular bezieht sich auf „Pfandstücke“, wobei der Passus „die gepfändeten Sachen“ von Hand durchgestrichen und mit „Der Räumungsposten“ überschrieben worden ist. Mit Schreiben vom 08.08.2017 teilte der Gerichtsvollzieher den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin mit, dass der Erlös 2.180,00 EUR betrage und dass nach Abzug der Gerichtsvollzieherkosten (634,55 EUR) der Restbetrag zuzüglich des restlichen Vorschusses, insgesamt 2.233,61 EUR, an die Gläubigerseite überwiesen werde. Am 17.08.2017 überwies der Gerichtsvollzieher an die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin 2.180,00 EUR und 53,61 EUR.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
1) Inverwahrungnahme des Räumungsguts
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Inverwahrungnahme der beweglichen Sachen gemäß § 885 Abs. 3 Satz 1 ZPO richtet. Denn diesbezüglich ist die Erinnerung mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil die Inverwahrungnahme mit der Veräußerung des Gutes an einen Dritten nicht mehr fortbesteht. Auch steht der Zulässigkeit der Erinnerung die materielle Rechtskraft des Beschlusses des Landgerichts vom 03.08.2017 entgegen.
2) Nichtherausgabe des Räumungsguts auf Verlangen
Auch soweit die Erinnerung sich gegen die Verweigerung der Herausgabe des Gutes gemäß § 885 Abs. 4 ZPO richtet, ist sie wegen des Eigentums- und Besitzübergangs des Räumungsgutes auf die ersteigernde Person mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Zulässig wäre zwar eine bereits vor der Veräußerung eingelegte Erinnerung gewesen, so dass eine Erledigung der Erinnerung im Raume stehen könnte; indes kann ein Eingang des Schreibens der Schuldnerin mit Datum vom 02.08.2017 (Band I, Bl. 103 d. A.) vor dem 07.08.2017 (Eingangsstempel Bd. I, Bl. 100 d. A.) nach Aktenlage nicht festgestellt werden.
3) Veräußerung und Modalitäten der Veräußerung
Schließlich ist die Erinnerung auch unbegründet, soweit die Schuldnerin meint, sie sei mit ihrem Herausgabeverlangen vor der Veräußerung zu Unrecht abgewiesen worden, so dass die Versteigerung nicht zulässig war und sie sich gegen den Zuschlag selbst wendet mit dem Argument, das Räumungsgut sei unzulässig unter Wert versteigert worden, eine 2-monatige Abruffrist sei nicht eingehalten worden und sie sei bei der Versteigerung nicht zugelassen worden, womit die Öffentlichkeit nicht hergestellt worden sei. Dies stellt eine an sich eine statthafte Erinnerung gegen den Zuschlag dar, die aber nur bis zum Eigentumsübergang nach § 817 Abs. 2 ZPO zulässig ist.
4) Erlösverteilung
Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit sich die Schuldnerin mit der Erinnerung gegen die Erlösverteilung nach der Versteigerung vom 04.08.2017 wendet (Schreiben der Schuldnerin vom 05.10.2017, Bl. 151 d. A. „Der Restbetrag steht auch nicht der Gläubigerin zu, sondern der Beschwerdeführerin. … Die Verwertung des Hab und Guts der Schuldnerin ist nicht zur Befriedigung der Gläubigerin da, sondern für dass der Staat nicht auf die aufgelaufenen Kosten der Verwaltung sitzen bleibt“).
a) Zulässigkeit der Erinnerung
Gemäß §§ 885 Abs. 4, 817 ZPO ist die Erinnerung gegen die Erlösverteilung zulässig (Zöller, 31. Auflage, ZPO, § 817 Rn. 14). Zwar ist die Veräußerung gemäß § 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme; auf sie finden jedoch die Vorschriften über die Pfandverwertung entsprechende Anwendung (Prütting, aaO, § 885 Rn. 34). Der Verkauf durch den Gerichtsvollzieher gemäß § 885 Abs. 4 ZPO ist eine Maßnahme des Vollstreckungsverfahrens und kann somit vom Schuldner im Wege der Erinnerung gemäß § 766 ZPO angefochten werden. Der Verkauf ist lediglich keine Zwangsvollstreckung in die Sache (Prütting, aaO, § 885 Rn. 41).
Weil das Eigentum der Schuldnerin an dem Erlös fortbesteht (Surrogationsgrundsatz), ist die Annahme des angefochtenen Beschlusses vom 19.09.2017 unzutreffend, die Erinnerung sei unzulässig, weil die Versteigerung durch Eigentumsübergang bei Ablieferung beendet sei. Dies gilt nicht für den Erlös. Da unstreitig kein Pfandrecht der Gläubigerin an dem Räumungsgut bestand, das sich im Wege der Surrogation an dem Erlös fortsetzten könnte, ist die Erinnerung gegen die Erlösverteilung auch nicht deshalb unzulässig, weil diese in Form der Auszahlung des Erlösbetrages an die Gläubigerin mit der Folge deren Befriedigung wegen der (mit)vollstreckten Vollstreckungskosten bereits beendet wäre.
b) Begründetheit der Erinnerung
Die Erinnerung ist begründet, da der Gerichtsvollzieher entgegen der Rechtslage den Erlös (bisher) nicht zugunsten der Schuldnerin hinterlegt hat (§ 885 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Der bare Versteigerungserlös tritt an die Stelle der mit Ablieferung dem Meistbietenden lastenfrei übereigneten Sache (Surrogationsgrundsatz). Am Erlös setzen sich die an der veräußerten Sache erloschenen Rechte fort. Er steht somit im Eigentum der Schuldnerin. Ein an der versteigerten Sache bestehendes Gläubigerpfandrecht würde sich an dem Barbetrag fortsetzen, ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da das Räumungsgut nicht zur Befriedigung des Gläubigers gepfändet war und verwertet wird, sondern lediglich im Rahmen des § 885 Abs. 3 ZPO vom Gerichtsvollzieher verwahrt worden ist und nur zu dem Zwecke versteigert wird, ein weitere Ansteigen der Verwahrungskosten zu vermeiden, um das Kostenrisiko für den Gläubiger zu begrenzen, der die Verwahrungskosten vorzuschießen hat, sowie die Schuldnerbelange zu wahren. Die Versteigerung diente gerade nicht der Verwertung eines Pfandrechts im Rahmen der Vollstreckung einer Geldforderung in bewegliche Sachen. Der Verkauf nach § 885 Abs. 4 ZPO ist demgemäß selbst keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme (Prütting, ZPO, 9. Auflage, § 885 Rn. 34).
Ausgehend davon, dass der Barerlös als Surrogat im Eigentum der Schuldnerin steht, regelt § 885 ZPO, dass der Gerichtsvollzieher nach dem Verkauf von dem Erlös die von dem Gläubigervorschuss nicht gedeckten Kosten des Abtransports, der Lagerung, der Veräußerung sowie der Hinterlegung des Erlöses abdeckt und den Restbetrag für den Schuldner hinterlegt (Prütting, aaO, § 885 Rn. 36, LG Berlin DGVZ 73, 217). Eine Auszahlung des Betrages oder von Teilbeträgen hiervon an den Gläubiger – und sei es zur Deckung von dessen Anspruch auf Erstattung der Zwangsvollstreckungskosten gegen den Schuldner – ist danach per se gesetzeswidrig. Der Gläubiger kann Kompensation seines Vorschusses nur dann verlangen, wenn er zur Durchsetzung seiner Vollstreckungskosten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt hat (LG Kassel, Beschluss vom 06.08.1981, 6 T 235/81; Prütting, ZPO, 9. Auflage, § 885 Rn. 36). Zu Unterscheiden ist das Verfahren nach § 885 ZPO von dem nach § 885 a ZPO. Im Unterschied zu § 885 ZPO, bei welchem ein Vermieterpfandrecht durch die Wegschaffung der Gegenstände erlischt, bleibt bei § 885 a ZPO ein etwaiges Vermieterpfandrecht bestehen. Wird danach das Vermieterpfandrecht geltend gemacht, kann der Gläubiger seine Geldforderungen gegen den Schuldner durch Pfändungsvollstreckung in die Gegenstände vollstrecken. Alternativ kann er im Rahmen des § 885 a ZPO nach Wahl eine Verwertung nach §§ 372 ff BGB wählen.
Dass die durch den Gläubigervorschuss gedeckten Kosten des Abtransports und der Lagerung nicht vom Erlös abgezogen werden dürfen, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes: „und hinterlegt den Erlös“ (§ 885 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Dass im Vergleich hierzu die Reichweite des Zurückbehaltungsrechts bezüglich des Herausgabeverlangens betreffend das Räumungsgut weiter ist, weil dieses unabhängig von der Deckung durch den Gläubigervorschuss ist, ergibt sich gleichfalls aus dem eindeutigen Wortlaut „ohne binnen einer Frist …. die Kosten zu zahlen“ (§ 885 Abs. 4 Satz 2 ZPO) (Kindl u. a., aaO, § 885 Rn. 59 und 72).
Aus dem Schreiben des Gerichtsvollziehers an die Gläubigervertreter vom 08.08.2017 (Bl. 92 der Sonderakte) ergibt sich, dass es im vorliegenden Fall nach Abzug der Gerichtsvollzieherkosten von dem Veräußerungserlös und Auszahlung des vollen Versteigerungserlöses von 2.180,00 EUR an die Gläubigerin noch einen Rest an Vorschuss gab, der gleichfalls an die Gläubigerin zurückgezahlt werden sollte. Daraus folgt, dass bei dem Gerichtsvollzieher keine Kosten entstanden waren, die nicht vom Gläubigervorschuss gedeckt waren. Daher können diese Kosten vom Gerichtsvollzieher nicht vom Erlös abgezogen bzw. einbehalten werden.
Etwas anderes gilt nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung für die Kosten der Veräußerung/Versteigerung selbst. Bei diesen komme es nicht darauf an, ob diese vom Gläubigervorschuss gedeckt waren. Diese habe der Gerichtsvollzieher in jedem Fall vor der Hinterlegung für den Schuldner aus dem Erlös abzudecken. Grund hierfür sei, dass der Gläubigervorschuss für die Veräußerungskosten von vorne herein nicht einstehe, da die Veräußerung einzig den Belangen des Schuldners diene. Die Verwertung sei nicht Teil, sondern Folge der Räumungsvollstreckung. Sie diene alleine der Wahrung der Schuldnerbelange bezüglich des nicht abgeholten Eigentums und deren Kosten könnten daher nicht zu Lasten des Gläubigers gehen. Da der Gläubiger hier nicht Kostenschuldner sei, müsse auch dessen Vorschuss für diese Kosten nicht einstehen (Zöller, aaO, § 885 Rn. 28; Wieczorek, aaO, § 885 Rn. 76; so im Ergebnis LG Kassel, Beschluss vom 06.08.1981, 6 T 235/81).
Ob die Kosten der Veräußerung unabhängig von der Deckung durch den Gläubigervorschuss vom Erlös vor Hinterlegung abzuziehen sind, kann hier dahinstehen. Denn vorliegend scheidet der Abzug dieser Kosten schon deshalb aus, weil die Voraussetzungen der Verwertung bzw. Veräußerung nicht vorlagen, als diese durchgeführt wurde und die durch sie entstehenden Kosten daher nicht von der Schuldnerin zu tragen sind.
Auf das entsprechende Herausgabeverlangen hat der Gerichtsvollzieher dem Schuldner das Räumungsgut herauszugeben, darf dies aber von der Zahlung der Transport- und Verwahrungskosten abhängig machen (Wortlaut § 885 Abs. 4 Satz 2 ZPO, Prütting/Gehrlein, ZPO, 9. Auflage, § 885 Rn. 30, Wieczorek, aaO, § 885 Rn. 64), und zwar auch dann, wenn wie vorliegend diese Kosten von dem Gläubigervorschuss gedeckt sind (s.o., KG MDR 75, 235, Zöller/Stöber, ZPO, § 885 Rn. 22; a. A. Prütting, aaO, § 885 Rn. 30, LG Essen DGVZ 89, 153, LG Berlin MDR 72, 249, Wieczorek, aaO, § 885 Rn. 64; Kinl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, 3. Auflage, § 885 Rn. 59). Die Herausgabe darf dagegen nicht von der Zahlung der sonstigen Vollstreckungskosten, genauer der Räumungskosten einschließlich der Kosten der Wegschaffung aus der Wohnung, abhängig gemacht werden. Dies grundsätzlich beachtend hat der Gerichtsvollzieher der Schuldnerin mit Schreiben vom 18.07.2017 (Bl. 72 der Sonderakte) mitgeteilt, dass sie die Kosten der Transportfirma zu zahlen habe, um das Räumungsgut zurückzuerhalten. Dabei hat der Gerichtsvollzieher jedoch auf einen „Kostenvoranschlag“ der Speditionsfirma (Bl. 71 der Sonderakte) Bezug genommen und die Schuldnerin mit ihrem Herausgabeverlangen an diese Firma verwiesen. Dies ist unzulässig. Die Schuldnerin darf und muss sich auch nur an den Gerichtsvollzieher halten und darf und muss sich nicht mit der eingeschalteten Spedition auseinandersetzen (Prütting, aaO, § 885 Rn. 30). Dieser Verweis stellt bereits eine Verweigerung der Herausgabe durch den Gerichtsvollzieher selbst dar, der aber gerade in Person zur Herausgabe verpflichtet ist, wobei er oben bezeichnetes Zurückbehaltungsrecht hat. Der Kostenvoranschlag der Speditionsfirma wird auch den inhaltlichen Anforderungen nicht gerecht, da er die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts des Gerichtsvollziehers nicht einhält. Zwar dürfte die verlangte „Auslagerungsgebühr“ von 566,44 EUR zu den Transport- und Lagerkosten gehören, deren Zahlung von der Schuldnerin vor der Aushändigung der pfändbaren Habe verlangt werden kann. Indes ist die Forderung einer Kaution für möglicherweise künftig entstehende Vernichtungskosten gesetzlich nicht vorgesehen und somit unzulässig. Auch durfte die Schuldnerin bezüglich ihres Herausgabeverlangens nach unpfändbaren und unverwertbaren Gegenständen nicht damit abgewiesen werden, sie müsse dann alles auf einmal abholen. Zwar trifft es zu, dass der Gerichtsvollzieher nicht verpflichtet ist, bestimmte Sachen für die Schuldnerin herauszusuchen. Jedoch wäre der Schuldnerin auf ihr Begehr hin durch den Gerichtsvollzieher ein Zeitpunkt zu nennen, zu dem sie die unpfändbaren und unverwertbaren Dinge abholt, auch wenn sie nicht alle diese Gegenstände in einem Zuge mitnimmt oder überhaupt nur einen Teil. Denn diese Gegenstände sind der Schuldnerin ohne jede Einschränkung und ohne Zurückbehaltungsrecht herauszugeben (Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Zwangsvollstreckung, 3. Auflage, § 885 Rn. 59). Eine Verpflichtung, alle Gegenstände auf einmal abzuholen, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Die für jede Bereitstellung jedesmal neu entstehenden Speditionskosten, die zu den Transport- und Lagerkosten zu zählen sind, können ihrerseits seitens des Gerichtsvollziehers mittels Zurückbehaltungsrecht gegen das Herausgabeverlangen der Schuldnerin betreffend die pfändbaren Gegenstände verlangt werden.
Damit stand dem Gerichtvollzieher zwar ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Transport- und Lagerkosten hinsichtlich des pfändbaren Räumungsguts zu, war die Zurückweisung des Herausgabebegehrens seitens des Gerichtsvollziehers jedoch gleichwohl rechtwidrig, da die Herausgabe an unzulässige Bedingungen geknüpft worden ist. Damit liegen die Voraussetzungen zur Durchführung der Verwertung nicht vor.
Aus allem folgt, dass die Vollstreckungskosten des Gläubigers (Räumungskosten bzw. Kosten des Umzugsunternehmens einschließlich der Herausschaffung des Räumungsguts auf die Straße, einschließlich Schlüsseldienst), die er bevorschusst hat, vor der Hinterlegung nicht vom Erlös abgezogen werden dürfen und eine Auszahlung von Geldbeträgen an den Gläubiger ausgeschlossen ist. Abzuziehen sind vor der Hinterlegung lediglich die Kosten des Abtransports, der Lagerung, der Veräußerung sowie der Hinterlegung des Erlöses, soweit sie von dem Gläubigervorschuss nicht gedeckt sind (was vorliegend nicht der Fall ist), sowie die Kosten der Veräußerung selbst, soweit die Voraussetzungen der Veräußerung vorlagen (was vorliegend nicht der Fall ist).
Daher war der Barbetrag von 2.180,00 EUR in voller Höhe für die Schuldnerin zu hinterlegen. Eigentümerin dieses restlichen Barbetrages ist die Schuldnerin. Der Gläubigerin steht es frei, einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich ihrer Forderung aus § 788 Abs. 1 ZPO gegen die Schuldnerin wegen der entstandenen Vollstreckungskosten zu erwirken.
Auch durch die faktisch am 17.08.2017 erfolgte Überweisung eines Betrages von 2.180,00 EUR (gesamter Erlös) an die Gläubigerin ändert sich nichts an den Eigentumsverhältnissen an dem für die Schuldnerin zu hinterlegenden Barerlös. Auch ist durch die Überweisung der Auskehrungsanspruch der Schuldnerin gegen den Gerichtsvollzieher nicht erloschen, weil die Zahlung an einen Nichtberechtigten keine schuldbefreiende Wirkung hat, § 362 Abs. 2 BGB. Aus diesem Grund fällt mit der Auszahlung auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung weg. Der Erlös ist nach wie vor von dem Gerichtsvollzieher zu hinterlegen und an die Schuldnerin auszukehren.
An der Hinterlegung des vollen Betrages zugunsten der Schuldnerin ändert auch die Erklärung der Aufrechnung durch die Gläubigerin im Schriftsatz vom 01.12.2017 nichts. Der Anspruch der Schuldnerin auf Auskehrung des zu hinterlegenden Betrages richtet sich gegen den Gerichtsvollzieher, nicht gegen die Gläubigerin.
Der Umstand, dass der Erlös aus der Versteigerung nach § 885 Abs. 4 ZPO – schon nach seinem Wortlaut: „hinterlegt den Erlös“ – nicht dem Gläubiger zusteht, sondern nur die vom Vorschuss nicht gedeckten Verwahrungskosten deckt und im übrigen für den Schuldner zu hinterlegen ist, dass also der Gläubiger an der Inverwahrungnahme des Räumungsgutes nach § 855 Abs. 3 ZPO gar kein eigenes Interesse hat, sondern dies für ihn im Gegenteil mit einem weiteren Kostenrisiko (bezüglich der Verwahrungskosten) verbunden ist, korrespondiert damit, dass der Gerichtsvollzieher im Sinne einer Obhutspflicht für das Räumungsgut des Schuldners nur dann das Räumungsgut überhaupt in Verwahrung nehmen muss, wenn er es ansonsten unbeaufsichtigt auf der Straße stehen lassen müsste, weil der Schuldner nicht anwesend ist oder die Entgegennahme verweigert. Eine darüber hinausgehende Verantwortung für das Schicksal des Räumungsgutes trifft weder den Gläubiger noch den Gerichtsvollzieher, wie sich aus folgendem ergibt:
In rechtlicher Hinsicht regelt § 885 Abs. 2, 3 ZPO die Vorrausetzungen einer Verwahrungnahme des Umzugsgutes durch den Gerichtsvollzieher: Bei der Räumungsvollstreckung werden diejenigen Sachen, die nicht zum Vollstreckungsgegenstand (Wohnung) zählen und auch nicht wegen beizutreibender Kosten zu pfänden sind (Sachpfändung), vom Gerichtsvollzieher verpackt (ein Anspruch auf Sortierung der Sachen besteht nicht), entfernt und dem Schuldner oder einer dazu ermächtigten Person außerhalb des Grundstückes bzw. der Räume übergeben. Die grundsätzliche Notwendigkeit der Wegschaffung beweglicher Sachen aus der Wohnung bzw. vom Grundstück ergibt sich bei dem Verfahren nach § 885 ZPO daraus, dass er andernfalls dem Gläubiger Gewahrsam an nicht zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung gehörenden Sachen verschafft, bzw. der Besitz belastet durch die verbliebenen Gegenstände verschafft wird. Das Ziel der unbelasteten Besitzverschaffung des Räumungsgegenstandes ist schon dann erreicht, wenn die Sachen auf die Straße geschafft worden sind. Nur dann, wenn weder der Schuldner noch ein ermächtigter Dritter dort anwesend ist oder die Entgegennahme des Räumungsgutes verweigert wird (Wortlaut § 885 Abs. 3 ZPO), darf der Gerichtsvollzieher die wegzuschaffenden Sachen nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern muss sie in Verwahrung nehmen (Prütting, § 885 Rn. 25, 27). Die Verwahrungnahme ist danach nicht schon dann zulässig, wenn der anwesende Schuldner faktisch und praktisch nicht sofort und in einem Zuge zur Wegschaffung des Umzugsgutes von Ort und Stelle in der Lage ist, solange er nicht die Entgegennahme aktiv ablehnt. Dies gilt erst recht dann, wenn er gar ausdrücklich erklärt, er wolle das Räumungsgut entgegen nehmen und es dürfe nicht vom Gerichtsvollzieher in Verwahrung genommen werden. Verbleibt das Umzugsgut dann zunächst „auf der Straße“, bis der Schuldner eine Transportmöglichkeit organisiert hat oder weil er mehrere Touren fahren muss, so liegt dies alleine im Verantwortungsbereich des Schuldners als Eigentümer des Räumungsgutes.
Dass die bloße praktische Unmöglichkeit des Schuldners, die Sachen sofort abzutransportieren, als Rechtfertigung der Verwahrungnahme nicht genügt, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 885 ZPO. Dieser hat nicht den Zweck, dem Gerichtsvollzieher eine hoheitliche Ermächtigung zur Wegschaffung von Gegenständen, die im Eigentum einer anderen Person (des Schuldners) stehen, zu verschaffen, damit öffentlich rechtliche Belange wie das Freisein der Gehwege von Hindernissen und/oder Abfall gewahrt werden, soweit der Schuldner gewillt ist, die Verantwortung für die aus der Wohnung geschafften Gegenstände zu übernehmen. Die Überwachung der Einhaltung dieser Belange ist alleine Sache der Ordnungsbehörde. Ob im Einzelfall etwas anderes gilt, wenn die zu räumende Wohnung komplett zugestellt und vermüllt ist, kann hier dahinstehen.
Auch ist Zweck des § 885 Abs. 3 ZPO keinesfalls das Interesse des Gläubigers an der Befriedigung seiner Kosten aus dem ggfs. in Aussicht stehenden Veräußerungserlös.
Sinn und Zweck des § 885 Abs. 3 ZPO ist alleine der Schutz des Eigentums des Schuldners vor Beschädigung oder Verlust durch Witterung und Diebstahl. Dieser Schutz liegt, solange kein Pfandrecht des Gläubigers an den Gegenständen besteht, in der Dispositionsfreiheit des Schuldners, der über das Schicksal seiner Sachen entscheiden darf. Hiermit korrespondiert auch der Umstand, dass der Gerichtsvollzieher, der grundsätzlich die Sachen nicht in die neue Wohnung des Schuldners zu schaffen braucht, im Einzelfall verpflichtet sein kann, die Verbringung der Sachen zur neuen Wohnung des Schuldners oder sonstigen Räumlichkeiten des Schuldners zu veranlassen, wenn diese sowohl sicher und problemlos möglich ist als auch auf diese Art und Weise entweder höhere Transport- und Verwahrungskosten gespart werden können oder der Schuldner die auf dem Transport zu seiner Wohnung beruhenden, höheren Kosten vorschießt (Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Auflage, § 855 Rn. 49).
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog die Gläubigerin zu tragen, da die Beschwerde weit überwiegend begründet ist. Soweit die Beschwerde begründet ist und damit das Vollstreckungsverfahren nicht ordnungsgemäß geführt worden ist, handelt es sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 Abs. 1 ZPO. Soweit die Beschwerde unbegründet ist, greift § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ein.
Eine Kostenauferlegung auf die Gläubigerin gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog würde dann ausscheiden, wenn die Gläubigerin, soweit die Beschwerde erfolgreich ist, keine Parteistellung innehätte und das Erinnerungsverfahren insoweit nicht kontradiktorisch wäre. Nach einer vertretenen Auffassung erfolgt die Veräußerung des Räumungsguts im Rahmen des § 885 ZPO durch den Gerichtsvollzieher alleine zur Wahrung der Schuldnerbelange. Sie betreffe alleine das Rechtsverhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Schuldner. Der Gläubigervorschuss stehe nicht für die Veräußerungskosten ein (siehe oben). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Denn bei den Veräußerungskosten handelt es sich nicht um Kosten, die lediglich bei Gelegenheit der vom Gläubiger veranlassten Räumungsvollstreckung entstanden sind, sondern um zwangsläufig entstandene Folgekosten. Auch sieht § 885 ZPO eine Differenzierung zwischen Vollstreckungsmaßnahmen im engeren Sinne auf Kosten des Gläubigers und anderen Maßnahmen nicht vor (Wieczorek, aaO, § 885 Rn. 76 m. w. N.).